'Hey, wach auf!'
"Hau ab!", murmelte Baldor. "Ich hab doch allen gesagt, dass ich heute ausschlafen will. Weck mich, wenn die Sonne untergegangen ist."
'Die Sonne ist untergegangen.'
Baldor drehte sich und spürte, wie er einen feuchten Sack umklammerte. Ah, klasse, sie hatten endlich die neuen Schwammkissen geliefert.
'Das ist kein Kissen, das sind die sterblichen Überreste von Captain Koi, möge die große Qualle ihm gnädig sein.'
Jetzt war Baldor hellwach. Er stieß das vermeintliche Kissen von sich, sprang auf und japste nach Luft. Er rieb sich wild die Arme und hoffte, dass der Sprecher gleich zu lachen begann und sich herausstellte, dass es nur sein Vater war, der ihn per Schocktherapie aus den Muscheln jagen wollte.
'Das ist interessant, höre ich mich in deinem Kopf wie dein Vater an?'
Baldor brauchte eine Weile, um seinen Atem zu beruhigen, und sah sich dann im fahlen Licht eines fremden Trabanten um. "Wo ... sind wir?", stammelte er, als die Schemen Formen annahmen. Er stand inmitten des demolierten Cockpits. Auf dem Boden lag, so lebendig wie ein Sack Seereis, Captain Koi. Er erinnerte sich schwach an die Feuerqualle, die er auf ihn losgelassen hatte. "Oh ..."
'Nein, das hat ihn nicht getötet. Er ist während des Absturzes gestorben.'
"Absturz?" Was bedeutete das alles? Baldor rieb sich die Schläfe und sog scharf die Luft ein. "Mann, weißt du, dass ich Kopfschmerzen bekomme, wenn du die ganze Zeit in meinem Kopf laberst?"
'Die Kopfschmerzen sind nicht meine Schuld. Ich bin so sanft, wie ich nur kann. Wenn ich dir Schmerzen zufügen wollte, würde sich das so -'
"Stopp, stopp, stopp! Ich verzichte auf eine Demonstration. Okay, C, kannst du mir sagen, was hier passiert ist? Und noch einmal, wo sind wir?"
'Also gut, keine Demonstration. Das war auch nur ein Scherz. Ha ha. Ich könnte dir kein Haar krümmen. Wir sind in eine Umlaufbahn eingetreten, wahrscheinlich, um hier zu landen. Dann gab es eine Erschütterung. Ich kann nur mutmaßen, dass euer Cockpit bereits beschädigt war und beim Eintritt in die Atmosphäre irgendetwas kaputt gegangen ist. Auf halbem Weg nach unten müssen du und die Pilotin dann ohnmächtig geworden sein, den Rest der Landung, wenn man es so nennen will, hat der Autopilot durchgeführt.'
Baldor musterte den Schaden. Das Cockpit war durchlöchert, an einigen Stellen fehlten ganze Streifen, manche so breit wie sein Kopf. Es erinnerte ihn etwas an seine Kindheit, als er mit Blättern gespielt hatte. Wie er mit dem Finger Löcher hinein stanzte und Fetzen herausriss. Was ihn beunruhigte, war die Tatsache, dass die Löcher von innen nach außen gestanzt waren, wie die Wölbung der Ränder verriet.
'Das muss passiert sein, als die Luft nach draußen gesogen wurde, mach dir darüber keine Sorgen. Wichtiger ist jetzt, wie es weitergeht.'
"Und das fragst du mich?"
'Bin ich der Sohn des Präsidenten oder du?'
C hatte recht, es war sein Schiff, seine Besatzung und es gab keinen Captain mehr, dem er die unangenehme Aufgabe aufdrücken konnte, wichtige Entscheidungen zu treffen. Er musterte das Korallendisplay neben der Tür, stieg vorsichtig über Kois kalten Körper hinweg und tippte drauf. Keine Reaktion. Ja, sie hatten keine Energie oder das Schiff war komplett im Eimer. Er wippte auf seinen Füßen hin und her und sah zurück in den Raum. So wie die Hülle aussah, würden sie mehr als nur neue Energie brauchen, um den Planeten wieder zu verlassen. Die Frage war nur, was genau sie brauchten. Ob es unter diesen Menschen brauchbares Raumhafenreparaturpersonal gab, das mehr Ahnung hatte als er?
"Wo ist eigentlich Pan?" Sie war Pilotin. Wenn es jemanden gab, der mehr Ahnung hatte als er, dann sie.
'Sie ist immer noch bewusstlos. Die beiden Nethuf, die mit uns im Abteil waren, haben sich um sie gekümmert, konnten aber nichts tun.'
"Warum hat sich eigentlich keiner um mich gekümmert?"
'Ich hab mich um dich gekümmert. Ich hab gesehen, dass du nur schläfst, und hab dich schlafen lassen.'
"Oh ... danke. Wo bist du eigentlich?"
'Draußen bei den anderen.'
Baldor sah sich nach einem Weg um, der ihn ebenfalls nach draußen führen würde. Dabei fiel sein Blick wieder auf Koi. Auch wenn er ein Idiot gewesen war, wäre es angebracht, ihm ein anständiges Seebegräbnis zu verpassen. War das hier möglich? Andererseits würden sie den Planeten bald wieder verlassen, wenn es nach ihm ging, dann konnten sie eine Weltraumbestattung durchführen. Die funktionierte überall. Er konnte es auch einfach einer der Personen übertragen, die nicht mit ihm zur Stadt aufbrachen. Ja, die Stadt, die war hoffentlich nicht so sehr weit entfernt.
Einer der Risse in der Hülle war groß genug, dass Baldor hinaussteigen konnte. Die Luft, die ihn außerhalb des Cockpits empfing, war sonderbar drückend. Das Licht, das der Erdtrabanten auf diesen Planeten warf, war schwach und seine Haut wirkte darin aschfahl. Auf Nethuf waren es zwei Monde, die das Meer und den Sand jede Nacht von zwei verschiedenen Seiten erhellten. Das hier war nur ein schwacher Abglanz des Spektakels, das er aus seiner Heimat kannte.
Der weiche Boden gab unter seinen Schritten nach, aber nicht wie der Sand seiner Heimat, in dem seine Füße versanken und der ihn zwischen den Zehen kitzelte. Ach, er hatte erst einige Sekunden auf diesem Planeten verbracht und vermisste Nethufia bereits. Sein Gesicht verlor seine Spannung und in seinen Augen sammelte sich Feuchtigkeit. Er würde sie nie wiedersehen. Zumindest nicht das Original. Baldor schluckte die Traurigkeit herunter. Es gab da noch andere Wege. Er hatte genug Kies auf der Bank, damit er sich einen Privatmond kaufen und Nethufia nachbilden konnte. Ein schwacher Trost, aber besser als nichts.
Draußen standen die Überlebenden. Flackernd rotes Licht und Schatten tanzten im Wechsel über ihre Gesichter. Sie hatten sich um seine Feuerqualle versammelt, die sie als Wärmequelle missbrauchten. Hinter ihnen, in der Ferne, rauschten die Wellen des fremden Meeres. Er erkannte die Töne sofort, ohne, dass er es sehen musste. Beinahe war es, als rufe es ihn. Aber jetzt war nicht die Zeit, wehmütig zu sein. Er musste seinem Ruf als zukünftiger Präsident gerecht zu werden. Jetzt war die Zeit zu handeln!
"Alle mal hergehört! Wer von euch macht sich freiwillig auf den Weg zur Stadt der Menschen?"
Geschlossenes Schweigen antwortete ihn. Sie glotzten ihn ungläubig an. Wenigstens die beiden Nethuf. Die Schell, die um ihren entfernten Verwandten schwebten, unterließen es einfach, ihn mit Gedanken zu bombardieren. Wenigstens etwas.
'So wird das aber nichts.' Zu früh gefreut. 'Du musst als Anführer mit gutem Beispiel vorangehen.' Was? Gab es denn keinen Weg, C irgendwie aus seinem Kopf auszusperren? Dennoch, Baldor gab es nur ungern zu, aber der Schell hatte Recht. Vielleicht wussten sie einfach nicht, dass er der Anführer war.
"Als Sohn des Präsidenten befehle ich ..."
Einer der Nethuf – seine Haut war von einem blau-orange-gestreiften Muster überzogen – lachte auf. Es war kein fröhliches Lachen, wie Baldor fand. "Der Sohn des Präsidenten von was? Glaubst du, wir haben nicht gesehen, was mit unserem Planeten passiert ist? Dein Titel ist nichts mehr wert, Junge."
Baldor war empört. "Wozu brauchen wir einen Planeten? Unser Volk ist noch nicht ausgestorben. Wir leben und bestimmt haben auch andere den Angriff überstanden. Und solange nicht bewiesen ist, dass er mit Nethufia untergegangen ist, bleibt mein Dad der Präsident!"
"Mein Freund hat recht", sagte der andere Nethuf, dessen Haut im Licht der Qualle grünlich schimmerte. "Wo ist das Militär des Präsidenten, das uns schützt, uns unsere Grundrechte garantiert? Wir sind hier in unbekanntem Gebiet und jederzeit könnte eine Vetianische Riesenechse auftauchen und uns auffressen. Was kannst du bitte tun, um uns zu schützen? Wie legitimierst du hier den Titel deines Vaters?"
"Ich habe ein Raumschiff, und damit den einzigen Weg, dieses unbekannte Gebiet wieder zu verlassen!" Baldor verschränkte trotzig die Arme vor seiner Brust.
"Das ist Schrott", stellte der Blau-Orangenfarbene fest. "Und wie es aussieht, kannst du es ohne unsere Hilfe nicht mal reparieren. Sollten nicht eigentlich wir die Befehle geben?"
"Ohne meinen oder Pans Befehl wird es sich nicht von der Stelle rühren. Ich bin also um einiges wichtiger als ihr!" Er wollte bereits triumphieren, stellte dann aber fest, dass er ja immer noch keinen gefunden hatte, der ihn auf dem Weg zu den Menschen begleitete. "Also gut. Ich biete euch Geld. So viel, dass ihr für den Rest eures Lebens nicht mehr arbeiten müsst."
"Vergiss es, Junge", antwortete der Grüne. "Die Schell haben gesagt, dass es ihnen hier gefällt. Es gibt Wasser und es ist sauber. Die gefährlichen Kreaturen befinden sich weiter im Landesinneren. Du kannst ja gerne zu diesen Menschen aufbrechen, aber wir bleiben hier."
"Und was ist mit euch, C? Helft ihr mir, oder glaubt auch ihr nicht mehr an unser Nethufia?"
'Wir sind hier ganz gut aufgehoben. Der Weg, der zu den Menschen führt, ist von Gefahren gesäumt. Und du weißt, dass wir den Frieden lieben.'
Aber auch erst seit ein paar Jahrzehnten, dachte sich Baldor. Heuchlerische Glibbertypen. Er blickte erneut in die Runde, auf der Suche nach irgendwem, der ihm helfen würde. Zwischen den beiden Nethuf lag Pan, provisorisch aufgebettet auf Kisten und Decken aus dem Raumschiff, immer noch bewusstlos. Sie wäre ihm ohne Zögern gefolgt. Aber es half alles nichts und er fasste seinen Entschluss.
"Also gut, dann gehe ich eben alleine. Glaubt nur nicht, dass ich euch mitnehme, sobald das Schiff repariert ist."
Die Nethuf hielten die Hände über die Qualle und ignorierten ihn. Er überlegte, ob er sie, wie zuvor Koi, brutzeln sollte.
"Ich helfe dir!" Die Stimme tat ihm fast in den Ohren weh. Kratzig und hallend, nicht alle Silben gleich stark hörbar. Ein Roboter trat in den Feuerquallenschein. Baldor erkannte ihn. Das war der, der sich an ihrem Cockpit festgeklammert hatte.
"Du willst also dem Sohn deines Präsidenten einen weiteren Dienst erweisen und ihn auf seiner gefahrvollen Reise schützen?", fragte Baldor in feierlichem Tonfall, nur um allen zu zeigen, wie wichtig diese Aufgabe war. Wie wichtig er immer noch war.
"Ich brauche das Geld, von dem du gesprochen hast."
"Oh." Das versetzte der Freude, die sich gerade Bahn brechen wollte, einen kleinen Dämpfer. Baldor seufzte. Dahin war die Feierlichkeit. Aber er nahm, was er bekam.
"Dann herzlich willkommen in der Gruppe derjenigen, die diesen Planeten gesund und reich verlassen werden", sagte er so laut, dass es auch jeder hörte. "Wie lautet dein Name? Haben Kampfroboter einen Namen?"
"Du kannst mich Ngi nennen, Sohn des Präsidenten."
"Auch wenn mir die Erwähnung meines Titels schmeichelt, nenn mich doch bitte einfach Baldor."
"Wie du wünscht, Meister."
Baldor atmete durch. "Okay, ich seh schon, das hat wenig Sinn. Pack einfach deine Sachen, dann sind wir vielleicht zurück, bevor die Sonne aufgeht."