16. Kapitel
Xan’Nya, Olwan Feuerbarts Geschichte von Nordend
Nun war sie aber als tatsächlich wieder hier! Apollia schaute gedankenverloren von einem leicht erhöhten Hügel auf die grüne Wildheit des nördlichen Schlingendorntals zu ihren Füssen hinab. Ihr Tiger Smaragdeye lag in edler Haltung neben ihr. Sein Kopf schaute in dieselbe Richtung wie sie, auf einen glasklaren, tiefblauen Fluss, der durch das von dichter Vegetation bewachsene Land floss. Dort wimmelte es von Krokilisken, welche eine Gefahr für alle Durchreisenden darstellten. Ganz in der Nähe befand sich ein behelfsmässiges Lager, aus einigen Zelten zusammengestellt. Es wurde vom berühmten Zwergengeschlecht Nessingwary geleitet, welches seine Stützpunkte überall auf Azeroth verteilt hatte. Die Nessigwarys waren berühmte Jäger und auch Sammler, welche sich auch für alte archäologische Funde interessierten. Gerade hatte Apollia zusammen mit ihrem Seelengefährten Smaragdeye einige Fetische von den Trollen beschafft, welche nun erforscht wurden. Ausserdem erfüllte sie auch immer wieder Jagdaufträge für die hier ansässigen Zwerge. Doch all diese Dinge machte sie nur, weil sie sich dabei erhoffte, endlich auf Xan’Nya zu treffen, die Trollin, welche sie seit ihrem letzten Besuch hier im Schlingendorntal nicht mehr losliess.
Ihr Vater Olwan Feuerbart war ebenfalls hier stationiert. Eben erst war er aus dem eisigen Nordend zurückgekehrt und suchte nun hier in den tropischen Gefilden des Schlingendorntals nach Ruhe und Erholung. „Die Bedingungen in Nordend waren schrecklich, erzählte er seiner Tochter, als er sie nach endlos scheinender Zeit, wieder in seine Arme schliessen konnte. „Es war immer eisig kalt und auch sonst sehr lebensfeindlich. Schnee und Eis, soweit das Auge reichte. Du kannst dir das kaum vorstellen mein Kind. Da erscheint mir das fruchtbare, grüne und vor allem warme Schlingendorntal wie ein Paradies.“ „Aber willst du denn nicht nach Eisenschmiede zurückkehren?“ fragte sie ihn damals. Vermisst du nicht unsere Heimat?“ „Ich muss mich zuerst von den grässlichen Strapazen in Nordend erholen, bevor ich erneut in die winterlichen Gegenden von Dun Morogh zurückzukehren vermag. Ausserdem will ich mich eine Weile von allen Plichten als General der Allianz zurückziehen. Ich habe so viel Schrecken, soviel Leid gesehen geliebte Tochter. In Nordend kämpften wir nicht gegen Feinde aus Fleisch und Blut. Es waren hauptsächlich Untote, schreckliche, mordlüsterne Kreaturen ohne jegliches Mitgefühl. So viele fielen ihnen zum Opfer. So viele meiner Kameraden standen nach ihrem Tode wieder auf und kämpften dann gegen uns…“ Seine Augen blickten noch immer schreckerfüllt, als er das erzählte. „Ihre Zahl war unermesslich gross, wie die Sandkörner an einem Meeresstrand und immer wieder bekamen sie Nachschub, durch weitere Tote, die von nekromantischen Kräften ins Leben zurückgerufen wurden. An der Pforte des Zorns, einem gewaltigen, eisernen Tor, hinter dem der feige Lichking Arthas sich verschanzte, kam es zur entscheidenden Schlacht. Viele meiner Brüder fielen, bis sich Arthas überhaupt blicken liess. Orcs, kämpften an der Seite von Menschen, Trolle an der Seite von Zwergen und Tauren an der Seite von Elfen. Ich wurde ziemlich früh schwer verletzt und man brachte mich ins Lazarett, nahe der Pforte. Dies war meine Rettung, denn das Allerschlimmste kam erst noch. Die Verlassenen unter Apotheker Putress begingen einen schrecklichen Verrat und liessen ihre eigens entworfene Seuche, auf alle an der Pforte des Zorns herabregnen. Alle fielen dieser Seuche schlussendlich zum Opfer, sogar der Lich King selbst, wie uns später erzählt wurde. Jedenfalls haben wir seither Ruhe von der Geissel und die Zustände in Nordend normalisieren sich langsam. Ich jedoch hatte genug von dieser frostigen Einöde und bat darum nach Azeroth zurückkehren zu dürfen, auch wegen dir. Ich wollte endlich mehr für dich da sein, mein Kind. Das Leben ist einfach zu kurz um ständig von den Liebsten getrennt zu sein. Ich bin nun schon alt und habe mich in vielen Bereichen verdient gemacht. Ich habe nun die Erlaubnis erhalten mich endlich zur Ruhe zu setzen.“ Apollia schaute ihren Vater mit einer Mischung aus Freude und Erstaunen an. „Du setzt dich zur Ruhe Vater? Das ist wunderbar! Aber meinst du, du wirst damit auch glücklich sein? Es war dir immer ein so grosses Anliegen, der Allianz aktiv zu dienen.“ „Ich kann der Allianz auch so dienen, ohne überall in der Weltgeschichte herumzureisen. Es gibt so schreckliche Orte, die ich nie wieder sehen möchte. Nordend war das Schlimmste, dass ich jemals erlebt habe und es hat mir all meine verbliebenen Kräfte geraubt.“ Die junge Zwergin war zutiefst erschüttert von den Worten ihres Vaters. „Nordend muss wirklich schlimm gewesen sein…“ „Ja…“ sprach Olwan und sein Blick wirkte auf einmal leer und endlos weit entrückt, als würden die ganzen Schrecken des eisigen Kontinents noch einmal vor seinen inneren Augen vorbeiziehen. Und… er wirkte plötzlich alt, fahl und verbraucht. Apollia legte liebevoll den Arm um ihn und zog ihn an sich. „Vergiss jetzt die furchtbaren Dinge Vater! Du bist jetzt wieder bei mir und das ist die Hauptsache. Wir werden nun viele schöne Dinge zusammen unternehmen und irgendwann werden deine dunklen Erinnerungen mehr und mehr verblassen. Das Schlingendorntal ist ja der ideale Ort dafür. Es ist warm und wir können uns an der wundervollen Natur erfreuen. Wir werden zusammen auf die Jagd gehen und in den klaren Gewässern des Meeres und der Flüsse baden. Wir werden uns das Wasser der unzähligen Wasserfälle auf dem Kopf regnen lassen und sehen wie sich das Sonnenlicht in wundervollen Regenbogenfarben in ihrer Gischt bricht. Wir werden uns auf die Terrasse des salzigen Seemanns setzten, ein zwergisches Starkbier trinken und hinaus auf Beutebucht blicken. Die Sonnenuntergänge und Aufgänge hier sind herrlich und alle sind freundlich zueinander. Wenn du willst, können wir sogar das Schiff nehmen und nach Ratschet in Kalimdor reisen. Ich kenne mich da ja etwas aus, seit es mich durch einen Schiffbruch dorthin verschlagen hat und ich dann auf den kleinen Inseln von Durotar meinen geliebten Smaragdeye traf.“ Olwan lächelte als sie all das sagte und sprach: „Ja, mein Kind. Das klingt sehr schön…“ dennoch lag immer noch Nachdenklichkeit und Trauer in seinem Blick. Es schien beinahe so, als ob er in Nordend irgendwie gebrochen worden war und das Vertrauen in das Leben verloren hätte. Doch Apollia war fest entschlossen ihm dieses Vertrauen wieder zurück zu geben. Sie dachte an Xan’Nya, welche auch ganz allein und verlassen durch die wilden Weiten des Schlingendorntals irrte und sie erzählte ihrem Vater von ihren Erlebnissen mit der Trollin. Olwan hörte gefesselt zu. Als sie geendet hatte meinte er: „Das ist wirklich eine eindrucksvolle Geschichte! Es wird einem dadurch wieder bewusst gemacht, dass trotz allem irgendeine gütige Macht für uns alle sorgt, auf die eine, oder andere Weise. Es scheint, als sei es dieselbe Macht, welche mich vor dem Tod durch Putress Seuche bewahrt hat. Ich glaube es ist sehr wichtig für dich, diese Xan‘ Nya zu finden. Ich werde dich dabei so gut ich kann unterstützen.“ „Das würde mich sehr glücklich machen Vater!“ freute sich Apollia. Olwan schmunzelte: „Nun ja, ich habe jetzt ja Zeit, jetzt da ich mich zur Ruhe gesetzt habe.“ „Wo fangen wir an? Erinnerst du dich vielleicht noch genauer an den Ort, wo du Xan’Nya das letzte Mal gesehen hast?“ „Es muss irgendwo an einem Stand gewesen sein“, „Es gibt viele Strände hier. Wir können ja mal alle nacheinander abklappern.“ „Ich weiss nicht so recht, sie schwamm als Seelöwe davon es… hatte so seltsame Wasserpflanzen und ich sah ein kleines Inselchen. Es war am Meer, vielleicht beim finsteren Riff, im Hintergrund grosse Bäume. Das ist eine relativ gefährliche Gegend. Viele der alten Trollstämme leben in der Umgebung, ausserdem ist Grom’Goll- die Hordensiedlung in der Nähe und eine Menge Raptoren.“ „Ja, ich kenn die Gegend. Wir müssen uns gut ausrüsten, wenn wir dorthin gehen, aber wir müssen sowieso ein paar Raptoren für Nesinwary erlegen. Also was soll‘s.“ „Aber ich dachte du wollest dich etwas ausruhen?“ „Ja, bis Morgen vielleicht, danach bin ich wieder fit. Wenn man mal in Nordend war, kommt einem das Schlingendorntal vor wie ein harmloser Tierpark. Wenn ich einfach nie mehr Untote sehen muss.“ „Es gibt jedoch auch hier einige Untoten- Trollstämme.“ „Mit denen kenne ich mich schon etwas aus, schlimmer als die Dämonen und die neu geschaffenen Untoten können sie kaum sein. Es gibt schlicht nichts Schlimmeres, als Nordend.“ Apollia war sehr nachdenklich, als ihr Vater von seinen schrecklichen Erfahrungen sprach. Es musste wirklich schlimm gewesen sein. Sie wollte ihren Vater deshalb so gut als möglich noch etwas schonen. Darum sprach sie: „Du solltest dich ein wenig länger ausruhen. Ich und Smaragdeye werden uns mal etwas allein umschauen, du kannst dich ein wenig entspannen und all die Annehmlichkeiten von Beutebucht geniessen.“ Apollias Vater runzelte etwas unwillig die breite Stirn und sprach: „Nein, ich lasse dich das keinesfalls alleine machen, so gut solltest du mich kennen!“ „Aber Vater, ich war schon oft allein auf mich gestellt, ich habe ja Smaragdeye, der mir beisteht.“ Der männliche Zwerg schaute eher misstrauisch auf den rotbraun- schwarzen Tiger. „Das ist aber nur ein Tier, ein wildes Tier ausserdem, dass sich niemals ganz zähmen lässt.“ Die junge Zwergin erwiderter etwas verärgert: „Nein, Smaragdeye ist mein bester Freund, er ist mein Seelengefährte, er würde mich niemals im Stich lassen und mir auch niemals etwas tun. Wir können uns verständigen. Du weisst, ich bin eine Beastmasterin, es war schon immer meine Berufung eine Beastmasterin zu sein. Wir haben uns gefunden, das Schicksal hat uns auf wunderbare Weise zusammengeführt.“ Irgendwie blickte Olwan etwas traurig, als sie das sagte. Er spürte wohl, dass ihre Verbindung zu Smaragdeye einzigartig war und glaubte nun für sie weniger wichtig zu sein. Dabei konnte man das gar nicht vergleichen. Olwan war ihr Vater, den sie über alles liebte, doch sie musste sich auf einmal eingestehen, dass sie dennoch beinahe grösseres Vertrauen in ihren Tiger hatte, als in ihren Vater, welcher immer irgendwo in der Weltgeschichte herumgereist war. Auch wenn sie ihn liebte, hatte sie sich von ihm oft alleingelassen gefühlt. Nun war es ihr, als wolle er etwas nachholen, das kaum mehr nachzuholen war. Sie wollte es ihm jedoch nicht sagen. Er wirkte schon verletzt genug von den schrecklichen Erlebnissen in Nordend. Darum sprach sie: „Es ist sehr lieb von dir Vater, dass du mir beistehen willst.“ Mehr sagte sie nicht. „Na also. Dann werden wir heute also noch ein wenig ausspannen und Morgen unsere Reise vorbereiten!“ Apollia nickte etwas hilflos, dann machten sie sich zusammen auf den Weg zum salzigen Seemann. Bis in den Abend hinein unterhielten sie sich, spazierten durch Beutebucht, tranken da und dort ein Bier und assen etwas. Als dann die Sonne in einem Feuerwerk aus Rosa und Orange unterging, begaben sie sich in ihre Gemächer, die im oberen Stockwerk des Gasthauses lagen. Sie hatten ihre Zimmer gleich nebeneinander, mit einem gemeinsamen Balkon. Noch lange standen sie am Geländer dieses Balkons und schauten wie die Sonne über der mächtigen Goblingstatue von Beutebucht unterging.
Schiffe mit weissen Segeln und den Wappen der verschiedensten Fraktionen von Azeroth, fuhren hier hin und her, glitzernd weisse Spuren im tiefblauen Meer hinterlassend. Es herrschte noch immer ein reges Treiben. Beutebucht schlief eigentlich niemals richtig. Es war immer Betrieb. Möwen flogen über die Quais und ihre Schreie erfüllten die Luft. „Es ist wirklich wunderschön hier“, sprach Olwan traumbefangen „hier liesse es sich leben. Es ist das genaue Gegenteil von Nordend. Vielleicht setze ich mich hier einst ganz zur Ruhe.“ „Das habe ich mir auch schon überlegt“, erwiderte Apollia „doch irgendwie würde mir Eisenschmiede und Dun Morogh fehlen. Wenn, dann würde ich aber später lieber mal in Loch Modan sesshaft werden. Dort ist alles schön grün, aber nicht so feucht und heiss wie hier. Ich mag eigentlich diese Klima nicht sonderlich.“ „Ja, Loch Modan, wäre eigentlich auch ein schöner Ort, du hast recht. Vielleicht leben wir beide mal dort. Ich will dich jedenfalls nie mehr so lange allein lassen mein Kind, wie ich es bisher getan habe. Ich will so vieles nachholen, doch… vermutlich ist das gar nicht möglich. Es tut… mir leid, ich war oft zu wenig für dich da, ich weiss…“ Die Stimme von Olwan hörte sich irgendwie erstickt an und es war Apollia für einen kurzen Moment, als würden Tränen in seinen Augen glitzern. Doch er wischte sie sofort weg. Es war nicht die Art der Zwerge zuviel Gefühle zu zeigen. Obwohl… manchmal wären etwas mehr Gefühle angebracht gewesen. Eine seltsame Trauer stieg in der jungen Zwergin hoch. Sie merkte plötzlich, dass sie sich wohl doch mehr von ihrem Vater entfremdet hatte, als sie dachte. Sie hatte sich alles so schön vorgestellt, wenn er mal zurückkommen würde, doch nun… war alles ganz anders. Es war seltsam. Sie streichelte ihren Tiger, als wolle sie Halt bei ihm suchen. Der Tiger spürte ihre Unsicherheit und schmiegte sich wie eine Hauskatze an sie. Sie vernahm seine Stimme: „Sei nicht zu hart mit ihm. Er war einfach immer Soldat mit Leib und Seele. Männer wir er sind es, die unsere Welt schon oft vor dem Untergang bewahrt haben.“ Apollia lächelte etwas gequält und blickte dann wieder hinaus aufs Meer dann liess sie ihren Blick wieder über den umliegenden Urwald schweifen. Vor ihrem inneren Auge tauchte wieder die Trollin Xan’Nya auf. Wo war sie wohl gerade, wie erging es ihr? Lebte sie überhaupt noch? „Worüber denkst du nach?“ fragte sie ihr Vater, der nun schon das eine oder andere Bier zu viel getrunken hatte und noch immer nicht damit aufhörte. „Ach ich dachte nur gerade über die Trollin nach, die irgendwo hier vielleicht um ihr Überleben kämpfen muss.“ „Das Schicksal dieser Trollin geht dir wirklich sehr nahe, nicht wahr?“ „Ja, weiss du Vater, ich war sogar einen kurzen Moment sie selbst und ich spürte wie sie sich fühlen muss.“ „Du warst sie selbst, hast du übersinnliche Kräfte, von denen ich noch nichts weiss?“ „Nein eigentlich nicht…“ „Hast du schon mal gespürt wie es mir erging, als ich in Nordend war?“ Apollia fand diese Frage etwas seltsam, irgendwie lag etwas in der Luft das ihr nicht gefiel. Ihr Vater hatte zu viel getrunken. Was also sollte sie ihm antworten? Sie hatte jedoch nicht viel Zeit zu überlegen, denn Olwan schaute sie erwartungsvoll an. „Nicht so, dass ich eins mit dir wurde, wie mit Xan’Nya, aber ich habe mich schon immer sehr mit dir verbunden gefühlt und ich wusste, dass du es schwer hast.“ „Wusstest du das wirklich?“ ein vorwurfsvoller Unterton lag in Olwans Stimme. „Ich konnte es mir vorstellen, bei allem was ich über Nordend gehört hatte.“ „Sich vorstellen und es fühlen, ist ein Unterschied.“ „Ja, aber was sollen diese Fragen, spielt das denn eine Rolle?“ „Ich denke schon, dass es eine Rolle spielt ja. Du bist mit einer Trollin und mit einem… Tiger tiefer verbunden als mit mir, das stimmt mich nachdenklich.“ „Und jetzt?“ fragte Apollia „willst du anfangen mir deswegen Vorwürfe zu machen? Du warst es ja, der immer in jede Schlacht ziehen musste. Ich musste sehen wo ich bleibe. So habe ich meinen eigenen Weg gesucht. Ich weiss nicht warum gerade diese Trollin so verbunden mit mir ist. Aber es ist nun mal so und ich kann es nicht ändern. Es hat einfach angefangen, nachdem ich ihr Halsband nach Beutebucht transportieren musste. Vielleicht war dieses mit einem besonderen Od aufgeladen, der mich in Verbindung mit Xan’Nya brachte. Wer weiss das schon! Du sagtest ja vorhin selbst, dass all das erstaunlich ist und es einem zeigt, wie alles irgendwie verbunden ist.“ „Ja, das sagte ich…“ Olwans Augen blickten auf einmal wieder sehr traurig. „Es tut mir leid. Ich bin ein dummer alter Mann, ich weiss. Ich habe dich viel allein gelassen und nun bist du zu einer selbständigen, jungen Frau herangewachsen. Ich habe meine Chance wohl verpasst…“ Erneut fühlte die junge Zwergin Mitleid in sich. „Aber Vater, du redest Unsinn. Du bist doch mein Vater, diese Verbindung ist und bleibt einzigartig. Du hast zu viel getrunken, komm ich bringe dich ins Bett! Morgen sieht alles wieder anders aus, glaub mir!“ Olwan nickte und liess sich von ihr wie ein kleines Kind in sein Zimmer führen. „Leg dich hin und schlaf erstmal etwas!“ sprach sie und zog ihm die Schuhe aus. Der Zwerg liess sich auf sein Lager fallen und seufzte leise. Sie nahm die Decke und deckte ihn behutsam zu. „Apollia!“ rief Olwan als sie wieder gehen wollte und sie kehrte nochmals an dessen Bettrand zurück. Ihr Vater nahm ihre Hand und sprach: „Ich habe es dir wohl noch nie gesagt aber… ich liebe dich, das weisst du doch, oder mein Kind?“ „Natürlich Vater, “ gab Apollia berührt zurück „Ich liebe dich auch. Gute Nacht!“ „Gute Nacht! sprach Olwan leise und dann war er auch schon eingeschlafen. Apollia ging in ihr eigenes Zimmer und legte sich nun ebenfalls zum Schlafen nieder. Allerdings ging es noch eine Weile, bis sie einschlafen konnte. Zu viele Gedanken gingen ihr durch den Kopf. Dann endlich, als sie in einen unruhigen Schlaf fiel, hatte sie einen seltsamen Traum:
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Sie fand sich auf einmal wieder in einem Fort der Allianz. Es war umgeben mit hohen Bretterpalisaden. Ein Turm mit der Fahne der Allianz erhob sich darüber. Sie konnte von diesem Turm die Umgebung sehr gut überblicken. Es war ein karges Land, kaum Leben gab es hier, nur einige wetterfeste irgendwie kakteenähnliche Pflanzen deren Blüten seltsam rötlich oder vereinzelt weiss leuchteten.
Sonst war alles karg, der Boden braun-rot und mit einigen Schneefeldern durchbrochen. Ein eisiger Wind wehte und am Himmel leuchteten seltsame Polarlichter, nicht weit davon befand sich eine Allianzfestung, die man teilweise in das kalte von Packeis bedeckte Meer hinaus, gebaut hatte.
Dann auf einmal sah sie etwas Schreckliches! Tausende und Abertausende von Untoten, Ghulen, sechsarmigen Schrecken, monströsen Riesen, Skeletten, Spinnenwesen und halbzerfallenen Leichen, strömten auf die Palisaden des Forts zu. Wie dunkle Wellen brandeten sie dagegen, immer und immer wieder. Nicht hielt sie auf! Sie schienen keine Müdigkeit, keine Erschöpfung und keine Gnade zu kennen. Apollia hörte Schreie rundherum, Schreie von Männern, gar Frauen und Kindern. Es war entsetzlich! Die schreckliche Kälte dieser Umgebung setzte ihr zu, sie spürte ihre klammen Finger kaum mehr, welche ein Zweihandschwert trugen. Und dann hatten die Untoten den Wall durchbrochen und strömten hinein in das Fort, dass doch eigentlich als sicherer Unterschlupf für so viele Menschen hätte dienen sollen. Die Geissel fiel über alles her, was ihr über den Weg lief, ungeachtet ob es Frauen, Kinder oder Männer waren. Sie schlugen ihre Zähne und Klauen in deren Fleisch, rissen grosse Stücke heraus, trennten ihre Glieder vom Leib. Gellende Schreie, wie aus einer andern Welt so schrecklich, drangen an Apollias Ohren. Schreie von Entsetzen und blanker Angst erfüllt. Blut spritzte über den kargen Boden, die Zwergin sah es ganz deutlich, sie glaubte auf einmal bis zu den Knöcheln in Blut zu stehen und die Geissel stürzte sich nun auf sie! Blindwütig schlug sie um sich, erfüllt von einer Furcht, die sie bisher noch nie erlebt hatte. Wo war Smaragdeye? Warum half er ihr nicht? Sie war allein, so allein. Sie konnte nichts mehr sehen, nur noch die schrecklichen Leiber der untoten Geissel, die sich um sie scharten, wie ein finsterer Wall aus Verderbnis, Fäulnis und Tod. Sie achtete gar nicht mehr darauf wohin sie schlug, sie schlug einfach und… dann auf einmal war da dieser Frau! Sie kam direkt auf Apollia zu. Sie sah eigentlich noch ganz normal aus, abgesehen von dem Blut, das aus zahlreichen Wunden quoll. In diesem Augenblick stürzte sich ein Ghul auf sie und biss ihr in den Hals. Sie stiess einen erstickten Laut aus und fiel zu Boden. Apollia konnte ihr jedoch nicht helfen, sie musste sich den Untoten mit aller Macht erwehren. Dann plötzlich erhob sich die Frau wieder! Apollias Herz machte einen kurzen Freudensprung, doch dann sah sie den leeren Blick in den Augen der Frau und sie wusste… diese war nun auch ein Mitglied der Geissel. Die Frau erhob sich ganz langsam, fast mechanisch und dann richtete sich ihr wilder Blick auf Apollia. Mit einem lauten Schrei stürzte sie sich auf die Zwergin. Auch Apollia schrie und ihr Schrei verschmolz mit dem der Geissel…“
Schweissgebadet erwachte die Zwergin in ihrem Bett in Beutebucht. Doch der Schrei den sie im Traum ausgestossen hatte, schien noch immer im Zimmer zu wiederhallen. Smaragdeye stand mit seinen mächtigen Vordertatzen auf dem Bettrand und leckte ihr das vom Schweiss durchnässte Gesicht ab. Doch der Schrei wollte einfach nicht verstummen. Apollia kam nun wieder ganz zu sich, die feuchte Zunge ihres Tigers hatte sie zurückgeholt, aus diesem schrecklichen Ohnmachtsgefühl, dieser entsetzlichen Angst, die sie in ihrem Traum empfunden hatte. Und dann merkte sie, dass gar nicht mehr sie es war, die schrie. Es kam aus dem Nachbarszimmer, wo ihr Vater schlief. Sie hatte die Balkontür einen Spalt offengelassen, als sie ihn ins Bett gebracht hatte und nun hörte sie ihn schreien. Es war beängstigend und sie lief sogleich über den Balkon zu ihm. Er wälzte sich wild im Bett, schlug um sie und schrie, schrie immer weiter. „Vater!“ rief sie erfüllt von einer lähmenden Hilflosigkeit „Vater, wach auf! Was ist?“ Sie schüttelte ihn und endlich kam er wieder etwas zu sich. Er schaute sie mit geweiteten Augen an. Zuerst schien er sie nicht zu erkennen, doch als sie ihm die Haare aus der von Schweiss und Tränen benetzten Gesicht strich, sprach er erleichtert „Apollia, du bist es. Den Göttern sei Dank!“ „Du hattest einen Alptraum. Warst du… wieder in Nordend?“ „Ja… es war damals in der Boreanischen Tundra… in einem Fort, nicht fern der Valianzfeste. So viele Menschen dort, alle…tot… nein nicht tot, Schlimmeres. Es gab nur ein halbes duzend Überlebende, ich war einer von ihnen. Es… war so schrecklich, so schrecklich!“ „Ich weiss Vater,“ sprach Apollia mit tiefstem Mitgefühl erfüllt. „Jetzt weiss ich es, ich war auch dort… im Traum. Ich habe alles gesehen, ich war du. Es tut mir alles so leid. Auch… dass ich zu wenig Verständnis für dich hatte. Ich… konnte mir das alles gar nicht vorstellen. Man kann sich so was Schreckliches nicht vorstellen.“ „Du warst ich?“ Ein Lächeln huschte über das Antlitz von Olwan. „Wie fühlte es sich an im Körper eines so alten Mannes, wie ich es bin, zu sein?“ Apollia lächelte auch, immerhin konnte ihr Vater wieder scherzen. „So alt bist du nicht Vater, du bist überhaupt nicht alt. Du hast so tapfer gekämpft. Aber nun musst du versuchen wieder zu schlafen.“ „Bleibst du noch etwas bei mir?“ Er drückte die Hand seiner Tochter warm und fast flehend. „Ja natürlich Vater. Wir bleiben beide bei dir…“ Smaragdeye leckte das Gesicht des Zwerges und dieser streichelte über das Fell der grossen Katze. „Langsam fang ich an dieses Tier mehr zu mögen, “ lächelte er. Dann schlief er wieder ein. Apollia blieb noch bei ihrem Vater, bis sie selbst beinahe wieder einnickte, dann ging sie leise zurück in ihr Zimmer. Dennoch lag sie noch eine Weile wach und dachte angestrengt nach.
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Schliesslich fasste sie einen Entschluss. Sie kritzelte ein paar Zeilen auf ein Blatt Pergament und als der Morgen noch nicht ganz graute, legte sie diesen auf das Tischchen neben dem Bett ihres Vaters. Dann packte sie ihre Habseligkeiten und ihren Bogen zusammen und verliess leise das Gasthaus. Sie würde wieder hierher zurückkehren, aber erst, wenn sie Xan’Nya gefunden hatte. Ihr schrecklicher Traum letzte Nacht hatte ihr zwei Dinge vor Augen geführt 1. Dass ihr Vater viel traumatisierter von Nordend sein musste, als sie gedacht hatte und 2. Dass sie niemals zulassen würde, dass die Trollin das gleiche Schicksal ereilen würde, wie die vielen armen Menschen in Nordend, welche man gegen ihren Willen getötet und wiederbelebt hatte. Die Atal’Ai welche hinter Xan’Nya her waren, waren ähnlich wie die Geissel in Nordend und Apollia würde sie bekämpfen bis aufs Blut. Doch sie wollte ihren Vater nicht dabeihaben, er hatte schon zu viel an Schrecklichem gesehen, als dass er den Kampf gegen die Atal’Ai, ohne noch schlimmere Folgen für seine Seele, hätte bewältigen können. Sie jedoch hatte noch nicht so viel an Schrecken gesehen und sie wusste, sie würde ihr Ziel erreichen.
Als erstes ging sie hinunter zum Steg. Dort kaufte sie in einem Laden einige der nötigsten Dinge ein. In Beutebucht waren die Geschäfte 24 Stunden lang offen, denn es war hier so viel los. Zwar war es in diesen frühen Morgenstunden noch angenehm ruhig in der Hafenstadt. Doch ganz leer war sie nie. Einen Moment lang blieb sie, ihre Taschen über dem Rücken stehen und zog die frische salzige Meeresluft in ihre Lungen. Das erste Schiff mit schneeweissen Segeln legte bereits am Quai an. Alles war noch so friedlich und still. Ein paar wenige Leute verliessen das Schiff, das von Kalimdor kam und ein paar wenige Leute stiegen wieder ein. Eigentlich war es hier schon sehr schön. Ihr Blick wanderte zurück zu den teilweise weiss verputzten Häusern aus Holz und mit roten Ziegeln, dahinter stürzte ein Wasserfall über die Felsen hinunter. Eigentlich war Beutebucht auf Stelzen gebaut, die in die Klippen eigenfügt waren. Ein wahres Meisterwerk der Goblins.
Apollia liebte diesen Ort irgendwie, auch wenn sie das Klima nicht so mochte. Doch an alles gewöhnte man sich mit der Zeit. Jetzt da sie einen wirklich wichtigen Grund hatte hier zu sein, fiel ihr dies auch leichter. Sie ging dann zum Greifenmeister im oberen Teil der Stadt, wo sie einen Greif mietete. Sie hatte genug Geld mitgenommen, dass sie sich das auch leisten konnte, denn die Gegend, in die sie wollte, war am sichersten mit einem Flugreittier zu erkunden. Als der Greifenmeister ihr den frisch gesattelten Greif mit dem goldenen Gefieder brachte, da zuckte die Zwergin zusammen. Das war der Greif, der sie damals, als sie nach Yojamba geflogen war, einfach verlassen hatte. Durch diese Umstände musste sie ein Schiff zurücknehmen und geriet in einen Sturm, der sie nach Kalimdor verschlug, wo sie dann Smaragdeye fand. Sie nahm die ledernen, schön verzierten Zügel entgegen und reichte dem Greifenmeister das Geld mit den Worten: „Ist dieses Tier auch zuverlässig?“ Der Greifenmeister, ebenfalls ein Zwerg, schaute beleidigt. „Aber natürlich! Das ist mein bester Greif. Er ist der Klügste von allen.“ Apollia musterte das Reittier und meinte dann „Ja, davon bin ich überzeugt… Danke!“ Der Greifenmeister schaute sie etwas säuerlich an, dann ging er an seine Arbeit zurück. Apollia musterte das Reittier etwas vorwurfsvoll und sprach in Gedanken zu ihm: „Du hast mich damals ja ganz schön hängen lassen. Das war nicht gerade nett von dir.“ „Es war das einzig Richtige“, erwiderter der Greif „sonst hättest du deinen Seelengefährten noch bis an dein Lebensende im Schlingendorntal gesucht.“ Apollia blickte ihren Tiger liebevoll an und streichelte diesen. „Ja, du hast natürlich schon Recht, dennoch… nett war es nicht. Ich musste mich mit einigen üblen Piraten und Trollen herumschlagen deinetwegen. Ich hoffe du machst sowas nicht wieder. Ich muss mich auf dich verlassen können.“ „Es gibt keinen Grund deinen Befehlen keine Folge zu leisten, denn du bist auf dem Weg deiner Bestimmung angelangt und es gibt keinen anderen Weg mehr. Ich unterstütze dich bei der Suche nach der Trollin.“ „Woher um alles in der Welt, weiss du davon schon wieder?!“ „Ich sehe viel, ich höre viel, ich fühle viel.“ „Jaja, schon gut. Mein Leben ist ein offenes Buch für dich, wie mir scheint!“ „Nur weil du mich in diesem Buch auch lesen lässt. Du weisst, dass ich dir ein Helfer bin.“ „Ja, einfach keine Mätzchen mehr, “ knurrte Apollia, sonst ende ich noch als Schrumpfkopf der Blutfratzentrolle, oder als Mittagessen für die Raptoren, oder Basilisken.“ „Das will ich natürlich auf keinen Fall!“ gab der Greif zurück. „Na, dann bin ich froh. Sonst nehme ich mir lieber einen andern Greif.“ Sie sagte das, meinte es aber nur halb so ernst, denn sie wusste, dass dieses Tier es gut mit ihr meinte, wenn seine Methoden auch teilweise etwas… unorthodox waren, um ihr das zu zeigen. „Ich möchte zuerst zum dunklen Riff reisen. Es könnte sein, dass dort Xan’Nya irgendwo Unterschlupf gefunden hat.“ „Das dunkle Riff scheint mir eine gute Wahl“, erwiderter der Greif und erhob sich, nachdem auch Smaragdeye mit einem speziellen Geschirr auf seinem Rücken befestigt worden war, in die Luft. Die Sonne würde schon bald aufgehen und am Horizont erschien ein rosa- lila Streifen. Die Häuser von Beutebucht wurden immer kleiner und kleiner und Apollia konnte weit herum sehen. Das Meer war wundersam klar. Sie sah viele Wasserpflanzen und da und dort einen Felsblock aus der Tiefe ragen. Einmal erkannte sie einen mächtigen Schatten der unter ihnen daher schwamm, vermutlich irgendein grosser Fisch, ein Hai oder so. Es gab einige Fische hier, mächtig grosse und ganz kleine. Ein Paradies für die Fischer von Beutebucht und Umgebung. „Wir müssen ins nördliche Schlingendorntal“, sprach Apollia. Doch der Greif wusste wohin er sich wenden musste, um zum finsteren Riff zu gelangen. Es dauerte ein paar Stunden. Sie hielten sich an die Uferlinie des Meeres, flogen nicht allzu hoch, damit sie alles gut überblicken konnten. Zumindest so gut wie es die vielen mächtigen Bäume erlaubten, die hier wuchsen und in deren mächtigen Kronen, dicke Lianen hingen. „Es wird nicht einfach sein, Xan’Nya zu finden, “ dachte die Zwergin. „Ich kann mich nur grob erinnern, wo ich sie das letzte Mal gesehen habe. Doch ich muss mich einfach auf mein Gefühl verlassen. Es allein kann mich zum Ziel führen.“
Nach einer Weile wurde sie etwas müde und sie beschloss an einem sicheren Ort, unten am Strand, eine Rast zu machen. Der Greif und ihr Tiger waren damit einverstanden, sie spürten keine Gefahren hier. Die Zwergin war froh sich etwas ausruhen zu können und sie vertraute „ihren“ Tieren vollkommen. Sie ass etwas Brot, Trockenfleisch und eine der exotischen Früchte, die hier überall wuchsen. Dann zog sie sich aus und ging noch zum Meer hinunter, um sich etwas zu erfrischen. Sie tauchte ihre Arme in das kühle Nass und stöhnt zufrieden auf. Das tat gut! Sie watete etwas weiter in das klare Wasser hinein, das zuerst ihre Knöchel, dann ihre Knie und schliesslich ihre Hüfen bedeckte. Es war sehr angenehm und ein Gefühl der Geborgenheit breitete sich auf einmal in der Zwergin aus. Sie tauchte nun auch ihren Kopf in das kühle Nass und schwamm ein paar Meter hinaus in den Ozean. Sie öffnete ihre Augen und sah die Wellenbewegungen, welche sich auf dem weissen Sand des Grundes wiederspiegelten und dann…! Auf einmal sah sie ganz klar, als ob sie eine Unterwasserbrille tragen würde. So klar erkannte sie auf einmal jedes Detail und sie fühlte sich wie ein Wassertier, dass durch die wohltuenden Wellen schwamm… sie wurde wieder Eins mit Xan’Nya, diesmal jedoch war sie ein Seelöwe!
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Alles war so wunderbar sie fühlte sich getragen von der wundervollen Kühle des Meeres, glitt durch es hindurch, ganz leicht… ohne jegliche Anstrengungen. Sie schwamm und schwamm immer weiter. Die dunklen Schatten, die sie noch vor einiger Zeit verfolgt hatten, rückten immer weiter in die Ferne, sie konnten ihr nicht folgen. Nur dieser eine, dieser ganz finstere Geist, den sie als Reptil mit einem schrecklichen Kopf vor ihrem innen Auge sah, blieb an ihr dran. Seine Macht jedoch, schien auch etwas zu schwinden. „Ich gehöre dir nicht!“ schrie sie ihm im Geist entgegen. „Niemand bestimmt über mein Leben, auch wenn ich nichts mehr davon weiss. Eines jedoch weiss ich, ich gehöre dir nicht! Niemals! Niemals! Weiche von mir! Ich befehle es dir bei allen mächtigen Loa! Ihr Licht ist es, das mich beschützt. Sie leiten mich immer, du hast keine Macht über sie! Du hast keine Macht über mich! Weiche endlich du böser Schatten, weiche von mir… Hakkar!“ Sie sagte diesen Namen einfach so und dann merkte sie wie einige Funken der Erinnerung in ihr aufflammten. Woher sie jedoch genau kam, was sie hier eigentlich gewollt hatte, das wusste sie noch immer nicht. Aber sie wusste, dass sie in grosser Gefahr war. Sie schwamm, schwamm immer weiter immer schneller, durchschnitt das klare, glitzernde Wasser des Meeres wie ein Pfeil, kleine Blasen bildeten sich entlang ihres stromlinienförmigen Körpers, stiegen auf zur Oberfläche auf deren Unterseite sie ihr Spiegelbild wahrnahm, wenn sie hinaufblickte. Es war herrlich so durch das Meer zu schwimmen und sie wusste, vor ihr, nicht weit vor ihr, befand sich ein Ort, wo sie sich endlich etwas ausruhen konnte, wo die schrecklichen Kreaturen ihr nicht mehr zu folgen vermochten, auch Hakkar nicht. Dessen Stimme war beinahe verstummt, seit sie die mächtigen Loa angerufen hatte, seither war ihr, als begleite sie ein silbriges Licht, dass ihr Frieden und Ruhe gab. Sie wusste es würde sie beschützen, sie wusste es war stärker als der Blutgott. Sie wusste es würde niemals zulassen, dass sie die Sklavin selbigen wurde!
Sie schwamm und schwamm und schliesslich tauchte in der Ferne eine kleine Insel auf. Diese steuerte sie an. Dort würde sie endlich ein wenig ausruhen können! Jetzt da das Licht der höchsten Loa ihr den Weg leuchtete, würde bestimmt alle gut gehen und… die kleine Insel kam immer näher…
Apollia tauchte aus dem Meer empor und rang nach Atem. Wie lange, war sie wohl unter Wasser gewesen? Es war wohl doch kürzer als sie dachte, doch irgendwie war ihr das was sie gesehen hatte endlos lange vorgekommen. Sie zitterte. War es vor Kälte, oder vor Aufregung? Sie ging zurück an den Strand wo die beiden Tiere leicht besorgt auf sie warteten. „Alles klar?“ fragte ihr Tiger sie im Geiste. „Jaja…“ stotterte die Zwergin. „Ich habe Xan’Nya wieder gesehen, oder… vielmehr war ich wieder Eins mit ihr. Sie war hier, hier an diesem Ort und… sie wollte zu einer kleinen Insel. Sie… müsste von hier aus sichtbar sein.“ Apollia liess ihren Blick über die glatte Wasseroberfläche schweifen. Und dann, erblickte sie tatsächlich eine kleine Insel, ziemlich weit draussen.
„Wir müssen dorthin. Sie muss dort sein! Zum Glück können wir fliegen. Sonst bräuchten wir ein Boot. Dann also los! Vielleicht erreichen wir unser Ziel schneller als wir denken!“ Der Greif neigte zustimmend sein edles Adlerhaupt und die Zwergin stieg zusammen mit Smaragdeye auf seinen Rücken. „Etwas weiter nördlich, erblickte sie die Insel Yojamba. Wenn es wirklich stimmte, dass die Trollin dorthin gewollt hatte, um ihren Vater Vinchaxa um Hilfe zu bitten, dann war diese so nahe an ihrem ursprünglichen Ziel, wusste es jedoch wegen ihrer Amnesie nicht mehr. Apollia musste es ihr sagen, sie musste sie finden! Dann würde bestimmt alles gut werden. Voller Hoffnung flog sie auf dem Rücken des mächtigen Greifs, dessen Schatten über die Meeresoberfläche glitt, auf die kleine Insel zu…
Xan’Nya befand sie tatsächlich auf der kleinen Insel! Sie war erschöpft vom weiten Schwimmen. Ausserdem, war sie unterwegs noch von einem der grossen Haie angegriffen worden, welche die Gewässer hier ihn grosser Zahl bevölkerten. Sie hatte ihn erledigt, war nun jedoch sehr geschwächt und blutete aus einigen Wunden. Sie hatte es durch ihre Verbindung mit den Geistern der Natur und ihren magischen Kräften geschafft, ein Feuer zu entfachen. Sie fühlte sich hier eigentlich jetzt ziemlich sicher, auch die dunklen Geister und die Trolle hatte sie beinahe ganz abgeschüttelt. Nur die Stimme von Hakkar war noch nicht ganz verstummt. Sie ignorierte diese einfach so gut sie konnte und schliesslich hörte sie sie kaum mehr. Da sass sie also nun, blickte hinein in die tanzenden Lichter ihres Feuers und dachte einmal mehr darüber nach, wie sie hierhergekommen war. Sie erinnerte sich einfach nicht mehr. Ihr Kopf schmerzte immer noch von dem Schlag, den sie abbekommen hatte und welcher vermutlich ihr Gedächtnis gelöscht hatte. Und dann immer wieder diese seltsamen Schauungen von einer rothaarigen Zwergin, die sich immer wieder ihn ihr Bewusstsein drängten. Was wollte diese Zwergin nur von ihr? Warum konnte sie sie nicht einfach in Ruhe lassen? Sie war müde, so müde. Sie wollte nur noch schlafen und sich um nichts anderes mehr kümmern. Erschöpft legte sie sich in den weichen, noch von der Sonne aufgewärmten Sand der kleinen Insel nieder und schaute in den Himmel. Dieser war vollkommen wolkenlos und glasklar wie das Meer unter ihm. Tausende von Sternen funkelten und auch der Mond, leuchtete tröstend auf sie herab. Xan‘Nya liebte den Mond. Die Nachtelfen und auch die Tauren, verehrten dieses Gestirn besonders. Für die Nachtelfen war er die Göttin Elune, für die Tauren, das eine Auge der Erdmutter: Mu’sha. Für die Trolle war er einfach ein ganz besonders mächtiger Loa, denn diese nannten alle Halbgötter und auch Naturgeister Loa. Oft fragte sich Xan’Nya wieviel Wahres an all diesen Mythen der verschiedenen Völker dran war. Es berührte sie seltsam, dass sie sich über solche Dinge noch Gedanken machte und noch so viel wusste, hingegen über ihr eigenes Leben wusste sie gar nichts mehr. Sie schloss ihre müden Augen und glitte langsam hinüber in das Land der Träume… und während sie noch zwischen Wachsein und Schlaf verweilte, sah sie eine wunderschöne, silbern gekleidete Nachtelfin mit silbernen Haaren und einen weissen, glänzenden Hirsch, mit mächtigen Geweih, zusammen über den sternenklaren Himmel wandern…
Liebe und Geborgenheit umgab sie und sie wusste, diesmal würde sie beschützt sein von allem Dunklen, dass nach ihrer Seele griff… Dann schlief sie endgültig ein.
Am nächsten Tag erwachte die Trollin wieder und stellte enttäuscht fest, dass sie sich noch immer an nichts erinnern konnte. Sie stand auf und umrundete die kleine Insel, auf der sie Zuflucht gefunden hatte. Die Stimme von Hakkar war heute gar nicht mehr zu hören, es war als sei sie aus seinem Fokus verschwunden, seit sie hier war. Wie aber konnte das sein? Sie schaute hinüber zum Festland und überlegte sich, ob diese seltsamen andern Trolle immer noch auf sie lauerten. Lange konnte sie hier nicht bleiben, sie musste weiter, aber wohin...? Auch einmal stutzte sie. Was bei allen Loa war das?! Ein Flugreittier näherte sich, der kleinen Insel. Sie wusste sie hatte so ein Tier schon mal gesehen, aber wo? Ihre Nackenhaare sträubten sich, als würde sie einem alten Schutzinstinkt folgen, der ihr sagte, dass dies Gefahr bedeutete. Doch seltsamerweise spürte sie keinerlei Angst. Dennoch hielt sie es für besser sich erstmal in einer der Baumkronen zu verstecken und abzuwarten was weiter geschah. Das Reittier, es war ein goldener Greif mit weisser Mähne, flog tatsächlich direkt auf die kleine Insel zu. Blitzschnell lief die Trollin zu einer der Palmen auf der Insel und kletterte flink wie ein Wiesel in deren Krone. Trolle konnten allgemein sehr gut klettern, vor allem die Wald- und Dschungeltrolle. Zwischen den Blättern des Baumes hindurch beobachtete sie, wie der Greif näher kam und dann sah sie auch wer darauf sass! Sie konnte es nicht glauben, es war die Zwergin aus ihren Schauungen! Diese schien tatsächlich vorzuhaben hier zu landen. Die Trollin wusste nicht genau was sie davon halten sollte. Sie beobachtete einfach still, was weiter geschah. Die Zwergin kletterte nun von dem Greif hinunter, gefolgt von einem rotschwarzen Tiger. Beide schauten sich suchend um und die Zwergin begann einen Namen zu rufen, den die Trollin jedoch nicht als ihren erkannte, weil sie auch diesen vergessen hatte.
„Xan’Nya!“ rief Apollia „Xan’Nya bist du hier!?“ Keine Antwort. Doch sie konnte sich das gut vorstellen, wenn die Trollin wirklich unter Amnesie litt. Vielleicht aber war sie einfach schon nicht mehr hier „Xan’Nya, wenn du da bist, bitte antworte mir! Ich bin da um dir zu helfen! Hallo?“ Nichts. „Schau dich mal etwas um!“ befahl sei Smaragdeye. Der Tiger gehorchte sogleich und fing an überall herumzuschnuppern. Er spitzte seine Ohren um die leisesten Geräusche wahrzunehmen und auch seine Augen suchten alles ab.
Es dauerte nicht lange und der grossen Katze stieg ein noch unbekannter Geruch in die Nase. Er folge der Fährte, bis zum Stamm einer der grössten Palmen. Die Trollin sah voller Unbehagen, dass er sie sogleich entdecken würde. Was nur sollte sie tun? Und dann… schaute sie der Tiger direkt an. Seine grossen, smaragdgrünen Augen musterten sie und er wandte seinen Kopf zu der Zwergin. „Hier ist sie!“ vernahm Apollia die Worte ihres Seelengefährten in ihrem Innern und sogleich lief sie ebenfalls zu der Palme. „Xan’Nya, bist du das?“ fragte sie erneut. Wieder dieser Name. Was bedeutete er bloss? Die Trollin war hin und her gerissen, ob sie nun zu fliehen versuchen, oder hierbleiben sollte. Unschlüssig starrte sie die Neuankömmlinge an. Die Zwergin hatte sie nun ebenfalls entdeckt und rief erfreut in einer der Trollin fremden Sprache: „Sie ist es. Es ist Xan’Nya!“ Die Zwergin hob beschwichtigend ihre Hände und sprach nun auf globalisch, was die Trollin einigermassen verstand: „Nur keine Angst, ich suche dich schon lange. Ich bin hier um dir zu helfen, Xan’Nya. Wie geht es dir?“ „Wer bis‘ du?“ fragte die Trollin immer noch sehr misstrauisch, in gebrochenem globalisch. „Was willste von mir?“ „Ich suche dich schon lange. Erinnerst du dich noch an das was geschehen ist die letzten Tage?“ „Ne das weiss ich alles nich‘ mehr. Ich weiss nich‘ mal mehr meinen Namen.“ „Du heisst Xan’Nya. Komm doch runter, dann erkläre ich dir alles!“ „Wie weiss ich, dass ich dir trauen kann?“ „Das weisst du nicht, aber glaub mir es wird sich lohnen es zu versuchen.“
Die Trollin zögerte noch immer, doch dann entschloss sie sich vom Baum hinunter zu steigen. Sie blieb jedoch in Bereitschaft und konnte jederzeit einen ihrer Zauber wirken, wenn es sein musste. „Wer bis‘ du?“ fragte sie die Zwergin „Ich habe dich die letzte Zeit oft in meinen Gedanken gesehn. Du verfolgst mich regelrecht. Was soll das und woher weiss‘ du meinen Namen, während ich ihn selbst nich‘ mehr weiss?“ „Weil du durch einen Schlag auf deinen Hinterkopf an Amnesie leidest.“ „Amnesie?“ „Gedächtnisverlust. Du hast dein Gedächtnis verloren, als die Blutfratzentrolle dich festhielten. Du konntest aber fliehen. Du bist im Fokus der Atal‘ Ai, eine fanatische Trollgruppe vorwiegend aus Untoten, welche dem Blutgott Hakkar dienen und ihn wieder in die Welt holen wollen. Deine Mutter ist auch eine Atal’Ai. Dein Vater ein Zandalari, welcher auf der Insel Yojamaba nicht weit von hier stationiert ist. Du hast ausserdem einen Sohn namens Cromnios.“ Xan’Nya hatte Mühe all den Ausführungen der Zwergin zu folgen, denn sie konnte nicht sehr gut globalisch, ausserdem fehlte ihr durch ihre Amnesie wichtiges Hintergrundwissen. Dennoch eine Sache verstand sie ganz klar: Sie hatte einen Sohn und als sie dessen Namen hörte, sah sie auf einmal wieder das kleine Kind vor sich, welches über den Strand lief und welches sie so sehr liebte. Das war Cromnios, ja jetzt klärte sie alles immer mehr! Tief bewegt und mit zitternder Stimme sprach sie: „Ich hab‘ einen Sohn ja, ich erinnere mich an ihn, ich erinnere mich an immer mehr… Bei allen gütigen Loa!“ sie setzte sich auf die Erde und die Erinnerungen brachen über sie herein wie eine Flut. Dennoch gab es immer noch ein paar Lücken in diesen Erinnerungen. So konnte sie sich z.B. nicht an ihre Eltern oder auch nicht an den Vater von Cromnios erinnern. Doch an ihren Sohn umso klarer. „Cromnios mein süsser, kleiner Cromnios, geht es ihm gut?“ „Abgesehen davon, dass er nun schon ein junger, bald zum Magier ausgebildeter Mann geworden ist, ja. Er lebt in Durotar, bei seinem Ziehvater in Sen’Jin, das ist jedenfalls das Letzte was wir über ihn in Erfahrung bringen konnten.“ „Aber… woher weisst du das alles?“ „Das ist eine lange Geschichte. Ich erzähle sie dir, während wir nach Yojamba fliegen.“ „Nach Yojamba? Wo ist das?“ „Nicht weit von hier. Dort lebt dein Vater Vinchaxa. Es sieht so aus, als hättest du Hilfe bei ihm gesucht. Die Atal’Ai wollen dich zu einer von ihnen machen und Hakkar erhebt Anspruch auf deine Seele.“ „Auf meine Seele? Aber meine Seele gehört nur mir allein, ich werde ihm niemals dienen, das ist etwas dessen ich mir sicher bin.“ „Dann ist es ja gut. Er wird nicht so einfach Ruhe geben. Du musst sehr stark sein und vielleicht werden wir dich auch noch einem Heilungsritual unterziehen müssen, dass dich endgültig von dieser Verderbnis, welcher auch deine Mutter anheimgefallen ist, befreit. Doch das hat jetzt noch Zeit. Wichtig ist, dass wir deinem Vater zeigen, dass du noch lebst. Er macht sich grosse Sorgen um dich.“