Eines Tages dann aber, geschah etwas Unerwartetes! Gerade als Aellia und Nannios von einem ihrer Tagesausflüge zurückkehrten, ging eine Unruhe durch die Menge. Alle schauten auf einmal hinauf in den Himmel. Ein dunkles Etwas näherte sich der Stadt. Aellia kniff ihre Augen zusammen, um besser sehen zu können. Das Etwas sah aus wie ein… „Ein Drachenschiff!“ rief sie aus. „Aber ich dachte es kommt erst beim nächsten Vollmond wieder eins!“ „Ja, das dachte ich auch“, meinte Nannios erstaunt und kniff ebenfalls die Augen zusammen um besser zu sehen. Es war tatsächlich ein Drachenschiff und es flog im direkten Kurs auf die Stadt zu! Zuerst war es kaum zu sehen, doch dann wurde es grösser und grösser und setzte zum Sinkflug an. Unterhalb des Tempels gab es einen grossen Platz, der als Landebahn genutzt wurde. Diesen peilte das Schiff an. Wie üblich war es von der magischen Aura umgeben, welche es in der Luft hielt.
Neugierig flog das Paar näher an den Ort des Geschehens heran, auch andere Leute folgten. Das Schiff landete auf dem Platz. Es wurden seitlich hölzerne Stützbalken ausgefahren und die magische Aura verschwand. Zwei Drakonier mit schwarzen Haaren und roter Haut liessen in der Mitte des Schiffes eine Treppe hinunter und stellten sich dann zu beiden Seiten selbiger auf. Aellia hielt gespannt nach den Passagieren des Flugschiffes Ausschau. Und… konnte es kaum glauben! Es handelte sich dabei um vier Harpyas! Die eine von ihnen kannte sie gut. Es war Irisa, ebenfalls eine Priesterin wie sie, mit welcher sie hätte neue Welten erkunden sollen. Irisa hatte ein hauptsächlich rotes Gefieder, mit schwarzen Spitzen, schwarzes Haar und eine etwas dunklere Haut als Aellia. Ihre Augen waren schwarzbraun.
Die junge Harpya flog voller Freude auf ihre Schwestern zu. Als Irisa sie erblickte, hellte sich ihre bisher ernster, etwas herablassender Ausdruck auf. „Aellia!“ rief sie und die beiden umarmten sich spontan. „Wir dachten du seist tot, bis die Drakonier uns berichteten, dass du hier gelandet bist. Man gab uns der Auftrag nach dir zu suchen und…“ sie senkte ihre Stimme etwas „so gleich andere geflügelte Völker kennenzulernen, um… du weisst schon, unserem Männer- Notstand den Kampf anzusagen.“ Sie schwieg geheimniskrämerisch, als Nannios heran geflogen kam. Etwas misstrauisch musterte sie den hellhäutigen Lunarier. „Welch ein glücklicher Zufall!“ sprach dieser in seiner üblichen unbefangener Art „Aellia hatte gerade so grosses Heimweh und da taucht ihr völlig unerwartet hier auf. Seid herzlich willkommen!“ Irisa schaute den jungen Mann ziemlich herablassend an, so wie sie es von ihrem Umgang mit den Masculinas gewöhnt war. Seine offene, in ihren Augen dreiste Art befremdete sie, ebenso wie es Aellia anfangs befremdete hatte. So beschloss letztere ihrem Liebsten den Rücken zu stärken und sprach: „Das ist Nannios, Sohn der Hohepriesterin Artemia und… mein Gefährte.“ Irisa und der Lunarier schauten sie gleichermassen entgeistert an. „Du hast mich tatsächlich zu deinem Gefährten auserkoren?!“ fragte Nannios mit strahlenden Augen. Aellia nickte. „Ja, das hab ich.“ Sie schaute ihre Mitschwester etwas herausfordernd an. „Du hast richtig gehört, ich habe mir Nannios als meinen Gefährten erwählt, ich liebe ihn.“ „Du…du liebst ihn aber…“ die Worte erstarben auf den Lippen von Irisa, sie schaute Aellia nur mit grossen Augen an. Die andren Harpyas welche mit ihr gekommen waren: zwei Kriegerinnen mit schwarzen Rüstungen und eine Jägerin in rotem Lederwams, schauten ebenfalls ziemlich erstaunt drein, schwiegen aber, da niemand vor den Lunariern das Gesicht verlieren wollte. „Lass mir dir alles erzählen!“ meinte Aellia und legte lächelnd den Arm um ihre Mitschwester. „Vielleicht in meinem Quartier?“ Nannios, welcher durch sein Einfühlungsvermögen merkte, dass die beiden Frauen allein sein wollten sprach: „Nun gut, dann werde ich mich mal darum kümmern, dass alle irgendwo unterkommen.“ Er rief einigen andern Lunariern ein paar Anweisungen zu und die restlichen drei Harpyas und die drei Drakonier wurden als Gäste willkommen geheissen.
Aellia flog Irisa voraus zu ihrem Quartier. Als sie ausser Hörweite der andren waren, konnte Irisa nicht mehr an sich halten und platzte mit ihrer ersten Frage heraus: „Was um alles in der Welt geht hier vor Aellia! Wie konntest du dich verlieben und dann noch…in so einen Kerl, der zu einem ganz andren Volk gehört!“ „Er ist kein Kerl“, gab die Angesprochene etwas verärgert zur Antwort „Er ist mein Liebster.“ „Aber…du weisst doch, was unsere Gesetze sagen: Verliebe dich niemals in einen Masculina, damit verrätst du nicht nur unser Volk, sonder auch die Göttin!“ „Das denke ich nicht. Ich glaube das Lilithia die Liebe kennt und auch segnet.“ „Aber…du weisst doch wie...Männer sind. Sie haben es nur auf die Macht über uns Frauen abgesehen!“ „Nein, Nannios Volk ist nicht so. Hier herrscht ein Gleichgewicht zwischen weiblich und männlich, niemand strebt nach der Macht über das andere Geschlecht. Das ist unsere kranke Sicht der Dinge.“ „Kranke Sicht! Du weisst, dass das was du da sagst Blasphemie ist!“ Irisas Augen funkelten zornig. „Es ist die Lehre, die uns unsere Göttin gab, welche wegen des männlichen Allmachtstrebens das Paradies verlassen musste.“ „Das sind unsere Legenden. Doch es gibt andere Völker mit andren Legenden. Hier z. B. werden der Gott und die Göttin gleichermassen verehrt. Ich habe an einer Fruchtbarkeitszeremonie teilgenommen, dort feierte man die Vereinigung zwischen Gott und Göttin. Es war einfach wundervoll! Die Lunarier sind ein einzigartiges, gütiges Volk, die im Einklang mit allem leben. Sie haben deshalb auch nicht dieselben Probleme wie wir. Es gibt hier etwa gleichviel Männer wie Frauen.“ Die beiden erreichten nun Aellias Quartier und schwebten hinein. Irisa schaute sich erstaunt um, all das hier war ihr vollkommen fremd, dann jedoch, nahm sie den Faden des Gespräches wieder auf. „Wenn es hier so viele Masculinas gibt, dann ist das umso besser“, meinte sie kühl. „So werden wir einige Möglichkeiten haben, uns zu paaren und unsere kranke Welt vor dem Untergang retten.“ Die letzten Worte waren ein sarkastischer Seitenhieb auf Aellias vorher gesprochen Worte. „Ja, das ist richtig. Es hat genug Männer hier, aber wir können uns nicht einfach jeden nehmen.“ „Was meinst du damit? Wir können uns jeden Masculina nehmen den wir wollen, die Lunarier machen da keine Ausnahme.“ „Nein, ich werde nicht zulassen, dass man jene dazu zwingt, welche sich nicht freiwillig bereiterklären, sich mit uns zu paaren!“ „Was meinst du damit jetzt? Bist du nun vollkommen übergeschnappt! Willst du dich etwa gegen unser Volk stellen?“ „Nein, aber ich will eine friedliche Lösung für alle suchen. Die Lunarier sind anders. Sie gehen feste Partnerschaften ein, ziehen zusammen ihre Kinder auf. Wenn sich ein Paar zusammentut, dann aus Liebe. Das ist nicht wie bei uns. Wir…kennen die Liebe nicht wirklich.“ Irisas Ausdruck wurde immer ungehaltener. Sie rang angestrengt um ihre Fassung „Wie nur…kannst du sowas sagen!? Ich erkenne dich nicht wieder! Du ziehst all unsere Lehren, unser Leben in den Schmutz! Dabei bist du auch eine Harpya und dann noch eine sehr hoch angesehene. Kelana will dich vielleicht einst sogar zu ihrer Nachfolgerin machen. Ich habe da bereits was munkeln gehört.“ „Ach ja, Kelana. Ein gutes Stichwort! Sie ist auch eine halbe Lunarierin, wusstest du das?“ Irisas Augen weiteten sich und sie atmete tief ein. „Was…meinst du damit?“ „Das was ich sage. Kelana ist die Tochter eines Lunariers und einer Harpya, welche einst vor vielen Jahren auch durch einen Unfall hier gelandet ist. Darum die weissen Federn im Gefieder unserer Hohepriesterin.“ „Kelana…ein Halbblut, aber…das kann nicht sein!“ „Doch es scheint so. Es stand in den Stadtchroniken von hier, ich hab‘s mit eigenen Augen gesehen. Wer weiss, vielleicht hat sich Kelanas Mutter auch verliebt, das erste Mal in ihrem Leben. So…wie ich.“ Aellia beugte sich vor und legte ihrer Mitschwester versöhnlich die Hand auf den Arm. „Versteh doch Irisa! Diese Liebe ist einfach wunderbar! Sie hat mir Welten eröffnet, die ich nie für möglich gehalten hätte! Nannios ist so wundervoll! Er hat eine einzigartige Stärke, doch zugleich eine Sanftheit in sich. Er hat mich von Anbeginn, als er mich sah, geliebt. Er hat mich respektiert und doch hat er mir, wenn nötig die Stirn geboten, ganz anders als unsere Masculinas. Diese sind nicht halb so lebendig wie Nannios, sie unterwerfen sich uns, weil sie sich nichts anderes gewohnt sind, aber…sie empfinden nichts für uns, wir empfinden nichts für sie, weil wir es nicht zulassen und dabei lassen wir uns so etwas Wundervolles entgehen, das schönste was man überhaupt erleben kann! Ich habe so viele einzigartige Stunden mit Nannios verbracht. Die sexuellen Wonnen mit ihm zu teilen…du kannst dir nicht vorstellen wie das ist. Es ist…das Paradies! Ich wünschte, du könntest das auch erleben, dann würdest du mich verstehen!“