3. Allein
Stunden später stand ich ausgelaugt und am Ende meiner Kräfte erneut am Pier. Mein verletztes Knie hatte sich inzwischen gefühlsmäßig zu einer schmerzenden Faust geballt, während meine Fußsohlen von der endlosen Lauferei schlichtweg zu qualmen schienen. Ich hatte sämtliche Hotels, Motels und Pensionen in und um die Ocean Avenue aufgesucht und überall dieselbe Antwort erhalten: Sorry, alles belegt. Schließlich sei Saison, da müsse man schon vorbuchen, bla bla bla…
Eine freundliche Angestellte einer weiteren Touristik Information hatte sich sogar die Mühe gemacht, in ihrem Computer nach freien Zimmern zu suchen, leider ohne Erfolg. Sie hatten in dieser Stadt nicht einmal eine Abstellkammer für mich.
Aus purer Verzweiflung entschloss ich mich schließlich doch noch zu einem Anruf vom Münzfernsprecher aus nach Deutschland. Allerdings verkündete mir die blechern klingende Computerstimme des Operators wie zum Hohn völlig emotionslos, dass eine Verbindung aus unerfindlichen Gründen momentan leider nicht möglich sei. Und so etwas mitten im Zeitalter modernster Technik!
Langsam fragte ich mich, warum ausgerechnet ich in dieser Misere stecken musste, und nicht er? Schließlich war er allein an allem schuld!
Trotzdem war ich nun einmal diejenige, die Hals über Kopf weggelaufen war. Demzufolge musste ich auch die Konsequenzen dafür tragen.
Inzwischen war es bereits dunkel, und auf dem Pier herrschte ein ähnlich reges Treiben wie auf einem Jahrmarkt.
Das von einem Beamer angestrahlte Riesenrad drehte sich unermüdlich und präsentierte sich als weltbekannte Attraktion weithin sichtbar inmitten einer einmaligen Lichtershow in allen erdenklichen Farben. Die Achterbahn raste in halsbrecherischem Tempo die Schienen entlang und entlockte einigen ihrer zahlreichen Fahrgäste gellendes Angstgeschrei, wenn die farbenfroh beleuchteten Wagen sich, einer riesigen Raupe gleich, rasant in die Kurven legten und von oben herab talwärts stürzten.
Von den verschiedenen Imbiss-Ständen wehte ein verführerisch süßer Duft von Popcorn und Zuckerwatte herüber und vermischte sich mit dem markanten Geruch nach Pommes und frisch Gegrilltem.
Während ich langsam in das bunte Getümmel eintauchte und mich ziellos mittreiben ließ, drang von den zahlreichen Souvenirbuden und Fahrgeschäften beschwingte Musik zu mir herüber.
Außerdem hatten sich einige Straßenmusiker eingefunden, die mit ihren mehr oder weniger talentierten Darbietungen die Leute zu unterhalten versuchten. Meistens waren es Musikstudenten, die sich einfach ein paar Dollar verdienen wollten, um auf diese Art ihr Studium finanzieren zu können.
Am Ende des Piers sang eine junge Afroamerikanerin bekannte Balladen und spielte dazu auf ihrer Gitarre. Um sie herum hatten sich bereits einige Leute versammelt, und auch ich blieb stehen und lauschte beeindruckt ihrer faszinierend rauchigen Stimme.
Die Erinnerungen kamen, ohne dass ich es verhindern konnte. Ich sah mich in Gedanken gemeinsam mit Freunden am Rosbehy Creek in Kerry am Lagerfeuer sitzen, wo wir genau diese Lieder gesungen hatten, während ich dazu auf der Gitarre spielte. Irgendwann an jenem Abend war er plötzlich aufgetaucht. Ich hatte ihn noch nie vorher dort gesehen. Er stand da, sah zu mir herüber und hörte andächtig zu, bis er sich irgendwann wie selbstverständlich zu uns setzte. Zu mir, um es genau zu sagen. So hatte unsere Romanze begonnen.
Ich spürte, dass meine Kehle erneut bedrohlich eng wurde und wandte mich schnell ab. Hastig ging ich weiter und kämpfte mit aller Kraft gegen die aufsteigenden Tränen.
Solche unkontrollierbaren Gefühlsausbrüche waren mir bislang fremd gewesen, denn ich gehörte nun wirklich nicht zu den Frauen, die bei jeder Gelegenheit in der Öffentlichkeit hemmungslos losheulten. Aber ich hatte mich auch noch niemals in meinem Leben so schmerzlich einsam und verraten gefühlt wie heute.
Im Waschraum eines Fastfood-Restaurants betrachtete ich mich zum ersten Mal seit meiner überstürzten Abreise aus Dublin im Spiegel und wich erschrocken zurück. Ich sah furchtbar aus. Zumindest empfand ich selbst das in diesem Moment so, denn mein dunkles Haar wirkte stumpf und struppig wie das Fell eines streuenden Straßenköters, ich war blass und übernächtigt, und meine braunen Augen starrten mich traurig aus dem halbblinden Spiegel heraus an und wirkten riesig in meinem schmalen Gesicht.
Oh Gott, wenn er mich jetzt so sehen könnte!
Nachdem wir uns bereits ein paar Monate kannten und ich ihm einige Dinge aus meinem früheren Leben und meiner Kindheit erzählt hatte, begann er mich liebevoll „Birdy“ zu nennen, in Anlehnung an den kleinen Vogel aus der bekannten britischen TV-Kinderserie, der von seinen Vogeleltern schon frühzeitig aus dem Nest verstoßen wurde, sich fortan allein durchs Leben schlagen musste und dabei allerhand verrückte Abenteuer erlebte. Ich versuchte ihm daraufhin klarzumachen, dass ich keineswegs von meinen Eltern verstoßen worden war. Sie zeigten lediglich weniger Interesse an ihrem Nachwuchs als an ihren eigenen Problemen, und das Wort „Nestwärme“ war in ihrem Vokabular vermutlich irgendwo unter „Fremdwörter“ abgespeichert. Trotzdem kam ich irgendwie klar und schuf mir meine eigene Welt, bestehend hauptsächlich aus Film- und TV, aus meiner Liebe zum Pferdesport und aus meinen Freunden, allen voran Caitlin. Sie war quasi mein "zweites Ich". Auf sie konnte ich immer zählen, wir waren einander so vertraut wie man das sonst nur von eineiigen Zwillingen kennt.
Caiti war stets ehrlich zu mir. Das einzige, was ich ihr nie glaubte, war ihre hartnäckige Behauptung, dass sie mich beneidenswert hübsch fand. Ich nahm ihr das nicht ab, denn ich selbst sah mich anders. Sobald ich in den Spiegel blickte, glaubte ich, eine Fremde zu sehen. Meine Augen schienen mir zu groß, die Augenbrauen zu dick, der Mund zu breit, die Haare zu farblos, mein Körper nicht kurvenreich genug und so weiter. Ich hatte immer etwas an mir auszusetzen, und so begann ich schon recht frühzeitig, mein wahres Ich hinter einer Fassade aus Farben zu verstecken. Ich kleidete mich flippig und extravagant, trug mein Haar anders als die anderen Mädchen und fühlte mich in der Rolle der Rebellin irgendwie geborgen. Nur Caiti durfte wissen, wie ich wirklich war. Und Eric, mein um neun Jahre jüngerer Bruder, den ich nach wie vor abgöttisch liebe und den ich, solange ich zurückdenken konnte, als große Schwester umsorgte, so gut ich konnte, um ihm die Liebe und Herzenswärme zu geben, die meine Mutter nicht zu geben imstande war.
In Irland hatte ich dann irgendwann damit begonnen, die Maske abzulegen, hinter der ich mich jahrelang versteckt hielt. Die Menschen dort mit ihrer ehrlichen Freundlichkeit, ihrer Toleranz und Herzlichkeit waren einer der Gründe dafür, ebenso wie Dr. O`Neill, für den ich während meiner zahlreichen Praktika arbeitete, und mit dem mich mittlerweile eine herzliche Freundschaft verband. Und nicht zuletzt das Land selbst. Irland veränderte mich. Diese magische grüne Insel mit ihrer rauen, natürlichen Schönheit hatte nach und nach aus mir einen anderen Menschen gemacht. Bereits nach relativ kurzer Zeit begann ich dieses Land zu lieben und die Gegend rund um Kerry als meine neue Heimat zu betrachten. Irgendwann ließ ich die rebellische Zeit ein für alle Mal hinter mir und begann mich zu öffnen: für ein neues Zuhause, für neue Freunde und für ihn, von dem ich glaubte, dass er die Liebe meines Lebens sei…
Ich spürte, wie sich meine Kehle erneut verengte und versuchte genau wie schon so oft an diesem Unglückstag mit aller Macht, die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken. Schnell kramte ich ein Taschentuch aus meiner Tasche hervor und putzte mir geräuschvoll die Nase. Und noch während ich mich selbstkritisch im Spiegel betrachtete, spürte ich plötzlich tief in mir, dass sich meine verloren geglaubten Lebensgeister langsam aus irgendeiner verborgenen Ecke meines Selbstbewusstseins hervorzuwagen begannen.
Nein!
Er würde mich niemals so sehen, verlassen und der Verzweiflung nahe, diese Genugtuung würde ich ihm nicht geben! Nicht in diesem Leben!
Entschlossen öffnete ich meinen Rucksack und begann mich mit den wenigen Hilfsmitteln, die mir zur Verfügung standen, etwas zurechtzumachen. Mit dem Kamm brachte ich Schwung in mein durchgestuftes Haar, das ich in den letzten Monaten etwas länger als gewohnt trug, und das mir mittlerweile bis zu den Schultern reichte. Dann verteilte ich ein wenig Mascara um die Augen, trug einen Hauch Lipgloss auf und kniff zweimal links und rechts kräftig in meine blassen Wangen, damit sie etwas Farbe bekamen. Voila! In einem kurzen Anflug von Selbstironie zwinkerte ich mir im Spiegel zu, ein halbherziger Versuch, mich selber aufzumuntern. Zumindest würde sich nun niemand mehr vor mir erschrecken.
Den Rucksack lässig über einer Schulter schlenderte ich kurz darauf weiter den Pier entlang, ganz allein inmitten wildfremder Menschen.
Touristen, Familien, Freunde, Liebespaare. Sie alle hatten irgendein Ziel oder zumindest eine Unterkunft für die Nacht. Sie lachten, waren relaxt und konnten den Abend und den Aufenthalt hier im wunderschönen Southern California genießen. Niemand sah traurig aus, verzweifelt oder mutlos, niemand – außer mir.
Nach dieser Erkenntnis spürte ich zu meinem Leidwesen, wie sich die Kämpferin in meinem Inneren erneut in den hintersten Winkel meiner Seele zu verkriechen drohte.
Ein Einsatzwagen der örtlichen Polizei stand mitten auf dem Weg und versperrte den Autofahrern zusätzlich zu zwei nicht zu übersehenden Böllern ab Höhe Parkplatz den weiteren Zugang zum Pier, dessen Boden von da ab aus dicken, von Wind und Wetter gegerbten Holzplanken bestand. Ungläubig blieb ich stehen und begutachtete einen Augenblick lang das querstehende Gefährt. Sollten tatsächlich einige unerschrockene Touris versucht haben, mit ihrem fahrbaren Untersatz bis ans Ende des Piers zu gelangen? Vielleicht um nachzusehen, ob die Road 66 tatsächlich hier endete? Nicht zu fassen… Vermutlich wollte die Santa Monica Police derartige Versuche von vorn herein im Keim ersticken und hatte deshalb den Einsatzwagen keine zehn Meter vor ihrem Departement als eine Art Warnung mitten auf dem Weg geparkt.
´Sicher ist sicher´, dachte ich leicht amüsiert und musste plötzlich an die beiden Polizisten heute Nachmittag am Strand denken. Wie hatte ich sie heimlich genannt? Shemar und Tom. Fast wünschte ich jetzt, sie hätten mich wegen irgendeiner Ordnungswidrigkeit verhaftet, dann hätte ich wenigstens ein Dach über dem Kopf und müsste diese Nacht nicht wie ein Vagabund unter freiem Himmel verbringen.
Es war bereits kurz nach Mitternacht, als ich mich schließlich seufzend auf eine der Bänke am Rande des großen Pier-Parkplatzes fallen ließ. Fröstelnd ignorierte ich meinen erneut grummelnden Magen und zog die Jeansjacke enger um meine Schultern, während ich die vom vielen Laufen schmerzenden Beine ausstreckte.
Auf dem Pier war es um diese späte Stunde schlagartig ruhiger geworden.
Nachtruhe in Amerika. Die große Freiheit legte sich schlafen.
Eine Gruppe leicht angetrunkener junger Leute schwankte unter lautstarkem Geschwätz an mir vorbei.
„Hey Beauty, wieso sitzt du denn hier so allein?“ rief einer von ihnen und schwenkte die Arme wie Windmühlenflügel. „Komm mit uns, wir nehmen noch einen Drink!“
Lächelnd winkte ich ab, als der Typ auch schon hartnäckig von einer Freundin am Ärmel davongezogen wurde.
„Lass sie in Ruhe, die wartet sicher auf ihren Freund!“
Sorry, falsch gedacht.
Bis heute Morgen hatte ich noch einen Freund. Zumindest hatte ich das geglaubt.
Kennt ihr das Gefühl, wenn man meint, endlich den einen Menschen gefunden zu haben, dem man vertraut, und bei dem man sich für den Rest des Lebens anlehnen und zu Hause fühlen möchte? Einen Menschen, in den man sich verliebt hat und glaubt, wiedergeliebt zu werden? Solange, bis das Schicksal von einer Sekunde zur anderen erbarmungslos zuschlägt und dir eine verpasst, dass du in die Knie gehst…
Vor meinem geistigen Auge blitzten erneut die Bilder auf, die ich den ganzen Flug über mit all meiner Kraft zu verdrängen versucht hatte. Zwei eng umschlungene, nackte Körper, die sich lustvoll und selbstvergessen zwischen seidenen Laken wälzten, lüsternes Stöhnen, Flüstern und verhaltenes Lachen.
Ich war ganz sicher, dass sie es gewesen war, als mich mitten in der Nacht ein anonymer Anruf erreichte, während ich auf ihn wartete. Ich ahnte, dass sie all das sehr geschickt inszeniert hatte und genau wusste, wann ich auf der Bildfläche erscheinen würde. Warum sonst war die Tür nicht verschlossen gewesen?
Sie wollte ihn, und sie musste schnell handeln, denn in zwei Wochen wäre unsere Hochzeit gewesen.
Mein eigenes, schmerzvolles Aufstöhnen brachte mich zurück in die Wirklichkeit.
Mechanisch tasteten meine Finger nach dem Inhalt meiner Jackentasche. Das darin befindliche Handy fühlte sich kühl an, und doch hatte ich das Gefühl, ich würde mich verbrennen, als sich meine zitternden Finger um das kleine schwarze Teil schlossen.
Es hatte auf dem Tisch in der Garderobe ihrer Wohnung gelegen. Ich hatte es sofort erkannt. Er trug sein Handy immer bei sich und hütete es wie seinen Augapfel. Ich hatte ihn deswegen oft aufgezogen und ihn mehrmals scherzhaft gefragt, was für dunkle Geheimnisse er vor mir verbarg. Gemeinsam hatten wir darüber gelacht…
Inzwischen wusste ich, dass ein wenig gesundes Misstrauen berechtigt gewesen wäre. Langsam zog ich das Handy heraus, klappte es auf und blinzelte, als das helle Licht des Displays meine Augen blendete. Auf dem Hintergrundfoto lachten mir zwei fröhliche Gesichter entgegen. Seines und meines. Aufgenommen letztes Jahr im Urlaub in Italien.
Inzwischen hatte ich alles gelesen, jede Nachricht, jede einzelne Zeile, die sie einander geschrieben hatten, während er mir vorgegaukelt hatte, mich zu lieben und mich heiraten zu wollen. Ich hatte es gelesen und versucht, zu begreifen, doch obwohl sich mein Gehirn im „standby“-Modus zu befinden schien, hatte ich mit zitternden Knien wie im Trance damit begonnen, meinen Koffer zu packen.
Er war nicht mein erster Freund, und normalerweise bin ich selbstbewusst genug, um mich zu wehren, wenn jemand versucht, mir etwas wegzunehmen, aber in diesem Fall funktionierte das nicht. Ich war nicht mehr jenes flippige, unbeschwerte Mädchen von damals, das mit Caitlin und unseren Freunden um die Häuser zog, sich unzählige Male mit seinem damaligen Freund zerstritt und wieder vertrug und jeden neuen Kinofilm kannte. Mein früheres Leben in Deutschland bedeutete mir kaum noch etwas, nachdem mich mein Mentor von der Universität nach nur vier Semestern wegen hervorragender Leistungen nach Irland geschickt hatte, um mein Studium in Veterinärmedizin dort zu beenden.
Gegen Ende meines zweiten Semesters dort lernte ich ihn kennen, Jim O`Neill, den smarten, gutaussehenden Studenten für Betriebswirtschaftslehre, und von dieser Sekunde an war ich überzeugt davon, endgültig zu Hause zu sein. Ich war binnen kürzester Zeit vom sorglosen, wilden Teenager zu einer verantwortungsbewussten jungen Frau herangereift, die sich mit einem Mal sehr gut vorstellen konnte, sesshaft zu werden und eine Familie zu gründen.
Bis gestern Nacht.
Inzwischen war auch der letzte Shop geschlossen worden. Die Musik war verklungen, das Riesenrad stand dunkel und still am Ende des Piers. Der hell schimmernde Vollmond, der kühle Wind, der vom Meer herüberwehte und das Rauschen der ungestümen Wellen würden meine einzigen Begleiter durch diese einsame Nacht sein.
Ich zog die Jeansjacke erneut enger um meine Schultern und dachte an Caiti, an ihre Liebe zu David, und an jenen schicksalhaften Tag, als sie glaubte, er habe sie hintergangen. Ich erinnerte mich nur zu gut daran, wie sie daraufhin Hals über Kopf von zu Hause geflüchtet war, genau hierher nach Santa Monica, zu ihren Großeltern, um den Mann zu vergessen, der ihr vermeintlich das Herz gebrochen hatte. Ich war es gewesen, die sie zum Flughafen gefahren und bis zuletzt vergeblich versucht hatte, sie noch umzustimmen.
Auch als Caiti bereits in den USA war, hatte ich nichts unversucht gelassen, um diese in meinen Augen einzigartige Liebe zu retten, weil mein Gefühl mir sagte, dass David keiner war, der jemanden auf so eine miese Art hintergehen würde. Zusammen mit ihm, Caitlins Eltern und Großeltern hatten wir schließlich klammheimlich dieses Treffen zwischen den beiden auf dem Santa Monica Pier arrangiert.
Es muss wie im Märchen gewesen sein, als sie damals hier saß, allein und unglücklich, und er dann plötzlich wie aus dem Nichts auftauchte, sie wortlos in die Arme nahm und alle Zweifel einfach wegküsste.
Wer weiß, vielleicht war das sogar genau an dieser Stelle passiert?
Fröstelnd zog ich die Schultern hoch. Nun, mein „Traumprinz“ würde nicht hier erscheinen, denn er hatte mich wirklich betrogen, und das nicht nur in einer Hinsicht, dafür gab es kein „Wenn“ und „Aber“ und auch keine Entschuldigung, das war einfach eine traurige Tatsache und bedeutete das unumstößliche Ende unserer Beziehung. Außerdem wusste er gar nicht, wo ich mich derzeit aufhielt. Niemand wusste das.
Diese schmerzliche Erkenntnis ließ meine Kehle erneut bedrohlich eng werden. Nein, er würde nicht nach mir suchen. Und schon gar nicht hier.
Meine Flucht in die Einsamkeit war mir voll und ganz gelungen, da war ich mir momentan ziemlich sicher.
Irgendwann stand ich auf, streckte meine von der Kühle der Nacht und dem langen Sitzen steifen Gliedmaßen und trat im Schein der Laternen an das hölzerne Geländer des Piers. In den glitzernden, nimmermüden Wellen spiegelte sich das fahle Mondlicht. Ich starrte hinunter und stellte mir vor, wie es wohl wäre, sich einfach auf den Wellen treiben zu lassen, weiter, immer weiter…
Ich weiß nicht genau, wie lange ich so stand, als plötzlich unweit von mir eine Tür zuklappte.
Plötzlich vernahm ich Schritte, die sich entfernten, kurz stoppten und dann wieder näher kamen.
Erschrocken fuhr ich herum…