27. Kapitel
Die Entführung
Die drei vor ihnen, bewegten sich schnell und wechselten mehrmals die Richtung, so dass Balduraya sie manchmal ganz aus den Augen verlor. Doch zum Glück fand sie schliesslich ihre Spur, auch dank Tyrandes und Cerunnos Waldläuferfertigkeiten und dem Spürsinn von Spirit und Gleska, schon bald wieder.
Ihr Bruder und seine Begleiter schienen ziemlich genau zu wissen, wohin sie sich wenden mussten. Schliesslich verlor sie die drei, erneut kurz aus den Augen und entdeckte sie erst wieder, als sie eine steile Böschung erklommen.
„Schnell, wir müssen uns beeilen, damit wir sie nicht wieder verlieren!“ rief sie und eine seltsame Unruhe ergriff sie dabei, von der sie nicht recht wusste, was es damit auf sich hatte.
„Ja schnell!“ rief nun auch Varunna, auch er schien die Unruhe zu spüren. „Schaut sie sind gleich oben!“ keuchte Tyrande und setzte elegant über Steine und Sträucher.
„Irgendetwas Seltsames geht da vor!“ hörte der Tauren die Stimme von Dabogs Seelen- Ich.
„Ja, das Gefühl habe ich auch. Schau jetzt sind sie oben angelangt! Sie scheinen dort irgendetwas entdeckt zu haben.
Balduraya sah, wie Gwydyon Banar einen Befehl erteilte und dieser verschwand kurz darauf, wie vom Erdboden.
„Wo ist er denn hin?“ keuchte Varunna, der mit seinem massigen Körper Mühe hatte, mit den Elfen mitzuhalten.
„Ich weiss auch nicht,“ erwiderte Dabogs Seelen- Ich in seinem Inneren.
Auf einmal erklang ein Rumpeln, das den Boden unter ihnen erzittern liess. Dabogs Untoten- Ich und Gwydyon, die oben auf der Bergkuppe standen, wurden von den Füssen gerissen und stürzten zu Boden, doch kurz darauf erhoben sie sich taumelnd wieder. In ihren Augen lag Entsetzen und sie wechselten ein paar Worte, dann machten sie sich wieder auf den Rückweg.
„Gwydyon!“ rief Balduraya „was ist da los?“
Der Blutelf hörte seine Schwester und lief etwas schneller.
„Dort oben hinter der Baumgruppe!“ keuchte Varunna auf einmal „da ist irgendetwas. „Es ist… Aeternias aber… was tut er denn da?“
„Wir müssen es unbedingt herausfinden!“ erklang die eindringliche Stimme von Dabogs Seelen- Ich in seinen Ohren. „Schneller!“
„Gwydyon, Dabog!“ schrie der Tauren so laut er konnte. „Da ist etwas, gleich dort über euch, bei den Bäumen! Es ist Aeternias und noch jemand anderer.“ Sofort hielten der Untote und der Blutelf inne und machten wieder kehrt. So schnell sie konnten liefen sie zu der Baumgruppe. Balduraya und die anderen Elfen folgten ihnen auf dem Fuss.
Gwydyon schrie: „Aeternias! Was tust du da? Hast du…?“ Dann hielt er inne. Der Blick des dunkelhaarigen Verlassenen war kalt und nun sah der Blutelf, das Linus zu seinen Füssen lag. Neben ihnen stand einen finstere Gestalt in einer schwarzen Kutte.
„Halt!“ schrie der Blutelf und unbändiger Zorn schwang in seiner Stimme mit „du bist also doch ein Verräter Aeternias! Verdammtes Schwein!“ Er wollte seinen Schritt noch verschnellern, doch er war bereits sehr erschöpft. Dabog Untoten- Ich, sprintete an ihm vorbei „wir müssen sie unbedingt kriegen!“ schrie er Gwydyon zu.
In diesem Moment machte die Gestalt in der dunklen Kutte eine ausladende Armbewegung und ein Portal, hinter dem lilablaue Lichter wirbelten, öffnete sich urplötzlich!
„Sie wollen in den Nether flüchten!“ keuchte Gwydyon und nahm sein allerletzten Kräfte zusammen.
In diesem Augenblick jedoch schleuderte ein goldenes, gleissendes Licht, die beiden Entführer zu Boden. Balduraya hatte einen starken Zauber gewirkt.
„Gut gemacht!“ schrien die Nachtelfen, die ihr folgten. „Versuch sie um jeden Preis von der Flucht abzuhalten!“
Die rotblonde Blutelfin tat wie ihr geheissen und wirkte nochmals einen Zauber. Goldene Fesseln legten sich nun um die Hände und Fussgelenke der Bösewichte.
Doch dann geschah etwas völlig Unerwartetes! Die Kreatur in der dunklen Kutte, wirkte nun ihrerseits einen weiteren Zauber. Sie dematerialisierte sich einfach und entschlüpfte den Fesseln. Dann packte sie Aeternias mit einer Hand und Linus mit der anderen und sprang mit ihnen zusammen in das Portal, das sie vorhin geöffnet hatte.
„Nein!“ schrie Gwydyon „Nein! “ Er hechtete auf das gerade geöffnete Portal zu, doch er erreichte es nicht mehr. Dabogs Untoten- Ich, war jedoch schneller und er schaffte es gerade noch knapp, durch einen schmalen Spalt zu schlüpfen, bevor das Portal sich ganz schloss.
Gwydyon sank in die Knie und verzweifeltes Weinen schüttelte seinen Körper. Seine Freunde liefen zu ihm und Varunna legte ihm tröstend seine schwere Pranke auf die Schultern. „Es tut mir so leid mein… Freund. Wir werden alles daran setzen, Linus wieder zurückzuholen.“
„Aber wie denn, um alles in der Welt?!“ schrie Gwydyon. „Wir haben keine Ahnung, wo sie hingereist sind.“
„Könntest du nicht nochmals Banar auf ihre Spur schicken?“
„Banar… wurde von etwas in der Höhle, die Dabog und ich da oben fanden, vernichtet…“ sprach der Blutelf mit leiser Stimme. „Er wird Zeit brauchen, um sich wieder zu regenerieren.
„Ich glaube… Aeternias hat Linus da unten gefangen gehalten. Dieses verdammte Scheusal!“ Blanker Hass funkelte in Gwydyons Augen. „Wir hätten ihm niemals vertrauen dürfen! Was kann man auch von einem Untoten erwarten.“
„Aber Dabog ist ihnen gefolgt,“ beschwichtigte ihn Balduraya. „Vielleicht wird er sie finden.“
„Wenn er am Ende nicht auch noch mit ihnen zusammenspannt!“ erwiderte der rothaarige Blutelf verbittert.
„Aber ganz bestimmt nicht Dabog!“ ereiferte sich seine Schwester. „Er hat sich immer als loyal erwiesen bisher.“
Varunna wollte ebenfalls etwas entgegnen, doch die Stimme von Dabogs Seelen- Ich, kam ihm zuvor. „Ich kann Gwydyons Misstrauen verstehen. Solange mein alter Körper unbeseelt ist, weiss man nie, was geschehen kann. Ich werde versuchen, wieder die Kontrolle über ihn zu gewinnen. Irgendwie glaube ich, es könnte funktionieren.“
„Also gut!“ sprach Varunna und fügte noch ein paar ermahnende Worte hinzu. „Wir bleiben aber über unsere beiden Seelen in Verbindung. Der Nether ist nicht ungefährlich, sei auf der Hut!“
„Alles klar! Dann mache ich mich jetzt auf den Weg.“ Varunna fühlte ein leichtes Ziehen und dann war Dabogs Seelen-Ich fort!
(Anmerkung der Autorin: Näheres über die Erlebnisse von Dabog in der Netherwelt, könnt ihr in der Geschichte „Dabog der Verlassene, Wanderer zwischen den Welten" nachlesen!)
Nach einem kurzen Augenblick der inneren Leere, wandte der Tauren sich an seine Begleiter. „Dabogs Seelen- Ich ist an der Sache dran! Es wird Zeit, dass ich mit offenen Karten spiele!“ Und dann erzählte Varunna alles, was sich zugetragen hatte. Auch das Dabogs Seele nun selbst in den Nether eingetaucht war, um seinen alten Körper wieder zu übernehmen, damit dieser auch das Richtige tat, liess er nicht aus.
Balduraya wusste zwar schon, dass Varunna Dabogs Seele in seinem Körper eine Weile Wohnung gegeben hatte, doch dennoch bewegte es sie zutiefst, dass Dabog, ihr geliebter Dabog, sich nun sogar in den Nether wagte, um Linus zurückzubringen.
„Kannst du mit ihm weiterhin in Kontakt bleiben?“ fragte sie hoffnungsvoll an den Taurendruiden gewandt.
„Ja, wir haben unsere Seelen verschränkt. Ich werde gleich einmal schauen, ob ich ihn erreichen kann. „Dabog!“ rief er nach seinem Freund „geht es dir gut? Ist es schlimm da drin?“
Und tatsächlich kam eine Antwort. „Es geht eigentlich ganz gut. Es ist stiller hier, als ich dachte. Irgendwie friedvoll und doch scheint die Luft mit Energie aufgeladen zu sein. Es kommt mir so vor, als wäre dies hier die Geburtsstätte jeglicher arkanen Magie.“
„Das ist der Nether vermutlich auch. Melde dich immer mal wieder. Balduraya macht sich grosse Sorgen um dich.“ Varunna wandte sich nun an die Blutelfin und sprach: „Es geht ihm gut. Es ist bisher ziemlich still da drin. Vielleicht ändert sich das, wenn er wieder in seinem Körper ist. Aber es geht ihm gut.“ Er legte der jungen Frau nun ebenfalls ermutigend seine mächtige Pranke auf die schmale Schulter. Er schafft das schon.“
Balduraya nickte, wenn auch noch nicht ganz überzeugt. „Und was tun wir jetzt weiter?“
„Ich denke im Augenblick bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als zu warten.“ Varunna wandte sich an Gwydyon: „Wenn Banar sich wieder neu beschwören lässt, sollten wir ihn ebenfalls auf Linus Spur ansetzen.“
Der Blutelf nickte zustimmend. Sein Gesicht war jedoch von Schmerz gezeichnet. Balduraya ging zu ihrem Bruder und legte fürsorglich den Arm um ihn, dann führte sie ihn sanft zurück zum Posten der Silberschwingen.