nachgeschrieben 08.08.2021
Start: 15:30 Uhr
Ende:16:20 Uhr
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Nervös ging Isabelle durch den sonnendurchfluteten Raum. Warum verging die Zeit nur so langsam, wenn man auf etwas wartete? Das hier waren bestimmt die längsten Minuten in ihrem Leben. Und so ganz traute sie sich auch gar nicht, dem Ergebnis gleich alleine ins Auge zu blicken.
Es war ja auch nur so ein Bauchgefühl. Vielleicht war ja auch gar nichts. Außerdem wusste sie auch gar nicht, ob sie sich nun freuen sollte oder nicht. Also wenn. Sie blieb am Küchenfenster stehen und trommelte mit ihren Fingern auf der Fensterbank. Natürlich könnte sie auch warten. Auf die paar Minuten mehr kam es nun auch nicht mehr an. Einziges Problem war nur, dass sie ihren wagen, vermutlich an den Haaren herbeigezogenen Verdacht bisher nicht geäußert hatte. Denn sie war sich doch sicher. Es konnte doch gar nichts sein. Oder doch?
Unruhig schob sie die beiden Kräutertöpfchen von links nach rechts. Nachdenklich betrachtete sie die Rosenstöcke vor dem Fenster. Die wunderschönen hellroten Blüten funkelten in der Vormittagssonne. Leise seufzend wandte sie sich ab und warf einen prüfenden Blick zur Uhr. Die Zeit war um. Warten oder sich gleich vergewissern? Vielleicht spielte ihr der Bauch ja auch nur einen bösen Streich? Oder war sie deswegen so durcheinander, weil ihr bewusst war, dass vielleicht doch etwas dran sein könnte an diesem diffusen Gefühl?
Es half ja nichts. Hinauszögern machte es nicht besser. Und egal was nun Sache war, es wäre kein Weltuntergang. Nur vielleicht ein bisschen überstürzt. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie sich der Antwort stellte und es schlug noch heftiger als sie anfing zu begreifen. Und noch während sie sich sortierte, knarzte die Haustür. Überrascht drehte sie sich herum und ließ den kleinen Gegenstand in ihrer Hosentasche verschwinden. Dann eilte sie ihrem Mann entgegen und versuchte eine neutrale Miene aufzusetzen.
Jan legte einen Finger auf die Lippe, deutete an sich herunter und legte das Schlüsselbund auf dem Sideboard ab.
"Sie ist gerade eingeschlafen", erklärte er und reichte ihr den Korb mit den Lebensmitteln, die er auf seinem Spaziergang besorgt hatte.
Isabelle schob den Stoff des Tragetuchs vorsichtig beiseite. Ganz sanfte küsste sie den Flaum des Babyköpfchens. Die Kleine schmatzte und schlief ruhig weiter. Dann hob sie den Kopf und entschied impulsiv.
"Wir müssen reden", sagte sie leise. Fragend ruhten seine Augen auf ihr. Wortlos hangelte sie das Stäbchen hervor und drückte es ihm in die Hand.
Wie lange doch Zeit werden kann, wenn man auf etwas wartet.
Zum Beispiel auf die Reaktion des Partners, wenn man gerade selbst nicht weiß, was man fühlen soll.
Und wie unangenehm es im Bauch zieht, wenn man seinem eigenen Gefühl nicht traut.
Jans Mimik wandelte sich in wenigen Sekunden von fragend in verwundert. Dann zwinkerte er ein paar Mal und endlich hoben sich seine Mundwinkel. Ihre Erleichterung war in diesem Moment grenzenlos und erst nun begriff Isabelle, dass sie sich auf das freute, was doch eigentlich gar nicht geplant gewesen war.
Jan ließ die Hand sinken, in der er den Schwangerschaftstest hielt.
"Aber", stammelte er.
"Ich weiß", murmelte sie und wurde rot. "Wir haben wohl nicht gut genug aufgepasst", fügte sie hinzu.
Er lächelte zerknirscht und deutete auf das schlafende Baby an seiner Brust.
"Da wird also jemand sehr schnell zur großen Schwester." Er sah sie zögernd an und hob eine Augenbraue. "Oder ist das zu früh? Willst du es nicht bekommen?", fragte er.
Erschrocken nahm sie seine Hand. Sie waren sich einig gewesen, dass sie noch ein weiteres Kind wollten. Nur eben nicht so kurz nach Ellis Geburt. Aber jetzt war es nun mal so.
"Um Gottes Willen, Jan. Das kommt für mich nicht in Frage. Klar, ich hätte gerne gewartet, bis Elli ein bisschen älter ist. Es wird vermutlich anstrengend mit einem so kleinen Kind. Ich war mir aber nicht sicher, ob du dich freust", gab sie dann vorsichtig zu.
Zu ihrer großen Überraschung brach Jan in ein lautes Lachen aus, welches auch ihre Tochter weckte. Verschlafen gab sie einen kleinen Protestton von sich.
"Liebling, du bist wirklich manchmal ulkig." Jan wischte sich eine Lachträne aus den Augen und streichelte Elli beruhigend über den Rücken,
"Es war ja nur so ein Bauchgefühl", erwiderte Isabelle, aber auch sie musste längst schmunzeln.
Jan beugte sich zu ihr und gab ihr einen langen Kuss.
"Offenbar ist der schon verwirrt durch die Hormone", meinte er belustigt. Dann wurde er ernst und fuhr mit einem Finger unter ihr Kinn.
"Du darfst dich jetzt auch freuen!"