"Du bist ja wirklich Eisenarm." Die Frau im weißen Kittel, die den Trupp angeführte, wedelte mit einem Bildschirm vor Sergej rum, der an einer langen Stange befestigt war, piepste und knisterte. "Das sieht übel aus. Hast du versucht, mit bloßen Händen ein Feuer zu löschen?"
"Habe ich, Doktor. Als ich es tat, hielt ich es für den besten Einfall meines Lebens."
Sie seufzte, fuhr die Stange ein und blickte ihn ernst an. Die blonden Haare, die streng zu einer Kugel hinter ihrem Kopf zusammengebunden waren und ihre Version einer Brille unterstrichen diesen Effekt noch. "Das war sehr leichtsinnig", sagte sie betont. "Du weißt doch, wie die Sicherheitssysteme funktionieren. Jetzt müssen wir zwei Drohnen reparieren."
"Ich bin untröstlich, Dr. Pfaff." Er grinste, was mit Haut auf den Wangen besser ausgesehen hätte.
"Dazu kenne ich dich zu gut. Warum hat Klara sich nicht identifizieren lassen?"
"Das hab ich doch versucht!", protestierte sie und stemmte die Arme in die Seite. "Die Drohnen haben uns sofort angegriffen, nachdem sie Sergej gesehen haben. Wirklich!"
"Okay, okay. Wäre ich eine Drohne, hätte ich ihn vermutlich auch angegriffen", entgegnete die Doktorin, immer noch in strengem Tonfall. Dann warf sie, genau wie der Major zuvor, einen Blick in die Runde. "Ihr scheint Freunde dabei zu haben. Etwa Personen, die bei uns Unterschlupf suchen wollen?" Sie blieb an Baldor hängen.
"Äh nein. Sie sind wegen mir hier. Ich brauche eure Hilfe, aber nicht, weil ich bleiben, sondern gehen möchte."
"Ist das ein Rätsel, fremdartige Kreatur?" Doch noch bevor Baldor eine Antwort darauf finden konnte, winkte sie die Gruppe hinter sich her. "Kommt mit rein, die Stadt hat Ohren."
Sie führte sie zu einer Einbuchtung in der Wand, in die eine Tür eingelassen war, die sich hinter ihnen zischend schloss. Wie in einem Raumschiff gab es noch eine Zweite im Inneren, die mit der Ersten eine Druckschleuse bildete. Nicht dass es nach Ende der Eiszeit noch einen Grund dafür gab. Selbst während ihr war das eigentlich sinnlos.
Es folgten endlose Gänge. Monotonie, wie sie den Menschen zu gefallen schien, wenigstens Calu und dem Sicherheitskorps. Würde ein Mensch je auf Nethufia stranden, würde er an Reizüberflutung sterben, da war er sich sicher. Schade nur, dass nichts mehr von Nethufia übrig war, um das auf die Probe zu stellen.
Ein Drohnenpaar zog vorbei und durchbrachen die Eintönigkeit auf beunruhigende Weise.
"Es sind viele Drohnen unterwegs, funktionieren eure Kameras nicht mehr?", fragte Sergej nach dem vierten Paar, das ihnen begegnete.
"Wir haben nach eurem Desaster bei der Toröffnung noch immer nicht alle Bereiche neu mit unserer Zentrale verbunden."
Toby machte sich auf seinem Medienpanel Notizen. "Was für ein Desaster?"
"Du bist aus der Oberwelt, oder?"
"Ja, Toby Telegraph von Madun Media." Er versuchte, im Laufen eine Verbeugung zu vollführen, und stolperte dabei beinahe über seine eigenen Füße.
"Ein Kumpel von denen", Dr. Pfaff zeigte mit einem Daumen hinter sich, vage in Richtung von Klara und Sergej, "hat sich beim Öffnen des Tors in das Netzwerk der Zitadelle eingehackt. Jetzt ist es nahezu unbenutzbar für uns."
"Ah ja, ich kann mich an Störungen erinnern, als das Netzwerk für die Erkundungsteams umgebaut wurde."
Sergej hustete hinter ihm und Dr. Pfaff seufzte. "Wenn du meinst. Mir ist es egal, was ihr euch dort oben für Märchen erzählt."
"Heuchlerin. Wärst doch selbst gern dort oben geblieben." Sarah rieb sich den Kopf. "Ngi, würdest du mich bitte runter lassen."
Ngi setzte sie ab, sie verlagerte ihr Gewicht von den Zehenspitzen auf beide Füße und schwankte. Sie fluchte und hielt sich wieder am Roboter fest.
"Ah unsere Prinzessin ist aufgewacht. Oder eher die böse Hexe? Es ist schon lange her, dass ich die Oberwelt verlassen habe. Hier wird meine Arbeit geschätzt. Anders als du, musste ich nicht aus der Zitadelle fliehen, weil ich die Büchse der Pandora geöffnet habe."
Die Luft knisterte. Scheinbar wusste hier in der Zitadelle jeder Bescheid – oder Sarah hatte einfach ein Talent dafür, es sich mit den Leuten zu verscherzen. Inzwischen hatte er auch keine Lust mehr, als einziger im Dunkel zu tappen. "Was hat es eigentlich mit diesem Monster auf sich, von dem hier alle andauernd reden und was hat Sarah damit zu tun?"
"Das geht dich nichts an!", fuhr Sarah ihn wirsch an.
"Falls es eine Gefahr für mich ist oder den Rest von uns, denke ich schon, dass es mich etwas angeht. Vorhin hat es hat uns schließlich beinahe den Kopf gekostet."
"Den anderen beiden wäre ich vielleicht eine Erklärung schuldig, aber dich kenne ich jetzt wie lange? Komm wieder, wenn du mir so oft das Leben gerettet hast, wie Sergej."
"Dann erzähl es wenigstens mir", brummte Sergej, "wenn du meinen Namen schon ins Gefecht wirfst!"
"Oh, wenn sie nicht will, kann ich euch erzählen, was ich darüber weiß", bot Dr. Pfaff an. "Aber erst später, wir sind am Ziel."
Dr. Pfaff breitete die Arme aus, ein Schott öffnete sich und der Lärm, der ihnen entgegenschlug, verschluckte Sarahs Beleidigung. Der Anblick, der sich ihm hier bot, erlöste Baldor aus der Eintönigkeit seiner bisherigen Reise. Belebte Gespräche, die hellen Stimmen lachender Kinder und die Rufe arbeitender Menschen vermischten sich mit dem Brummen riesiger Ventilatoren an der Decke und den Klängen unterschiedlicher Musik, die aus den Medienpanels der Leute kam.
Es waren so viele Bilder und Töne, dass er zuerst überfordert war. So wie es einem Menschen gehen würde, wenn er einen Höhlenbasar unter Alt-Tilapia besuchte, auf dem sich alle Völker Nethufias versammelten und Ware aus aller Welt feilboten.
Er wusste gar nicht, wohin er in der riesigen Halle blicken sollte, dass er beinahe mit zwei Jungs zusammenstieß, die einer orange-farbenen Miniaturdrohne hinterherjagten. Einer der beiden blieb kurz stehen und starrte ihn an. Baldor lächelte verlegen und ließ dann einige seiner Tentakelhärchen in die Luft steigen, tanzen und sich zu einem Zopf verdrehen. Die Augen des Kleinen wurden groß, er grinste glücklich und eilte seinem Freund nach, der schon einen kleinen Vorsprung hatte. Auch Baldor grinste. Dank Nethufias Seele stand er selbst den großen Haarkünstlern seiner Heimat bald in nichts mehr nach.
"Ich habe etwas ganz anderes erwartet", brachte er heraus und lief der Gruppe nach. "Bei Wissenschaftlern hatte ich einen Haufen alte Männer erwartet."
"Die gibt es hier auch, keine Sorge", sagte Dr. Pfaff, mit starrem Blick voraus.
"Und was für alte Knacker", flüsterte ihm Klara zu.
"Die Sethlan-Enklave ist über die Jahre gewachsen, während das Tor geschlossen war", fuhr Dr. Pfaff unbeirrt fort. "All die Menschen, die den falschen Weg erkannten, den der Rat eingeschlagen hatte und sich nicht scheuten, die Bequemlichkeiten der Zitadelle zurückzulassen, flüchteten hierher. Natürlich waren die treibenden Köpfe die Akademiker unserer Welt, aber auch sie hatten Familien, die ihnen folgten. Mit den technologischen Grundlagen und vor allem den zurückgelassenen Werkzeugen war es nicht schwer, hier wieder eine Gesellschaft aufzubauen. Kleiner und ohne die Korruption, die um uns herum herrscht."
"Und der Rest der Zitadelle lässt euch in Ruhe?" Baldor lies den Blick über die fröhlichen und friedlichen Menschen schweifen, die ein so anderes Bild ablieferten, als der hoffnungslose Haufen, der am Rande der Stadt lebte.
Dr. Pfaff lachte, als sie in eines der vielen weißen Gebäude innerhalb der riesigen Halle eintrat. "Nach der Flucht der Gefangenen aus dem Nachbarsektor haben wir schnell gehandelt. Die Technologie zusammengesammelt, die sie zurückließen und ihre Waffen. Als der erste Trupp der Siks hier nach dem Rechten sehen wollte, haben wir sie mit einem Drohnenschwarm vertrieben und eine deutliche Botschaft an den Rat geschickt, dass sie uns in Ruhe lassen sollen. Jetzt haben sie mit den Kriminellen und Möchtegernhelden genug zu tun und bis heute ist nie wieder einer von ihnen hier aufgetaucht."
Baldor nickte und duckte sich unter einer Drohne hinweg. Hier drinnen schwirrten mehr von ihnen rum. Wie ein lästiger Schwarm Mücken flogen sie hin und her, blieben über jedem ihrer Köpfe kurz stehen, bis sie zum nächsten flogen. Musste dieser Ort noch stärker überwacht werden?
Eine letzte Tür glitt auf, dann standen sie in einen Raum, der der Einsatzzentrale des Sicherheitskorps glich, nur ohne Menschen. Medienpanels, dreidimensionalen Ansichten der kleinen Enklaven-Stadt und der umliegenden Gänge. Zwischen ihnen führte ein Gang hindurch zu einem großen freien Flecken am anderen Ende des Raums.
Auf einem Stuhl aus Metall und Kabeln thronte dort im Halbschatten ein Mann und blickte gedankenverloren in den Raum. Ganz wie einer der antiken Herrscher Nethufias, der der Bittsteller längst überdrüssig geworden war. Dr. Pfaff führte sie näher zu ihm hin, und als sie ein paar Meter vor ihm angekommen waren, bedeutete sie, dass sie warten sollten. Sie selbst ging näher an ihn heran und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Er hob den Kopf und als das Licht die Schatten aus seinem Gesicht vertrieb, sah Baldor ihm sein Alter an. Er war ein Greis. Graues, kurzgeschnittenes Haar rahmte gemeinsam mit einem ebenso grauen Bart sein faltiges Gesicht ein.
"Ich möchte euch unseren obersten Rat vorstellen", hob sie an, "Th-"
"Der Eiszombie!", rief Klara und sorgte dafür, dass der Mann nun vollkommen wach war. "Der ist jetzt euer Boss?"
"Was ich sagen wollte ...", versuchte Dr. Pfaff es erneut, doch der Mann berührte sie am Handgelenk und schüttelte den Kopf.
"Ah ...", setzte der Mann an, als käme eine lang vergessene Erinnerung zu ihm zurück. "Ihr müsst die restlichen Menschen sein, die die Essenz der Thages in sich tragen. Die, die ihre Artgenossen aus der Gefangenschaft befreit haben. Lasst mich sehen."
Er kniff die Augen zusammen, schürzte die Lippen und musterte Klara und ihre Ratten-Leibgarde. "Du bist also die Tierempathin." Sein Blick schwenkte zu Sergej und bei dessen grauenhaften Anblick verzog er das Gesicht. "Und du musst der Krieger sein. Immer auf der Suche nach dem Tod, wie ich sehe."
"Wir haben Namen, weißt du?", gab Klara schnippisch zurück. "Das ist Sergej und ich bin Klara."
"Ja, ja, ich sehe schon. Ihr werdet euren Rollen gerecht. Mein Name, wenigstens in meiner Rolle als oberster Rat, ist Theoban. Was führt euch zu mir? Fragen über eure Vergangenheit, eure Kräfte oder gar die Zukunft?"
Klara zuckte mit den Schultern. "Nö, wir wussten gar nicht, dass du hier bist oder überhaupt noch lebst. Wir sind wegen unseres Freundes Baldor hier." Sie machte mit dem Kopf eine Andeutung in Baldors Richtung, Theoban sah ihn an und zog die grauen Augenbrauen hoch.
"Oho, ein Nethuf. Und das auf der Erde? Nun, was führt dich zu mir, junger Mann?"
"Meine Heimat wurde von den Vetis geplündert und zerstört. Die sollten Euch ja ein Begriff sein. Ich konnte fliehen und bin auf der Erde gestrandet. Jetzt ist mein Schiff Schrott und Energie zum Start oder für das Raumtor hab ich auch nicht. Ich suche nach Ersatz für beides."
"Wenn deine Heimat zerstört ist und du keinen Ort hast, an den zurückkehren kannst, was ist dort draußen dein Ziel, junger Nethuf?" Sein Blick wurde nachdenklich.
Das war eine gute Frage. War dort draußen noch etwas? Obwohl er es niemals geahnt hätte, wuchsen ihm einige der Menschen ans Herz – oder mehr? Im Augenwinkel ging Klara in die Knie, um eine der Ratten zu kraulen und die Tentakelhärchen auf seinen Armen reckten sich in die Höhe, wie nach einer kühlen Abendbrise. Andererseits wusste er nun, dass er die Seele eines ganzen Planeten in sich trug und damit eine viel größere Verantwortung.
"Ich bin der Sohn des Präsidenten und ich will mein Volk dort draußen wieder versammeln. Eine neue Heimat für sie finden und an die Öffentlichkeit bringen, was die Vetis uns angetan haben. Ich habe Geld auf einem Konto des Galaktischen Bankenzentrums. Viel Geld, das ich zu diesem Zweck einsetzen will – einsetzen muss."
Theoban strich sich mit der Hand durch den Bart, bevor er sprach. "Das ist ein nobles Unterfangen, das ich unter anderen Umständen gerne unterstützen würde, aber ..."
Baldor ließ die Schultern sinken. "... du hast nicht die Mittel dazu, oder?"
"Doch, doch. Das ist es nicht. Es ist unmöglich. Es ist nicht sinnvoll."
"Was?" Er suchte nach einer Regung im Gesicht des Alten. Sein Blick war kalt. Er meinte es ernst. "Wieso nicht? Soll ich meine Leute im Stich lassen? Sie dort draußen und hier auf der Erde herumirren lassen, nur mit dem, was sie in letzter Sekunde noch zusammenraffen konnten? Selbst das Wenige, das ich jetzt trage, gehört nicht mir. Gib dir einen Ruck, Alter."
"Tut mir leid, ich muss bei meiner Antwort bleiben."
Baldor stieg das Blut in den Kopf. Er war sauer. Sie waren jetzt fast bis zur Zitadelle vorgedrungen, diese Menschen besaßen das Wissen und die Mittel, ihm zu helfen, wollten es aber nicht, weil der alte Knacker, der über sie herrschte, es nicht ratsam fand? Er drehte sich zu Sergej. "Was haben wir noch für Alternativen?"
"Moment, junger Mann, ich bin noch nicht fertig." Die Stimme des Alten hatte denselben Befehlston angenommen, den auch sein Vater manchmal bei ihm versuchte.
"Ist mir egal. Wenn du mir nicht helfen willst, was soll ich hier noch?"
"Falls du erfahren willst, was da oben vor sich geht, solltest du hierbleiben."
"Was geht denn vor sich? Haben die Thages mitbekommen, was die Vetis anstellen und sind empört?" Baldor schnaubte verächtlich.
"Oho, unser kleiner Tentakelfreund besitzt Humor." Doch der Alte lachte nicht, sein Gesicht blieb ernst. "Du hast natürlich recht. Die Thages, oder das, was von ihnen übrig ist, wissen, was die Vetis tun. Aber sie sind nicht mehr zahlreich genug, um dagegen vorzugehen. Die Vetis selbst werden zwar stetig weniger, dennoch steigt die Macht jedes Einzelnen von Tag zu Tag. Die anderen Völker sitzen diese Situation seit Jahrzehnten aus. Sie hoffen, dass sich die Vetis selbst verzehrt haben, bis sie auch ihr Territorium erreichen."
"Ernsthaft?" Was für eine Frage, jeder dachte nur an sich. Schellpisse! "Ist das denn überhaupt realistisch?"
"Es ist nicht unmöglich. Das ist aber nicht der Grund, warum, es im Moment eine schlechte Idee ist, die Erde zu verlassen."
"Dann verrat mir doch endlich den Grund!" Baldor warf die Hände in die Luft. "Sonst trockne ich hier noch fest."
"Entspann dich, junger Mann." Theoban lehnte sich in seinem Thron zurück und legte die Arme auf die Lehnen. "Die paar Minuten Geduld werden dir nicht schaden. Der Rest deiner Begleiter schafft es schließlich auch, sich zu benehmen – trotz ihres Temperaments."
"Du machst dir keine Freunde Mr. Eiszombie", blaffte Klara ihn vom Boden her an, wo sie neben den Ratten in den Schneidersitz gegangen war. "Erzähl lieber mal weiter, sonst verpass ich dir eine Ladung Kopfläuse."
"Oho, ich zittere." Das tat sein Körper tatsächlich, dann beruhigte er sich wieder. "Aber gut. Als du mit deinem Raumschiff durch das vergessene Tor der Erde gekommen bist, ging ein Datenstrom bei uns ein. Von vielen kleinen Welten, so wie deiner. Alle diese Nachrichten hatten denselben Inhalt: 'Wir werden von einer unbekannten Rasse angegriffen. Sie zerstören unseren kompletten Planeten. Die großen Bündnispartner sind nicht erreichbar.' Sie waren nicht alle auf denselben Zeitpunkt datiert. Die Vetis haben sich ein System nach dem anderen vorgenommen und die Nachrichtenwege blockiert, damit die anderen kleinen Systeme ahnungslos bleiben."
"Verdammt ..." Baldor fixierte den Boden vor sich. "Es ... es hätte also verhindert werden können, wenn aus wenigstens einem dieser Systeme eine Nachricht durchgekommen wäre?"
Theoban neigte den Kopf. "Möglicherweise."
"Sollte das dann nicht Grund genug sein, dass ich wieder von der Erde verschwinde, berichte, was die Vetis anstellen und weiteren Welten Nethufias Schicksal erspare?"
Der Greis stemmte sich von den Lehnen hoch, schob sich in seinem elektronischen Stuhl nach vorne und richtete seinen Zeigefinger auf Baldor. "Dir ist klar, dass du damit die Erde opferst? Ich hatte Glück, dass ich diesen Planeten retten konnte. Aber was, wenn die Vetis mitbekommen, dass das Leben hier wieder floriert und wir keinen nennenswerten Widerstand leisten können? Was meinst du, wie schnell sie hier sind und vollenden, was sie vor Jahren begonnen haben?"
Ein Planet im Tausch gegen wie viele? Vor Tagen hätte er nicht gezögert, da war ihm die Erde egal. Da wusste er noch nicht einmal von ihrer Existenz. Er verstand Theobans Einwand, doch ... "Wenn das der Fall wäre, warum sind sie noch nicht hier? Ich bin jetzt seit Tagen auf der Erde und dennoch sehe ich keine Vetianischen Weltenfresser, die mich verfolgen. Jedenfalls keine, die nicht schon von Anfang an hier waren."
"Was meinst du? Du bist hier den Vetis begegnet?"
"Ja, einem. Wie hieß der gleich?" Baldor schnippte mit den Fingern und Sergej kam ihm zur Hilfe.
"Nil"
"Nil." Der Alte nickte und sank zurück. "Ich erinnere mich. Erinnerungsdiebstahl?"
"Und Emotionsklau", ergänzte Baldor.
"Was ist mit dem Vetis geschehen?" Der alte Mann rutsche auf seinem Thron herum, als suche er eine bequemere Position. Das gefiel ihm offenbar nicht, dass die Vetis noch hier waren.
"Nun, meine Erinnerungen scheinen ihm nicht sonderlich bekommen zu sein. Ngi, mein maschineller Freund hier, hat ihn in die Flucht geschlagen."
"Dann ist diese Zecke immer noch auf freiem Fuß?"
"So wie jeder andere verdammte Vetis auf dem Planeten", knurrte Sergej. "Wir haben damals zwar die Majorin platt gemacht, aber wer weiß, was danach mit ihr passiert ist?"
"Zumindest in den Medien wurde ihr der Prozess gemacht", beantwortete Dr. Pfaff die Frage. "Mit den Planungen zu den Expeditionen ist das allerdings untergegangen."
"Typisch."
"Wie auch immer." Baldor zuckte mit den Schultern. "Führt das zu was? Ich will diesen Planeten auf alle Fälle verlassen, das ändert sich nicht."
Theoban hatte eine bequeme Position gefunden, sein Kopf sank zurück in die Schatten und seine Atemzüge wurden hörbar lauter und gleichmäßig.
"Was? Schläft der Penner etwa?" So eine Enttäuschung! "Kommt, wir gehen."
Der Alte machte keine Anstalten, sie aufzuhalten. Dr. Pfaff beugte sich über ihn und und packte ihren Untersuchungsapparat aus. "Tut mir leid, das mit den Vetis muss ihn zu stark erschöpft haben."
Sie sah ihnen verlegen nach, doch Baldor war das egal. Er stapfte aus dem Raum und nach kurzer Zeit fanden sie sich in der großen Halle wieder. Dort atmete er einmal tief durch und versuchte, seinen Kopf frei zu bekommen.
"Und jetzt? Doch zu Madun?"
"Vielleicht finden wir unter der Hand Teile für dich", raunte Sergej ihm zu. "Wenn es stimmt, gibt es hier ja Technologie an allen Ecken."
Baldor nickte.
"Okay, wir bilden Zweiergruppen", schlug Sergej vor. "Je einer aus unserem ComNet, mit einem, der keines hat. So können wir den anderen Bescheid sagen, wenn wir ein Angebot haben."
"Ich geh mit Baldor", schoss Klara los.
"Ich nehme den Blechkumpel, der stellt mir wenigstens keine blöden Fragen", entschied sich Sarah.
"Tja, dann bleiben nur wir beide, Herr Journalist."
Toby Telegraph stöhnte. Nun würde er auf dem Weg jede Menge Zitadellenkritik und Verschwörungstheorien zu hören bekommen.