30. Kapitel
Freudiges Wiedersehen und die Rückkehr zum Hain der Silberschwingen
Dabog schaute zum Himmel empor und sah, wie sich zwei Flugreittiere in schnellem Tempo näherten. Er hatte sich, zusammen mit den anderen, ein Stück entfernt vom Lager der Brennenden Klinge, das durch Linus Zauber wie leergefegt worden war, versteckt.
Varunna hatte ihn informiert, dass Gwydyon sie mit zwei Hippogryphen abholen würde. Das musste er sein! Der beseelte Untote, kniff seine Augen zusammen, um sicher zu gehen und kurz darauf, erkannte er die schlanke, hochgewachsene Gestalt des Blutelfen, dessen langes, rotes Haar, wie Flammenzungen im Winde, flatterte. Er hob die Arme und wedelte wild damit herum, um Gwydyon auf sich und die anderen, aufmerksam zu machen. Auch Linus eilte nun an seine Seite und winkte dem Blutelfen zu.
"Vater! Es ist Vater!" rief er und klang wieder begeistert wie ein kleines Kind. Dabog lächelte und legte den Arm um die Schultern des mittlerweile 15-jährigen Halb- Dämonen. Gwydyon hatte sie entdeckt und winkte nun ebenfalls. Sein Gesicht strahlte, wie es Dabog noch nie zuvor erlebt hatte und innige Freude erfüllte ihn dabei.
Mit rauschenden Schwingen landeten die wunderschönen Reittiere, deren Gefieder und Fell in schillernden orangeblauen Schattierungen leuchteten.
Den nun wieder beseelten Untoten, beeindruckte die anmutige Schönheit dieser Tiere sehr.
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Als der Blutelf schliesslich landete, liess er seinen Blick erstaunt über alle Anwesenden schweifen. Der Dämon, welchen er bisher noch nie zuvor wirklich zu Gesicht bekommen hatte, schien sich in unsichtbaren Fesseln zu winden. Er war ein wahrlich hässlicher Anblick, mit seinem augenlosen Gesicht und dem länglichen, schädelartigen Kopf. Seine Hände waren knochig und seine schwarze Kutte flatterte um seinen hageren Körper.
„Was ist denn dies für eine schreckliche Kreatur!“ dachte Gwydyon bei sich. „So etwas habe ich noch nie zuvor gesehen. Linus scheint ihn aber ziemlich gut im Griff zu haben.“ Unbändiger Stolz auf seinen Sohn, ergriff ihn bei diesem Gedanken. Etwas abseits stand Aeternias, neben ihm eine bleiche, hagere Elfin mit schmutzig blondem, strähnigem, langen Haar. Das musste Egeria sein…!
Seine Aufmerksamkeit wurde nun jedoch ganz auf Linus gerichtet, der sich ihm jubelnd in die Arme warf.
„Wie gross du schon geworden bist!“ rief Gwydyon ungläubig aus. „Kein Wunder sind deine Kräfte so gewachsen!“ Er schloss seinen Sohn liebevoll in die Arme. „Ich bin so froh…, dass es dir gutgeht!“ sprach er mit erstickter Stimme, darum bemüht, seine Freudentränen zurückzuhalten. Dann wandte er sich an Dabog und reichte ihm die Hand: „Ich glaube, ich muss mich vor allem bei dir bedanken, du hast Linus gefunden und bist ihm gegen diese…“ er deutete auf den Dämonen „…Kreatur beigestanden.“
Dabog blickte ihm in die Augen und sogleich erkannte der Blutelf, dass der Verlassene, seine Seele tatsächlich wiedererlangt hatte! Als er das feststellte überwältigte Gwydyon tiefe Dankbarkeit und Zuneigung und ohne auf den unangenehmen Duft zu achte, den Dabogs untoter Körper, nach wie vor verströmte, umarmte er den einstigen Menschen Krieger, wie einen guten Freund.
Dabog wirkte zuerst etwas erstaunt, dass der Blutelf so viel Gefühl zeigte, erwiderte dann jedoch die Umarmung. Schliesslich löste er sich aber etwas verlegen von Gwydyon und sprach: „Ich hatte ja auch ein wenig Hilfe. Ausserdem war Linus grossartig!“
Der junge Halb- Dämon platzte vor Stolz, als er das sagte und sein Vater nickte zustimmend. „Sieht ganz so aus!“
Schliesslich richtete Gwydyon seinen Blick argwöhnisch auf den Dämonen und Aeternias. „Müssen wir die beiden oder vielmehr die drei da…“ er deutete auch auf Egeria „wirklich mit zurücknehmen?“
„Ja,“ sprach Linus. „Der Kapuzen- Dämon, kann mir vielleicht zeigen, wie ich einen neuen Körper für Dabog erschaffen kann. Bei einem Kaninchen ist es mir ja schon einmal gelungen. Aber es hat leider keine Seele, ebenso wie Egeria auch nicht. Wenn ich aber einen neuen Körper für Dabog erschaffen kann, dann kann seine Seele diesen schliesslich beziehen und alles wird endlich gut für ihn und Raya.
Der Dämon weiss sehr viel über die Erschaffung eines komplexen Körpers und diese Artefakt hier…“ er hob den Beutel mit dem glühenden Stein auf „wird mir ebenfalls dabei helfen.“
Gwydyon runzelte etwas besorgt die Stirn. „Ich hoffe du hast recht. Solche Artefakte können ziemlich unberechenbar sein.“
„Das wird schon alles werden,“ erwiderte der Junge zuversichtlich.
„Aber Aeternias, diesen gemeinen Verräter, wollen wir ihn nicht lieber zurücklassen?“ Aeternias erwiderter finster aber wortlos, den verachtenden Blick des Blutelfen.
Dieser zog seinen Sohn etwas abseits und meinte: „Aber wir können ihm nicht mehr trauen. Bestimmt wird er uns bei nächster Gelegenheit, wieder in den Rücken fallen.“
„Das glaube ich nicht,“ erwiderte Linus überzeugt. „Er wollte doch nur seine Gemahlin wieder zurückhaben. Als er erkannte, dass der Dämon jedoch ihre Seele nicht wiederbringen kann, hat er sich gegen ihn gewandt. Auch er wurde von diesem Scheusal getäuscht.“
„Ach, ich weiss nicht so recht…“
„Dabog findet, soviel ich weiss auch, dass wir Aeternias nochmals eine Chance geben sollten.“
Gwydyon rief nun auch Dabog zu sich und fragte: „Ist das wahr? Bist du der Meinung Aeternias hat eine weitere Chance verdient?“
Der Angesprochene dachte nach und erwiderte dann: „Ich kann es nicht mit Sicherheit sagen. Aber er könnte uns, ebenso wie Egeria, noch von Nutzen sein. Wir müssen ihn aber stets im Auge behalten.“
„Ausserdem habe ich keine Angst mehr vor ihm,“ sprach Linus keck. „Ich habe jetzt viel mehr Kräfte und er hat keine Chance mehr gegen mich.“
„Das stimmt allerdings!“ stimmte Dabog zu und Gwydyon konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
„Also gut, wenn ihr meint, dann versuchen wir es…“
Er wandte sich wieder den anderen Anwesenden zu und rief: „Wir werden jetzt zurück in den Hain der Silberschwingen reisen. Ich reite zusammen mit Linus und dem Dämonen. Ihr anderen: Aeternias, Egeria und Dabog werdet auf dem zweiten Hippogryphen reiten. Alles klar?“
„Klar, erwiderte Dabog und Aeternias murmelte zustimmend. Sanft, beinahe liebevoll, geleitete der dunkelhaarige Untote, die weibliche Elfin dann zu dem mächtigen Reittier und half ihr auf dessen Rücken. Dann setzte er sich hinter sie und Dabog nahm zuvorderst Platz, wo er die langen Zügel ergriff. Dann hoben die beiden mächtigen Flugtiere mit rauschenden Schwingen ab und kurz darauf, lag das unheimliche Leuchten des Glutnebelgipfels weit hinter ihnen.