29. Er liebt mich, er liebt mich nicht…
In den nächsten Wochen erholte sich Jad erstaunlich schnell. Es schien, als könne er es gar nicht erwarten, wieder als vollwertiger Officer in den Dienst aufgenommen zu werden und mit Coop zusammen loszuziehen. Sein Reha-Programm absolvierte er ohne Probleme, und die überschüssigen Pfunde, die er dank Celias hervorragender Verpflegung nach seiner Genesung zusätzlich auf die Waage brachte, hatte er sich im Nu wieder abtrainiert.
Stolz, als wüsste er ganz genau, dass er alles mit Bravour bestanden hatte und mit dem heutigen Tag als voll rehabilitiert galt, saß Jad in meinem Behandlungszimmer, während ich die Entlassungspapiere für meinen Lieblings-Patienten ausstellte und sie einstweilen an Butch weiterreichte, der den vierbeinigen Officer zu einem abschließenden Lauftraining mit den anderen Hunden abholte.
Ich selbst hatte die Veterinär-Stelle von Dr. Allister inzwischen sicher, nachdem die Einwanderungsbehörde mein anfänglich auf befristete Zeit verlängertes Visum auf Grund des festen Jobs gegen eine Permanent Residency mit Greencard auszutauschen bereit war, was bedeutete, dass ich mich von nun an unbefristet in den Staaten aufhalten durfte. Der Rechtsstatus dieses Dokumentes stellt in den USA die mittlere von drei Stufen auf dem Weg zur Einbürgerung dar. Die erste Stufe ist das Einwanderungsvisum, die zweite die Permanent Residency mit Greencard, und die dritte und höchste Stufe ist die US-Staatsbürgerschaft.
Als Besitzer einer Greencard konnte ich demnach so lange in den Staaten bleiben, wie ich es wollte, vielleicht sogar irgendwann gänzlich sesshaft werden. Auf derart endgültig klingende Begriffe wie „für immer und für alle Zeit“ mochte ich mich momentan jedoch noch nicht festlegen. Stufe Zwei im US-Einbürgerungsgesetz war okay für mich. Der Besitz der Greencard ließ mir alle Türen offen, um mich auch weiterhin über Gehen oder Bleiben frei entscheiden zu können.
Diese Option war mir wichtig, vor allem, solange sich Dean ebenfalls in keiner Weise festlegen mochte, was uns beide betraf.
Letzteres schmerzte mich insgeheim schon ein wenig. Wir beide hatten fantastischen und absolut leidenschaftlichen Sex, aber das war es dann auch schon. Ich wohnte zwar noch in seiner Villa, aber nicht etwa, weil er mich niemals wieder an seiner Seite missen wollte, nein, davon hatte er bisher kein Sterbenswörtchen gesagt. Auf meine Frage, ob es ihm angenehmer sei, wenn ich nun, nachdem die Gefahr für mich gebannt schien, wieder in die Station zurückkehren würde, meinte er nur, ich solle bloß nichts überstürzen. Er überließ mir die alleinige Entscheidung. Ich konnte gehen oder bleiben, ganz wie es mir beliebte. Auf Worte wie „Bitte bleib!“, „Ich möchte nicht, dass du gehst!“, oder gar ein „Ich liebe dich!“, wartete ich jedoch vergebens. Vielleicht setzte er auch einfach voraus, dass ich blieb, vielleicht war ich für ihn die „Frau an seiner Seite“, auch ohne viele Worte, aber mit dieser Art von voraussetzender Selbstverständlichkeit konnte ich absolut nicht umgehen. Ich brauchte klare Worte oder Beweise dafür, dass es ihm ernst war. Doch die einzigen Zugeständnisse seinerseits waren körperlicher Natur. Wenn wir miteinander schliefen, war er zärtlich und leidenschaftlich, er verstand es wie kein anderer, Gefühle in mir zu wecken, die ich so nie für möglich gehalten hatte.
Doch wenn der Morgen graute, zog er sich immer wieder in seine eigene Welt zurück.
Ich selbst stammte aus einem Elternhaus, in dem sich niemand gegenseitig seine Gefühle offenbart hatte, falls da überhaupt je welche existiert hatten. Ich konnte mich beim besten Willen nicht daran erinnern, dass meine Eltern jemals in irgendeiner Weise liebevoll miteinander umgegangen waren. Bereits frühzeitig aneinander gekettet durch die Existenz zweier Kinder, die sie beide einfach nur als Ballast in ihrer freudlosen Ehe betrachteten, waren sie einander gleichgültig geworden. Irgendwann jedoch waren auch diese familiären Ketten durchgerostet, und mein Vater befreite sich davon, indem er uns eines Tages einfach verließ und fortan eigene Wege ging. Zurück blieb meine Mutter, zusammen mit zwei halbwüchsigen Kindern, die dringend ein stabiles und liebevolles Elternhaus gebraucht hätten. Doch sie war viel zu verbittert und vom Leben enttäuscht, als dass sie etwas davon wahrgenommen hätte. Lieber saß sie in der Küche vor dem kleinen Fernseher und trank sich in ihre eigene Welt. Eric war noch zu klein, um zu verstehen, warum das so war, und ich selbst musste schon sehr zeitig lernen, auf eigenen Füßen zu stehen und für mich und meinen Bruder zu sorgen. Das tat ich dann auch, so gut ich konnte. Die wenige Freizeit, die mir blieb, verbrachte ich zumeist gemeinsam mit meiner Freundin Caitlin bei unseren geliebten Pferden, oder ich ging ins Kino, sah mir die neuesten Hollywoodstreifen an und schuf mir meine eigene Traumwelt.
Nur manchmal, wenn mich die Sehnsucht nach etwas Nestwärme packte, zog es mich immer wieder zu Caitlins Familie, wo ich mich für eine kurze Zeit in eine Atmosphäre voller Ehrlichkeit und Harmonie fallen lassen durfte. Thomas und Angelina „Anni“ Jennings waren für mich von jeher der Inbegriff eines glücklichen Paares.
Caitlin hatte mir des Öfteren erzählt, wie sich ihre Eltern damals kennengelernt hatten – auf einer Rundreise durch den schönen Sonnenstaat Kalifornien. Anni war Reiseleiterin in jenem Busunternehmen, mit dem Thomas gemeinsam mit ein paar Freunden seine erste USA-Reise gebucht hatte. Es war Liebe auf den ersten Blick zwischen beiden gewesen, und ganz sicher hatten sie einander nicht nur verliebt angeblickt, denn bereits neun Monate später war Caitlin zur Welt gekommen. Kurz darauf heiratete das glückliche Paar im Kreise von Annis Familie im altehrwürdigen Rathaus von Santa Barbara, und die junge Frau mit den tiefen, amerikanischen Wurzeln verließ ihre Familie und ihre Freunde und folgte ihrem Ehemann bereitwillig in dessen Heimat nach Deutschland.
Ich glaube, Angelina Jennings hat es in all den Jahren nie bereut, sich damals so entschieden zu haben, und ihr Mann sorgte seinerseits dafür, dass sie niemals einen Grund dafür hatte. Glücklich waren beide auch heute noch miteinander, das spürte man an der liebevollen Art, wie sie miteinander, sowie mit Tochter und Schwiegersohn und ihren beiden Enkelkindern umgingen. Nur manchmal, wenn sich die Sehnsucht nach der alten Heimat in ihr regte, wusste Caitlins Mum, dass es wieder einmal an der Zeit war, der Familie jenseits des großen Teiches einen Besuch abzustatten.
Caitlin selbst war dem Vorbild ihrer Eltern gefolgt und hatte die Familientradition viele Jahre später fortgesetzt, indem sie ihrem David ebenfalls in Santa Barbara das Jawort gab.
Eine große, glückliche Familie.
Ich würde ihnen mein Leben lang dankbar dafür sein, dass sie mir damals, so oft ich es zuließ, das wunderbare Gefühl gegeben hatten, einfach dazuzugehören.
Vielleicht war es mir gerade deshalb wichtig, dass eine Partnerschaft nicht nur im Bett funktionierte. Es gehörte einfach mehr dazu, und ich spürte, dass ich nicht gewillt war, denselben Fehler wie meine Eltern zu machen und das Leben mit einem Schulterzucken an mir vorbeiziehen zu lassen. Dazu war es einfach zu kostbar. Ich wollte es genießen, zusammen mit einem Partner, der dasselbe für mich empfand, wie ich für ihn.
Mittlerweile war ich erwachsen und selbstbewusst genug, um sicher zu sein, dass das nicht zuviel verlangt war.
Deshalb nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und fragte Dean irgendwann, während er mich nach einer gemeinsam verbrachten Nacht noch zärtlich im Arm hielt, ob er etwas für mich empfände.
„Aber sicher“, erwiderte er, als sei dies die natürlichste Sache der Welt. „Sonst wäre ich doch nicht hier bei dir.“
„Und warum sagst du es dann nicht?“
„Warum etwas zerreden, was auch ohne viele Worte perfekt ist?“
„Weil es einfach dazugehört, Dean.“
„Findest du? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die meisten dieser wunderschönen Worte am Ende doch nur Lügen sind.“
„Ich hatte nicht vor, dich anzulügen, wenn ich dir sage, was ich für dich empfinde.“
„Und ich rede nun einmal nicht gern darüber, ob und wieviel ich für irgendjemanden empfinde, ich zeige es lieber.“
Damit war das Thema für ihn erledigt und ich wusste genauso viel wie vorher. Außerdem wollte ich nicht irgendjemand sein, sondern die Frau, die er liebte, in jeder Hinsicht. Doch solange er es nicht hinbekam, mir das zu sagen, konnten wir auch nicht von einer echten gegenseitigen Beziehung sprechen. Und wenn wir keine Beziehung führten, konnte ich genauso gut gehen, bevor ich irgendwann wieder von einem Mann so tief verletzt werden würde wie von meinem Ex.
Aber vielleicht war es dazu schon zu spät, denn Dean Cooper ging mir bereits viel tiefer unter die Haut, als ich mir das bisher selbst einzustehen bereit gewesen war.
Ja, verdammt, ich hatte mich entgegen aller meiner Vorsätze in ihn verliebt. Das zu leugnen wäre glatter Selbstbetrug gewesen.
Außerdem war ich gerne hier, bei ihm, bei Celia und Ramon, bei Jad. Sie waren in dieser kurzen Zeit meines Aufenthaltes schon so etwas wie eine Familie für mich geworden, und das lag nicht an der tollen Villa, in der es an nichts fehlte, sondern allein an den Menschen, die darin lebten. Ich wäre Dean ohne zu zögern auch in eine klitzekleine Mietwohnung gefolgt, nur um in seiner Nähe zu sein. Aber solange er seine Gefühle mir gegenüber derart unter Verschluss hielt, konnte ich von einem Leben mit ihm nur träumen.
Und das wiederum reichte mir nicht.
Also begann ich schließlich schweren Herzens, nach einer kleinen Wohnung in Santa Monica oder Venice zu suchen. Eine, die nicht allzu weit von der Station entfernt war und deren Miete mich nicht in den Ruin treiben würde. Leider war das inmitten der angesagtesten Touristenmetropole Kaliforniens alles andere als einfach. Alle wollten hier leben, zumindest schien es so, wenn man sich auf dem aktuellen Immobilienmarkt umsah.
Als Dean durch Zufall von meiner Wohnungssuche erfuhr, reagierte er mit Unverständnis.
„Warum willst du denn weg? Du weißt doch, dass du bleiben kannst, solange du möchtest.“
Ich blieb ihm die Antwort schuldig, denn eine Liebeserklärung klang für mich etwas anders.
Obwohl ihn meine Entscheidung ganz offensichtlich bedrückte, äußerte er sich trotzdem nicht weiter dazu, und trotzdem ich inzwischen wusste, dass er sich mit so etwas schwertat, hatte ich doch gehofft, dass er nun, da er Gefahr lief, mich zu verlieren, auf irgendeine Art die Fronten zwischen uns klären würde. Doch nichts dergleichen geschah. Dabei konnte ich ja noch nicht einmal mit Bestimmtheit sagen, ob das, was wir miteinander teilten, für ihn inzwischen so etwas wie eine Beziehung war oder einfach nur guter Sex. Vielleicht würde ich es nie erfahren.
Irgendwann sprach ich bei einem gemeinsamen Mädelsabend im „Bubbas“ mit Paloma über meine Probleme, doch auch sie konnte mir nicht wirklich weiterhelfen.
„Zumindest hat er dich schon sehr viel weiter an sich herangelassen, als irgendeine andere Frau nach seiner verdammten Ex“, kommentierte sie mein Problem zwischen zwei Tequila Sunrise und ihrem nächsten Gesangs-Auftritt. „Und damit meine ich nicht nur im Bett!“
„Aber zu einer harmonischen Beziehung gehört doch etwas mehr als nur miteinander zu schlafen“, erwiderte ich kopfschüttelnd. „Nicht, dass ich allzu viel Erfahrung mit so etwas hätte, doch wenn ich darüber nachdenke, was Dean mir nach unserer ersten gemeinsamen Nacht von seiner Vergangenheit erzählt hat, während wir mit Jad im Park waren…“ Die Erinnerung daran zauberte mir ein verträumtes Lächeln aufs Gesicht. „Wir lagen im Gras, er streichelte mir liebevoll übers Haar, wir redeten über alles Mögliche und schienen mit einem Mal so vertraut miteinander. Dann kam dein Anruf, und wir erfuhren von Adams Entführung. Was danach passierte, weißt du ja, und seitdem ist alles anders.“
Paloma griff mitfühlend nach meiner Hand.
„Tut mir leid.“
Ich wollte nicht, dass sie sich in irgendeiner Form schuldig fühlte und zwang mich zu einem Lächeln.
„Ach was, du kannst garantiert nichts dafür, dass Dean Cooper so ein Beziehungsmuffel ist. Dafür kann ich mich ausschließlich bei seinem Dad und einer gewissen Rebecca bedanken.“
Paloma schnaubte verächtlich.
„Den alten Sack und dieses geldgierige Miststück würde ich zu gern mal in die Finger bekommen.“
„Ich assistiere dir!“, platzte ich heraus, und wir brachen beide in übermütiges Gelächter aus.
„Weißt du, Jess, ich erlebe gerade zum ersten Mal eine solche Beziehung, wie du sie dir mit Cooper wünschst“, gestand mir Paloma und lehnte sich mit verträumtem Blick zurück. „Adam ist der einfühlsamste Kerl, der mir je untergekommen ist, und ich will verdammt sein, wenn ich den nicht behalte!“
„Tu das, Paloma, halte ihn gut fest“, riet ich ihr und nippte lächelnd an meinem Drink. „Von dieser Sorte laufen nämlich nicht allzu viele frei herum.“
Caitlin erzählte ich während unserer regelmäßigen, langen Telefonate über den Atlantik hinweg ebenso von meinen Problemen. Aber auch meine beste Freundin vermochte meine Situation, und die emotionale Zwickmühle, in der ich mich derzeit befand, nicht so richtig einzuschätzen. Immerhin trennten uns tausende von Meilen, und obwohl wir uns sonst immer blind verstanden, ein Patentrezept für mein angeknackstes Herz hatte sie trotzdem nicht. Woher auch, sie kannte Dean ja noch nicht einmal persönlich, wie sollte sie dann wissen, wie dieser Mann tickte?
Trotzdem schien sie irgendwie zu ahnen, was in mir vorging, denn sie hatte mit David damals zu Beginn ihrer Beziehung Ähnliches erlebt. Und schuld daran waren, genau wie bei Dean, die leidigen Schatten der Vergangenheit gewesen, gegen deren dunkle Macht die Gegenwart manchmal einfach nicht wirksam anzukämpfen vermochte.
Es war zum Verzweifeln.
„Ich weiß nicht, Jessi, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass es bald wieder an der Zeit für einen Besuch bei meinen Großeltern ist“, erklärte mir Cait bei unserem letzten Gespräch mit einem gut hörbaren Lächeln in der Stimme und hinterließ damit immerhin einen winzigen Hoffnungsschimmer auf etwas moralische Unterstützung tief in meinem Herzen.
„Lass es gut sein, Liebes“, meinte Celia irgendwann, während wir gemeinsam das Abendessen zubereiteten. „Du fängst den Wind niemals ein, so lautet ein altes Sprichwort. Ich kenne Dean lange genug. Er ist, wie er ist, er lebt sein Leben, sucht die Gefahr und gibt seine Gefühle nicht gern preis, um zu verhindern, dass ihn jemals wieder irgendwer verletzt. Aber tief in seinem Inneren ist er ein durch und durch warmherziger und gefühlvoller Mensch. Warte einfach ab und gib ihm etwas Zeit, ich bin sicher, dann wendet sich alles zum Guten für euch beide.“
Darauf zu vertrauen fiel mir allerdings mit jedem Tag schwerer.
Dean hielt sich in der letzten Zeit oft außerhalb der Villa auf. Ramon hatte uns verraten, dass der Chief die Suspendierung sehr schnell wieder aufgehoben hatte, aber weder Celia noch er wussten, wo ihr Arbeitgeber sich gelegentlich aufhielt. Er selbst erklärte auf diesbezügliche Fragen meinerseits kurz angebunden, er sei in der Firma oder geschäftlich unterwegs, manchmal auch im Auftrag des LAPD, und käme erst sehr spät oder überhaupt nicht nach Hause. Ich hatte das Gefühl, er sagte das auch nur, damit Celia nicht vergeblich mit dem Essen wartete. Dem Hausmeister-Ehepaar war dieses Verhalten wegen seiner zahlreichen diversen Undercover-Einsätze nicht unbedingt fremd. Mir allerdings schon, und anfangs sorgte ich mich um ihn, wenn ich vom Dienst zurückkam und entweder der Helikopter oder der Mustang nicht an ihrem gewohnten Platz standen.
Um mich abzulenken, lief ich für gewöhnlich mit Jad, der allmählich zu seiner alten Form zurückfand, meine Runden durch den Park, wobei ich um „unseren“ Baum einen Riesenbogen machte. Ich versuchte mich, so gut es ging, mit der Situation zu arrangieren, vergrub mich tagsüber in meiner Arbeit und hörte auf, mich selbst und andere mit Fragen zu nerven, auf die es sowieso keine Antworten gab. Ich nahm mir vor, erst einmal abzuwarten und die wenigen Stunden zu genießen, die Dean und ich gelegentlich zusammen verbrachten. Zu meinem Erstaunen funktionierte das mit der Zeit sogar einigermaßen.
Aber wie war das mit meinen persönlichen Vorsätzen?
Ich wollte doch niemals gleichgültig sein!
„Woran arbeitet Cooper denn zur Zeit?“, fragte ich Tyler und Shemar, die mich hin und wieder in der Praxis besuchten, wenn Diensthunde abgeholt oder zum Check hergebracht wurden.
„Keine Ahnung“, erwiderte Shemar und blickte seinen Partner fragend an. „Hat er gerade irgend `nen Auftrag?“
Der hob nur die Schultern.
„Nicht das ich wüsste. Aber wir werden auch nicht in alle Undercover-Aktivitäten eingeweiht. Ich weiß nur, dass Coops Suspendierung inzwischen aufgehoben ist. Vielleicht hat der Chief mal wieder etwas Geheimes am Laufen.“
„Es könnte aber genauso gut sein, dass Coop zurzeit einiges in seiner Firma zu klären hat“, mutmaßte Shemar nach kurzer Überlegung. „Ich habe gehört, dass es angeblich Stress mit einem leitenden Mitarbeiter gab. Aber genau weiß ich es nicht.“
Ich machte mir darüber meine eigenen Gedanken, während ich mein Stethoskop abnahm und den Schäferhund, dessen Herz ich gerade abgehört hatte, mit einem freundlichen Flankenklopfen aus der Behandlung entließ.
Tyler musterte mich prüfend.
„Redet er nicht mit dir darüber, was er tut?“
„Kaum.“
„Habt ihr Streit oder so?“
„Nein, aber vermutlich ist er einfach nicht gewohnt, mit jemandem über seine Arbeit zu sprechen“, beeilte ich mich zu sagen. „Und über seine Undercover-Einsätze beim LAPD darf er sowieso nicht reden. Ich dachte nur, ihr wisst irgendetwas.“
„Sorry Jess“, grinste Ty gutmütig. „Coop hat ein dickes Fell und ist, was seine Arbeit beim LAPD betrifft, eher ein Einzelgänger. Ist sicher nicht leicht für dich, mit einem Kerl wie ihm zusammen zu sein.“
„Das ist wohl wahr“, stimmte ich seufzend zu. „Manchmal bin ich gar nicht sicher, ob wir überhaupt zusammen sind.“
„Oh oh“, machte Shemar und verdrehte die Augen, nachdem er den Diensthund vorschriftsmäßig wieder angeleint hatte. „Das klingt in der Tat nach Coop.“
„Wenn du dir irgendwann sicher bist, dass ihr nicht mehr zusammen seid, mein Sofa ist noch frei“, meinte Ty augenzwinkernd, bevor er seinem Kollegen nach draußen folgte. „Man sieht sich, Ma`m!“
Lachend schloss ich die Tür hinter den beiden Polizisten, mit denen mein Abenteuer hier am Strand von Südkalifornien damals begonnen hatte, und widmete mich wieder meiner Arbeit.
Irgendwann während dieser schwierigen Zeit fiel mir mit Unbehagen ein, dass ich völlig vergessen hatte, einen Termin zum Gesundheits-Check in dieser Klinik am Flughafen zu machen. Dean hatte mich darum gebeten, nachdem wir an jenem Morgen nach unserer ersten gemeinsamen Nacht in der Hitze der Leidenschaft ungeschützten Sex miteinander gehabt hatten. Ich nahm zwar die Pille, aber hier ging es schlichtweg um unser beider Sicherheit und um gegenseitiges Vertrauen, und ich für meinen Teil wollte mir keinesfalls nachsagen lassen, dass ich in irgendeiner Weise nachlässig mit meiner Gesundheit umging. Außerdem wollte ich mich jetzt, wo ich wusste, dass ich vorerst hier leben würde, sowieso gründlich durchchecken lassen, denn in den letzten zwei Wochen fühlte ich mich irgendwie angeschlagen und unwohl, und das lag sicher nicht an der Beziehungskiste mit Dean. Ich hatte nur öfter das Gefühl, als brütete ich an einer versteckten Grippe.
Also suchte ich die Nummer der CENTINELA-Klinik heraus, rief dort an und vereinbarte einen Termin für die darauffolgende Woche. Dean würde selbst anrufen müssen, denn momentan wusste ich absolut nicht, wann er Zeit für solch eine Untersuchung hatte.
Ich legte ihm eine entsprechende Notiz auf seinen Schreibtisch und war in Gedanken bereits wieder bei meinem alltäglichen Lauf mit Jad.
Genau genommen schien in meinem Leben nun endlich alles in Ordnung zu sein, wenn man mal von meiner etwas schwierigen Beziehung zu Dean Cooper absah. Aber wenigstens war ich dank ihm nicht mehr in Gefahr, keiner bedrohte mich oder verwüstete meine Sachen, niemand entführte irgendwelche Leute aus meinem Umfeld oder erschreckte mich mit mysteriösen Drohanrufen.
Ja, eigentlich konnte ich zufrieden sein, denn alles war bestens.
Bis dieser Anruf kam…