Irisa konnte auch nicht so richtig schlafen. Obwohl sie eigentlich sehr müde hätte sein müssen, nach dieser Schlacht. Doch sie war einfach noch zu aufgeregt von allem. Ausserdem standen auch noch einige wichtige Dinge bevor und bald würden sie wieder mit Trojanas und den anderen nach Equilibria zurückkehren. Das war auch wirklich Zeit! Sie und ihr Liebster hatten, seit sie hier waren, sehr enthaltsam leben müssen. So langsam verfluchte sie diese Schutzgewänder, die die Solianer und Lunarier ständig tragen mussten. Sie erschienen ihr auch nicht mehr so wirklich hygienisch, obwohl sie eine Selbstreinigungsfunktion eingebaut hatten. Doch dass Irisa die Blutflecken, welche durch Trojanas heftige Nah-Kämpfe entstanden waren, nicht mehr sah, hiess nicht, dass sie diese auch nicht mehr fühlte. Blut hatte einfach ein gewisses Od an sich, das nicht so einfach verschwand. Es war das Los der Magiekundigen, darum zu wissen. So war es auch etwas schwierig für sie, sich an Trojanas heran zu schmiegen, denn etwas störte einfach. Dabei hätte sie sich so zu ihrem Liebsten hingezogen gefühlt und mit ihm so gerne die Wonnen geteilt. Sie spürte schon die ganze Zeit diese Hitze in sich, diese Sehnsucht, die sie beinahe um den Verstand brachte. Sie schaute auf Trojanas herab und beneidete ihn dafür, dass er so einen guten Schlaf hatte, trotz alledem. Er würde es ihr sicher nicht übel nehmen, wenn sie noch etwa nach draussen ging und ihre Hitze etwas zu kühlen suchte. Wie genau das sein würde, wusste sie noch nicht so wirklich. So schwebte sie über den Balkon nach draussen. Die Stadt unter ihr, leuchtete in warmem Licht und die bunten Fahnen und Bändern, mit denen alles geschmückt war, wehten im verhältnismässig milden Wind, des Reiches des dunklen Mondes. Irisa schwebte einfach träumerisch dahin, dachte darüber nach, was sich alles die letzten Tage zugetragen und was sich nun alles verändert hatte und auch noch verändern würde. Was sie sehr bedauerte war, dass ihr Liebster hier an diesem Ort nicht ohne sein Schutzgewand existieren konnte. So würde es ihr wohl noch eine Weile vergönnt bleiben, hierher zurückzukehren, wenn sie wieder auf Equilibria war. Das mit den Gewändern war auf Dauer wirklich nicht auszuhalten. Zwar war ihr zu Ohren gekommen, dass Kelana und ihre Anhänger vorgehabt hatten, einige Räumlichkeiten zu schaffen, die als Quartier für die fremden Völker gedient hätten. Das Ganze war jedoch noch nicht ganz ausgereift und jene die Genaueres darüber wussten, stellten sich im Augenblick noch immer stur. Irisa konnte das nicht verstehen. Hatte Kelana nicht bewiesen, dass sie sich auf ihr Ende hin, sehr zum Negativen verändert hatte?
Die Harpya flog über den Innenhof, in dessen Mitte ein grosser oben etwas abgeflachter Obelisk gen Himmel ragte. Er stand schon hier, seit die junge Harpya denken konnte. Sie hatte noch nie über seine Bedeutung nachgedacht. Eigentlich war es ein ehre männliches Symbol, wenn man so seine… Form betrachtete…
Dieser Gedanke, liess die Hitze in ihrem Unterleib erneut aufflammen. „Es steht wirklich schlimm um mich,“, dachte sie bei sich. Sie wandte sich ab und schwebte weiter, hinaus aus der Stadt. Unterwegs kam ihr ein Liebespaar entgegen. Solche Liebespaare sah man nun viel öfters, seit die Liebe zwischen Mann und Frau, offiziell erlaubt worden war. Das Paar sah sehr glücklich aus. Ihre Gesichter strahlten und sie schauten sich immer wieder verliebt an, küssten sich, oder umarmten sich. Sie mussten sich nun nicht mehr verstecken. Wieder durchfuhr Irisa diese Hitze, wenn sie sich vorstellte, was diese beiden zusammen alles miteinander tun konnten oder schon getan hatten. Es war wirklich kaum auszuhalten, diesen unbändigen Hunger zu empfinden, ohne dass jemand ihre Qualen zu lindern vermochte…
Sie hielt auf einmal inne. Aber… war das auch wirklich so? Konnte auch wirklich niemand ihre Qualen lindern? Es gab viele Männer hier in der Stadt. Sie drehte sich um. Ihr Blick wanderte über die Gemächer von Tantalius Getreuen, welche etwas unter ihrem und dem von Trojanas lagen.
Auch Valensios, hielt sich dort auf. Valensios… sie dachte daran zurück, wie er und sie, Seite an Seite, gegen Kelanas Anhängerinnen gekämpft hatten. Sie stellte ihn sich vor. Er war gut gebaut, sehr ähnlich wie Trojanas, kräftig und mit langem, schwarzen Haar. Sie erinnerte sich, wie sich seine Muskeln unter seiner Lederrüstung abgezeichnet hatten und an die Blicke, die sie sich immer wieder zugeworfen hatten. Er fühlte sich zu ihr hingezogen, das war schon ganz von Anbeginn so gewesen. Seine Art gefiel ihr. Vom Wesen her, war er etwas anders als Trojanas. Er war eher der Charmeur. Er war zwar kein Mann, mit dem sie ihr Leben verbringen wollte, so wie mit Trojanas, aber… die Wonnen, ja die Wonnen, hätte sie schon gerne mit ihm geteilt. Jetzt sowieso, da sie solche Hitze in sich spürte. Sie stellte sich vor, wie er sie berührte, daran, wie er wohl als Liebhaber war und… sie dachte an seinen aufgerichteten Phallus. Das brachte sie beinahe um den Verstand, denn sie sehnte sich so sehr nach den Wonnen! Das Leben konnte doch nicht nur aus Kriegen und Verhandlungen bestehen. Sie hatte das Recht auf etwas Spass und Trojanas würde das bestimmt verstehen. Er litt selbst oft darunter, dass er so unbeweglich wegen dieses Gewandes war und, im Gegensatz zu ihr, musste er sich wirklich noch gedulden, bis er die Wonnen wieder mit irgendwem teilen konnte. Doch sie als Harpya, welche hier an diesem Ort zu Hause war, hatte ihre Möglichkeiten und diese würde sie nun ausschöpfen. Sie beschloss deshalb, Valensios spontan zu besuchen. Zuerst wollte sie es über den Balkon seines Gemachs versuchen. Es war eine milde Nacht für harpische Begriffe und es konnte gut sein, dass er bei offenem Fenster schlief. So machte sie sich auf den Weg zu den Gemächern von Tantalius Männern.
Sehr bald kam sie dort an. Das Fenster des Zimmers, worin Valensios untergebracht war, war das dritte von rechts. Sie schwebte leise hinauf auf die Terrasse und tatsächlich, sie behielt Recht! Die Türe, die von Valensios Zimmer ins Freie führte, war ein Spalt weit offen. Leise trat sie näher heran und hielt nach einem Licht Ausschau, doch es war alles dunkel. Für sie war das als Harpya jedoch kein Problem. Sie sah alles noch ganz genau, wie unter Tags. Sie sah die dunklen Möbel, die herumstanden und das an der Decke befestigte, aus geschwärztem Holz gefertigte Bett. Der Atem von Valensios ging regelmässig und Irisa wagte sich etwas weiter vor.
Die Decke war etwas vom Körper des jungen Harpyers weggerutscht und legte seinen kräftigen Oberkörper frei. Seine Haut war nicht so rot, wie bei den meisten seines Volkes, sie besass einen leichten Bronzeton, was Irisa sowieso sehr gefiel. Es war beinahe wie bei Trojanas. Valensios hatte starke Oberarme, und breite Schultern. Ein unbändiges Begehren erfüllte sie urplötzlich. Sie beugte sich über ihn, und ihre Hände streichelten sanft über seinen Körper. In diesem Moment fuhr er hoch, seine Augen starrten sie einen Augenblick lang tief erschrocken an und… sie spürte auf einmal eine kalter Klinge an ihrem Hals! Irisa wich kurz zurück, um dem scharfen Dolch, den er ihr an die Kehle hielt, auszuweichen. Doch dann erkannte er sie und entspannte sich wieder. Sie beugte sich wieder weiter vor und drückte mit ihrer Hand die Waffe zur Seite. Ihre Brüste, welche nackt waren, streiften dabei seinen, ebenfalls nackten Oberkörper. Er entspannte sich immer mehr und ein erwartungsvolles Schmunzeln, löste den erschrockenen Ausdruck in seinem Gesicht ab. „Ach, du… bist es“, sprach er leise und liess den Dolch fallen.
„So ist es. Ich hoffe es freut dich.“ Dann küsste Irisa ihn leidenschaftlich. Ihre Zunge suchte die seine und er erwiderte den Kuss voller Verlangen, während er sie eng umschlang und sie zu sich aufs Bett zog.
„Ich bin begeistert“, sprach er. Ihr langes, glänzendes Haar, wallte nun offen über ihre Schultern und ihren Rücken und wenn sie sich über in beugte hüllte dieses Valensios, wie ein herrlich duftender Vorhang, ein. Ja, so hatte er sich das immer vorgestellt, schon bei ihrer ersten Begegnung! Es war für ihn wie ein Traum das alles. Dass sie zu ihm gekommen war, dass sie ihn für die Wonnen erwählt hatte…
Ihre erste Vereinigung, in seinem Gemach, war schnell und heftig und irgendwie spürten sie, dass sie doch auf besondere Weise verbunden waren, weil sie zum selben Volk gehörten.
Valensios genoss das Zusammensein mit Irisa in vollen Zügen. Auch wenn er wusste, dass ihr Herz bereits einem anderen gehörte.
„Es war wunderbar“, sprach er. „Sowas Unvergleichliches erlebt man nicht alle Tage und schon gar nicht mit einer so unvergleichlichen Frau, wie dir.“
Irisa lächelte und fragte: „Dann bin ich also so unvergleichlich für dich?“
„Ja, das bist du. Ich hätte nie zu hoffen gewagt, dass du dich mir auf diese Weise zuwenden würdest.“
„Wir haben ja auch schon viel miteinander erlebt“, lächelte sie. „Das verbindet, darum… bin ich zu dir gekommen. Es war eine sehr gute Entscheidung.“
„Ja, das finde ich wahrhaftig auch.“ sprach er. „Wollen wir zusammen noch etwas rausgehen?“ Irisa nickte zustimmend.
Die beiden wuschen sich und schwebten dann zusammen hinaus auf den Balkon. „Es ist wirklich eine wundervolle Nacht, nicht wahr?“ fragte Valensios.
„Ja, das ist es,“ erwiderte Irisa. „Ich weiss einen schönen Platz. Willst du mich dorthin begleiten. Ich wollte ihn unbedingt nochmals besuchen, bevor ich zurück nach Equilibria gehe.“
Ein leiser Schatten huschte über Valensios Gesicht. „Es ist schade, dass du nicht hiebleibst.“
„Mein Platz ist an Trojanas Seite und du weisst, dass er hier nicht überleben könnte, ohne den Schutzanzug. Ausserdem wäre er hier nicht glücklich, es ist ein sehr karges, dunkles Land.“
„Wie ist das Land von woher er kommt, denn so?“ fragte der junge Krieger, während er zusammen mit Irisa Richtung Stadtmauer flog.
Irisa erwiderte: „In der Gegend, wo er König ist, ist das Land schon auch sehr karg. Doch es hat einen wunderschönen, tiefblauen See, den man Himmelstränensee nennt. In seinem Reich scheint währende des Tages stets eine helle Sonne. Trojanas Volk verehrt deshalb auch den männlichen Sonnengott Heliosus.“
Valensios hatte davon schon mal von Tantalius gehört, aber er hielt es für besser, das zu verschweigen. Es konnte gut sein, dass Irisa dann Verdacht schöpfte und darauf kam, dass die Rebellen eigentlich das Wasser vergiftet hatten. Einen Augenblick lang, quälten den jungen Mann Gewissensbisse deswegen. Besonders jetzt, da er diese wundervolle Frau näher kennengelernt hatte. Doch er schob diese Gedanken von sich. Er hatte nur das getan, was für die Unterdrückten dieser Welt von Nöten gewesen war und immerhin besass die Seuche auch ihr Gutes. Sie hatten dadurch die Streitkräfte der Königin unterstützen können, indem sie nur ihnen das Heilmittel zur Verfügung gestellt hatten. Jetzt freilich waren alle Kranken geheilt worden und einen jeden von ihnen, erwartete das Schicksal, dass er verdiente. Es würde in den nächsten Tagen wohl noch mehr Kranke geben, aber sie besassen genug von dem Heilmittel.
„Die Göttin, zeigt sich heute wieder in besonders schönem Kleid,“ riss Irisa ihn aus seinen Gedanken.
Er schaute zum dunklen Mond empor und sprach: „Ja, wahrhaftig.“ Lilithia war sehr gut zu sehen. Ihre, mit silbernen Adern durchzogene Oberfläche, schien zu pulsieren und immer wieder veränderten sie sich. „Ich frage mich schon was es ist, das den dunklen Mond immer wieder so anders aussehen lässt“, sinnierte er.
„Ja, das habe ich mich auch schon gefragt. Beim silbernen Mond im Reich des Silbermondes ist das auch so.“
„Der silberne Mond muss wundervoll sein.“
„Ja, das ist er, besonders wenn er voll ist.“
„Er ist nicht immer voll?“
„Nein. Er ist manchmal nur eine dünne Sichel, manchmal halb voll und manchmal, sieht er auch aus wie Lilithia. Die Drakonier sagen… es sei der gleich Mond, wie dieser hier.“
„Tatsächlich? Das wäre eine interessante These. Es würde heissen…“
„Ja, es würde heissen, dass Lilithia und Lunaria, wie das Volk von Nannios seine Gottheit nennt, ein und dieselbe Göttin sind.“
„Und, glaubst du das denn?“
„Ja ich glaube das eigentlich schon, immerhin habe ich viel gesehen. Ich habe, als ich das erste Mal von Equilibria hierherreiste, den silbernen Mond ständig beobachtet. Erst als ich hier in meine Heimat kam, wurde er dunkel. Die Drakonier sagten mir, das liege an der Atmosphäre…“ Valensios nickte beeindruckt.