18. Chaos der Gefühle
Die folgenden Tage des Wartens waren die Hölle.
Ich versuchte zwar wie immer meine Arbeit zu erledigen und mich so gut wie möglich abzulenken, indem ich mich ständig mit irgendetwas beschäftigte, aber den wahren Grund meiner inneren Unruhe konnte ich dennoch nicht verleugnen: Cooper ließ nichts von sich hören. Weder ein Anruf in der Villa, noch irgendeine andere Nachricht kam von ihm.
Von Ramon bekam ich auf meine vorsichtige Nachfrage nur zur Antwort, dass es völlig normal sei, wenn Coop sich während eines Einsatzes längere Zeit nicht meldete, und auch Celia schien dem Ganzen erstaunlicherweise kaum Bedeutung beizumessen. Anscheinend hatten sich beide mit der Zeit an solche „Silence“-Aktionen ihres Arbeitgebers gewöhnt.
Gegen Ende der Woche hielt ich das Warten nicht mehr aus. Zutiefst beunruhigt rief ich Tyler und Shemar an, aber auch die Officer vom LAPD wussten nichts Neues.
„Das hat nichts zu bedeuten, Jess“, versuchte mich Ty zu beruhigen. „Wenn Kollegen Undercover arbeiten, hören wir manchmal wochenlang nichts von ihnen. Das ist normal.“
Nun, ich für meinen Teil konnte einfach nicht so tun, als wäre alles normal, denn meine innere Unruhe wuchs stetig und machte mich langsam aber sicher verrückt.
Was, wenn etwas nicht geklappt hatte?
Was, wenn sie Jim und seine Entführer aus den Augen verloren hatten?
Was, wenn Coop etwas passiert war?
Bei letzterem Gedanken zog sich mein Magen jedes Mal aufs Neue schmerzvoll zusammen. Immerhin war er wegen mir dort, und auch, wenn er nicht allein war, so konnte doch niemand wissen, wie die Sache letztlich ausgehen würde. Und was war mit Jim? Ihm und seiner verdammten Spielerei hatten wir das alles zu verdanken! Und nun hockte neben Coop ein ganzes Sondereinsatzkommando in den Startlöchern, um ihn möglichst unbeschadet aus dieser lebensgefährlichen Misere herauszuholen, die er sich eigentlich selbst eingebrockt hatte!
Aber andererseits, was auch immer er getan hatte, er hatte nicht verdient, dass man ihm deswegen gleich nach dem Leben trachtete.
Das alles war einfach nur unfair!!!
Wütend auf mich selbst, meine immer wiederkehrenden negativen Gedanken und den Rest der Welt riss ich mir das Stethoskop vom Hals und warf es auf den Behandlungstisch, kaum dass der letzte Patient die Praxis verlassen hatte.
Jad, der die ganze Zeit über nebenan im Labor auf einer Decke gelegen und gedöst hatte, kam daraufhin zu mir hereingetrottet. Er hatte seine Leine im Maul und sah mich erwartungsvoll an.
Ungläubig schüttelte ich den Kopf. Ich konnte noch so traurig oder wütend sein, mein vierbeiniger Beschützer mit der feuchten Schnauze schaffte es immer wieder, mich durch seine bloße Anwesenheit zum Lächeln zu bringen. Der Blick aus diesen wunderschönen treuen Hundeaugen war einfach unwiderstehlich.
„Okay Partner“, seufzte ich ergeben. „Gib mir fünf Minuten, dann machen wir einen richtig langen Strandlauf.“
Inzwischen war ich durch das tägliche ausgiebige Jogging mit Jad recht gut in Form. Abends liefen wir meistens zusätzlich noch eine Runde innerhalb des umfangreichen Anwesens rund um die Villa. Einerseits fühlte ich mich dafür verantwortlich, dass Jad während Coops Abwesenheit in Bestform blieb, denn schließlich hatte er mir seinen Partner anvertraut. Andererseits tat es mir selbst auch gut, mich zu bewegen. Wenigstens dabei bekam ich den Kopf einigermaßen frei.
Als ich an diesem Nachmittag mit Jad unten ankam, schraubten Butch und Ramon gerade am hauseigenen Kaffeeautomaten herum. Unzählige diverse Einzelteile lagen derart durcheinander über den gesamten Tisch verstreut, dass ich mir insgeheim vornahm, am nächsten Morgen sicherheitshalber einen Caffee-to-go mitzubringen.
Ich teilte Ramon mein Vorhaben mit, einen kleinen Strandlauf zu machen. Obwohl ich davon überzeugt war, dass mir mit Jad an meiner Seite innerhalb des abgezäunten Areals keine Gefahr drohte, bestand er sogleich darauf, uns zu begleiten. Für ihn schien es ein willkommenes Fitnesstraining zu sein, nachdem er seine täglichen Trainingseinheiten durch den Auftrag, auf mich achtzugeben, mit Sicherheit etwas vernachlässigte. Außerdem hatte ich den dringenden Verdacht, dass er froh war, dem ziemlich aussichtslos aussehenden Reparaturdienst zu entkommen.
Wir liefen beide bis zur Erschöpfung. Jad fand es wunderbar. Er flitzte voraus, wälzte sich ausgelassen im Sand, kam zurück, umkreiste uns bellend, als wolle er uns anfeuern, um dann wieder wie der Teufel loszujagen, eine Wolke feinen weißen Sandes hinter sich aufwirbelnd. Er wirkte glücklich und zufrieden und schien sich ebenfalls nicht daran zu stören, dass sein Partner sich nicht meldete. Trotzdem hatte ich darauf bestanden, dass er genau wie die anderen Hunde regelmäßig sein Polizeihundetraining abarbeitete. Butch führte ihn dabei mit der sicheren Hand eines erfahrenen Trainers, und Jad absolvierte alles fehlerfrei. Er war in Bestform, und ich hoffte insgeheim, dass sein Herrchen das ebenfalls von sich sagen konnte.
Zurück im Trainingscamp fanden wir eine Nachricht von unserem Koordinator. Er sei mit Tyler und den anderen noch auf ein Bier im „Bubbas“ am Pier, und wir sollten unbedingt nachkommen. Ramon bestand darauf, der Einladung zu folgen, obwohl ich ihn keinesfalls länger als nötig von Celia und seinem wohlverdienten Feierabend fernhalten wollte.
„Gegen ein Bierchen unter Freunden und Kollegen ist doch nun wirklich nichts einzuwenden, vor allem nicht am Abend vor dem Wochenende“, meinte er augenzwinkernd, nachdem wir uns frischgemacht und umgezogen hatten. „Wir müssen ja nicht so lange bleiben. Ich rufe Celia an, und wir essen einfach ein wenig später.“
„Na gut“, lenkte ich ein und schnappte mir die Wagenschlüssel vom Jeep. „Aber dann fahre ich, und du trinkst das Bier.“
Insgeheim war ich froh, noch ein wenig Ablenkung zu bekommen. Paloma fehlte mir. Sie war für zwei Tage zu ihren Eltern nach Portland gefahren. Ein Besuch, den sie schon lange geplant hatte. Obwohl sie nichts erwähnt hatte, vermutete ich, dass Adam sie begleitete, denn auch er hatte ein paar Tage frei genommen. Ich gönnte den beiden die Zeit miteinander und hoffte, dass sie endlich damit aufhören würden, sich mit ihrer selbst auferlegten Heimlichtuerei das Leben schwer zu machen. Aber vielleicht waren es gerade diese heimlichen Rendezvous, die ihrer Romanze den besonderen Kick gaben, weil bisher niemand etwas davon ahnte.
Die Sonne stand schon sehr tief, als wir Santa Monica erreichten. Zahlreiche schaulustige Passanten hatten sich, so wie an fast jedem anderen Abend, rund um den Pier versammelt, um den immer wieder beeindruckenden Sonnenuntergang zu beobachten. Hier vor Ort zu erleben, wie der riesige Sonnenball den Himmel rings um sich herum in ein endloses Meer aus einzigartigen Farben verwandelte, war selbst für viele Einheimische immer wieder etwas ganz Besonderes.
Ich lenkte den Jeep auf den polizeieigenen Parkplatz auf dem Pier und beschloss, Jad nicht im Wagen zurückzulassen – im „Bubbas“ ist der Zutritt für Hunde verboten, selbst wenn sich dabei um vierbeinige Officer aus dem aktiven Polizeidienst handelt - sondern leinte ihn an und bat Ramon, einstweilen allein vorzugehen.
„Ich würde mir gern noch den Sonnenuntergang ansehen“, begründete ich mein Vorhaben und lächelte, als ich seinen skeptischen Blick bemerkte. „Es dauert nicht lange.“
„Gefällt mir nicht“, unterstrich Ramon blinzelnd seinen Unmut.
„Weiß ich doch, du unromantischer Brummbär!“, konterte ich und blinzelte zurück. „Deshalb nehme ich ja Jad mit. Und keine Sorge, allein sind wir hier zwischen hunderten Touristen ganz sicher nicht. Also genieß dein Feierabendbier, ich komme in ein paar Minuten nach.“
Langsam spazierte ich mit Jad den Pier entlang, vorbei an den zahlreichen Souvenirbuden, der Achterbahn und dem Riesenrad, dessen faszinierende Lichtershow erst mit Einbruch der Dunkelheit voll zur Geltung kommen würde. Wir bummelten bis zum Ende des Piers, hin zu der Stelle, wo ich Paloma damals zum ersten Mal gesehen hatte, als sie vor zahlreichem Publikum auf der Gitarre gespielt und mit ihrer beeindruckenden Stimme ihre Balladen gesungen hatte. Damals war ich gerade erst hier angekommen. Ich war allein und unendlich traurig gewesen, und ihre Musik hatte mich an all das erinnert, was ich jenseits des riesigen Ozeans zurückgelassen hatte.
Heute war ich nicht mehr allein. Ich hatte Bekannte und Freunde gefunden. Paloma war eine von diesen Freunden, auch wenn sie heute Abend nicht hier war.
Dafür begleitete mich mein allerbester Freund gerade auf seinen vier Pfoten und wich mir nicht von der Seite. Abgesehen von dem Einbruch in mein Zimmer und dem missglückten Entführungsversuch begann mein Leben doch allmählich wieder in einigermaßen geordneten Bahnen zu verlaufen, auch wenn es hier und jetzt ein Leben auf Zeit war, denn ich wollte mich keinerlei sinnlosen Illusionen hingeben. Sobald sich Dr. Allister von seinem schweren Autounfall erholt hätte, würden mein Job und damit auch mein Aufenthalt hier enden, das war so sicher wie das Amen in der Kirche. Und wie es dann für mich weitergehen würde, darüber mochte ich jetzt noch nicht nachdenken. Es war ohnehin schon schwer genug, zu wissen, dass alles zu Ende sein würde, sobald meine Vertretungszeit vorüber und meine Greencard abgelaufen war.
Und wohin dann? Weiter westwärts?
Ich spürte, wie mein Herz bei dem Gedanken daran schwer wurde, weil es sich überraschenderweise bereits nach so kurzer Zeit hier zu Hause fühlte, obwohl mich mit diesem Land bisher nichts, aber auch gar nichts verbunden hatte.
Nachdenklich setzte ich mich auf eine leer stehende Bank, streckte die Beine aus und sah zu, wie die Sonne langsam im Meer versank, genau dort, wo am fernen Horizont die Santa Monica Mountains begannen. In stillem Einvernehmen ließ auch Jad sich nieder und kuschelte sich an meine Beine. Gedankenverloren streichelte ich sein Fell und graulte ihn sanft zwischen den Ohren. Während ich über den weiten, im Abendlicht glitzernden Ozean blickte, dachte ich sofort wieder an den beeindruckenden Helikopterflug und versuchte, alles um mich herum auszublenden. Aber allein schon der Gedanke an Coop verursachte erneut diese Unruhe tief in mir, die mich seit seinem Aufbruch einfach nicht loslassen wollte.
Während der letzte Rest des glühenden Sonnenballs im Meer versank, wünschte ich mir mit aller Kraft, er wäre jetzt hier, bei mir. Dann wäre alles gut.
Vorsichtig drehte ich mich um und schielte über meine Schulter nach hinten. Immerhin, bei meiner Freundin Caitlin und ihrem David hatte das doch damals auch funktioniert, genau hier, auf diesem verdammten Pier!
Aber hinter mir stand niemand.
Fremde Menschen gingen vorbei, miteinander schwatzend, lachend oder auch allein. Keiner beachtete uns.
Traurig und ein wenig enttäuscht drehte ich mich wieder zurück und bemerkte, dass Jad mich aufmerksam beobachtete.
„Schon gut“, flüsterte ich ihm zu und strich sanft über sein weiches Fell. „Cait hat immer an solche Sachen geglaubt. Das tut sie heute noch. Außerdem waren sie und David damals bereits ein Liebespaar. Cooper und ich sind keines, und ich bin auch nur aus einem einzigen Grund beunruhigt. Weil ich mir nämlich Sorgen um ihn mache.“
Jad ließ dieses Fiepen hören, das für mich immer wie eine ungläubige Frage klang. Dann legte er demonstrativ den Kopf auf seine Pfoten, als wolle er sagen: `Du kannst mir erzählen, soviel du willst, ich glaube dir sowieso kein Wort!`
„Ist klar, Jad“, nickte ich resigniert. „Ich glaube es ja auch nicht.“
Einen Augenblick lang spielte ich mit dem Gedanken, mein Handy zu nehmen und Caitlin anzurufen. Aber in Deutschland war es jetzt erst vier Uhr morgens, und um diese unchristliche Zeit wollte ich meine beste Freundin nun wirklich nicht aus den Federn klingeln. So gern ich auch meine Gedanken mit ihr geteilt und vielleicht ein paar tröstende Worte gehört hätte, letztendlich siegte die Vernunft. Ich ließ das Handy in der Tasche und musste wohl oder übel damit klarkommen, dass meine Gedanken weiter in meinem Kopf herumkreisten wie rastlose Geier auf der Suche nach ihrer Beute.
Die Dunkelheit brach schnell herein, nachdem die Sonne hinter dem Horizont verschwunden war. Für die Menschen hier begann das verheißungsvolle Nachtleben von Santa Monica.
Für mich wurde es Zeit, zurückzugehen, bevor sich Ramon am Ende noch Sorgen machen würde.
Ich griff nach der Leine und wollte gerade aufstehen, als hinter uns eine Stimme erklang:
„Sieh an, hier habt ihr euch also versteckt!“
Jad sprang auf und bellte zur Begrüßung, während ich mich erschrocken umsah.
Tyler stand da und hatte sein typisches Tom-Cruise-Grinsen auf dem Gesicht. „Dein Marine-Bodyguard wurde bereits unruhig, also dachte ich mir, ich schau mal nach euch, damit er in Ruhe sein Bier austrinken kann.“
„Tut mir leid, ich wollte nicht, dass er sich Sorgen macht.“
„Er nimmt seinen Job eben sehr ernst.“ Tyler tätschelte Jad den Kopf und setzte sich neben mich auf die Bank. „Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal am Ende des Piers war.“
„Ich schon. An dem Abend, als ich hier angekommen bin“, erinnerte ich mich nachdenklich. „Damals hat Paloma dort drüben gestanden und Balladen gesungen.“
„Ja, Shemars Schwester hat eine tolle Stimme“, nickte Tyler zustimmend. „Aber deine ist auch nicht übel. Ihr beide solltet öfter zusammen auftreten.“
„Oh nein“, wehrte ich lachend ab. „Nicht mein Ding. Ich kastriere lieber Katzen und Hunde.“
Er lachte laut heraus.
„Stimmt, man sollte sich vor dir in Acht nehmen! Butch hat die Story mit dem herausgeschnittenen Label vorhin noch einmal zum Besten gegeben. Schade, dass ich nicht dabei war und das dumme Gesicht von dem Kerl gesehen habe, als du mit dem Skalpell gespielt hast.“
„Ich bin nicht unbedingt stolz darauf“, erwiderte ich achselzuckend. „Aber nachdem er sagte, sie hätten nur so aus Spaß all meine Sachen kaputt gemacht, musste ich ihm einfach diesen kleinen Denkzettel verpassen, sonst wäre ich vor Wut geplatzt.“
„Kann ich gut verstehen.“ Er schwieg einen Moment und sah mich dann nachdenklich von der Seite an. „Du und Coop, ihr passt gut zusammen.“
„Was?“ Erstaunt riss ich die Augen auf. „Aber… wir sind doch gar nicht zusammen!“
„Das ist sicher nur eine Frage der Zeit, Jess“, erklärte Tyler ruhig und ohne irgendeine Spur von Groll. „Ich kenne ihn schon eine ganze Weile und habe sofort gemerkt, dass er sich bereits von der ersten Sekunde an für dich interessiert hat. Ich war nur nicht sicher, ob das auf Gegenseitigkeit beruht, so wie du ihn damals in der Station angefaucht hast.“
„Und jetzt bist du`s?“
„Nachdem du mich neulich im „Bubbas“ so dezent in die Schranken gewiesen hast, ja“, grinste er. „Wer so einen Supertypen wie mich zurückweist, muss schwer verliebt sein.“
Ich verstand den Scherz und gab ihm eine Kopfnuss.
„Du weißt doch ganz genau, dass ich dich liebe, Ty! Du erinnerst mich in so vielen Dingen an Eric, meinen jüngeren Bruder.“
„Du liebst mich… wie deinen kleinen Bruder?“ Er schniefte scheinbar empört. „Na toll, mein Ego ist drauf und dran, sich kopfüber vom Pier zu stürzen!“
„Komm schon, dein Ego ist groß genug, um weit über solchen Bemerkungen zu stehen.“
„Schon möglich, aber meine empfindsame Seele ganz sicher nicht!“
„Herz über Kopf! Das klingt ja fast, als wärst du dein eigener Seelenklempner!“
Er zwinkerte mir erheitert zu.
„Nebenberuflich.“
„Es ist kompliziert“, seufzte ich und lehnte mich zurück. „Ich bin hierher geflüchtet, weil Jim mich schwer enttäuscht hat. In vielerlei Hinsicht. Mich neu zu verlieben war wirklich das Letzte, was ich wollte. Alles, nur das nicht.“
„Du bist nicht die Erste, die solche dämlichen Vorsätze fasst und dann plötzlich wieder über den Haufen wirft, weil ihr irgendein toller Kerl begegnet.“
„Er ist mir nicht begegnet, ich bin über ihn gestolpert.“
„Noch schlimmer, Baby!“
„Du nimmst mich nicht ernst!“
„Doch, das tue ich“, widersprach er. „Und deshalb kann ich mir auch vorstellen, dass du dir große Sorgen machst. Aber glaub mir, das brauchst du nicht. Wenn einer gut auf sich aufpassen kann, dann Coop. Weiß der Teufel, warum der so an diesem waghalsigen Job hängt. Er hat genug Geld, um sich für den Rest seines Lebens zur Ruhe zu setzen und sich nebenbei noch alle Wünsche erfüllen zu können.“
„Woher hat er das viele Geld?“
„Das musst du ihn schon selber fragen. Er redet kaum über sein Privatleben. Wir haben lange Zeit nicht einmal gewusst, dass er so ein schmuckes Anwesen besitzt. Und du bist erst ein paar Wochen hier und wohnst schon dort.“
„Das ist doch nur vorübergehend, zu meiner Sicherheit“, widersprach ich eilig.
„Na klar. Nach seiner Rückkehr von Las Vegas, nachdem alles geregelt ist, wirft er dich ganz sicher sofort wieder raus.“
„Gut möglich. Aber ich bin sowieso nicht mehr lange hier. Wenn Dr. Allister zurückkommt…“
„Allister kommt nicht zurück.“
Ich glaubte mich verhört zu haben.
„Waaas?“
„Er hat gestern bei unserem Chief Director persönlich um seine Pensionierung gebeten.“
„Oh…“ Jetzt fehlten mir tatsächlich die Worte.
Tyler stand auf und streckte mir seine Hand entgegen, um mir aufzuhelfen. „Tja, sieht ganz danach aus, als müsstest du noch eine Weile mit uns aushalten, Doc!“, lachte er und zog mich von meinem Sitz hoch. „Na komm, sonst schickt Ramon einen Suchtrupp los!“
Wir bummelten langsam über den Pier zurück zum „Bubbas“, vorbei an der Bank, auf der ich in der ersten Nacht meiner Ankunft frierend und allein gesessen hatte, kurz bevor Tyler aufgetaucht war. Anscheinend hatte er denselben Gedanken gehabt, denn er verharrte kurz.
„Na, erinnerst du dich?“
„An jede Sekunde“, gab ich unumwunden zu. „Du hast mich in dieser Nacht gerettet, Ty. Dafür werde ich dir immer dankbar sein.“
„Gerettet? Wovor?“
„Keine Ahnung. Ist auch egal. Ich war allein und total verzweifelt. Aber dann hatte ich plötzlich ein Dach über dem Kopf, ein superbequemes Sofa und den nettesten Gastgeber der Welt!“
„Ich habe einen ganz besonderen Vogel der Nacht eingefangen, das war alles. Leider durfte ich ihn nicht behalten.“
„Fängst du schon wieder an?“
Die spontane Antwort „Nein, Ma`m!“ und das dazugehörige Grinsen brachten ihm an diesem Abend seine zweite Kopfnuss ein, doch er nahm es sportlich und zog lachend den Kopf ein.
Bis zum „Bubbas“ waren es nur noch ein paar Schritte.
„Geh schon vor, ich bringe Jad noch schnell zum Jeep“, sagte ich und blieb stehen.
Ty übergab mir die Leine und zwinkerte mir schelmisch zu.
„Aber nicht so lange trödeln, sonst bekommt dein Bodyguard einen hysterischen Anfall!“
Lachend schüttelte ich den Kopf. Ty war Eric in der Tat sehr ähnlich, und ich hätte lügen müssen, wenn ich nicht zugab, ihn wirklich gern zu mögen. Spontan umarmte ich ihn und küsste ihn freundschaftlich auf die Wange.
„Danke!“
„Wofür denn?“
„Dafür, dass du vom ersten Augenblick an für mich da warst.“
„Daran wird sich auch nichts ändern, fürchte ich. Wozu sind denn Freunde da?“
Er wandte sich um und ging durch die Eingangstür, vor der mehrere Leute bereits auf einen freien Platz warteten.
„Na los, Partner“, sagte ich und schlug mit meinem vierbeinigen Begleiter die andere Richtung ein. „Ich verspreche dir, dass du nicht lange im Wagen warten musst.“
Ich war noch keine zwei Schritte gegangen, als Jad plötzlich aufgeregt anzog, so dass ich fast gestolpert wäre. Sein freudiges Bellen bedeutete, dass er einen Bekannten gesehen hatte. Einen sehr guten Bekannten…
Ich hob den Kopf und erstarrte.
Drüben, keine zehn Meter von uns entfernt, lehnte Cooper lässig am Kotflügel des Jeeps und blickte uns mit undurchdringlicher Miene entgegen.