Inhalt: Sammlung von Gedanken und Eindrücken.
Eindruck/Gedanken:
Der Autor Fernando Pessoa ist für seine Heteronyme bekannt – Personen, in deren Namen er schreibt und für die er Aussehen, Biographie und Persönlichkeit entwickelt hat. Wie Pessoa selbst schreibt, handelt es sich bei Bernardo Soares insofern um ein Halbheteronym, dass die Beiden die Persönlichkeit teilen, wobei Soares allerdings eine „Verstümmelung“ von Pessoa ist: „Soares ist ich, allerdings ohne mein Denkvermögen und ohne meine Emotionalität.“ Viele der Texte im Buch der Unruhe dürften also auf eigene Gedanken Pessoas zurückgehen, der sie in über 20 Jahren – zwischen 1913 und 1934 – geschrieben und gesammelt hat. Dabei konnte er das Buch zu Lebzeiten nicht mehr veröffentlichen, sodass das Werk eine Zusammenstellung von Editoren ist, die seine Notizen zu entschlüsseln und in eine sinnvolle Reihenfolge zu bringen versucht haben, die von der Intention des Autors abweichen mag. Pessoa war ein vielschichtiger Charakter, was sich auch an diesem Werk zeigt. Die Gedanken sind oft düster, melancholisch und traurig, oft philosophisch, manchmal abstrakt und gelegentlich konnte ich seine Einsichten nicht teilen. Seine expliziten Schilderungen von Gedanken zur Sexualität wirken bisweilen abstoßend und seltsam steril, was an der Unemotionalität der Figur liegen mag. Doch die meiste Zeit haben mich die Texte auf eine Art und Weise berührt und inspiriert, die schwer in Worte zu fassen ist. Es war, als spräche er mir aus der Seele, als würde ich die tiefgründigen Gedanken, die tief in mir schlummerten, aber bisher unausgesprochen geblieben waren, plötzlich in diesem Fremden wiederfinden. Träumerisch spricht er von der Fremdheit im Leben, der Unwirklichkeit allen äußeren Seins und der Wirklichkeit der Seele sowie der Einsamkeit als Chance und als Freiheit. Seine atmosphärischen Schilderungen der Umgebung untermalen die Stimmung dabei zauberhaft.
Die Liste der Zitate, die mich besonders inspiriert haben, ist fast 20 Seiten lang, weshalb ich sie an dieser Stelle nicht präsentiere und mit der Empfehlung verbleibe, dieses Buch unbedingt zu lesen, wer tiefsinnige Lektüre schätzt. Ich habe jedenfalls noch nie ein Buch gelesen, dass so intensiv zu mir gesprochen hat.