Das Summen des Druckers beendete die stundenlange Erstellung des Polizeiberichtes. Polizeihauptmeisterin Karima Margis wusste, dass diesem Bericht kein Mensch glauben schenken würde, aber drei überaus merkwürdige Unfälle an einem Tag und jeweils unter höchst mysteriösen Umständen mussten für die Justiz erfasst und beschrieben werden. Sorgsam sortierte sie die Zeugenaussagen und Gedächtnisprotokolle zu dem Bericht.
"Vier Stunden brauchte ich für diesen ollen Bericht den eh keiner meiner Vorgesetzten lesen wird. Vermutlich halten mich alle für ein wenig kirre, wenn sie diesen Bericht lesen. Dabei ist auch egal, was die Zeugen erklärten oder die wissenschaftliche Auswertung zu den Unfallhergängen beitrug." Zügig griff sie noch die Labor-Ergebnisse von den drei Amtsärzten und die Berichte der KTU, die per Fax eingetrudelt waren. Beflissen steckte sie die Berichte zu den Vernehmungsprotokollen und heftete es in einem Vorgangsordner mit einem Aktenzeichen ein.
"Ich kann es nicht glauben, was die Zeugen sagten. Ein zweiter LKW Fahrer berichtete von einer älteren Dame, die sich gestört fühlte durch seine stinkende Lärmdroschke. Sie betitelte den Mann sogar als niederen Fuhrknecht. Eine Wortwahl, die höchst ungewöhnlich erscheint, so als sei diese Dame nicht von dieser Welt. Kurz zuvor waren aus dem LKW der Motor und sämtliche Reifen verschwunden, und das sogar während der Fahrt. Die Fahrt endete abrupt auf der B 27 zwei Kilometer westlich von Elend in Fahrtrichtung Braunlage. Die Labor-Ergebnisse zeigten, dass der Mann weder Alkohol noch Drogen zu sich genommen hatte, und der Fahrtenschreiber zeigte exakt die beschriebene Fahrt und das unerwartete Ende der Fahrt an." Sie schaute kurz auf, da sie glaubte ein leises Knistern aus dem Nebenraum gehört zu haben.
"In der Nähe von Altenau sahen Zeugen sogar vier seltsam gekleidete Damen, die auf altertümlichen Besen in der Nähe vom Parkplatz "Steile Wand" munter durch die Luft flogen. Sie sahen, wie die Damen rasant ihre Runden um einige Waldstücke drehten und dann nicht mehr gesehen wurden. Einer der Herren ist eine renommierter Professor aus Clausthal-Zellerfeld. Und dazu noch mein Unfall, der ebenso abstrus erscheint. Auch der Fahrer erzählte etwas von einer Frau auf einem fliegenden Besen. Das kann alles nicht sein und ein Zufall ist es auch nicht, weil es Zufälle in der Kriminalistik nicht gibt. Entweder spinnen die Leute alle oder es hat..."
Eine Stimme aus dem Nebenraum rief ihren Namen. "Polizei Karima, Du liegst fast richtig. Schau Dir nur den Korb mit den Blumen an, der immer noch hier herum steht. Ich ließ ihn extra für Dich zurück. Halten sich normale Pflanzen so lange ohne Wasser?" Dann hörte sie das Giggeln von Frauen. "Edeltraud, die hat aber eine lange Leitung. Dabei sollte doch gerade diese junge Dame, naja die magere Sprotte erkennen, dass es hier um übersinnliche Dinge geht. Da fragt sie sich, ob die Leute alle ein wenig spinnert sind oder doch die einfachste Lösung in Betracht zu ziehen ist. Natürlich steht in dem Bericht nicht, dass sie uns hat wegfliegen sehen. Sie denkt, dass es keine Hexen auf fliegenden Besen gibt. Dabei sollte doch gerade dieses Kindchen wissen, dass kluge junge Damen den Beruf einer Hexe ergreifen, um der angestammten Frauenrolle zu entkommen. Aber vielleicht will sie ja nur Mutter werden und hinter dem Herd versauern." Wieder hörte die Polizistin ein munteres Lachen. "Isolde, meinst du sie zieht gleich ihre Krawallbüchse aus der Tasche, um uns festzunehmen? Sie kann es ja gerne probieren, aber sie wird erkennen, dass ihre Geschosse uns nichts anhaben können, wenn wir darauf vorbereitet sind. Aber netter wäre es natürlich, wenn sie ihren dürren Hintern endlich zu uns schwingen würde, damit sie sieht, was wir ihr mitgebracht haben. Ich denke, sie wird staunen, wenn sie die Reifen von der ollen Kraftdroschke sieht. Den Rest verraten wir aber nicht. Sie wird das ölige Stück Metall unten vor der Tür schon einem dieser lärmigen Vehikel zuordnen können. "
Unentschlossen wägte Karima ab, was hier vor sich ging. Wie sollten die beiden älteren Damen in das Polizeigebäude gekommen sein, schließlich ließen sich die Türen nur mit einer Pin-Karte und einem Schlüssel öffnen. Leicht angefressen ging sie in den Nebenraum, um zu überprüfen, ob tatsächlich zwei Frauen im Nebenraum saßen oder, ob es sich um eine Halluzination handelte. Ohne die Waffe zu ziehen, ging sie zum Nebenraum und staunte nicht schlecht, als sie dort zwei ältere Frauen auf den Stühlen sitzen sah, samt der Reifen, die von einem LKW stammen könnten. "Was zum Teufel machen sie hier und wie gelangten sie in das Gebäude?"
Das war alles was sie bei diesem Anblick herausbrachte. "Halt rief eine Dame," die mit dem Rücken zu ihr saß. Mach jetzt keine dicken Backen und schaue auf deinen Dienstkalender. Wenn du auf das richtige Datum schaust, dann wirst du erkennen, dass bald Walpurgisnacht ist und klügere Damen sich dann am Blocksberg zu ihrem jährlichen Meething treffen. Aber vermutlich weiß sie nicht einmal, was das Wort bedeutet, dass es altgermanische Wurzeln hat und Damentreffen bedeutet." Tatsächlich flogen über das Kalenderblatt Hexen auf Besen, die sogar Teile der Wand mit nutzten. Das einzige, was Karima derzeit herausbrachte war: "Sie wollen mir doch nicht einreden, dass sie Hexen sind, die wild mit einem Zauberstab rumwedeln und zaubern können?"
Wieder hörte Karima dieses freundliche Lachen. "Edeltraud, das Mädel von der Polizei ist nicht so klever, wie wir es dachten. Würde sie nur eins und eins zusammenzählen, dann würde sie endlich in der Realität ankommen. Frauen sind klüger als Kerle und es wäre wohl sinnreicher, wenn Frauen die Welt regierten. Aber so wie es aussieht, wäre es im ersten Schritt sicherlich hilfreich, wenn wir sie zu einem kleinen Rundflug einladen, damit sie uns nicht für tüdelige alte Damen hält, die spinnerte Geschichten in die Abendluft entlassen. Und Zauberstäbe sind so eine neumodische Erfindung, um Magie spektakulärer für eingeengte Kinderseelen zu machen."
Karima hörte noch einen Satz und dann veränderte sich alles um sie herum, "las uns anfangen." Kurz sah Karima einen hellen Blitz durch den Raum aufflammen und direkt danach jagte sie selbst auf einem Besen sitzend über die ausgedehnte Waldgebiete des Harzes. Die Luft um sie herum pulsierte und die beiden Damen freuten sich offenbar über ihren ungläubigen Gesichtsausdruck. Dann sausten sie durch enge Waldschneisen und die zunehmende Dunkelheit machte es stetig schwerer Details der Umgebung zu erkennen. Jäh wandelte sich ihre Welt erneut. Ohne Übergang saß sie wieder in ihrem Büro und konnte nicht glauben, was eben oder möglicherweise passiert war. Zur Sicherheit ging sie in den Nebenraum und die LKW Reifen lagen immer noch in dem Raum. Zwei Becher halb voll mit heißen Tee standen auf dem Tisch. Doch die Damen waren nicht zu sehen. Es musste sich somit um einen Tagtraum handeln, der Reifen zurück ließ. Dennoch, irgendetwas kam ihr spanisch vor.