3. Kapitel
Sukkubus
Gwydyon der Blutelfen Hexenmeister ging nachdenklich durch die prunkvollen Strassen der rotgoldenen Stadt Silbermond.
Nur wenige Tage war es her, seit ihm seine Schwester Balduraya und seine heimliche Liebe Tyrande eröffnet hatten, dass sie nach Kalimdor pilgern wollten, um auf den Spuren ihrer einstigen Vorfahren zu wandeln, welche ja alle einst aus dem Volke der Nachtelfen stammten. Die Blutelfen waren Abkömmlinge der sogenannten Hochgeboren, welche Schuld daran gewesen waren, dass der Brunnen der Ewigkeit durch den unachtsamen Gebrauchs der arkanen Magie zerstört worden war. Damals waren sie aus dem Reiche Kalimdor vertrieben worden und hatten hier im Immersangwald ihre neue Heimat gefunden. Nun aber, würden Gwydyon und die beiden Frauen diesen Ort vielleicht für immer verlassen. Er selbst, wäre nie auf so eine Idee gekommen. Er war eigentlich glücklich hier wenngleich… Er schaute sich um. Wenngleich, sicher vieles nicht mehr so war, wie es vielleicht hätte sein sollen. Tatsächlich gab es in Silbermond nur männliche Wachen. Wie Gockel stolzierten sie jeweils in ihren rotgoldenen Rüstungen herum und trugen bei sich ihre mächtigen Schwerter und Schilder, welche ihre chauvinistische Ader noch zusätzlich zu betonen schienen. Alle sahen sie gleich aus. Hatten stets blondes Haar und dieselbe Frisur. Ausserdem waren sie ziemlich unfreundlich. Einige weibliche Wachen, hätten sicher nicht schaden können. Die ganze Stadt wirkte tatsächlich wie eine schamlose Zuschaustellung der magischen Macht seines Volkes. Was gab es eigentlich hier, dass noch natürlich, das von keiner Magie verändert worden war? Eigentlich nicht mehr viel. Vielleicht musste man deswegen die Waldbehüter verstehen, welche sich anfingen gegen das Blutelfenvolk zu stellen. Doch was konnte man anderes tun? Es galt die Geissel von hier möglichst fern zu halten, obwohl die schwarze Todesschneise, welche sich durch das ganze Land wie eine Ader verderbten Blutes zog einem immer von neuem vor Augen führte, wie nahe man der Verderbnis war.
Gwydyon hatte ohne es zu merken die Stadt verlassen und ging rüber zu besagter Todesschneise, welche ganz nahe den Stadtmauern ihr Ende fand. Hier hielten ständig elfische Waldläufer und Waldläuferinnen in grünen Rüstungen Wache, um sich der vielen Schergen der Geissel zu erwehren, welche immer mal wieder einen Ansturm auf die Stadt verübten. Viele der Blutelfen, waren langsam ausgelaugt, von den vielen Kämpfen. Ihre Abhängigkeit von der arkanen Magie, machte das alles nicht etwa leichter. Letzere war wie eine Droge, von der sie einfach nicht richtig loskamen. Ohne sie, wurden sie noch mehr geschwächt. Der Lich King schien das zu wissen, denn immer und immer wieder versuchten seine Diener die Elfen zu zermürben. Die Runensteine, welche die Grenzen noch einigermassen geschützt hatten, versagten auch immer mehr ihren Dienst. Von allen Seiten waren sie von Feinden und hunderten von Problemen umgeben. Konnte Gwydyon es überhaupt verantworten sein Volk einfach im Stich zu lassen? Etwas in ihm sträubte sich mit aller Macht dagegen, doch er konnte seine Schwester und Tyrande nicht einfach so allein ziehen lassen. Seit dem Verlust der Eltern, waren sie noch seine einzigen näheren Bezugspersonen. Sie waren Gwydyons Familie. Und er konnte seine Familie nicht im Stich lassen, sie war ihm das Wichtigste, noch wichtiger als sein Volk, das eigentlich in viele Weisen schon recht heruntergekommen war. Die Nachtelfen schienen weniger Problem zu haben, wenn man so die Geschichten über sie las. Der junge Hexenmeister hatte sich auf Rat seiner Schwester hin, etwas näher mit der Nachtelfengeschichte befasst. Dazu dienten ihm die Wissenskristalle beim königlichen Markt…
Sein Gedankengang wurde jäh unterbrochen, als die Waldläufer bei der Todesbresche anfingen zu schreien. „Sie kommen wieder! Haltet die Stellung!“ In diesem Augenblick näherte sich von Norden her eine Gruppe schauriger Gestalten! Es waren Ghule mit langen, scharfen Krallen und Zähnen. Von ihren bereits verwesenden Körpern, ging ein unsäglicher Gestank aus und ihre Haut hing in fauligen Fetzen herab. Wie jedes Mal erschauerte der junge Mann bei ihrem Anblick. Er konnte sich einfach noch immer nicht so richtig an diese untoten Gegner gewöhnen. Gegner aus lebendigem Fleisch und Blut, waren ihm doch noch einiges lieber. Ausserdem waren die Ghule sehr schwer zu töten. Man musste ihnen das Haupt abschlagen, oder sie in so viele kleine Einzelteile zerhacken, dass sie nicht mehr lebensfähig waren. Ein schrecklicher, nekromantischer Geist schien sie am Leben zu erhalten. Irgendeinen Totenbeschwörer musste es in der Nähe von hier geben. Man munkelte, dass er sich am Ende der Todesschneise, in den benachbarten Geisterlanden aufhielt und den untoten Kreaturen seine Befehle erteilte. Doch noch niemand, der diesen Nekromanten zur Strecke bringen wollen, war jemals zurückgekehrt und wenn, dann höchstens in einer schrecklichen Abart seiner selbst, einem unerkenntlichen, untoten Etwas, das diesen Ghulen sehr ähnlich war. Gwydyon erschien es das schrecklichste Schicksal zu sein, als so eine Kreatur zu enden, ohne eigenen Willen, nur noch getrieben von den allerniedrigsten Instinkten. Deshalb zog er sogleich seine Waffe und rief in den wirbelnden Nether hinein: „Vilevere hierher! Ich brauche dich!“ Sogleich bildete sich ein rotvioletter Wirbel und die Sukkubus trat aus ihm heraus.
Sie lachte in freudiger Erwartung des bevorstehenden Kampfes auf und schnalzte mit ihrer Schmerzenspeitsche.
Die Waldläufer nahmen das Schauspiel nur am Rande wahr, denn sie steckten schon mitten im Kampf mit den schrecklichen Ghulen. Diese knurrten und gingen mit erhobenen Krallen auf sie los. Die Waldläufer wichen jedoch geschickt aus und setzen sich mit gezielten, gut gesetzten Schwertschlägen, zur Wehr. Einige hielten sich im Hintergrund und schossen mit ihren Pfeilbogen einen Pfeil nach dem andern ab. Sie zielten meistens direkt auf den Kopf. „Schnappen wir uns den dort drüben!“ forderte Gwydyon Vilevere auf. Die Dämonin lachte erneut auf und sprach mit ihrer verführerisch gefährlichen Stimme: „Auf zum Schlachtfest!“ Dann ging sie zu dem einen Ghul, holte mit ihrer Peitsche aus und trennte mit einem Schlag seinen Kopf vom Rumpf. Den nächsten beiden erging es nicht viel besser. Gwydyon unterstütze die Sukkubus mit seinen Zaubern. Er konzentrierte sich und sandte einen violettblauen Blitz gegen einen der Untoten. Dann hob er seine rechte Hand über den Kopf und liess rote Flammen auf diese herabregnen. Die getroffenen Ghule schrien schmerzerfüllt auf und der Geruch verbrennenden Fleisches stieg Gwydyon in die Nase. Vilevere holte erneut mit ihrer Peitsche aus und gab einem mittlerweile lichterloh brennenden Feind, den Rest. Dessen Kopf flog weit davon und landete in der schwarzen Erde der Todesbresche. Die Waffe der Dämonin war gnadenlos. Sie hinterliess tiefe Wunden, zerfetze die untoten Leiber mühelos. Es dauerte nicht lange und die Ghule waren allesamt niedergemacht. Die Waldläufer nickten Gwydyon dankend zu und dieser sprach zu seiner Sukkubus: „Gut gemacht Vilevere.“ Die Dämonin wandte sich ihm zu, in ihren seltsam leuchtenden Augen, lag ein Ausdruck, der Gwydyon beunruhigte und ihn zugleich auf eigenartige Weise erregte. Einen Augenblick lang, war er vom Anblick der Dämonin gefesselt, als ob… Er schüttelte sich und den Verführungszauber los zu werden, den die Sukkubus eindeutig auf ihn gewirkt hatte. Dann spürte er Wut in sich aufsteigen, Er hob seine Hand gegen die Sukkubus und krümmte seine Finger. Die Dämonin begann auf einmal schwer zu atmen und zu keuchen. Ihr war auf einmal, als würde heisses Feuer durch ihre Venen rinnen. Sie schrie auf und krümmte sich. „Versuch das nie wieder!“ sprach der Blutelf kalt. „Sonst töte ich dich. Du bist meine Sklavin und wirst nie mehr etwas anderes sein!“ Er zog seine Hand weg und wie bei ihrem letzten Kampf, sackte die Sukkubus einen Moment lang in sich zusammen. Dann knurrte sie leise und erhob sich wieder. Hasserfüllt schaute sie den Hexenmeister an, doch sie sagte nichts. „So gehst du also mit deinen Frauen um?“ meinte auf einmal eine Stimme hinter ihnen. Gwydyon zuckte zusammen als er darin jene seiner geliebten Tyrande erkannte.
Diese kam mit einem leichten Grinsen näher, schaute etwas abschätzig auf die Sukkubus, deren Augen nun noch böser funkelten, und blickte dann auf die Ghule hernieder. Mit ihrem Stiefel stiess sie gegen einen der leblosen Körper. „Da habe ich ja gerade das Spannendste verpasst.“ Gwydyon spürte auf einmal das schlechte Gewissen in sich aufsteigen, weil er sich von der Sukkubus so hatte aus der Fassung bringen lassen. Jetzt da Tyrande wieder in seiner Nähe war, konnte er das nicht mehr begreifen. Er versuchte sich seine Unsicherheit jedoch nicht anmerken zu lassen und meinte deshalb leichthin: „ Ja, ich war gerade hier, als die Geisselschergen angriffen. Ich dachte, ich gehe den andern etwas zur Hand. Vilevere war mir eine gute Hilfe,“ er deutete auf die Sukkubus „aber sie ist nun ja… sagen wir mal, sie ist noch etwas rebellisch und ich musste ihr gerade zeigen, wer ihr Herr und Meister ist.“ Er blickte nun ebenfalls betont abschätzig auf die Dämonin und diese schien vor Wut nun förmlich zu kochen. Dennoch wagte sie nicht zu mucksen. „Du kannst wieder gehen“, sprach Gwydyon gebieterisch. „Ich brauche dich gerade nicht mehr.“ „Wie ihr wünscht…Meister,“ sprach die Dämonin und ihre Stimme zitterte vor Wut. Dann verschwand sie wieder. Gwydyon atmete tief durch und wandte sich nun wieder Tyrande zu. Diese sprach mit ernster Miene: „Diese… Vilevere scheint ziemlich gefährlich zu sein. Meinst du wirklich, du kannst sie unter Kontrolle behalten?“ „Das ist schliesslich mein Job,“ sprach Gwydyon betont sorglos, um die leisen Zweifel zu vertreiben, welche in ihm nichtsdestotrotz aufgekeimt waren. „Auch wenn ich sagen muss, dass der Leerwandler doch etwas weniger schwierig zu handhaben ist. Ich glaube das nächste Mal, werde ich wieder ihn rufen.“ „Starke Frauen sind dir wohl etwas unheimlich, habe ich recht?“ scherzte Tyrande. „Es kommt drauf an, um was für Frauen es sich handelt. Du z.B. bist mir in keinster Weise unheimlich.“ „Ich bin ja auch deine Freundin, schon seit Kindertagen und wir vertrauen einander grenzenlos.“ „Nun ja das stimmt allerdings“, gab Gwydyon zur Antwort und wusste nicht so recht, ob er diese Aussage von Tyrande nun positiv oder negativ werten sollte. Er wollte viel mehr als nur mit ihr befreundet sein. Aber warum wagte er es bloss nicht, ihr seine Gefühle zu gestehen. Fürchtete er sich vor ihrer Antwort, oder davor, dass die romantischen Gefühle welche er für sie empfand durch eine feste Beziehung irgendwann zunichte gemacht wurden? Immerhin waren es diese Gefühle, die ihm halfen der weiblichen Dämonin doch stets zu widerstehen. Auch wenn er…einen kurzen Augenblick lang schwach geworden war, nur einen kurzen Moment lang. Warum nur, war ihm das passiert? Vielleicht lag es daran, dass die lebenden Völker den Hang dazu hatten, eine gewisse Beziehung zu ihren stetigen Begleitern aufzubauen. Er und Vilevere hatten gut und als Einheit gekämpft und er hatte sich zu sehr von Emotionen hinreissen lassen. Er blickte auf Gleska, welche stets treu an Tyrandes Seite war. Die Katze liebte ihre Meisterin von Herzen, eine engere Beziehung von Führer und Begleiter, war hier möglich. Doch zu den Dämonen durfte man keinerlei Bindung aufbauen, denn sie würden jeden Augenblick nutzen, um Verderben zu säen, wenn man ihnen nur die Möglichkeit gab. Als ob Tyrande seine Gedanken gelesen hätte, meinte sie: „Manchmal mache ich mir ernsthafte Sorgen um dich Gwidi. Diese Dämonen, diese…Magie, sind einfach sehr unberechenbar.“ „Du machst dir solche Sorgen um mich?“ fragte der junge Mann. „Ja klar, du bist mir schliesslich wichtig. Ich will nicht, dass dir etwa passiert. Es wäre schade… um dein gutes Herz.“ „Mir passiert schon nichts. Sag mir aber, was machst du hier?“ „Ich sollte Tanir ablösen. Er hält schon seit Mitternacht hier die Stellung. Er muss ausgewechselt werden.“ „Sieht ganz so aus, als kämest du auch noch dazu einige Ghule zu erledigen.“ „Ja, auch wenn sie die letzten Wochen immer seltener kommen. Es sieht fast so aus, als wäre die Macht des Lich- Kings hier ein wenig geschwächt. Wir können es nur hoffen, denn langsam bin ich das Kämpfen satt.“ Gwydyon senkte seine Stimme etwas, damit die andern Waldläufer ihn nicht hörten: „Du kannst ja das alles bald hinter dir lassen. Hast du eigentlich etwas von Varunna dem Tauren gehört, den du kennst?“ „Ja, ich habe ihm geschrieben. Er meinte, er habe es geschafft eine Reiseerlaubnis für uns zu beschaffen. Mit diesem Papier, wird uns Immunität gewährt. Wir können also bald nach Kalimdor reisen.“ „Das sind ja gute Nachrichten. Wann geht es los?“ „In zwei Wochen.“ „Das trifft sich gut. Vielleicht kann ich dann gleich noch bei Taliona lernen den Teufelsjäger zu beschwören. Er ist noch stärker als die Sukkubus und besonders gegen zauberkundige Gegner eine gute Hilfe.“ „Ja ich weiss, er saugt ihnen die magische Energie ab, bis sie sterben. Kein angenehmer Zeitgenosse und sicher schwer zu bezwingen.“ „Ich denke schwieriger als die Sukkubus wird er nicht sein. Ich weiss auch genau auf was ich achten muss. Nur keine Sorge Tyri, das wird schon.“ Die junge Frau seufzte und wandte sich ab. „Ich kann es dir sowieso nicht ausreden. Ich muss jetzt aber Tanir ablösen. Sehen wir uns am Abend noch?“ „Klar. Soll ich zum Platz der Weltenwanderer kommen? Ich wollte sowieso auch Balduraya noch abholen.“ „Okay, also bis dann und tschüss!“ „Tschüss“, gab Gwydyon etwas wehmütig zur Antwort dann wandte er sich ab und ging zurück in die Stadt.