24. Kapitel
Rückkehr von Varunna, erste Umarmung der Liebenden
Balduraya beobachtete wie Linus und Gwydyon sich das erste Mal in ihrem Leben, richtig umarmten und sie war tief bewegt. Gleichzeitig jedoch, machte sich auch eine seltsame Wehmut in ihr breit und sie liess ihren Blick herüber zu Dabogs Untoten- Ich wandern. Dieser sass mit unberührter Mine auf einem der Steine und schnitzte mit seinem Messer an irgendeinem Stück Holz herum. Was es genau werden sollte, war noch nicht ersichtlich. Die junge Blutelfin war sehr traurig. Seit den Ereignissen in Desolace, wo Dabogs Körper so stark beschädigt worden war, war nichts mehr wie zuvor. Der Untote redete nur noch das Nötigste mit ihr und würdigte sie kaum mehr eines Blickes. Der nekromantische Geist in ihm, hatte nun eindeutig die Überhand und liess kein Eindringen, seiner einstigen Seele, mehr zu. Balduraya überlegte, wo seine Seele wohl gerade war, war sie schon weitergegangen oder noch immer nicht? Wie waren die Gefühle von Dabogs Seelen- Ich für sie? Waren sie den Gefühlen ähnlich, die sie für ihn empfand? Sie hätte niemals gedacht, dass sie sich mal auf diese Weise verlieben würde. Hätte man ihr das vorausgesagt, sie hätte der Übermittler dieser Botschaft vermutlich nur ausgelacht. Doch nun war es geschehen und sie fühlte sich einfach nur noch traurig und leer. Immer wieder suchte sie Zuflucht in den gütigen Armen des Lichtes, dort konnte sie sich wenigstens für einen Moment lang geborgen fühlen, doch dann holten sie die Schatten der Tatsachen wieder ein: Dabogs Seele war von ihr gegangen und würde wohl nicht mehr zu ihr zurückkehren.
Ein Schatten fiel über sie und sie schaute erschrocken nach oben. Ein Hippogryph senkte sich auf sie herab. Einen Augenblick lang gefror der Blutelfin das Blut in den Adern. Die Allianz hatte sie entdeckt! Sie wollte weglaufen und die anderen alarmieren, als sie plötzlich erkannte, wer da auf dem Hippogryph sass. Es war kein Geringerer als Varunna, ihr Taurenfreund! Natürlich, vermutlich ritt er auf einem dieser Tiere, weil er gerade auf den Mondlichtung gewesen war! Die Hippogryphe waren die Reittiere der Nachtelfen. Da diese, wie auch die Tauren, die Mondlichtung bewachten, konnte es gut sein, dass man jemandem der Horde mal ein Allianzreittier gab.
Als sie und ihre Freunde merkten, dass es Varunna war, der sich ihnen hier näherte, winkten sie voller Freude zu ihm empor. Das Reittier landete und der Tauren stieg lachend aus dem Sattel. „Varunna, schön bist du da!“ rief Tyrande freudig und umarmte ihren alten Freund spontan. Varunna begrüsste nun alle der Reihe nach, die Männer und den jungen Linus mit einem Handschlag und die Frauen mit einer Umarmung. Als er schliesslich zu Balduraya kam und auch diese umarmte, spürte Dabogs- Seelen Ich einen wohligen Schauder, der ihn durchlief. Endlich konnte er die junge Frau, welcher er sich nun bereits so verbunden fühlte, mal umarmen. „Beherrsch dich gefälligst!“ schimpfte Varunna auf telepathischem Wege, „sonst meint sie noch, ich will etwas von ihr. Das ist äusserst peinlich! Lass jetzt los!“ Dabogs Seelen- Ich erschrak und zog die Arme, oder vielmehr Varunnas Arme, zurück. Der Tauren grinste verlegen und wandte sich schnell Gwydyon und Linus zu.
Balduraya war irgendwie sehr durcheinander, die Umarmung von Varunna war irgendwie leidenschaftlicher ausgefallen, als sie gedacht hätte. Dabei war sie ganz sicher, dass der Tauren keinerlei Interesse an ihr hatte. Dennoch, da war etwas Vertrautes gewesen, etwas, dass sie irgendwie an… Dabog mit Seele, erinnert hatte! Sie schaut zu Dabogs Untoten- Ich herüber und versuchte etwas in seiner Miene festzustellen. Der Verlassene wirkte tatsächlich etwas durcheinander, seit Varunna ihm die Hand gereicht hatte.
Vor Linus blieb der Tauren nun stehen und musterte ihn eingehend. „Und du bist nun also Gwydyons Sohn?“ „Ja,“ gab der Knabe zurück. „und wie du weisst, auch noch der Sohn einer Sukkubus. Ich will aber gegen meine dämonische Seite ankämpfen.“ Varunna war berührt von der Offenheit und der Klarheit des mittlerweile etwa 9-jährigen Jungen und sprach: „Ja und du wirst gewinnen, da bin ich mir sicher.“ Er klopfte Linus mit seiner Pranke leicht auf die Schulter. „Dafür gehen wir ja schliesslich auch nach Darnassus. Die Mondpriesterinnen werden dich dann dem Lichte weihen und du wirst ein langes und erfülltes Leben führen.“
„Das hoffe ich,“ der Knabe etwas nachdenklich zurück. „Ganz bestimmt, ich glaube an dich!“ Ein Lächeln erschien auf Linus Gesicht und er wusste jetzt bereits, dass er diesen Tauren mögen würde.
„Wir sind vielleicht froh, dass du da bist Varunna!“ meinte Tyrande nun. „Wir haben uns hier nicht so wohl gefühlt. Es ist ziemlich gefährlich. Wir können gut einen Druiden an unserer Seite gebrauchen.“ „Dann sind also die Nachtelfen noch nicht gekommen?“ „Nein, bisher nicht. Aber es wird hoffentlich nicht mehr lange dauern.“ „Das hoffe ich auch.“ Der Tauren schaute sich etwas um, dann meinte er: „Wie ich sehe, habt ihr euch bereits etwas hier eingerichtet. Wir… äh ich, habe noch ein paar Vorräte mitgebracht.“ Sogleich hörte er die Stimme von Dabogs Seelen- Ich: „Irgendwann müssen wir ihnen wohl die Wahrheit sagen, jetzt da du dich verplappert hast sowieso!“ Der Tauren erwiderte ärgerlich: „Das haben sie sicher nicht gemerkt. Ausser vielleicht…“ Er blickte zu Balduraya herüber und sah gerade noch, wie sie sich schnell wieder abwandte, nachdem sie Varunnas Versprecher scheinbar merklich hatte aufhorchen lassen. „Sie könnte etwas ahnen. Das hat sicher mit der Umarmung vorhin zu tun. Du hättest dich auch etwas beherrschen können, Mann!“ „Es tut mir leid, ich war ihr bisher nur noch nie so… nahe. Dabei hatte ich Gefühle, die ich nach der Geschichte mit Lumnia, bereits glaubte verloren zu haben.“
Varunna und Dabogs Seelen- Ich hielten weiterhin lautlose Zwiesprache, während Varunna scheinbar geschäftig etwas im Feuer herumstocherte und dann einen Topf mit heissem Wasser aufsetzte um darin etwas Fleisch und Gemüse, das er mitgebracht hatte, zu garen. „Ich weiss nicht, ob es klug ist, allen von deiner Anwesenheit in meinem Körper zu erzählen,“ überlegte der Tauren. „Sollen wir einfach mal Tyrande und Balduraya einweihen? Ich denke letztere riecht den Braten sowieso.“ „Ja, vermutlich bleibt uns nichts anderes übrig,“ stimmte Dabog zu.
Balduraya musterte Varunna argwöhnisch. Irgendetwas kam ihr komisch vor. Schliesslich ging sie, zusammen mit Tyrande, hinunter an den Fluss, um etwas auszuwaschen. Varunna folgte ihnen seltsamerweise. Als er sie und ihre Freundin schliesslich auf die Untoten ansprach, wurde ihr Verdacht, dass hier etwas wahrlich Seltsames vorging, noch bestätigt. Wo wir gerade bei den Verlassenen sind…“ sprach Varunna. „Es geht um Dabog.“ Balduraya horchte auf, als sie diesen Namen hörte und wieder wurde sie traurig. Sie sprach: „Seit er so schlimm… verletzt wurde in Desolace, hat er keinerlei Anzeichen mehr für eine Seele gezeigt. Eigentlich schade. Ich mochte ihn mit Seele.“
„Hast du gehört?“ rief Dabogs Seelen- Ich freudig. „Sie mochte mich!“ „Jaja, schon gut!“ sprach Varunna, leider etwas zu laut. „Wie bitte?“ fragte Raya „redest du mit mir?“ „Nein äh… entschuldige. Das wollte ich euch eben gerade erklären.“ sprach der Tauren schnell. „Ich habe… nun ja… ich habe gerade mit Dabogs Seele gesprochen!“ „Er spricht mit dir?!“ fragten die Frauen erstaunt. „Wir wussten gar nicht, dass du mit Verstorbenen sprechen kannst.“ „Nun ja… es ist auch nicht so… wie ihr es euch vielleicht vorstellt. Dabogs Seele ist…, nun sie ist in mir drin!“ „Was meinst du damit?» Raya schaute Varunna an, als sei er verrückt geworden.
„Ich weiss, das klingt sehr seltsam. Aber es ist tatsächlich so. Ich habe Dabog aus dem Smaragdgrünen Traum gerettet. Dort gehen seltsame Dinge vor sich. Irgendetwas Böses treibt sein Unwesen und Dabog war in ernster Gefahr. Ich bin in meiner Traumgestalt hinein in den Traum und habe ihn, in meinen Körper gezogen, als ich wieder selbst in selbigen zurückkehrte. Dabog verharrte, wie wir ja bereits vermutet haben, schon länger im Traum. Er konnte nicht weitergehen ins Licht. Zuerst wegen Lumnia. Doch nun sind noch andere Gründe dazu gekommen. Dabog hofft, in Darnassus Hilfe und Rat zu finden und auch die Geschehnisse im Traum machen ihm und mir grosse Sorgen.“
Tyrande und vor allem Balduraya, schauten den Tauren mit grossen Augen an. Schliesslich fragte Gwydyons Schwester: „Also dann ist Dabog jetzt, zusammen mit deiner Seele, in deinem Körper drin?“ „Ja. Ich weiss es ist klingt sehr seltsam, aber so ist es. Wir hoffen natürlich auf eine gute Lösung, denn auf ewig ist dieser Zustand auch nicht wirklich tragbar…“
Balduraya schaute dem Tauren ungläubig in die Augen und hoffte irgendein Anzeichen von Dabogs Anwesenheit zu finden. Varunna seufzte „Dabog sagt, dass ihm deine Augen gefallen Raya.“ „Er spricht mit dir?“ „Ja, manchmal pausenlos. Er empfindet ziemlich viel für dich. Obwohl, ich dir das nicht sagen sollte.“ Die junge Blutelfin konnte kaum fassen, was sie da hörte und sie glaubte auf einmal, tausend Schmetterlinge würden in ihrem Bauche herumgaukeln. Sie setzte sich auf einen Stein und versuchte noch immer Dabog, hinter Varunnas tiefgründigem Blick, auszumachen. Doch sie hatte auch Angst, dass dies alles nur ein übler Scherz war. Das sagte sie auch. Doch Varunna versicherte ihr, dass er die Wahrheit sprach. „Es wäre natürlich schon ein wunderbarer Gedanken, Dabogs Seelen- Ich wieder unter uns zu wissen,“ sprach sie.
„Denn, ich habe ihn seit Desolace, schmerzhaft vermisst. Ich mochte ihn wirklich besonders, also ich mag ihn besonders. Diese Gefühle, die er für mich scheinbar hat, sie bedeuten mir sehr viel. Es geht mir wirklich ganz ähnlich…“ Als Dabog das hörte, konnte er sein Glück kaum fassen. Sie liebte ihn also tatsächlich auch! Baldurayas Herz klopfte zum Zerspringen und sie sehnte sich so danach, Dabog endlich mal richtig zu umarmen. „Varunna, wenn ich dich jetzt umarme, spürt Dabog das dann auch?“ Der Tauren wurde etwas verlegen und erwiderte. „Ja, aber ich könnte meine Seele auch kurz aus meinem Körper herausziehen, damit es dann wirklich Dabog selbst ist, der dich umarmt.“ „Wäre das möglich?“ „Nun ja… es wäre schon möglich…“ Varunna war die ganze Sache ein wenig unangenehm, doch er wollte den beiden Liebenden die Möglichkeit nicht verwehren, sich endlich mal etwas näher zu sein. „Ich trete kurz aus meinem Körper aus und überlasse Dabog das Feld Balduraya,“ sprach er deshalb ergeben und die Blutelfin nickte vertrauensvoll. „Danke Varunna, du machst mir damit ein sehr grosses Geschenk.“ „Nicht nur dir,“ erwiderte der Tauren „auch Dabog kann es kaum erwarten.“ Kurz nachdem er das gesagt hatte, trat Varunna tatsächlich kurz aus seinem Körper aus und in diesem Moment veränderte sich der Ausdruck desselbigen. Balduraya war nun ganz sicher, dass ihr Dabog selbst entgegenblickte und diese Erkenntnis war schlichtweg überwältigend. So viel Liebe und Zuneigung lag in diesem Ausdruck und als sich die beiden Liebenden umarmten, schien die Welt um sie herum einen Moment lang stillzustehen. Und von diesem Moment an wussten sie, dass sie alles dafür tun würden, einst wirklich zusammen zu sein!