18.Kapitel
Der Tag und eine weitere Nacht verstrich und noch immer war der Rat der Harpyas, zu keiner Einigung gelangt. Die Drakonier wurden langsam unruhig, sie wollten nicht mehr so lange warten. „Wenn nicht bald eine Einigung erzielt wird, müssen wir wieder zurück“, erklärte Mangios an Aellia gewandt. „Es war eine grosse Ausnahme, dass wir die Schiffe für so ein Unterfangen zur Verfügung gestellt haben. Ausserdem… haben wir von einer seltsamen Krankheit gehört, die bei einigen Harpyas ausgebrochen ist.“
„Ja, ich weiss“, sprach Aellia zutiefst besorgt. „Es sind schon einige des hohen Adels daran erkrankt, darunter auch Callidia, eine vom jenen, die auf unserer Seite wären. Sie setzte sich zusammen mit der Königin, aktiv dafür ein, dass wir uns mit den anderen Völkern zusammentun, da davon unsere Existenz abhängt. Sie gehört zur Priesterschaft und ist eine der Vernünftigsten. Warum gerade sie? Das schwächt unser Position enorm.“
Mangios nickte mitfühlend. „Dennoch…wir können nicht mehr lange hierbleiben. Nicht, dass unser Volk auch noch krank wird. Ich hörte, niemand weiss, worum es sich bei dieser seltsamen Krankheit handelt. Die Heiler stehen vor einem grossen Rätsel. Deshalb können sie auch nichts dagegen unternehmen. Es könnte gut möglich sein, dass eine Seuche ausbricht.“ „Ja ich weiss!“ Aellia schlug verzweifelt mit der Hand auf das Geländer des grossen Balkons, auf dem sie sich gerade befand. Sie sehnte sich Nannios in diesem Moment mehr herbei, denn je. Doch er hatte sich mit seiner Mutter und den anderen zu einer Beratung zurückgezogen. Sie waren unsicher, ob sie wirklich bleiben sollten, da es gerade gar nicht mehr aussah, als würde die Hohepriesterin irgendwann einlenken und auch die Drakonier drängten darauf, bald wieder zurückzufliegen. Aellia hatte einige andere Dinge zu erledigen. Die Königin Podargia hatte sie zu sich gerufen. Sie musste gleich zu ihr. Doch sie fühlte sich schrecklich allein. „Wir müssen es doch einfach schaffen, Kelana zu überzeugen!“ rief sie. „Warum nur ist sie so ungemein stur?! Sie will, dass wir die neuen Gesetze überdenken, aber die Lunarier und Solianer können das nicht. Gleichberechtigung für alle, ist der zentrale Kern, dieser Zusammenarbeit!“
Mangios lächelte und meinte. „Wenn ich daran zurückdenke, wie du das erste Mal, als wir uns trafen, noch geredet hast und sieh dich heute an! Ich bin wirklich sehr stolz auf dich Aellia.“
Die junge Harpya, stütze nachdenklich ihr Kinn in die Hände und blickte hinab auf die, wie schwarzes Gold schimmernde Stadt. „Manchmal denke ich, ob ich mir von der ganzen Sache nicht zu viel versprochen habe. Ich dachte wirklich, ich könne was verändern, aber dass ausgerechnet meine, einst so geliebte Mentorin, sich so verhält und dabei das Schicksal unseres ganzen Volkes aufs Spiel setzt, damit hätte ich nicht gerechnet.“
„Sie ist noch so sehr in ihren alten Denkmustern verhaftet,“ gab Mangios zurück „sie hat das Gefühl, alles was sie glaubt und liebt, löse sich in Luft auf, wenn sie die neuen Gesetze annimmt. Sie sieht es als schlimmen Verrat an der Göttin. Sie von dieser fixen Idee abzubringen, wird sehr schwierig sein.“
„Aber Irisa und ich haben doch auch umgedacht! Warum tut das Kelana nicht, zumal sie doch eine halbe Lunarierin ist?“
„Sie ist wohl einfach etwas anders gestrickt als du und Irisa. Nicht alle Menschen sind auf demselben Stand der Entwicklung. Nicht jeder kann sich so gut für Neues öffnen wie du, nicht jeder hat deinen scharfen Verstand, der erkennt, dass die Götter nur reine Liebe verkörpern. Und dass die Gesetze, die teilweise so wichtig genommen werden, oft nur dogmatische Auswüchse, von Sterblichen geschaffen, sind. Für viele sind diese Dogmen lebenswichtig, weil sie ihnen Sicherheit geben. Ausserdem… Kelana hat Equilibria auch noch nie gesehen. Sie hat nicht so lange mit den Lunariern und auch Solianern gelebt, wie ihr. Sie kann das Ganze wohl einfach zu wenig einschätzen.“
„Aber warum, kommt sie dann nicht einfach mit, um mal alles anzusehen? Möglicherweise würde sie dann umdenken.“ „Habt ihr ihr diesen Vorschlag denn schon mal gemacht?“ „Noch nicht direkt, aber wir wollen ja sowieso einige Harpyas mit nach Equilibria nehmen. Sie könnte doch auch mitkommen.“ „Vielleicht geht ihr all das zu schnell. Womöglich würde sie es begrüssen, wenn ihr sie zuerst mal mit in die neue Welt nehmt und danach nochmals über die neuen Gesetze beratet.“ „Aber… ohne diese Gesetze geht es nun mal nicht!“ sprach Aellia verzweifelt. „Die andern Völker wollen sich unter keinen Umständen mit meinem Volke paaren, wenn diese Gleichberechtigung von Mann und Frau nicht gewährleistet ist. Es geht dabei ums nackte Überleben.“
„Trotzdem, Kelana und vielleicht einigen anderen, Equilibria zuerst zu zeigen, bevor ihr weiter Schritte unternehmt, würde das Vertrauen vielleicht fördern. Das Ganze könnte dann möglicherweise etwas an Bedrohung für die Hohepriesterin verlieren.“
Aellia dachte nach, dann meinte sie: „Ja, ich glaube das ist gar keine so schlechte Idee. „Dennoch, nun haben wir so viele eurer Schiffe abberufen und jetzt kommen vielleicht doch nur so wenige mit. So lange Kelana nicht einwilligt, ist an einen grösseren Transport von Harpyas nach Equilibria nicht zu denken.“ „Versucht doch einfach nochmals euer Glück bei Kelana! Ich werde ebenfalls nochmals mit meinen Leuten sprechen und dann können wir vielleicht nochmals einen Tag und eine Nacht länger bleiben. Sollte sich dann noch kein Lösung abzeichnen, nun ja…dann müssen wir zurück, zumindest… vorübergehend.“