In einer seltsamen Synchronisation zogen beide Frauen nun ihre Waffen. Die vier Dolche blitzen dabei im Abendlicht auf.
Lauernd umkreisten sie sich eine Weile. Jede der beiden versuchte, zu erahnen, was die nächsten Schritte der Gegnerin waren. Kelana kämpfte gegen den Drang an, zuerst anzugreifen, denn sie wusste das Aellia das erwartete. Sie sah ihre einstige Schülerin nun mit anderen Augen. Diese hatte wirklich sehr an Stärke gewonnen, nicht nur körperlich, auch mental und geistig. Sie war reifer geworden, nicht mehr das junge, unerfahrene Mädchen, von früher. Kelana kämpfte gegen die Regung an, Stolz auf ihre einst, am meisten geliebte Schülerin, zu empfinden. Diese hatte sie schliesslich verraten und nicht nur sie, sondern auch das ganze Volk der Harpyas! Wieder erfasste sie Zorn und Enttäuschung darüber und sie musste sich immer mehr beherrschen, nicht den ersten Schlag zu tätigen. Aellia hatte schliesslich genug und griff ihre frühere Mentorin nun mit den Dolchen an. Diese wehrte geschickt, wie eh und je, ab und die Klingen trafen mit einem klirrenden,schabenden Geräusch aufeinander.
Ein Schlag folgte auf den nächsten und die beiden Frauen, schienen sich in der Geschicklichkeit mit den Dolchen tatsächlich ebenbürtig zu sein. Keine der beiden schaffte es einen vernichtenden Schlag zu landen. Schliesslich wurde es dunkler und dunkler und die Silhouetten der Anwesenden, welche den Kampf gefesselt mitverfolgten, verschwammen immer mehr. Nicht jedoch, für die Harpyas. Diese sahen alles immer noch ganz klar. Zwar war alles in ein seltsames, weiss- silbern schimmerndes Licht getaucht. Doch ihre Kräfte waren bei Dunkelheit am stärksten. Das merkte man auch in ihrem Kampf. Immer wieder trafen die Dolche klirrend aufeinander. Die beiden umkreisten sich, wichen aus, versuchten ihre Gegnerin von der Seite zu erwischen oder in den Bauch zu treffen. Doch es gelang ihnen nicht. Noch eine Weile zog sich das so hin, dann verlor, diesmal Kelana, die Geduld. Als Aellia zu einem weiteren Schlag ausholte, machte sie eine Handbewegung und der eine Dolch wurde der jungen Frau aus der Hand gerissen und fiel hinab in die Finsternis unter ihnen. Aellia war einen Augenblick lang überrascht, von der plötzlichen, eher hinterlistigen, magischen Attacke und warf nun auch ihren anderen Dolch von sich. Irisa, welche sich in der Nähe befand, fing ihn auf. „Dann also mit magischen Kräften, wenn es dir so lieber ist, Kelana!“ Sie machte ebenfalls eine blitzschnelle Bewegung. Ein magischer Schlag traf mit voller Wucht auf Kelanas Arm und auch sie verlor einen ihrer Dolche. Die Augen der Hohepriesterin funkelten einen Augenblick lang zornig, dann nickte sie jedoch und reichte der Harpya, welche hinter ihr stand, den zweiten Dolch. Noch während sie sich wieder umwandte, sammelte sie ihre Kraft über dem Herzen und schleuderte eine Windwalze gegen Aellia. Diese ergriff letztere und wirbelte die jüngere Frau herum. Sie konnte eine Weile nirgendwo Halt finden und Kelana, setzte nochmals mit einem weiteren Luftzauber nach. Aellia nahm all ihre Kräfte zusammen, um ihren trudelnden Flug zu stoppen. Sie stemmte sich mit ihrer Willenskraft gegen den Zauber, übernahm seine Macht und schlug zurück. Auch die Hohepriesterin, wurde nun hinweggeschleudert. Sie prallte gegen eine Zinne der Stadt und stöhnte auf. Doch sie war zäh. Ausserdem konnte sie den Aufprall mit einem Schutzschild etwas dämpfen. Einen Moment lang torkelte sie benommen hin und her, dann fing sie sich wieder und griff erneut an. Diesmal mit einem weissen Blitzzauber. Aellia hatte das jedoch irgendwie kommen sehen. Sie kannte Kelana sehr gut und ihre Sinne waren wirklich geschärft worden, durch ihre Zeit bei den sensitiven Lunarier.
Sie hob die Hand und schleuderte den Blitz zurück. Kelana gelang es nur knapp ihm auszuweichen. Zorn funkelte in ihren Augen. „Das wirst du noch bereuen!“ zischte sie. Sie wollte eine tödliche Feuersalve gegen Aellia senden, doch dann entschloss sie sich doch noch anders. Sie befürchtete, dass ihre einstige Schülerin damit rechnete. Stattdessen konzentrierte sie sich auf ein nahe schwebendes Planetenscherben- Stück. Dieses sauste nun von hinten auf Aellia zu und traf diese beinahe am Kopf. Doch die junge Frau spürte wie ihre Nackenhaare sich sträubten und brachte sich mit einem behänden Sprung in Sicherheit. Die Zuschauer, besonders jene auf Aellias Seite, keuchten entsetzt auf. Auch Aellias Augen funkelten nun zornig. „So viel Hinterhältigkeit hätte ich dir niemals zugetraut Kelana!“ zischte sie. Die Hohepriesterin aber meinte sarkastisch. „In diesem Kampf geht es um alles oder nichts. Du solltest langsam auch etwas erfinderischer werden Aellia, sonst werde ich dich ganz sicher besiegen.“
Vorwurfsvolles Gemurmel ging durch die Menge. Die junge Frau dachte nach, währende sie und Kelana sich weiterhin lauernd umkreisten. Jeder der beiden, versuchte abzuschätzen, was der andere als nächstes tat. Aellia versuchte angestrengt jene Taktik anzuwenden, die ihr Artemia einst beigebracht hatte, um in den Geist von Kelana einzudringen. Auf einmal sah sie vor ihrem inneren Auge, wie eine feurige Schlange auf sie zukam. Sie wusste nicht, was es genau war, doch sofort errichtete sie einen Schutzschild. Die Dunkelheit um sie, wurde auf einmal von einem unheimlichen, rotorangen Leuchten erfüllt. Und tatsächlich! Da war eine Schlange, eine Schlange aus feuriger Lava, die aus dem Nichts aufgetaucht war! Kelana hatte die Lava, welche unter der Stadt in die Tiefe stürzte, unter ihren Willen gezwungen und sie zu einer kompakten Schlangenform gebildet, die Aellia nun tatsächlich, wie ein lebendiges Wesen angriff. Es war eine schreckliche Kreatur, mit glühenden Augenhöhlen und Stacheln auf dem Haupt. Die junge Frau spürte, wie sich die Hitze, über ihren Schutzschild ausbreitete, als die Schlange darauf prallte. Kelana lachte irgendwie irrsinnig und stachelte die grässliche Kreatur mit ihren Befehlen an. Immer und immer wieder, stiess die Schlange mit ihrem schrecklichen Kopf gegen Aellias Schild und sie schaffte es beinahe ihn zu durchdringen. Aellia, welche den Angriff zum Glück vorausgesehen hatte, konnte nun Gegenmassnahmen ergreifen. Sie konzentrierte sich auf die Mächte des Windes und sandte eine Windböe gegen die Schlange. Diese wurde ein Stück zurückgeworfen. Sie erlosch zwar nicht, aber Aellia hatte sich etwas Zeit verschafft. Das Naheliegendste, wäre nun gewesen, die Mächte der Wassers und der eisigen Winde, gegen die Schlange zu schleudern, um sie zu vernichten. Doch, Aellia entschied sich anders und sie hoffte Kelana erahnte ihr Vorhaben nicht. Leise murmelte sie eine Formel und ehe sich Kelana versah, traf sie ein eiskalter, harter Schlag in den Rücken. Sie fiel nach vorne und Aellia sandte noch eine Schallwelle gegen ihre einstige Mentorin, die diese Richtung Stadt schleuderte. Die Lava- Schlange erlosch augenblicklich, als Kelanas Zauber durchbrochen wurde. Dafür schwebte nun eine filigrane, durchschimmernde, wie ein Drachen aussehende Kreatur, in den Räumen des Himmels um Aellia. Voller Anmut bewegte sie sich vorwärts. Es war ein zauberhafter Anblick. Die anwesenden Leute schauten dem Drachen mit einem erstaunten, überwältigtem Stöhnen zu. Das magische Wesen glitzerte und funkelte, wie Geschöpf aus Eis und Licht. Aellia selbst war erstaunt darüber, was für eine wundervolle Kreatur sie zu erschaffen im Stande war. Es war ein Eisdrache, gebildet aus den Wassern des Brunnens der Stadt, einen kurzen Augenblick lang, belebt durch das Licht der Göttin und gefestigt durch die eiskalten Winde des Universums. Eigentlich die Waffe, welche den Lavadrachen hätte bekämpfen sollen, nun jedoch dessen Herrscherin ausser Gefecht gesetzt hatte und jetzt wieder langsam in sich zusammenfiel. Triumph stieg in Aellia hoch. Damit hatte Kelana nicht gerechnet! Aber wo war die Hohepriesterin eigentlich? Aellia schwebte Richtung Stadt, wo ihre Gegnerin verschwunden war. War sie in die Endlosigkeit des Reiches des dunklen Mondes hinabgestürzt, oder lag ihr zerschellter Körper irgendwo auf dem steinernen Boden der Stadt?
Sie schaute sich suchend um, auch Nannios und einige anderen folgten ihr. Kelana war nirgends zu sehen. Das beunruhigte Aellia. Sie hatte das ungute Gefühl, dass es noch nicht vorbei war.