Drei Kameradinnen (Shida Bazyan), April 2022
Inhalt: Die Ich-Erzählerin Kasih erzählt von ihrem Leben und dem ihrer beiden Freundinnen Saya und Hani als Migranten in Deutschland.
Eindruck/Gedanken:
Das Buch ist ein grandioser Perspektivwechsel und schildert das Leben von Migranten aus der Innenperspektive und den verbreiteten Rassismus in Deutschland. Die drei Freundinnen kommen aus unterschiedlichen Ländern, haben unterschiedliche Flucht-/Migrationsgründe, doch die Erzählerin bleibt bewusst vage, weil es für sie keine Rolle spielt und sie sich lieber auf das Kernthema, das Leben in Deutschland, konzentrieren will. Anekdotenhaft schildert sie Szenen aus ihren Leben, zusammengehalten durch einen Gerichtsprozess gegen rassistische Morde, der als roter Faden den Roman durchzieht und die Erzählgegenwart prägt. Durch Vorausdeutungen und Rückblenden wird Spannung erzeugt, während Alltagsrassismus und dessen mörderische Ausprägungen erklären, warum keine der Freundinnen wirklich Vertrauen in Deutschland hat, besonders da es die meisten Deutschen nicht interessiert, wie es ihnen damit geht. Die Erzählerin/Autorin scheut sich auch nicht, den Leser direkt anzusprechen und auch anzugreifen, sodass man unwillkürlich seine eigenen Ansichten hinterfragen muss. Wie unterschiedlich Perspektiven sind, wird immer wieder deutlich, z.B. wenn eine weiße Frau Frauen in einer Fernsehshow als Erfolg für Benachteiligte wertet und die Ich-Erzählerin eben nur die weißen Frauen sieht. Und auch das Argument, dass ja nicht alle (heftige) Rassisten wären, hebelt sie aus: „Als ob es weniger wehtut, wenn nur 23 Prozent deine Existenz zur Diskussion stellen wollen und immerhin nicht alle.“ Am Ende bleiben schließlich viele Fragen, aber auch einige Verwirrspielchen enden – das Ende als letzter Angriff auf Deutschland ist jedenfalls unerwartet und fantastisch konstruiert. Eine unbedingte Leseempfehlung!