24. Officer im Dienst
So schnell wir konnten kehrten wir zurück zur Villa und fuhren dann mit dem Jeep hinaus zur Station. Wir eilten hinauf in die Gemeinschaftspraxis und fanden das Wartezimmer zwar leer, aber nicht verschlossen vor.
Paloma saß am Tisch im Behandlungsraum und hatte das Gesicht in den Händen vergraben. Als sie uns bemerkte, sprang sie auf und kam uns entgegengelaufen. Ihre schönen, katzenhaften Augen waren geschwollen von den Tränen, die sie aus Angst und Verzweiflung um Adam geweint hatte, und ihr sonst so makelloser, bronzefarbener Teint wirkte aschfahl.
„Cooper, was können wir tun?“
„Wir müssen abwarten.“ Beruhigend legte er seine Hände auf ihre Schultern. „Du sagtest, der Anrufer will sich in einer Stunde wieder melden.“
Sie nickte aufgeregt.
„Ja, in ein paar Minuten ist es soweit.“
„Okay, dann bleibt uns nicht mehr viel Zeit. Erzähl noch einmal genau, was er gesagt hat.“
Paloma versuchte, die wenigen Worte des Anrufers so genau wie möglich wiederzugeben. Dean besah sich währenddessen den praxiseigenen Telefonanschluss genauer.
Kurz darauf machte er sich an der Telefonstation auf Adams Schreibtisch zu schaffen und telefonierte dabei von seinem Handy aus. Er sprach jedoch kaum, lauschte nur gespannt und bestätigte ab und zu das Gehörte mit knappen Worten.
Ich hatte mich mit Paloma in den Besuchersesseln niedergelassen. Nervös knetete sie ihre Hände ineinander, während sie mir noch einmal genau die Geschehnisse der letzten Stunden schilderte und dabei immer wieder zur Uhr sah.
Als Dean schließlich sein Telefonat mit einem knappen „Bis später“ beendete, fuhr sie misstrauisch herum.
„Was tust du denn da? Mit wem redest du?“
„Ich will versuchen, herauszubekommen, woher der Anruf kommt. Wir müssen den Anrufer nur so lange wie möglich in der Leitung halten.“
„Zuerst wollte ich Shemar um Hilfe bitten, aber der Kerl am Telefon hat ausdrücklich gesagt, er will keine Polizei, sonst bringt er Adam um“, warnte Paloma.
„Shemar ist dein Bruder! Er hätte auf keinen Fall etwas getan, was dich oder Adam gefährdet“, erwiderte Dean, während er ein Kabel an der Station befestigte. „Und derjenige, der versuchen wird, den Anrufer zu orten, ist ein Freund von mir. Also keine Sorge, ich weiß, was ich tue.“
Paloma schluchzte tief.
„Er klang so… so sicher. Ich befürchte, er tötet Adam, wenn er nicht bekommt, was er will.“
„Du sagtest, er will Cooper und mich“, nickte ich und versuchte das flaue Gefühl in meinem Magen zu ignorieren. „Anscheinend glauben die immer noch, dass ich mit Jim unter einer Decke stecke und weiß, wo er ist.“
„Dein verdammter Exfreund ist an allem schuld!“, fauchte Paloma und fuhr sich mit der Hand durch ihre langen schwarzen Locken. „Seitdem er hier aufgetaucht ist, gibt es nur Ärger!“
„Wem sagst du das“, grummelte ich betreten.
„Lass Jess in Ruhe, Paloma“, mahnte Dean und stellte die Telefonstation zurück auf den Schreibtisch. „Du kannst sie nicht dafür verantwortlich machen, was dieser idiotische Typ für Unheil verzapft.“
„Lass gut sein. Sie meint es nicht so, sie sorgt sich doch nur um Adam“, beschwichtigte ich ihn und wandte mich wieder meiner Freundin zu. „Wir holen ihn zurück, glaub mir! Wir kriegen das hin!“
Schluchzend barg sie den Kopf in ihren Händen.
„Adam… er ist doch… ach Jess, das ist so ungerecht! Endlich habe ich einen gefunden, der mir wirklich etwas bedeutet, und dann passiert so etwas!“
Dean stand auf und warf mir einen bedeutungsvollen Blick zu, bevor er sich an Paloma wandte.
„Du darfst jetzt nicht die Nerven verlieren“, sagte er ruhig und bestimmt, legte einen Arm um ihre Schultern und führte sie zum Telefon. „Wir machen das folgendermaßen: Wenn der Anruf kommt, dann drückst du diesen Knopf hier…“ Er wies auf ein kleines Gerät, das er zwischengeschaltet hatte. „Und erst dann, wenn dieser Knopf rot aufleuchtet, nimmst du den Anruf entgegen und hörst dir an, was er zu sagen hat. Ich habe auf Lautsprecher umgestellt, damit wir problemlos mithören können. Er wird ganz sicher nach mir fragen und mich sprechen wollen. Dann gibst du mir in aller Ruhe das Telefon. So gewinnen wir etwas Zeit. Hast du alles verstanden?“
Sie nickte tapfer.
„Ja, alles klar.“
„Ich bin kurz vor der Tür, muss noch einen Anruf machen.“
„Cooper! Bitte denk daran… keine Polizei!“
Er verließ den Raum, ohne zu antworten. Paloma war zu aufgeregt, um es zu bemerken, aber ich wusste in diesem Augenblick genau, weshalb er ihr eine Antwort schuldig geblieben war. Er wollte nichts versprechen, das er nicht einhalten konnte.
Paloma warf einen misstrauischen Blick auf das Telefon und begann, ungeduldig im Zimmer auf und ab zu laufen.
„Diese Warterei macht mich wahnsinnig!“
Ich stand auf und sah nach, ob die Thermokanne neben der Kaffeemaschine gefüllt war.
„Auch einen?“, fragte ich, während ich bereits zwei Tassen aus dem Schrank nahm.
Sie nickte und setzte sich wieder.
„Ich habe so Angst, Jess“, gestand sie mir. „Adam hat doch niemandem etwas getan!“
„Ihm wird nichts geschehen“, erwiderte ich mit fester Stimme, setzte mich zu ihr und nahm ihre Hand. „Das wird Coop niemals zulassen. Und ich auch nicht.“
„Aber was könnt ihr denn schon tun?“
„Ich sagte doch, er will uns, nicht Adam. Er tauscht ihn gegen uns aus.“ Es klang so einfach, wenn ich jedoch nur daran dachte, wie das vielleicht ablaufen würde, spürte ich Panik in mir aufsteigen. Aber ich wusste, ich musste in diesem Augenblick stark bleiben, für Paloma, für Adam, für Dean und mich selbst.
Sie schüttelte so heftig den Kopf, dass ihre Locken flogen.
„Ich will euch aber nicht verlieren, keinen von euch, verdammt!“
„Das wirst du auch nicht.“
„Was zum Teufel macht dich so sicher?“
„Coop“, sagte ich mit fester Stimme. „Ich vertraue ihm.“
Die Lippen aufeinandergepresst nickte sie, und ihre schönen Augen füllten sich erneut mit Tränen. Ich hatte sie noch nie so hilflos und verzweifelt gesehen. Sie gab sich meistens außergewöhnlich taff, eine selbstbewusste und lebenslustige junge Frau, die jeder Situation gewachsen war. Doch das hier war anders. Es war ein Ausnahmezustand, und jeder von uns konnte nur hoffen, diesen Tag lebend zu überstehen.
„Seid ihr zusammen, du und Coop?“, fragte sie ganz unvermittelt und wischte energisch die Tränen von ihren geröteten Wangen.
Ich hob die Schultern. Diese Frage hatte ich mir bisher noch nicht einmal selbst gestellt. Waren wir zusammen, nur weil wir miteinander geschlafen hatten?
„Keine Ahnung. Die Chemie scheint jedenfalls zu stimmen.“
„Ihr beide, ihr wärt ein wirklich schönes Paar! Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass er bei dir endlich sesshaft werden könnte.“
„So, könntest du…“ Ich beglückwünschte sie im Stillen zu ihrem Optimismus, Dean und mich betreffend. Obwohl wir im Moment ganz andere Sorgen hatten, blinzelte ich ihr grinsend zu. „Trink deinen Kaffee, Looms!“
Sie schaute mich erstaunt an und lächelte dann kläglich.
„So nennt Adam mich manchmal.“
Ich erwiderte ihr Lächeln und nickte.
„Weiß ich doch.“
Sie nahm einen Löffel und begann damit in ihrem Kaffee zu rühren.
„Als ich damals vor zwei Jahren bei Allister anfing zu arbeiten, dachte ich zuerst, Adam sei ein glücklich verheirateter Familienvater mit einer hübschen Frau und drei kleinen Kindern, die zu Hause auf ihn warteten“, erinnerte sie sich, während sie gedankenverloren auf die schwarze Flüssigkeit in ihrer Tasse starrte.
„Und wie kamst du darauf?“
„Er wirkte so unnahbar, verstehst du, so…so… verheiratet.“
Wir lachten beide.
„Miranda, die Brillenschlange vom Empfang, hat mir dann irgendwann verraten, dass sie total auf ihn steht und ihn sich angeln will. So erfuhr ich, dass es gar keine Familie gibt. Also habe ich all meinen Mut zusammengenommen und ihn zum Essen eingeladen. Er war zwar total überrascht, aber - voila – er hat angebissen. Später verriet er mir, Miranda hätte ihm erzählt, ich sei bereits in festen Händen. Deshalb hätte er nie gewagt, mich um ein Date zu bitten.“
„Dieses kleine Miststück“, kommentierte ich missbilligend. „Zum Glück ist ihr Plan nicht aufgegangen. Bestimmt hasst sie dich nun!“
„Wir haben uns zumindest nicht allzu viel zu sagen. Ich ignoriere sie, so gut ich kann und weide mich insgeheim an ihren unerfüllten Sehnsüchten.“
„Warst du damals tatsächlich mit jemandem liiert?“
„Nein, nicht wirklich. Mal hier und mal da ein kleines Abenteuer, schließlich sind wir ja alle irgendwie auf der Suche. Aber nichts Festes.“
„Und wie lange seid ihr nun schon zusammen, Adam und du?“
„Schon fast ein Jahr. Wir haben es bisher niemandem erzählt. Es sollte so lange wie möglich unser Geheimnis bleiben.“
„Aber warum? Immerhin seid ihr beide ungebunden! Wieso also diese Heimlichtuerei?“
„Weil das total romantisch ist!“
„Also ich habe sehr schnell mitbekommen, dass zwischen euch etwas läuft“, gestand ich mit einem Augenzwinkern. „Das gewisse Funkeln in deinen Augen hat dich verraten, wenn Adam in der Nähe war. Und ich glaube, die anderen ahnen es auch längst.“
Sie lachte und schien für einen Augenblick ihre Misere vergessen zu haben.
„Ich habe ihn vor ein paar Tagen meinen Eltern vorgestellt. Das habe ich bisher mit keinem meiner Freunde getan. Sie haben ihn sofort ins Herz geschlossen. Nächstes Wochenende wollte er mich nach Kansas mitnehmen. Seine Eltern leben dort. Er hat ihnen von mir erzählt, und…“ Sie schniefte wieder und ihre Stimme brach. „… und sie wollten mich unbedingt endlich kennenlernen!“
Über den Tisch hinweg drückte ich ihre Hand.
„Ihr werdet beide nach Kansas fahren, Paloma, ganz sicher. Und Adams Eltern werden dich lieben, davon bin ich überzeugt. Du bist…“
Das schrille Klingeln des Telefons ließ uns mitten im Satz erstarren. In Bruchteilen von Sekunden war alle Farbe war aus Palomas Gesicht gewichen.
„Ich kann das nicht“, wisperte sie.
„Doch, du kannst! Tu es für Adam!“, ermutigte ich sie und wies auf das Telefon. „Los, drück auf den Knopf und nimm ab, wenn er leuchtet. Denk daran, du musst versuchen, so viel Zeit wie möglich zu gewinnen!“
Zögernd stand sie auf und tat schließlich, was ich ihr gesagt hatte.
Währenddessen lief ich hinaus und holte Dean, der sein Telefonat mit den Worten „Okay, es geht los!“, beendete und mir ins Zimmer folgte.
Paloma hielt bereits den Hörer ans Ohr gepresst.
„Ja?“
„Und… sind die beiden da?“, fragte eine sonore Stimme, die mir seltsam bekannt vorkam, über den Lautsprecher.
„Wen… meinen Sie?“
„Verkauf mich nicht für blöd, du dämliche Kuh!“, bellte die Stimme drohend. „Gib mir den Bullen!“
„Ich… ich will zuerst mit Adam reden!“, rief Paloma plötzlich mit dem Mut der Verzweiflung.
„Du willst?“ Ein unangenehmes leises Lachen ertönte, das alle Alarmglocken in meinem Inneren schrillen ließ. „Du hast hier gar nichts zu wollen! Wenn du mir nicht sofort den verdammten Cop ans Telefon holst, wirst du gleich den letzten Todesschrei von deinem Affendoktor hören!“, knurrte der Anrufer voller Ungeduld, und ich sah, wie Dean genervt die Augen verdrehte. Einen groben Fluch unterdrückend trat er näher und streckte die Hand nach dem Telefon aus.
In diesem Augenblick war mir plötzlich klar, wo ich die Stimme des Anrufers schon einmal gehört hatte. Hastig packte ich Dean am Arm.
„Das ist derselbe Mann, der mich auf dem Handy angerufen hat, als wir aus dem Getty-Center kamen“, flüsterte ich ihm zu, und er nickte als Zeichen dafür, dass er verstanden hatte.
Zitternd reichte ihm Paloma den Hörer, während sich ihre Augen abermals mit Tränen füllten.
In der Sekunde, in der Dean das Telefon in der Hand hielt, veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Plötzlich war er wieder jener knallharte Cop, den ich zu Anfang kennengerlernt hatte.
„Cargo“, sagte er beneidenswert ruhig. „Ich hätte dich erschießen sollen, als ich dich in Vegas im Visier hatte!“
„Hast du aber nicht, Bullenschwein!“ Der Anrufer lachte bösartig. „Tja, das war ein Fehler, Cooper, denn nun werde ich dich erschießen. Aber vorher lasse ich dich noch ein wenig leiden.“ Wieder dieses unterschwellig drohende Lachen, dass mich erschauern ließ. „Hast du deine kleine Freundin dabei?“
„Wieso? Willst du dich hinter ihr verstecken?“, konterte Cooper unberührt, und ich bewunderte ihn einmal mehr für seine unerschütterliche Ruhe und die Professionalität, mit der er dem Erpresser begegnete.
„Ich verstecke mich hinter niemandem! Du und ich, wir werden nur ein kleines Spiel spielen, und da ich es bin, der das das As im Ärmel hat, spielen wir nach meinen Regeln!“
„Ich spiele nicht mit dir. Dazu bist du gar nicht mehr in der Lage. Ohne deine Leute bist du ein Niemand, High Roller!“
Der Anrufer schwieg eine Sekunde lang. Anscheinend hatte Dean ihn aus dem Konzept gebracht.
„Venice, Speedway, Ecke 19th in einer halben Stunde!“, bellte er kurz darauf. „Das leerstehende, mit Brettern vernagelte Eckhaus. Dort erwarte ich euch. Allein! Wenn ich außer dir auch nur einen Bullen rieche, könnt ihr euren Affendoktor im Leichensack abholen!“
„Moment!“, rief Dean, bevor der Anrufer auflegen konnte. „So einfach geht das nicht.“
„Oh doch, so und nicht anders. Wie ich bereits sagte, wir spielen nach meinen Regeln, schon vergessen?“
„Woher soll ich wissen, ob Adam Luis wirklich in deiner Gewalt ist?“
„Aber sicher ist er das.“
„Dann beweise es!“
„Ich werde dir gar nichts beweisen! Ihr werdet Ecke 19th eine Leiche finden, wenn ihr nicht in genau dreißig Minuten hier seid!“
„Vielleicht ist er ja schon lange tot“, erwiderte Dean scheinbar unbeeindruckt, und ich sah, wie Paloma die Luft anhielt und erneut alle Farbe verlor. „Gib mir ein Lebenszeichen, sonst platzt der Deal, und ich werde dich erbarmungslos weiter jagen, so lange, bis dir die Luft ausgeht!“
„Und du… du wirst dir sehr bald wünschen, mir nie begegnet zu sein, Bulle!“
Es wurde einen Augenblick lang still am anderen Ende der Leitung, so dass wir befürchteten, Cargo hätte nach seinen letzten Worten bereits aufgelegt. Dann jedoch folgte ein kurzes Knistern und Knacken, und plötzlich hörten wir Adams vertraute Stimme:
„Hallo, ich bin`s. Es geht mir gut. Was auch immer diese drei Typen von euch verlangen, lasst euch auf nichts ein…“ Ein dumpfes Klatschen ertönte, ein schmerzliches Aufstöhnen, dann fiel etwas polternd um.
„Adam! Verdammt…“, fluchte Dean beunruhigt. Ein hämisches Lachen drang aus dem Hörer.
„Sorry, euer Freund ist momentan ein wenig… sprachlos. Er muss sich erst wieder etwas sammeln. Vielleicht sollte er sich in Zukunft besser überlegen, was er sagt.“
„Sie mieses Schwein!“, schrie Paloma hysterisch. Dean drehte sich um und bedeutete ihr, still zu bleiben.
„Provozier ihn nicht“, flüsterte ich ihr zu. „Sonst lässt er seine Wut an Adam aus.“
„Das tut er doch sowieso schon“, schluchzte Paloma und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen.
„Krieg dich wieder ein und lass den Doc in Ruhe, Cargo! Wir sind in einer halben Stunde da.“
„Fünfundzwanzig Minuten, Cooper“, verbesserte der High Roller bösartig. „Fünf Minuten hast du durch dein Gequatsche bereits verspielt. Und jede Minute, die du dich verspätest, wird der Doktor schmerzlich zu spüren bekommen! Also solltest du dich besser beeilen, solange er noch alle Körperteile beisammen hat. Ach ja… und vergiss die kleine Spielerbraut nicht!“
Es knackte in der Leitung. Der Erpresser hatte das Gespräch beendet.
„Habt ihr ihn?“, fragte Dean Sekunden später in sein Handy. Er lauschte und nickte gleich darauf zufrieden. „Gut, dann wisst ihr ja, was zu tun ist. Wir fahren jetzt los.“
Wenige Minuten später befanden Dean und ich uns bereits auf dem Highway in Richtung Venice. Paloma hockte neben Jad auf dem Rücksitz, nachdem sie hoch und heilig versprochen hatte, sich während der geplanten Übergabe nicht aus dem Wagen zu bewegen.
In der Nähe der angegebenen Adresse stoppte Dean den Jeep und stieg aus, um noch einmal zu telefonieren.
„Was hat er vor?“, fragte Paloma misstrauisch.
„Keine Ahnung. Aber was immer er tut, du musst ihm vertrauen.“
„Tust du es?“
„Ja, bedingungslos.“
„Weil du ihn liebst.“
„Nein, weil ich weiß, dass er gut in seinem Job ist.“
„Shemar sagte mal, Coop sei der Beste!“
„Na also. Er wird nicht zulassen, dass Adam oder uns etwas geschieht.“
„Ich hoffe, du hast Recht“, seufzte Paloma und lehnte sich erschöpft zurück.
Ich atmete tief durch und strich Jad liebevoll übers Fell. „Du und dein Boss, ihr werdet uns beschützen.“
Jad warf mir einen Blick aus seinen treuen Hundeaugen zu, als wolle er sagen: Klar tun wir das! Wenn es sein muss, mit unserem Leben!
Dean stieg wieder ein, kontrollierte seine Waffe und ließ sie in der Jackentasche verschwinden.
„Jess, wenn wir da sind und ich aussteige, öffnest du deine Beifahrertür ein Stück, bleibst aber zunächst im Wagen“, wies er mich an. „Es sei denn, ich gebe dir ein Zeichen, auszusteigen. Dann zeigst du dich nur, bleibst jedoch so stehen, dass die Tür dich schützt.“ Er drehte sich nach hinten um. „Paloma, sobald ich draußen bin, öffnest du hinter mir die Tür für Jad. Aber was auch immer geschieht, du selbst bleibst sitzen und lässt dich nicht sehen.“
Sie nickte mit zusammengepressten Lippen.
„Okay.“ Dean startete den Motor und atmete tief durch. „Dann wollen wir mal…“
Als wir Ecke 19th ankamen, fanden wir die schmale Hinterhof-Straße menschenleer. Das alte, mit dunklen verwitterten Brettern vernagelte Eckhaus, umgeben von einem verwahrlost aussehenden Garten, schien völlig unbewohnt, und trotzdem hatte ich das Gefühl, dass bösartige und heimtückische Blicke aus verborgenen Ecken und Winkeln jeden einzelnen unserer Schritte genau beobachteten.
Dean stoppte den Jeep und ließ, während wir zunächst abwartend sitzen blieben, den Motor laufen.
Zäh und viel zu langsam verrannen die Sekunden.
Irgendwann öffnete sich ein kleines Gartentor hinter den verwilderten Büschen und ein Mann im schwarzen Anzug trat auf die Straße. Er hatte dunkles, streng zurückgekämmtes Haar und trug einen Schnauzbart. Ich schätzte ihn Mitte Vierzig. Er war nicht allzu groß, dafür allerdings etwas beleibt, denn das teuer aussehende Jackett spannte über seinem Bauch bereits verdächtig. Als hätte er meinen Blick gespürt, griff er nach dem Knopf und öffnete die Jacke in einer Art, die ich schon öfter in Fernsehkrimis gesehen hatte. Mit Sicherheit verbarg er eine Waffe darunter. So lässig, wie er sich bewegte, schien er seiner Sache völlig sicher zu sein. Obwohl er seine Augen hinter einer dunklen Sonnenbrille verborgen hatte, meinte ich doch ganz deutlich zu spüren, dass er uns genau im Visier hatte.
„Ist er das?“, fragte ich angespannt.
Dean nickte.
„Mister Phil Cargo persönlich, der High Roller. Ich wette, das Schwein trägt`ne Weste.“
„Und du? Trägst du eine?“
Er blieb mir die Antwort schuldig, aber ich wusste auch so, dass er gar keine Zeit gehabt hatte, eine anzulegen.
„Er hat ganz sicher auch eine Waffe bei sich“, flüsterte ich, als ich sah, wie Dean nach dem Türgriff langte. „Pass auf dich auf!“
Dean stieg aus und ließ die Fahrertür offen. Sekunden später öffnete Paloma hinter ihm wie verabredet vorsichtig die Tür für Jad. Der Hund schlüpfte hinaus und blieb hinter der Fahrertür in Deckung. Cargo, der sich auf Dean konzentrierte, schien ihn nicht bemerkt zu haben.
„Du bist ja sogar pünktlich, Bulle!“, rief er und lachte hämisch. „Kannst es wohl nicht erwarten, dem sicheren Tod ins Auge zu sehen!“
Dean lehnte am Wagen und ließ sich nicht provozieren.
„Bisher habe ich dich für einen recht cleveren Spieler gehalten. Aber ich glaube, diesmal hast du dich verzockt, Cargo!“
„So? Wie kommst du darauf?“
„Was zum Teufel willst du mit einem Tierarzt? Soll er den schäbigen Rest deiner Schweinebande behandeln?“
„Meinst du den schäbigen Rest, der nach eurem hinterlistigen Überfall von meinem Team übriggeblieben ist?“ Cargo nahm die Brille ab und starrte Cooper aus bösartig zusammengekniffenen Augen an. „Pass auf, was du sagst, Bulle! Ich habe immer noch genug Leute. Und meine Männer sind topfit, die brauchen keinen Arzt. Aber ihr braucht ihn, deshalb biete ich ihn dir zum Tausch an. Gib mir die Spieler-Frau, und ihr bekommt ihn unversehrt zurück.“
„Sie ist nicht seine Frau. Sie hat nichts mehr mit ihm zu tun.“
„Da hat er uns allerdings etwas anderes erzählt.“ Er winkte ungeduldig mit der Hand. „Nun mach schon, ich will sie sehen, und ich habe nicht ewig Zeit!“
Dean gab mir ein Zeichen. Ich stieg langsam aus dem Wagen, blieb aber wie vereinbart hinter der Tür in Deckung.
„Was willst du von ihr?“, hakte er abermals nach. „Sie ist völlig wertlos für dich, denn sie weiß nicht, wohin sich euer neuer Toy Boy abgesetzt hat.“
„So, sie weiß es nicht?“ Cargo lachte verächtlich, und seine kleinen fiesen Knopfaugen, die mich an die einer heimtückischen Hyäne erinnerten, nahmen mich ins Visier. „Fünf Minuten allein mit uns, Schätzchen, und es fällt dir garantiert wieder ein!“
Obwohl mir bei seinen Worten ein eiskalter Schauer über den Rücken lief, bemühte ich mich um einen gleichgültigen Gesichtsausdruck.
„Sie haben doch gehört, was er sagt. Ich bin fertig mit ihm. Suchen Sie ihn gefälligst selbst, Mister!“
„Uuh…“, höhnte der High Roller und grinste breit. „Eine mit großer Klappe! Mal sehen, wie lange!“ Er hob die Hand und gab ein Zeichen in Richtung Gartentor, worauf zwei kräftig aussehende Männer mit kurzgeschorenen Haaren und dunkler Kleidung heraustraten. Sie hatten Adam links und rechts in festem Griff und blieben mit ihrer Geisel ein Stück hinter ihrem Boss abwartend stehen. Der wandte sich erneut an Dean.
„Schluss mit dem Geplänkel. Fangen wir endlich an. Die Frau und du gegen den Doktor. Jetzt!“
„Lass sie in Ruhe. Du bekommst mich im Austausch gegen ihn. Eins gegen eins. Das ist ein fairer Tausch.“
„Wer sagt, dass ich fair sein will? Du weißt nicht, wo der Spieler ist. Aber sie!“
„Bist du taub, Cargo? Sie weiß es auch nicht!“
„Vielleicht fällt es ihr wieder ein, wenn sie sieht, wie ich dich töte!“
„Du willst mich töten?“ Dean lachte scheinbar unbeeindruckt. „Nicht dein Ernst!“
„Aber natürlich wirst du heute sterben, Bulle! Als Vergeltung für meine inhaftierten Männer.“
„Ich sterbe garantiert irgendwann, aber ganz sicher nicht heute und erst recht nicht durch deine Hand.“
„Wir werden sehen. Einstweilen töte ich den Affendoktor.“
Zitternd blickte ich von einem zum anderen und fragte mich insgeheim, wo Dean den Mut hernahm, so verdammt cool zu bleiben.
Jad war indessen hinten um den Wagen herumgeschlichen. Lautlos wie ein Schatten tauchte er plötzlich neben mir auf und knurrte leise, ein kaum hörbares, warnendes Grollen, das tief aus seiner Kehle zu kommen schien. Er ließ keinen Blick von dem Geschehen, jeder Muskel seines durchtrainierten Körpers war angespannt und bereit zum Angriff.
Mit einem Mal waren von Ferne Polizeisirenen zu hören. Ich atmete innerlich auf. Deans Kollegen waren in der Nähe! Sie kamen, um uns zu retten!
Auch Cargo hörte das Signal und blitzte Cooper warnend an.
„Ich hoffe für dich, dass du keine Dummheiten gemacht hast!“
„Ich mache nie Dummheiten“, erwiderte dieser achselzuckend. „Ich habe die Cops nicht gerufen. Aber leider gibt es immer noch zu viele verkrachte Existenzen von deiner Sorte. Ich kann nichts dafür, wenn irgendwo gerade ein Einsatz läuft.“
Und tatsächlich…
Entsetzt stellte ich fest, dass sich die Sirenen wenig später in eine andere Richtung entfernten und sich viel zu schnell in den Geräuschen der Großstadt verloren.
Cargos Handlanger zerrten Adam ein paar Schritte vor. Einer von ihnen zog eine Waffe und hielt sie ihm an die Schläfe. Das rechte Auge des jungen Tierarztes war, vermutlich von einem Fausthieb, fast zugeschwollen.
„Komm schon, Bulle, entscheide dich“, knurrte Cargo warnend. „Zuerst die Frau, dann du - oder er stirbt. Ich zähle bis drei!“
Das metallische Klicken, als der Mann seine Waffe entsicherte, klang wie ein Donnerschlag in meinen Ohren. „Eins… zwei… dr…ei!“
Die Waffe an Adams Schläfe klickte wieder und dem jungen Mann knickten in Todesangst die Knie weg.
Cargo ließ ein hässliches Lachen ertönen.
„Was denn, Bulle, du würdest ihn tatsächlich sterben lassen? Wo bleibt deine verdammte Loyalität, Mann!“
„Ich wusste, dass du bluffst.“
„Das konntest du nicht wissen! Das war nur ein wenig Russisches Roulette. Genauso gut hätte eine Kugel in der Kammer sein können.“
„Nicht nur du bist ein Spieler!“
„Na schön!“ Das Gesicht zu einer hässlichen Grimasse verzogen fuhr Cargo herum und wandte sich an einen seiner Handlanger. „Er will es nicht anders. Leg den Idioten um!“
Der Mann zerrte Adam brutal auf die Beine und legte an…
In diesem Augenblick schoss Jad wie ein Pfeil hinter der Wagentür hervor und sprang ihm an die Kehle. Mit einem Aufschrei ließ der Mann die Waffe fallen und stürzte zu Boden.
Dann ging alles rasend schnell.
„Aus, Jad!“, befahl Dean, während im gleichen Augenblick mehrere schwer bewaffnete Cops aus dem nebenliegenden Hauseingang stürmten. Binnen weniger Sekunden hatten sie Cargos Handlanger überwältigt, entwaffnet und zu Boden geworfen.
Der High Roller selbst jedoch reagierte schneller als erwartet. Kaum erschienen die Cops auf der Bildfläche, wirbelte er blitzschnell herum, hatte plötzlich wie aus dem nichts eine Waffe in der Hand und stand mit wenigen Schritten direkt vor mir. Bevor ich irgendwie reagieren konnte, schloss sich sein Arm mit eisernem Griff um meinen Hals. Er zerrte mich gewaltsam von der schützenden Wagentür weg, während sich kalter Stahl schmerzhaft gegen meine Schläfe drückte. Erschrocken schrie ich auf und sah gerade noch, wie Dean seinem vierbeinigen Partner etwas zurief, und Jad blitzschnell auf uns zugeschossen kam. Ich machte mich darauf gefasst, umgerissen zu werden, doch kurz bevor der Hund absprang, nahm Cargo die Waffe von meiner Schläfe.
Mit ohrenbetäubendem Knall zerriss ein Schuss die angespannte Stille.
Jad, der bereits zum Sprung angesetzt hatte, jaulte herzzerreißend auf, drehte sich in der Luft und fiel zu Boden, wo er reglos liegenblieb.
Mit einem entsetzten Aufschrei rammte ich Cargo so fest ich konnte meinen Ellenbogen in die Seite und ließ mich fallen. Jetzt hatte Dean freies Schussfeld. Er zögerte keine Sekunde und streckte seinen Widersacher mit einem gezielten Schuss nieder. Die kugelsichere Weste nützte dem Spielerboss nichts mehr. Er wurde genau zwischen die Augen getroffen und war schon tot, bevor er zusammensackte und dumpf auf dem Asphalt aufschlug.
Ungeachtet dessen kroch ich so schnell ich konnte zu Jad.
Er lag kaum einen Meter von mir entfernt auf der Seite und atmete flach. Aus einer Wunde in der Flanke strömte Blut. Als er mich sah, versuchte er den Kopf zu heben, und sein klägliches Fiepen zerriss mir fast das Herz.
„Krankenwagen!“, schrie ich. „Ruft einen Krankenwagen!“
„Wir haben einen dabei“, hörte ich wie aus weiter Ferne Deans Stimme.
„Worauf wartest du? Hol ihn!“
Dean kniete neben mir nieder und legte beruhigend seine Hand auf Jads Kopf. „Er wird ihn nicht mitnehmen, Jess.“
„Waaas?“ Ich hob den Kopf und starrte ihn ungläubig an. „Jad muss behandelt werden, sonst stirbt er!“
„Ich weiß“, sagte Dean leise, und ich hörte deutlich das Zittern in seiner Stimme. „Aber er ist ein Hund. Sie behandeln ihn nicht.“
„Er ist dein Partner!“, schrie ich ihn fassungslos an. „Er hat mir das Leben gerettet und sich die Kugel eingefangen, die für dich oder mich bestimmt war!“
„Jess…“
„Nein!“ Ich sah, wie der Krankenwagen, der offensichtlich zu Coopers Einsatzteam gehörte, langsam heranrollte und sprang auf. „Das wollen wir ja mal sehen! Sanitäter, hierher! Schnell!“ Von meinem überzeugten Engagement plötzlich angesteckt war Dean mit einem Satz auf den Beinen.
„Na los, ihr habt sie gehört!“, brüllte er entschlossen und schwenkte den Arm. „Hierher!“
Ich kniete wieder neben Jad und redete beruhigend auf ihn ein.
Die Sanitäter zerrten eine Trage aus dem Fahrzeug und eilten zu uns herüber. Kurz vor uns setzten sie die Trage ab.
„… sind vor Ort, anscheinend gab es einen Verletzten. Melde mich gleich mit weiteren Informationen“, hörte ich den einen Sanitäter in sein Sprechfunkgerät sagen.
„Das ist keiner von den Cops“, rief der andere. „Das ist ein Hund!“
„Ja, ein Polizeihund im Dienst“, stellte ich richtig, sprang erneut auf und nahm dem überraschten Sanitäter das Funkgerät aus der Hand.
„Hier spricht Dr. Hausmann. Wir bringen in ein paar Minuten einen Officer mit Bauchschuss-Verletzung. Bitte umgehend einen OP fertigmachen. Eine OP-Schwester soll sich bereithalten, um zu assistieren. Ich operiere selbst.“ Mit einem bedeutungsvollen Blick gab ich dem Sanitäter das Funkgerät zurück. „Na los, nun machen Sie schon, jede Sekunde zählt!“
Ratlos sahen die Männer vom Krankenwagen einander an.
„Worauf wartet ihr, verdammt!“, herrschte Dean die beiden an. „Ihr habt sie gehört! Officer im Dienst schwer verletzt! Bewegt euch!“
„Ja aber, wir haben strikte Anweisung…“, begann der eine Sanitäter zögernd, verstummte jedoch mit einem Blick auf Jad sofort wieder und atmete tief durch. Ich weiß nicht, ob es die Entschlossenheit in meinem Blick oder sein Mitleid mit dem schwerverletzten Hund war, der auf dem kalten Asphalt um sein Leben rang, aber der Mann reagierte plötzlich genau richtig. Er steckte das Funkgerät ein und packte mit zu. Gemeinsam hoben Dean und die Männer Jad vorsichtig auf der Trage in den Krankenwagen. Einer der beiden Sanitäter stieg vorn ein, während Dean und ich nicht von Jads Seite wichen.
Bevor sich die Türen des Fahrzeuges schlossen, sah ich Paloma und Adam, die eng umschlungen draußen auf der Straße standen und zu uns hinüberblickten. In meinem Inneren mischte sich die grenzenlose Erleichterung über Adams Befreiung mit der lähmenden Angst um das Leben unseres besten Freundes. Wir hatten den Tierarzt gerettet, doch wie hoch der Preis dafür sein würde, das würden erst die nächsten Minuten und Stunden zeigen.
Die ganze Fahrt über sprachen wir kein Wort. Ich hatte Jads Wunde so fest wie möglich mit sterilen Vlies-Kompressen fixiert und ihn mit Deans Hilfe auf die verletzte Seite gedreht, damit durch das Einschussloch beim Atmen keine Luft in den Bereich zwischen Brustkorb und Lunge in den Bauchraum gelangen konnte. Außerdem hatte ich bereits einen Zugang gelegt. Seine Atmung ging flach, und manchmal winselte er leise, fast wie im Schlaf.
Dean strich ihm liebevoll übers Fell.
„Du schaffst das, Partner, wag es bloß nicht, mich allein zu lassen“, flüsterte er, und seine Worte berührten mich so tief, dass es weh tat.
„Er ist stark, er hat gute Chancen“, versuchte ich ihn zu beruhigen, doch es war, als hörte er mich gar nicht. Seine ganze Sorge galt dem Patienten, der reglos auf der Trage lag. Nur das Piepen des Monitors zeigte an, dass Jads Herz noch schlug, wenn auch nur ganz schwach.
Ich sprang auf und öffnete die Tür, kaum, dass der Krankenwagen vor der Klinik hielt.
Die erstaunten Blicke des herbeieilenden Personals ignorierend, schoben wir die Trage hinaus.
„Sind Sie Dr. Hausmann?“, hörte ich einen älteren Mann im langen weißen Kittel fragen. Anscheinend war er der diensthabende Arzt.
„Ja, ich bin Tierärztin, und ich werde den Verletzten selbst operieren“, erwiderte ich so selbstbewusst, wie es mir in diesem Augenblick möglich war. Der Mann blickte kurz auf Jad, der reglos auf der Trage lag.
„Ein Polizeihund?“
„Er ist mein Partner“, erwiderte Dean. „Und er wurde im Dienst angeschossen.“
Der Mann in Weiß musterte ihn sekundenlang, bevor er sich mir erneut zuwandte.
„Ich verstehe. Tja Leute, es gibt Situationen, da muss man einfach Prioritäten setzen.“ Er atmete tief durch und nickte dann. „Sie werden sicher gegen meine Hilfe nichts einzuwenden haben. Ich bin Dr. Harper. Bitte folgen Sie mir!“
„Hilf ihm, Jess! Bring ihn mir zurück!“, hörte ich Dean dicht hinter mir eindringlich sagen.
Ich blickte mich kurz um und vermeinte ein verdächtiges Glitzern in den Augen dieses starken Mannes zu sehen, den ich lange Zeit zuvor für reichlich emotionslos gehalten hatte. Ich nickte nur stumm und folgte eilig dem Arzt und der Schwester, die Jad auf der Trage zum Lift rollten. Meine Augen brannten, doch ich verdrängte die aufsteigenden Tränen, denn in diesem Augenblick hatte bereits jene professionelle Routine von mir Besitz ergriffen, die ein Arzt braucht, um wirklich gute Arbeit zu leisten. Ich musste funktionieren, für Jad, für Dean, für mich selbst. Hinterher würde ich mir vielleicht etwas Schwäche gönnen und weinen. Vor Erleichterung oder… vor Trauer.
Jetzt jedoch zählte nur eines: Ich musste das Leben unseres besten Freundes retten.
Ich würde alles geben…