Der Morgentau lag glänzend auf den Feldern. Einzelne Tropfen sammelten sich an Grasshalmen und glitten als funkelnde Perlen auf den Boden. Gewiss war nur, dass es zahlreiche Veränderungen geben würde. Im Bereich zwischen Jütland und den Alpen gab es nach der ersten Auswertung elfhundert ausgebildete Hexen und zweihundertacht Damen in der Ausbildung, die die Rentenkasse übermäßig belasteten. Mehr Sorgen bereitete ihr der Zustand der Organisation und die eigenbrötlerische Eigensinnigkeit vieler Schwestern. Jeder dachte, sie könne sich jederzeit aus der gemeinsamen Kasse großzügig und nach belieben bedienen. Das es irgendwann jemanden auffallen würde schien keinen zu interessieren. Dieser Punkt brachte Synfera in Rage, weil es gegen sämtliche Regeln der Gemeinschaft verstieß. Viele Schwestern lebten im absoluten Luxus. Wozu brauchte eine Hexe goldene Ringe, eine Tasche aus einem Pariser Luxuskaufhaus oder eine Armbanduhr die so viel kostete, wie ein Auto einer beliebigen Nobelmarke. Wozu benötigte man mehrere Häuser und Villen? Synfera sah das Glitzern auf den Grashalmen. Kurzentschlossen rief sie einige Schwestern mit ihren Gedanken.
Zügig kehrte sie in den Besprechungsraum zurück, um sich auf die anstehenden Gespräche mit den hochrangigen Schwestern vorzubereiten. Mehr als zwanzig angesehene Schwestern würden erscheinen. Zügig orderte sie Verpflegung an, die nur aus wenigen belegten Brötchen und billigem Mineralwasser bestand. Dazu Tee aus billigsten Teebeuteln, die nur diffus an richtigen Tee erinnerten. Dazu drapierte sie Obst und eine Schüssel mit warmen Pellkartoffeln und Kräuterquark. Das Geschirr wurde eilig herbeigezaubert und das Besteck folgte auf dem gleichen Weg.
An den Wänden drapierten sie auf großen Banner, auf denen die fehlenden Gelder verzeichnet waren, damit jeder es sehen konnte. Die Namen der Schwestern, die sich übermäßig bereichert hatten blieben vorerst abgedeckt. Dazu hängten sie Bilder, von den pompösen Anwesen der Schwestern und eine Auflistung aller erworbenen Wertgegenstände. Die eine Schwester besaß zweihundertachtunddreißig Goldringe, zig Ketten und anderen Goldschmuck, der ein Gewicht von über zehn Kilo Gold besaß. Andere besaßen Hotels in der Toskana, an der Algave und vierzig Villen an anderen Küsten am Mittelmeer. Die Auflistung enthielt auch eine Aufstellung anderer Betrügereien, die alle Facetten von kriminellen Handlungen zeigten. Manche reichten über viele Jahrzehnte und andere sogar über Jahrhunderte zurück. Die Mittel für den Unterhalt des Gefängnisses hatten sich dreist zwei Schwestern geteilt.
Alsbald trafen die ersten Schwestern in ihrem neuen Domizil ein. Isolde und andere hochrangige Schwestern erschienen in einem unerwartet modernen Outfit, welches ihre weiblichen Reize dezent zur Geltung brachten. Als Asja eintraf tat es der bedrückten Stimmung in der Runde keinen Abbruch. Immerhin brachte sie vier junge Schwestern mit, die Synfera unterstützen wollten. Zwei hatten erste Erfahrungen im Nahkampf gemacht, da sie seit Jahren verschiedenste Kampfsportarten betrieben. Christin und Elody sollten sie bei dem Aufbau der Computerschule unterstützen, obwohl ihr französischer Akzent nicht zu überhören war. Erst verspätet trafen weitere Hexen ein, die die zukünftige Führungsriege ihrer Gemeinschaft bilden sollten und erst zum Schluss traf Niala samt ihrem vielköpfigen Gefolge ein.
Erst jetzt begrüßte Synfera sämtliche Gäste, die in diesem Raum erschienen waren. Anders als üblich schüttelte sie sämtlichen Gästen die Hände und blickte ihnen in die Augen. "Meine Damen, dramatische Zeiten liegen vor uns. Brigta ist auf mein Anraten von ihren Ämtern zurückgetreten und in ihrem Altersruhesitz in Florida eingetroffen. Sie erhält zukünftig nur noch ihre übliche Rente. Ihr Gepäck ihre elf Häuser und ihr neuer Wohnort wurden akribisch durchsucht. Alle wertvollen Gegenstände wurden hier eingelagert. Dazu gehören vierzig Kilogramm Edelsteine, kostbare Bücher, alte Waffen, Sparbücher von fünfzehn Banken und die Unterlagen zu ihren diversen Villen. Wir hoffen, die Wertgegenstände alsbald der Schwesternschaft übereignen zu können. Der Wert beträgt grob geschätzt einhundert Millionen Euro. Eine Aufstellung aller Vermögenswerte werde ich euch jetzt übergeben. Vier bereits verstorbene Schwestern wurden straffrei gestellt, weil wir die Betrügereien ihrer Mitschwestern aufklären konnten. Akribisch haben wir bisher fast vierhundert Millionen Euro von den diebischen Elstern zurückgebucht. Weit über fünfhundert Millionen Euro stehen noch aus und durch den Verkauf der Villen erhoffe ich mir einen weiteren Betrag, der über einhundert Millionen Euro in unsere Kassen spült. Der Schmuck und andere Kostbarkeiten, die sich eine Vielzahl von Schwestern gegönnt haben dürften ähnliche Beträge in unsere Kasse spülen. Ferner müssen wir eine Art Gehaltstabelle erstellen, die sämtliche Berufe der Schwestern enthällt. Dieses ergibt sich daraus, dass manche Kräuterschwester mehr verdient als Isolde. Ich verstehe auch nicht, warum eine Wetterhexe einen Salär von weit über dreihunderttausend Euro erhält, während eine exzellente Heilerin oder eine Lehrerin kaum ein viertel an Bezügen erhält. Somit liegt es in unserer Hand die Bezüge nach über vierhundert Jahren neu zu regeln. Ich hoffe, dass wir binnen kürzester Zeit eine vernünftige Lösung finden." Natürlich hatte sie entsprechende Jobbeschreibungen und Gehaltstabellen aus der Wirtschaft bereit gelegt, um vernünftige Vergleichsmöglichkeiten zu den Menschen vorstellen zu können.
Die Mimik der Damen verriet, dass keiner diesen Umfang an Betrügereien ihrer Schwestern erwartet hatte. Beklommene Blicke wurden zügig unter den Gästen ausgetauscht und Synfera übernahm noch einmal das Wort. "Ich denke, nach diesem ersten Zwischenstand stehen ausreichend Finanzmittel zur Verfügung, um neue und dringend erforderliche Projekte der Schwesternschaft zu finanzieren. Zudem müssen wir neue und zukunftsträchtige Ausbildungsgänge geschaffen werden und die neuen Berufszweige auch in das Gehaltsgefüge unserer Schwesternschaft eingefügt werden. Ich denke, dass wir rasch alle Probleme lösen können, wenn wir eng zusammenarbeiten. Zumal wir auch einige Villen und Hotels an günstigen Standorten zur Verfügung stehen haben, die wir für unsere Zwecke bestens nutzen könnten. Dazu mehr, wenn wir diese Punkte im Detail nachher besprechen." Dezent wies sie auf das Essen. "Das ist genau das Essen, welches wir uns nur noch leisten könnten, wenn unsere diebischen Schwestern weitere Vermögenswerte heimlich beiseite geschafft hätten." Die Blicke wanderten nun über das karge Mahl, welches ihnen präsentiert wurde.
Nach diesem Schrecken tranken die Damen einen Tee und studierten die bereitgestellten Unterlagen. Fassungslos musterten sie die Belege und das Ausmaß an Dreistigkeit mancher Schwestern.
XXX
Im ersten Schritt wurden die Gehälter der verschiedenen Berufe in der Schwesternschaft neu geordnet und die Gehälter der neuen Berufsgruppen festgelegt. Allen Schwestern war klar, dass an manchen Gehältern noch eine Feinjustierung notwendig war, aber diese Entscheidungen wurden auf den großen Hexenrat verschoben. Im zweiten Schritt wurden die neuen Ausbildungsrichtlinien optimiert, um weitere Berufe möglich zu machen. Vier Hexen wurden beauftragt, die ersten Entwürfe zu verfeinern, da sie als Lehrkräfte besser einschätzen konnten, was junge Schwestern lernen mussten und wie sich die Lernfortschritte forcieren ließen. Vier Schwestern wurden ausgewählt, um Lernhindernisse zu beseitigen und binnen eines Jahres einen Bericht vorzulegen. Nach dem gemeinsamen Essen und einer Teepause gingen sie das nächste Thema an.
Es war brisant, da erste Eckpunkte für die Bestrafung der diebischen Schwestern festgelegt werden mussten, weil die Bestrafung von kriminellen in den Rechtsvorschriften nicht enthalten waren. Erst jetzt diskutierten sie einzelne Fälle von Hexen, die sich übermäßig an ihrem Vermögen bereichert hatten. Vier Hexen hatten große Werte über Jahrzehnte hinweg in ihren Besitz gebracht. Erst als sie die Namen der diebischen Hexen offenbarte traf alle Schwestern der Schock. Es waren zumeist die keine wichtigen Funktionen inne hatten. Die Leiterin der Schnappsbrennerei und eine Kräuterhexe griffen gerne und oft in die Kasse. Auch die anderen Fälle waren brisant, da manche altgediente Hexe an Maßlosigkeit kaum zu übertreffen war. Sogar Niala staunte, was Synfera herausgefunden hatte. Schnell wurde man sich einig diesen Damen die Magie zu nehmen, um einerseits dem Treiben ein Ende zu setzen und ein deutliches Exempel zu statuieren. Synfera plädierte dafür endlich in allen Betrieben moderne Software zum Einsatz zu bringen und alle geschäftlichen Transaktionen über eine einzige Bank laufen zu lassen, die von Hexen geführt wurde. Lebhaft beschrieb sie die Vorzüge, denn die Bank überwachte zukünftig sämtlich Geldbewegungen. Zwei namhafte Hexen sollten zudem die Bank überwachen, um einen Missbrauch der Gelder durch die Bank zu unterbinden. Zugleich riet Synfera eine Position zu schaffen, die sich mit Beschwerden zu beschäftigen hatte, um jederzeit schnell auf aufkeimende Ungerechtigkeiten reagieren zu können.
Nach einer längeren Pause stellte Synfera die neuen Projekte vor. "Meine lieben Schwestern, wir müssen dem Zeitenwandel und der Entwicklung der verschiedensten Technologien Rechnung tragen. Das bedeutet, dass wir hier ein Ausbildungszentrum für sämtliche Hexen zu schaffen, um sie mit der heutigen Technologie, also einem Handy und den Programmen auf diesen Rechnern vertraut zu machen. Zudem benötigen wir Unterstützung durch Menschen, die sich um unsere Steuerangelegenheit kümmern und mindestens eine Juristin, die unsere Angelegenheiten gegenüber Gerichten vertritt. Wir können nicht länger unsere Augen vor dem Zeitenwandel verschließen, sonst verlieren wir möglicherweise mehr als uns lieb ist. Ich möchte nur eine Frage stellen! Wie viel Grundbesitz nennen wir unser Eigentum? Ich glaube kaum eine Schwester besitzt darüber Kenntnis. Wir verfügen über fünftausend Hektar Waldfläche und einen Gewinn ziehen wir aus keinem Waldstück. Daher werden wir auch hier Veränderungen einführen müssen. Von heute an verschenken wir nicht mehr das Holz, sondern eine Hexe wird sich um den Verkauf von unserem Holz kümmern, denn damit kann man sehr viel Geld verdienen. Ich denke mehr als zwei Millionen Euro pro Jahr. Wir besitzen zudem sechstausend Hektar Weide - und Ackerland, an denen wir auch keinen Euro Gewinn machen. Auch hier könnten wir Gewinne einstreichen, wenn wir es selbst für unsere Zwecke nutzen würden. Selbst mit unseren umfangreichen Liegenschaften, wie Industrieflächen und Wohngebäuden machen wir keinen Cent Gewinn. Ich erachte es als notwendig, dass wir eine Art Immobiliengesellschaft gründen, um auch den dreitausend Immobilien Einnahmen zu generieren, um unsere Schwestern auch zukünftig angemessen entlohnen zu können. Ferner könnten wir die Einnahmen dazu nutzen, um allen Schwestern einmal in einem Jahr einen längeren Urlaub zu gewähren. Zugleich können wir damit besser als bisher unsere Heilerinnen und die Krankenhäuser zu unterstützen. Bei den Menschen ist dieses schon seit Jahrzehnten der Fall. Also warum sollten wir nicht auch einmal etwas von den Menschen übernehmen, um unser Leben angenehmer zu gestalten. Ferner erhält jede Schwester von uns ein Handy, damit wir schnell Nachrichten an alle Schwestern versenden können. Die notwendigen Investitionen stehen auf Seite zwanzig von unserem vorläufigen Finanzbericht. Ferner Planen wir eine schlagkräftige Truppe zu unserem Eigenschutz aufzubauen, was natürlich ebenfalls einiges kosten wird."
Die Vielzahl an Innovationen überforderten bereits einige Schwestern, weil Synfera Summen nannte, die immer wieder Millionenbeträge kosteten. Mancher Dame wurde schwindelig, als Synfera die Kosten der ersten Schritte angab. Geschickt schob sie den derzeitigen Kassenstand bekannt, damit keiner Schwester das Blut in den Andern stockte.
"Ich erachte es als notwendig, dass sich alle Schwestern an dieser längst überfälligen Diskussion beteiligen. Ferner bitte ich darum, dass sich noch mehr Damen an diesem Projekt beteiligen, um beispielsweise sämtliche Schwestern an notwendige Anpassungen zu beteiligen. Macht Vorschläge und sendet sie mir. Zudem bemerkte ich, dass viele Schwestern überall durch ihre Rückständige Kleidung und Frisuren auffallen. Auch zu diesem Thema müssen wir uns etwas einfallen lassen. Ich möchte zudem Anregen, dass wir uns in einer nächsten Runde über weitere Entwicklungsschritte unterhalten. Denn nur dadurch verlieren wir nicht den Anschluss an die moderne Zeit." Synfera trat vom Rednerpult zurück und schaute sämtliche Damen an, um zu überprüfen, wie die Damen zu ihren Anregungen standen. Sofort erhoben sich vier Damen, die ihre Meinung kundtun wollten. Synfera ahnte, was die Damen sagen wollten, daher blieb sie gelassen. Isolde fragte: "Sind diese Schritte alle erforderlich. Derzeit fühle ich mich überfordert, weil ich mir zu diesen Themen bisher keine Gedanken machen konnte. Sicherlich sind Veränderungen notwendig, aber so viele Veränderungen binnen so kurzer Zeit, dass wird sicherlich manche Hexe überfordern." Elody fragte voller Optimismus: "Wann beginnen wir mit der Aufstellung der Truppe?" Theresa schaute deprimiert in die Runde. "Ich sah die Schandtaten einiger Schwestern und ich denke, dass wir dringend etwas verändern müssen, um überleben zu können." Niale folgte als letzte Person. "Veränderungen sind dringend notwendig. Hunderte Vergehen von Schwestern fordern mich jedes Jahr. Daher sind viele Veränderungen dringend notwendig, um unser aller Überleben in dieser Zeit erreichen zu können. Seht euch nur Isolde und ihre Freundin an. Sie tragen moderne Kleidung und passen sich an. Zugleich sehe ich immer noch hunderte Damen, die sich immer noch so kleiden, wie vor eintausend Jahren. Polizisten nehmen unsere Schwestern in Gewahrsam, weil alle Leute denken, geistig verwirrte Damen vor sich zu haben. Nein, so darf es nicht weitergehen, denn so zerstören wir unser friedliches Leben und zerstören gleichzeitig unsere Existenz. Verzeiht, aber ich werde Synfera bei vielen Projekten den Rücken stärken, damit wir weiterhin mit beiden Beinen im Leben stehen können und eine Zukunft gewinnen."