5. Kapitel
Reise nach Unterstadt
Die Tage vergingen und die Abreise von Gwydyon, Tyrande und Balduraya rückte immer näher. Allen fiel es nicht leicht, ihr Volk im Stich zu lassen, doch zumindest die Frauen, waren von ihrem Vorhaben überzeugt. Der junge Mann etwas weniger, besonders jetzt, da er hier in Silbermond so hoch angesehen war. Dass er den Teufelsjäger so früh und sozusagen alleine bezwungen hatte, sprach sich schnell herum und als er Taliona von seiner geplanten Reise in Kenntnis setzte, liess sie ihn gar nicht gerne ziehen. Trotzdem verstand sie ihn auch, denn sie wusste ja, wie eng verbunden er mit seiner Schwester und auch Tyrande war, seit sie alle ihre Eltern verloren hatten. „Ich weiss, dass du dir diese Entscheidung nicht leicht gemacht hast,“ sprach sie „und wir könnten dich hier in Silbermond wirklich sehr gut gebrauchen. Doch wir müssen deine Entscheidung respektieren. Ihr reist also zuerst nach Ogrimmar?“ „Ja und von da dann weiter nach Darnassus.“ „Das ist kein ungefährliches Unterfangen.“ „Ja, aber wie gesagt Varunna hat uns Immunitätsausweise besorgt. Er wird auch mit uns reisen, weil er zum Zirkel des Cenarius gehört.“ „Dass er euch begleitet ist sicher gut, denn es gibt bei der Allianz immer wieder Leute, welche schiessen, bevor sie fragen. Ich mache mir ehrlich gesagt, schon etwas Sorgen um dich. Du warst stets einer meiner liebsten und besten Schüler. Ich werde dir noch ein Empfehlungsschreiben mitgeben, damit dich auch andere Hexenmeistergemeinschaften, gerne aufnehmen. Man weiss nie, was das Leben so mit sich bringt. Bewahre dir das was du gelernt hast und achte gut auf dich, wenn du die Dämonen in deinen Dienst stellst! Du hast nun die Gewalt über beinahe alle von ihnen, nutze diese klug und denke stets daran, dass die meisten dieser Kreaturen nur mit grösstem Unwillen unter der Herrschaft der Lebenden stehen. Besonders des Sukkubus ist sehr klug, darum ist sie auch jene, welche sich immer und immer wieder gegen dich auflehnen wird. Sie zu unterwerfen hat lange gedauert, das weisst du. Viel länger noch, als beim Teufelsjäger. Übrigens gehorcht letzterer dir gut?“ „Bisher ist es kein Problem mit Pyrigrom, doch wie ihr sagtet, die Sukkubus ist die Schwierigste. Sie hat schon oft versucht Verführung bei mir anzuwenden.“ Taliona schmunzelte leicht und meinte: „Nun, es ist ihr nicht zu verdenken, unser Volk brachte auch einige der schönsten Hexenmeister hervor. Aber Spass beiseite! Massgebend ist, dass du ihr stets widerstehen konntest. Bewahre dir jenes Licht, dass dir dabei geholfen hat, stets in deinem Herzen, dann wird sie dich auch niemals besiegen können.“ Gwydyon dachte an Tyrande und nickte. „Ich werde es mir merken Meisterin. Nun aber muss ich mich verabschieden, ich muss noch einige Dinge zusammenpacken und dann müssen wir nach Unterstadt mit dem Teleporter. Von dort aus geht es weiter mit dem Zeppelin nach Ogrimmar. Ich werde euch schreiben, wenn wir angekommen sind, wie ihr es gewünscht habt.“ Taliona nickte und in ihrer sonst eher unberührten Miene, zeichnete sich auf einmal eine Emotion ab. Sie umarmte Gwydyon spontan. Al diel shala (Gute Reise) mein Sohn!“ sprach sie, dann wandte sie sich abrupt ab und ging zu dem anderen Hexenmeister zurück. Der junge Schüler, blieb einen Moment tief berührt stehen. Dann hob er nochmals die Hand. „Shorel’Aran!“ (Lebe wohl!) sprach er und die Anwesenden nickten ihm ein letztes Mal zu. Dann wandte sich Gwydyon ab, vor ihm eine noch ungewisse Zukunft…
Die drei Reisenden trafen sich im Sonnenhof, wo sich der grosse Brunnen mit den Tänzerinnen aus Stein befand. Tyrande war die erste. Sie sah wieder aus wie der frische Morgen. Ihr langes, schwarzes Haar glänzte und sie trug eine rotbraune Lederrüstung, welche ihre schöne Figur, besonders zu Geltung brachte. Sie sass auf dem marmornen Rand des Brunnens, hinter ihr der kleine Wasserfall, welcher das obere Becken mit den Statuen und das untere verband. Neben ihr befand sich Gleska, Träumerisch streichelte die Beastmasterin den grossen Kopf der Katze. Sie schien sehr glücklich zu sein, denn sie strahlte, als sie Gwydyon sah. „Endlich ist es soweit, wir gehen auf die Reise. Du kannst dir nicht vorstellen wie sehr ich diesen Tag herbeigesehnt habe!“ Der Hexenmeister lächelte, er freute sich, wenn Tyrande glücklich war, er selbst allerdings, konnte zur Zeit nicht dieselbe Begeisterung empfinden. Der Abschied von hier, von all jenen die ihn auf seinem Wege begleitet hatten, schmerzte ihn im Augenblick ganz besonders. Er dachte an Taliona, welche ihn so spontan umarmt hatte und er wusste, dass er schwierig sein würde, irgendwo anders auf der Welt eine Heimat wie diese zu finden. Nun, was tat man nicht alles, um bei seiner Familie zu sein. Balduraya gesellte sich nun auch zu ihnen. Sie trug diesmal eine blaue Drachenschuppenrüstung, worin sie sehr hübsch aussah. Bei sich trug sie nur einen Beutel, ebenso wie Tyrande. Auch Gwydyon hatte nur das Nötigste dabei, den Rest konnte man ja noch kaufen.
Der Weg über Tirisfal und dann mit dem Zeppelin, war die schnellste und sicherste Variante, um nach Kalimdor zu kommen. Wenn sie dann erstmal in der Hauptstadt der Horde- in Ogrimmar waren, wo sie auch Varunna treffen würden, konnten sie von da weiter ins Brachland und von dort, durch das Eschental und dann weiter nach Darnassus.
Während die drei Reisenden über den purpurroten Teppich, welcher rechts und links mit einem Spalier aus den üblichen, goldrot gekleideten Wachen, flankiert wurde, hinein in den Sonnenzornturm traten, erklärte Tyrande den genauen Verlauf der Reise: „Wenn wir in Ogrimmar ankommen und mit Varunna zusammentreffen, reisen wir bis zum Schutzwall von Mor’Shan. Ab da wird es etwas gefährlicher, denn das Eschental, welches hinter diesem Wall liegt, ist stark umkämpftes Gebiet. Allerdings war der taurische Erzdruide Hamuul Runentotem so freundlich, uns bei den Nachtelfen und ihrem Erzdruiden Fandral Hirschhaupt anzumelden. Nahe des Hain‘s der Silberschwingen, werden wir zwei Nachtelfen treffen, welche uns den Rest des Weges eskortieren werden, um unnötigen Ärger zum vornherein zu vermeiden. Ihre Namen sind Cerunnos und Ismala Nachtschwinge. Er ist ein Beastmaster, wie ich und sie ist eine Druidin.“ „Das verspricht eine interessante Reise zu werden“, meinte Gwydyon. „Mal sehen ob alles so gut klappt wie wir es uns erhoffen.“ „Das wird es bestimmt“, meinte Balduraya überzeugt. „Ich glaube, es ist unsere Bestimmung dorthin zu gehen. Das Grosse Licht wird uns führen.“
Die drei schwiegen nun, denn sie hatten bereits die rosaleuchtende Teleportationskugel erreicht, welche sie nach Tirisfal bringen würde.
Einen Moment lang zögerten sie und Gleska betrachtete das seltsame, runde Ding ebenfalls mit ziemlichem Misstrauen. Die Kugel befand sich auf einem goldenen, mit weiblichen Elfenfiguren, verzierten Ständer. „Kommen wir da wirklich in einem Stück an?“ meinte Balduraya zweifelnd. „Aber natürlich! Die Translokationskugel ist doch eigentlich eine ganz alte, bereits mehrfach erprobte Erfindung, der Blutelfen, “ meinte der Hexenmeister amüsiert. „Es gibt sie ja auch in grösseren Gebäuden, damit man sich unnötiges Treppensteigen sparen kann.“ „Stimmt“, bestätigte Tyrande. „Ich habe das auch schon gesehen. Aber so weit bin ich noch nie mit so einer Kugel gereist.“ „Die Entfernung spielt keine Rolle dabei“, erwiderte Gwydyon, „das hat mir mal einer der Magier erklärt. Ist aber eine etwas komplizierte Sache.“ „Na gut, wenn du dich ja damit auskennst“, meinte Balduraya leicht ironisch „dann kannst du ja als Erster gehen.“ „Kein Problem“, gab der junge Mann selbstbewusst zurück. „Dann sehen wir uns also auf der anderen Seite!“
Er betrat die rotgolden verzierte Plattform, worauf sich die Kugel befand. Einen Moment zögerte er nun doch. „Na Brüderchen,“ spottete Balduraya „hat dich der Mut doch noch verlassen?“ „Aber keineswegs, ich bin nur sehr fasziniert, von dieser magischen Technik.“ „Jaja natürlich!“ Gwydyon war leicht verärgert und so trat er, so entschlossen wie möglich, näher an die Kugel heran und berührte sie mit der rechten Hand. In diesem Moment wurde er von einem unglaublichen Sog vorwärts gezogen. Rosarote und dunkelblaue Wolkenfetzen wirbelten um ihn herum. Es erinnerte ihn irgendwie etwas an die Netherwelt und dann fand er sich wieder, an einem düsteren, ungemütlichen Ort, welcher umgeben war von uralten, grauen Mauern! Er sah sich um. Er befand sich in einer Art Innenhof. Die Gemäuer waren uralt und wirkten ziemlich heruntergekommen.
Das blosse Gegenteil von Silbermond, welches voller Licht und Leben war. Gwydyons Blick, fiel auf ein Wappen, dass man vor ihm in den Boden eingefügt hatte. Es zeigte ein geschwungenes L, dass von einem Schwert durchkreuzt wurde. Das Zeichen von Lordaeron, dem einst mächtigen Königreich, von Menschen und Elfen bewohnt. In diesem Gemäuer hatte einst der Prinz Arthas gelebt, welcher nun aber zum Lich King geworden war. Nachdem die Geissel praktisch alles Leben hier vernichtet hatte, lebten nun die Verlassenen hier- Untote, welche ihren eigenen Willen bewahren konnten. Sie wurden angeführt von der mächtigen Bangee Sylvanas Windläufer, welcher einst eine Hochelfin gewesen war, die vehement gegen die Geissel gekämpft hatte. Es war ein trauriger Ort, das spürte Gwydyon sofort. Ein Ort, der furchtbare Schrecken gesehen hatte. Wenn er sich umsah, glaubte er die Schreie all jener Gefallenen zu hören, deren Geister teilweise noch ruhelos an diesem Ort herumstreiften. Ein Geruch nach Verwesung und Tod lag in der Luft. Es war ihm ein ziemlicher Gräuel diese Stadt mit all den Untoten zu betreten, welche nur noch Schatten ihres einstigen Selbst waren. Doch nun musste er erst Tyrande und Balduraya holen. Er berührte erneut die Kugel und sogleich stand er wieder auf der Plattform im Sonnenzornturm. Warmes Licht und wunderbare Düfte empfinden ihn und es fiel ihm jetzt noch schwerer, diesen Ort zu verlassen, wenn er daran dachte… was ihn auf der anderen Seite erwartete. Die Frauen empfingen ihn aufgeregt. „Wie war es?“ fragten sie ihn neugierig. Gwydyon erschauderte leicht, als er wieder an den unheimlichen Ort zurückdachte, der ihn empfangen hatte. „Die Reise war kein Problem, aber was ihr am anderen Ende seht, wird euch vermutlich ziemlich erschrecken.“ „Ist es so schlimm?“ „Wie eine Stadt, die von lauter Untoten bewohnt wird, eben sein kann. Es riecht nicht sehr gut und es ist auch gar nicht schön, doch schaut selbst!“
Die Frauen zögerten einen Moment, dann aber berührten sie wie Gwydyon die Kugel und… fanden sich wieder in dem düsteren Innenhof. „Wirklich kein sehr gemütlicher Ort,“ meinte Tyrande. „Zum Glück müssen wir aber nicht lange hierbleiben. Der Zeppelin fährt jede runde Stunde nach Ogrimmar.“ „Dann machen wir, dass wir hier schnellstmöglich wieder wegkommen!“ „Wollt ihr die Unterstadt nicht noch besichtigen? Wir haben noch etwas Zeit.“ meinte Balduraya. „Ist das wirklich dein Ernst Schwesterchen?“ fragte Gwydyon ungläubig. „Ja, immerhin waren wir noch nie hier und es interessiert mich schon, wie die Verlassenen so leben.“ Der Hexenmeister rümpfte leicht dich Nase, doch dann nickte er ergeben. Sie gingen aus dem kleinen Innenhof heraus und betraten nun einen Grösseren, vermutlich einst ein wunderschöner Park gewesen war.
Den Säulen entlang, sah man noch die Überreste einiger Kletterpflanzen und in der Mitte stand ein zertrümmertes Männerstandbild, von welchem die Blutelfen nicht wussten, wen es darstellen sollte. Gwydyons Aufmerksamkeit, wurde von einem hellgrünen Leuchten, auf der Südseite des Platzes, in Anspruch genommen, dass von den sonst schwarzgrauen Wänden zurückgeworfen wurde. Als sie etwas nähertraten, kamen sie an eine Brücke, welche über einen Graben führte. Dieser Graben war jedoch nicht mit normalem Wasser gefüllt, sondern mit einer anderen schleimigen, giftig aussehenden Flüssigkeit, die gespenstisch durch die Finsternis leuchtet. „Ach du meine Güte!“ entfuhr es Tyrande „wo sind wir da nur gelandet?“ „Tja, ihr wolltet ja unbedingt diese Reise unternehmen,“ rechtfertigte sich der Hexenmeister. „Das ist mir schon klar, doch das alles hier, erschreckt mich schon etwas.“ Sie sah sich schaudernd um. „Spürt ihr auch die traurige, düstere Atmosphäre hier?“ „Die Angesprochenen nickten. Sie alle spürten auf einmal wie diese Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit auch von ihren Seelen Besitz ergriff und fühlten sich plötzlich selbst erfüllt, von tiefem Schwermut und Trauer. „Kannst du uns nicht mit einem Licht- Zauber helfen Balduraya,“ fragte Gwydyon. „Die Paladine verstehen sich doch darauf.“ „Ja das kann ich natürlich.“ Seine Schwester hob ihre Hand segnend über sie drei und ein wunderbares Licht und eine wärmende Geborgenheit, umfing ihre Herzen plötzlich wieder. „Das ist schon viel besser, danke Schwesterherz.“ „Immer gern, dann also weiter!“
Sie überquerten die Brücke und befanden sich nun an einem weiteren Eingang. Dieser führte ihn das Innere des einstigen Palastes. Sie kamen an einer zerbrochenen Glocke und einem Grabmal des einstigen Königs Terenas Menethil vorbei, bis zu einem mächtigen Aufzug. Hier stiessen sie endlich wieder auf Leben. Zwei Wachen in roten, mit dem Wappen der Horde verzierten Rüstungen, standen hier. Seit Garrosh Höllschrei der neue Kriegshäuptling der Horde war, waren die aus Leichenteilen zusammengesetzten Monstren, die sonst die Eingänge bewachten, verschwunden. Garrosh wollte dadurch etwas mehr Kontrolle über die Verlassenen ausüben. Die Gesichter der Orcs, blickten finster, ihre weissen, grossen Hauer schimmerten bedrohlich. „Seid gegrüsst,“ sprach Gwydyon höflich. „Gelangt man über diesen Aufzug, hinunter in die Hauptstadt?“ Die Wachen brummten nicht sehr höflich und nickten zustimmend. Die Orcs mochten die Blutelfen nicht sonderlich, sie waren ihnen zu eingebildet und die Blutelfen hielten die meisten Orcs für Barbaren, ohne Umgangsformen. Diese Klischees wurden hier mal wieder bedient. Gwydyon dachte bei sich: „Was für ungehobelte Kerle!“ Dann bestieg er mit den beiden Frauen an seiner Seite, die Liftplattform und sie fuhren tief hinab in den unappetitlichen Bauch, der von Untoten beherrschten, Stadt. Je weiter sie hinabfuhren, umso stärker wurde der Gestank. „Wie kann man es hier nur länger aushalten?“ meinte Balduraya „die armen, orcischen Wächter tun mir leid.“ „Die sind sich Gestank sicher gewöhnt,“ meinte Gwydyon angewidert. „Sei nicht so eingebildet!“ tadelte ihn Tyrande, halb im Ernst, halb im Spass. „Man kann die Orcs doch nicht mit den Untoten vergleichen. Letzter stinken ausserdem auch nur, weil sie, nun ja…, weil sie schliesslich nicht mehr leben.“ Dieser Satz klang irgendwie grotesk, so grotesk wie das Szenario, dass sich den dreien nun darbot. Sie betraten jetzt das Zentrum der Stadt, welche kreisförmig angeordnet war. Die drei, befanden sich auf einer Art Terrasse, von der aus drei Brücken zu einer runden Plattform führten. Dort befand sich die Bank von Unterstadt, die mit allen Banken der Horde verbunden war. Die Blutelfen sahen sich um. Überall gingen Untote umher. Sie bewegten sich zwar wie Lebende, aber ihre Körper waren zum Teil sehr entstellt. Sie musterten die Reisenden kühl und emotionslos. Kaum eine lebende Seele war zu sehen. Sie standen einen Augenblick lang etwas ratlos herum, wohin sollten sie sich wenden? Diese Unterstadt war sicher ein gefährliches Labyrinth für Leute, die sich hier nicht auskannten. Sie traten an den Rand der Terrasse und schauten hinunter. Dort befanden sich erneut Gräben mit diesem seltsamen, grünen Schleim. Einige Brücken führten darüber in die andern Viertel der Stadt. „Sollen wir uns jetzt mal umsehen?“ fragte Balduraya. „Also ich weiss nicht, “ gab ihr Bruder zu bedenken. „Wir kennen uns hier überhaupt nicht aus und haben auch keine Karte. Ausserdem, was gibt es in einer Stadt von lauter Untoten schon zu sehen?“
„Unsere Stadt ist wirklich nicht sonderlich interessant für die Lebenden…“ erklang hinter ihnen eine leicht schleppende Stimme. Sie drehten sich um, vor ihnen stand ein recht gut erhaltener Untoter, mit schulterlangen, schwarzen Haaren und einem vollen Mund.
Er wirkte etwas wie ein Elf. Er trug eine Rüstung, die wie frisches Blut schimmerte und auf dem Arm ein Bündel. Die drei Reisenden begrüssten ihn und versuchten den Geruch nach Tod, der sie hier überall umgab, zu ignorieren. Balduraya ergriff als Erste das Wort. „Keine lobenden Worte für eure Stadt?“ „Es ist nur eine Stadt“, sprach der Untoten emotionslos. „Es ist aber eure Stadt.“ „Was spielt das schon für eine Rolle.“ Die Blutelfen waren etwas perplex und wussten nicht recht was erwidern. So fuhr der Untote fort: „Ihr seid Elfen, ich war auch mal ein Elf, mein Name war Talias, aber heute heisse ich Aeternias.“ „Tatsächlich?“ Gwydyons Interesse, wurde nun doch etwas geweckt. „Wo hast du gelebt?“ „Nicht sehr weit von hier. Meine damalige Frau Eseria und ich haben gegen die Geissel gekämpft und sind dabei gefallen. Eseria wurde zu Asche verbrannt und der Kampf geht noch immer weiter. Noch immer haben wir die Seuche nicht ausgerottet. Wenigstens sieht es jetzt aber zumindest so aus, dass nicht mehr viele von diesen schrecklichen Kreaturen nachkommen. Die Macht des Lich Kings scheint geschwächt. Man hört, Horde wie Allianz, hätten sich in Nordend zusammengetan, um ihn in seinem Palast Eiskrone, endgültig zu erledigen. Doch er hat immer noch viele Totenbeschwörer, welche unter seiner Macht stehen. Erst wenn er wirklich vollkommen tot ist, werden auch sie sich zurückziehen.“ „Allianz und Horde kämpfen zusammen, an einem Ort namens Nordend? Was ist das?“ „Ihr wisst nicht sehr viel. Nordend ist ein anderer Kontinent, welcher vor noch nicht so langer Zeit, entdeckt worden ist. Der Lich King hat dort sein Hauptquartier eingerichtet. Es wird Zeit, dass wir diesen Mistkerl endlich loswerden. Besonders jetzt, da diese seltsamen Träume begonnen haben.“ „Träume?“ Der Untote seufzte etwas ungeduldig. „Natürlich habt ihr davon auch noch nichts gehört.“ „Nein, tatsächlich nicht“, gab Tyrande zur Antwort. „Unsere Fürstin ist auf einmal in einen seltsamen Schlaf gefallen. Sie muss Schreckliches durchleiden. Auch einige andere sind schon eingeschlafen. Furchtbare Alpträume, scheinen sie allesamt zu plagen. Das Ganze ist sehr unheimlich, da sonst die Untoten eigentlich gar nicht träumen können.“ „Ihr träumt niemals?“ fragte Balduraya. „Nein, aber wer braucht schon Träume? Wir hatten unsere Träume als wir noch lebten, unser jetziges Dasein, braucht keine solchen mehr.“ „Aber das ist sehr traurig“, sprach Balduraya erschüttert. „Trauer kennen wir auch nicht. So, nun sollte ich aber mal weiter! Ich habe hier einige Dinge für die dunkle Fürstin. Ich gehöre zu ihrer Leibwache. Ich kann euch nur einen guten Rat geben: Verlasst diesen Ort solange es noch geht, sonst werdet ihr selbst noch zu Träumern. Ausserdem können jene die bereits träumen auch gefährlich werden. Die schrecklichen Dinge die sie in ihrem Schlaf sehen und erleben, machen sie zuweilen aggressiv und unberechenbar.“ „Können wir denn nicht irgendwie helfen?“ fragte Gwydyons Schwester. „Nein, das könnt ihr nicht“, gab der Untoten unwirsch zu Antwort. „Aber… ich bin Paladin, vielleicht kann ich das Leiden der Träumer etwas lindern.“ „Du bist ein Paladin?“ Die Aufmerksamkeit des Untoten schien auf einmal von Neuem geweckt. „Ja. Ich kenne einige Zauber, welche beruhigend und besänftigend wirken.“ „Die Paladine interessieren mich und wenn die Umstände etwas günstiger wären, würde ich mich gerne ein wenig mit euch unterhalten.“ „Ich kann ja mitkommen und versuchen zu helfen.“ Gwydyon gefiel dieser Gedanke nicht sonderlich und er sprach. „Das geht jetzt nicht Schwesterlein. Wir sind doch mit Varunna verabredet. Wir müssen auf den Zeppelin, sonst kommen wir niemals nach Darnassus.“ Wieder horchte der Untote auf. „Ihr wollt nach Darnassus?“ „Ja,“ gab Tyrande diesmal zur Antwort „und wir müssen jetzt wirklich los! Gwydyon hat recht. Wir sind Morgen mit Varunna in Ogrimmar verabredet und müssen auch noch eine Bleibe für die Nacht suchen.“ „Ja Ogrimmar ist für Lebende sicher bequemer“, gab der Verlassene zurück. „Wir haben hier sowieso keine Betten.“ „Keine Betten!“ entsetzte sich Gwydyon. „Nein, aber ein Sarg kann auch recht kuschelig sein“, Der Verlassene grinste. Gwydyon und auch die beiden Frauen erschauderten und Tyrande sprach: „Ich glaube… wir suchen lieber etwas anderes.“ Wieder grinste der Untote, dann meinte er sarkastisch. „Blutelfen, solch verwöhnte, zarte Wesen. Ihr seid euch halt eure Paläste und blauen Himmelbetten gewöhnt. Solcherlei Dinge, brauchen wir hier nicht mehr. Vielleicht landet ihr irgendwann auch an diesem Ort und dann werdet ihr merken, dass man keinen solchen Tand zum Leben braucht. Dann also gute Reise!“ „Danke,“ sprach Gwydyon angewidert und ziemlich verärgert. Diese Verlassenen, waren noch ungehobelter, als die Orcs. Aber was konnte man schon von Untoten erwarten, die keine Seele mehr besassen? Abrupt wandte er sich zum Gehen und Tyrande folgte ihm sofort. Nur Balduraya zögerte noch etwas länger und schaute Aeternias nachdenklich hinterher. Dann aber folgte sie den beiden anderen.