36. Albtraum
Ein ganzes Stück hinter dem Pier bog Shemar zum Strand ab, wo bereits einige Einsatzfahrzeuge des LAPD sowie zwei Rettungswagen standen. Das rotweiß gestreifte Absperrband, welches Schaulustige von der Unglücksstelle fernhalten sollte, flatterte im Wind und leuchtete mir schon von weitem unheilvoll entgegen.
Und dann sah ich sie, die Trümmerteile von Deans Helikopter, die entweder von allein an Land gespült oder von den Einsatzkräften aus dem Meer geborgen worden waren. Sofort erkannte ich die vertraute dunkelblaue Farbe mit einem Stück der rotweißen Seitenstreifen im Design der amerikanischen Flagge. Mein Magen zog sich bei deren Anblick auf der Stelle äußerst schmerzhaft zusammen, weil nun auch der letzte Hoffnungsschimmer, es könne sich bei dem Absturz vielleicht um eine fatale Verwechslung handeln, gnadenlos ausgeräumt wurde.
Die anwesenden Sicherheitskräfte ließen uns, nachdem sich Shemar und Ty als LAPD-Kollegen ausgewiesen hatten, sofort passieren. Butch und die beiden Polizisten wichen nicht von meiner Seite, als wir zu den Leuten von der Spurensicherung hinübergingen. Während Shemar mit ihnen sprach, wanderten meine Augen hinaus aufs Meer und suchten den fernen Horizont verzweifelt nach irgendeinem Lebenszeichen ab. Doch da war nichts. Nichts, außer den friedlich in der Nachmittagssonne glitzernden Wellen, die unermüdlich an den Strand rollten, als wäre nichts geschehen.
Wieso konnte an so einem Tag alles genauso sein wie immer?
Wieso durfte heute überhaupt die Sonne scheinen?
Ich stand hier am Strand, mitten im Urlauber-Paradies, und alles kam mir einfach nur furchtbar unwirklich vor.
„Jess?“ Tys Stimme holte mich aus meinen Gedanken. „Fühlst du dich in der Lage, dem ermittelnden Kollegen ein paar Fragen zu beantworten?“
Verwirrt sah ich mich um und blickte zu meinem Erstaunen in ein mir bekanntes Gesicht.
„Sie?“
Der Ermittler war mindestens so überrascht wie ich, als sich unsere Blicke trafen. Er war derjenige gewesen, der damals die Untersuchung leitete, nachdem die Handlanger von Spielerboss Cargo in die Station eingebrochen waren und mein Zimmer verwüstet hatten.
„Miss Hausmann?“
Ich nickte verwirrt, denn an seinen Namen konnte ich mich beim besten Willen nicht mehr erinnern, wohl aber an sein markantes Gesicht, und an die Geschichte, die er mir damals von seiner Tochter erzählt hatte.
„Wie geht es ihrer Tochter, Detective?“
Er zog eine Augenbraue leicht nach oben, offenbar überrascht, dass ich mich an seine Worte erinnerte. Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem kurzen Lächeln.
„Danke, es geht ihr gut.“
Wieder nickte ich, während ich in seinen grauen Augen vergeblich nach Antworten suchte. In diesem Augenblick spürte ich überdeutlich, dass meine Geduld begrenzt war. Ich konnte beim besten Willen nicht länger hier stehen und Smalltalk machen.
„Was wissen Sie bisher? Wo ist Dean Cooper?“, fragte ich eindringlich und hätte ihn am liebsten am Revers seines gepflegten, dunklen Jacketts gepackt, weil er nicht sofort antwortete.
Er trat näher und räusperte sich.
„Miss Hausmann…“
„Jessica“, fiel ich ihm ungeduldig ins Wort. „Bitte nennen Sie mich Jess.“
„Jess, können wir ein paar Schritte gehen?“
„Ja, klar.“
Wie selbstverständlich nahm er meinen Arm und wir liefen ein Stück am Strand entlang, direkt auf die im Sand liegenden Trümmerteile des Helikopters zu.
„Darf ich?“, fragte ich spontan und deutete auf eines davon.
„Ich denke, das geht in Ordnung. Die Leute von der Spurensicherung sind vorerst fertig. Momentan wird noch nach weiteren Teilen gesucht, aber später, wenn die Suche abgeschlossen ist, holen sie die Teile ab und untersuchen sie noch einmal im Labor.“
Seine Worte plätscherten an meinem Ohr vorbei. Wie im Trance hob ich die Hand und berührte mit den Fingerspitzen sanft das deutlich sichtbare Flaggendesign auf dem dunkelblauen Hintergrund, während sich meine Augen mit Tränen füllten.
„Was ist nur passiert? Er hatte doch immer alles unter Kontrolle“, flüsterte ich mit erstickter Stimme, doch der Detective, der dicht hinter mir stand, hatte meine Worte verstanden.
„Wen meinen Sie mit er, Jess?“
„Coop… ich meine Dean Cooper. Es ist sein Helikopter.“
„Und da sind Sie ganz sicher?“
„Ja, natürlich. Es gab nur den einen mit diesem Design.“ Ich drehte mich um und sah meinem Begleiter in die Augen. „Sagen Sie mir bitte die Wahrheit: Saß er im Cockpit, als…“ Meine Stimme drohte zu versagen, sobald der Detective meinen Blick erwiderte.
„Wir wissen es noch nicht. Die Leiche, die wir geborgen haben, wurde anhand von Fotos und der Aussage eines Zeugen als die einer gewissen Rebecca Cooper identifiziert.“
Ich zog erstaunt die Augenbrauen hoch.
„Eines Zeugen?
„Ramon Cortez. Sagt ihnen der Name etwas?“
„Ja… ja natürlich.“ In diesem Moment konnte ich nicht verhindern, dass meine Stimme zitterte. „Er und seine Frau Celia leben seit vielen Jahren als Hausmeisterehepaar in Deans Haus. Sie beide kennen Rebecca von früher, bevor sie… nach Südafrika ausgewandert ist.“
Der Ermittler zückte einen kleinen Notizblock und schrieb sich etwas auf.
„Und diese Rebecca, war sie verwandt mit Dean Cooper?“, fragte er, ohne aufzublicken.
„Sie ist…“ Ich schluckte und verbesserte mich schnell. „Sie war verheiratet mit Deans Vater. Die beiden lebten seit Jahren in Johannisburg. Sie ist erst seit kurzem wieder in die Staaten zurückgekehrt, zusammen mit ihrem kleinen Sohn.“
Der Ermittler horchte auf.
„Und wo ist dieser Sohn jetzt?“
Beklommen hob ich die Schultern.
„Tut mir leid, Sir, ich weiß es nicht. Aber ich hoffe von Herzen, dass er nicht bei ihr war, als das Unglück geschah.“ Erneut versuchte ich die aufsteigenden Tränen hinunterzuwürgen. „Ich bin erst vor einer Stunde von einem Kurztrip aus New York zurückgekommen, und eigentlich sollte Dean mich vom Flughafen abholen. Aber dann standen plötzlich meine Freunde da, und als sie mir erzählt haben, was passiert ist, wollte ich unbedingt sofort herfahren.“ Verzweifelt strich ich mit der Hand über meine Stirn. „Ich warte immer noch darauf, jeden Augenblick aus diesem furchtbaren Albtraum zu erwachen…“
„Wissen Sie, ob Misses Cooper einen Pilotenschein hatte?“
„Nein, ich glaube nicht, dass sie einen hatte. Zumindest hat Dean nie etwas davon erwähnt.“
„Dann war sie also nicht allein im Helikopter?“
„Nein“, murmelte ich wie unter Schock. „Nein, das war sie ganz sicher nicht.“
Der Detective atmete tief durch, und es war offensichtlich, dass er versuchen wollte, mich mit der nächsten Frage etwas von der schrecklichen Erkenntnis abzulenken.
„Mister Cortez meldete sich bei uns, nachdem die ersten Bilder von dem Absturz in den Nachrichten gesendet wurden. Er kam sofort her und war direkt vor Ort, als die Leiche von Misses Cooper geborgen wurde.“
Immer wieder starrte ich fassungslos auf das Wrackteil vor mir.
Der arme Ramon, was musste er empfunden haben, als er von dem Absturz erfuhr! Sicher hatte er anhand der Bilder Deans Helikopter sofort erkannt.
Und Celia? Sie liebte Dean wie einen Sohn. Wie würde sie das alles verkraften?
Und – ganz nebenbei – wie würde ich das verkraften?
Meine Knie begannen derart stark zu zittern, dass ich mich kaum auf den Beinen halten konnte Mein Herzschlag dröhnte in meinen Ohren, und vor meinen Augen begannen schwarze Schatten zu tanzen. Ich wusste, was das bedeutete. Mein Kreislauf war am Limit angelangt und drohte erneut schlappzumachen.
Dieses Gefühl der Hilflosigkeit, wenn man befürchteten musste, bereits im nächsten Moment die Kontrolle über den eigenen Körper zu verlieren, jagte mir eine Heidenangst ein. Ich spürte, wie mir kalter Schweiß auf die Stirn trat. Das hatte ich so noch nie erlebt, aber ich war ja auch noch nie in diesem Zustand gewesen. Ich konnte nur hoffen, dass das kleine Wesen in mir so viel Aufregung unbeschadet verkraften würde.
Instinktiv legte ich die Hand schützend auf meinen Bauch, während ich mit der anderen haltsuchend nach dem Wrackteil vor mir griff, um mich daran abzustützen.
Anscheinend hatte der Ermittler bemerkt, dass etwas nicht stimmte, denn er war sofort an meiner Seite und nahm wieder meinen Arm.
„Geht es Ihnen nicht gut, Jess?“
„Ja… nein, nicht wirklich.“
„Möchten Sie etwas trinken?“
„Ja bitte...“
Er gab seinen Mitarbeitern, die nur ein paar Schritte von uns entfernt standen, ein Zeichen, worauf einer von ihnen zu uns herüber geeilt kam und mir eine Flasche mit Wasser reichte. Gierig trank ich und merkte erleichtert, wie sich mein Zustand spürbar besserte.
„Geht es wieder?“
„Ja“, erwiderte ich und versuchte tief durchzuatmen, um mein rasendes Herz zu beruhigen.
„Kommen Sie, Jess. Setzen Sie sich, bevor Sie am Ende noch umfallen.“ Der Detective, von dem ich bereits wusste, dass er selbst Vater war, nahm meinen Arm und zwang mich mit sanftem Nachdruck, mich in den Sand zu setzen. Ungeachtet seiner makellosen schwarzen Anzughose nahm er neben mir Platz und sah mich prüfend an.
„Was ist mit Ihnen los?“
„Nichts weiter, Mister…“
„Frank“, ergänzte er rasch. „Nennen Sie mich Frank.“
Ich nickte.
„Danke Frank, es wird schon wieder besser.“
Seine wachsamen Augen, denen nichts zu entgehen schien, fixierten mich prüfend.
„Aber?“
Ich bemerkte, dass meine Hand noch immer auf meinem Bauch lag, und war sicher, dass ihm das ebenfalls nicht entgangen war.
„Ich bin nur ein bisschen schwanger, weiter nichts.“
Er sagte nichts, und als ich den Kopf drehte, um die Wirkung meiner Worte zu prüfen, sah ich zu meiner Überraschung, dass er lächelte.
„Ein bisschen schwanger, ja?“
Ich nickte und versuchte zurück zulächeln, was mir jedoch gründlich misslang.
„Ist das Baby von ihm… von Dean Cooper?“, sprach er seine Vermutung offen aus und wieder nickte ich.
„Er weiß noch nichts von dem Baby. Niemand weiß es bisher, außer meinen beiden Freundinnen und Ihnen.“
„Keine Sorge, ich bin sehr gut darin, ein Geheimnis zu wahren“, versprach er und nickte mir wie zur Bestätigung aufmunternd zu. „Sie sind eine tapfere junge Frau, Jess.“
„Nein“, widersprach ich und konnte nun doch nicht verhindern, dass mir die Tränen in die Augen schossen. „Nein, Frank… Ich bin überhaupt nicht tapfer, ich will ihn nur wiederhaben, denn ich kann nicht glauben, dass er einfach da draußen irgendwo…“
„Jess!“, unterbrach er mich betont streng und legte seine Hände auf meine Schultern, so dass ich gezwungen war, ihn anzusehen. „Wir werden alles tun, um die Sache aufzuklären, so oder so.“
„Kennen Sie und Dean sich beruflich?“
„Eher flüchtig. Aber ich hörte von seinen gelegentlichen Einsätzen für das LAPD. Es hat sich innerhalb unserer Behörde natürlich herumgesprochen, dass er als Undercover-Agent einen ausgezeichneten Ruf hat.“
„Ja", erwiderte ich matt und wischte über meine brennenden Augen. „Ich weiß.“
Der Detective erhob sich und reichte mir seine Hand, um mir aufzuhelfen.
„Sie fahren jetzt nach Hause, und ich verspreche Ihnen, dass ich Sie sofort informieren werde, wenn es Neuigkeiten gibt.“
„Egal, was auch immer das für Neuigkeiten sind?“, schniefte ich und er nickte. „Versprochen!“
Wie auf Stichwort kamen Ty und Shemar im Dauerlauf zu uns herüber. Anscheinend hatten sie mitbekommen, dass es mir nicht gut ging.
„Alles in Ordnung, Jess?“
„Bitte bringen Sie Miss Hausmann jetzt zurück, damit Sie ein wenig zur Ruhe kommt“, bat der Ermittler meine Freunde. „Es war wohl alles etwas zu viel für sie, der lange Flug, die Aufregung und diese Ungewissheit.“ Unbemerkt von den anderen nickte er mir ermutigend zu und zog dann sein Handy aus der Jackentasche. „Verraten Sie mir noch Ihre Nummer, damit ich mein Versprechen auch einhalten kann.“
Mechanisch sagte ich die Zahlen auf, die ich auswendig kannte und er speicherte sie ein.
„Okay. Ich werde mich melden. Geben Sie gut auf sich acht!“ Er hob zum Abschied die Hand und ging dann hinüber zu seinen Kollegen.
„Komm Jess!“ Ty nahm meinen Arm, und Shemar folgte uns zum Jeep, in dem Butch bereits wartete. „Wohin sollen wir dich bringen?“
„Bel Air“, sagte ich leise. „Nach Hause.“
Celia kam, in Tränen aufgelöst, sofort zur Tür geeilt, kaum dass Shemar den Wagen vor dem Portal gestoppt hatte. Ramon folgte ihr mit versteinert wirkendem Gesicht.
Ich stieg aus und nahm die Haushälterin in die Arme. So standen wir eine ganze Weile einfach nur da und hielten einander fest, während die drei Männer leise miteinander sprachen. Ich verstand so gut wie nichts von dem, was sie sich mitzuteilen hatten, denn Celias Schluchzen an meinem Ohr übertönte ihre Stimmen. Aber allein schon am Tonfall spürte ich, dass das, was sie sagten, alles andere als hoffnungsvoll klang. Am liebsten hätte ich mich mit all dem Schmerz, den die lähmende Angst um Dean in mir verursachte, in irgendeiner dunklen Ecke verkrochen, wo niemand meine Tränen sah. Aber mir war klar, dass ich jetzt stark sein musste, für Deans Freunde, für mich selbst und nicht zuletzt für das kleine unschuldige Wesen, das in mir heranwuchs, und dem ich als seine zukünftige Mutter seelisch und körperlich eigentlich Ruhe und Geborgenheit bieten sollte.
Also löste ich mich vorsichtig aus Celias Armen, schniefte und wischte mir energisch die Tränen aus dem Gesicht.
„Wir sollten ins Haus gehen“, sagte ich dann mit einer Entschlossenheit, die mich unsagbar viel Kraft kostete, und nahm ihre Hand. „Es ist heiß hier draußen, wir müssen unbedingt etwas Kühles trinken.“
„Oh ja, du hast Recht, Liebes“, pflichtete sie mir sofort bei. „Ich habe frische Limonade gemacht und auch etwas zu Essen zubereitet.“
Wortlos gingen wir hinein.
Als ich die inzwischen so vertraute Küche betrat und Jads Korb da stehen sah, schnürte es mir zum wiederholten Mal förmlich die Kehle zu und ich wandte mich schnell ab, um nicht schon wieder loszuheulen.
„Erzähl schon, Ramon“, bat ich eindringlich, kaum dass wir um den Küchentresen herum Platz genommen hatten. „Ich will alles genau wissen. Alles!“
„Tja also…“ Ramon trank einen kleinen Schluck von der Limonade, die Celia ihm hingestellt hatte und fuhr sich dann sichtlich angespannt mit den Fingern durch sein kurzes dunkles Haar. „Als Dean gestern Abend aus der Firma nach Hause kam, ging er zuerst nach oben. Er sagte, er wolle nur schnell duschen und sich umziehen, und als er eine halbe Stunde später wieder unten erschien, um mit uns zu Abend zu essen, erreichte ihn dieser Anruf auf dem Hausanschluss. Celia war gerade beschäftigt, also ging er selbst ans Telefon. Zuerst hörte er nur zu, sagte so gut wie nichts, doch er wirkte plötzlich sehr angespannt, und sein Gesicht war von einer Sekunde auf die andere wie versteinert. „Rührt euch nicht weg, ich bin gleich da!“, hörte ich ihn schließlich sagen. Sofort, nachdem er das Gespräch beendet hatte, eilte nach draußen in die Diele und griff nach dem Schlüssel vom Helikopter. Auf meine Frage, ob etwas passiert sei, erwiderte er nur, er müsse noch einmal weg, und wir sollten nicht auf ihn warten. Ich lief ihm nach zum Helikopter und fragte, ob es um Rebecca ginge und er nickte. Doch als ich ihm anbot, ihn zu begleiten, lehnte er ab. „Nein Ramon“, meinte er, während er sich bereits anschnallte. „Ich weiß, du meinst es gut, aber diesmal ist es etwas, das ich allein erledigen muss.“ Dann schloss er die Tür zum Cockpit und startete den Motor.“
„Weißt du zufällig noch… was er anhatte? Seinen Overall?“, fragte ich zögernd, denn ich konnte beim besten Willen nicht verhindern, dass ich mir mit dem schrecklichen Gedanken, Dean irgendwann reglos und kalt am Strand liegend identifizieren zu müssen, langsam und unbarmherzig mein Hirn zermarterte.
„Nein, er nahm sich keine Zeit zum Umziehen. Er trug Jeans, ein schwarzes Shirt, Turnschuhe und die dunkle Kapuzenjacke, die er oftmals zum Laufen anhatte.“
Ich schluckte. Oh ja, die Jacke kannte ich gut. Er hatte sie getragen, als wir beide vor ein paar Tagen mit Jad morgens durch den Park gejoggt waren.
Jad…!
„Wo ist Jad, Ramon?“ Meine Stimme klang vor Aufregung fremd in meinen Ohren. „War er dabei, als Dean losflog?“
„Ja, er war mit uns in der Küche, als der Anruf kam, und als Dean aufbrach, ist er ihm nicht von der Seite gewichen.“
Ich schluckte schwer und nickte nur stumm.
Oh ja, er und Jad waren Partner auf Leben und Tod.
Wir saßen zusammen und diskutierten darüber, was wohl der Grund für Deans völlig überstürzten Aufbruch gewesen sein mochte. Zwischendurch wanderte mein Blick immer wieder zur Tür, in der wahnwitzigen Hoffnung, er würde vielleicht doch noch überraschend dort auftauchen und mit diesem für ihn so typischen Grinsen nachfragen, worüber wir uns denn hier gerade so aufregten. Aber nichts dergleichen geschah, so sehr ich mir auch ein Wunder wie dieses herbeiwünschte.
Irgendwann im Laufe der Diskussion waren wir uns zumindest darüber einig, dass Rebecca in erheblicher Bedrängnis gewesen sein musste, als sie hier anrief. Ramon brachte die Vermutungen auf den Punkt:
„Ich kenne nur einen einzigen Menschen, vor dem sie so große Angst hatte, dass sie in ihrer Verzweiflung keinen anderen Ausweg sah, als ihren Exfreund anzurufen und ihn erneut um Hilfe zu bitten.“
Er brauchte den Namen gar nicht auszusprechen, wir wussten auch so, von wem er sprach: Mister Maxwell Cooper Senior, Deans Vater.
„Vielleicht ist er ja inzwischen hier und hat sie ausfindig gemacht?“, mutmaßte ich, doch Ramon verzog skeptisch das Gesicht.
„Ich weiß nicht, es war alles top secret. Es sei denn, Mister Cooper hat wirklich gute und vor allem weitreichende Verbindungen.“
„Ich bin sicher, die hat er“, erwiderte Celia überzeugt. „Und den Rest erledigt er mit seinem Geld, so wie er das schon früher bei jeder Gelegenheit getan hat. Mister Cooper bekam immer, was er wollte, und er ließ keine Rechnung offen.“
Erstaunt blickte ich auf.
„Genauso hat Dean ihn beschrieben.“
Celia schnaufte verächtlich.
„Er hat zeitig gelernt, seinen Vater richtig einzuschätzen, glaub mir.“
„Und was tun wir jetzt?“, unterbrach Ty die darauffolgende Stille.
„Warten“, erwiderte Shemar grimmig und spielte an seiner Sonnenbrille herum. „Dieser Detective, Frank Chambers, der hat doch Jess` Telefonnummer. Ich bin sicher, der meldet sich.“
„Er hat mir versprochen, sofort anzurufen, wenn es etwas Neues gibt.“ bestätigte ich und versuchte verzweifelt, nicht darüber nachzudenken, was für Neuigkeiten das am Ende sein würden.
„Wenn Sie eine zweite Leiche finden, oder was?“, brummte Ramon gereizt, als hätte er meine Gedanken erraten, und bekam dafür von Celia einen kräftigen Ellenbogenstoß in die Rippen.
„Du bist so unsensibel wie ein ausgestopfter…“ Weiter kam sie nicht, denn in diesem Augenblick meldete sich mit schrillem Ton die Klingelanlage am alarmgesicherten Eingangstor des Grundstückes.
Erschrocken fuhren wir hoch. Ramon sprang auf und drückte auf den Knopf der Wechselsprechanlage.
„Wer ist da?“
„Ich bin`s, Paloma. Ist Jess inzwischen angekommen?“
„Ja, sie ist hier“, erwiderte Ramon und schaltete nun auch den Bildschirm der Videoüberwachung ein. Man sah ihm die Erleichterung darüber an, dass kein Ermittler mit tiefernstem Gesicht in die Kamera blickte, sondern Shemars Schwester, die mit Sicherheit inzwischen ebenfalls die schlimmen Nachrichten gehört hatte und sich nun um ihre Freundin sorgte.
„Komm ins Haus, Paloma, ich öffne das Tor.“
„Nein!“, rief sie sofort und hob abwehrend die Hände. „Es ist besser, wenn du rauskommst.“
„Wieso?“ Ramon reckte misstrauisch den Hals, doch auf der Kamera war niemand außer Paloma zu sehen. „Ist noch jemand bei dir?“
Sie nagte einen Augenblick lang an ihrer Unterlippe, als müsse sie sich die folgenden Worte erst genau überlegen.
„Bitte komm sofort ans Tor, Ramon. Und bring Jess mit. Hier ist etwas, das solltet ihr euch unbedingt ansehen!“