"Ja, Niala, es gibt mehr als einen vagen Hoffnungsschimmer, um aus der antiquierten Damenriege oder sollte ich sagen dem verstaubten Kaffeekränzchen eine moderne Organisation zu machen. Aber, das bedeutet, dass wir viel Überzeugungsarbeit bei den Damen leisten müssen. Ich schätze bestenfalls vierzig Schwestern können eingeschränkt mit einem PC und dem Drucker umgehen und nur wenig mehr haben ein Handy." Niala nickte zustimmend, während Synfera die nächsten Gedanken vorbereitete. "Zusätzlich müssen wir manch alten Zopf entfernen, was die Bekleidung angeht und das äußere Erscheinungsbild der Damen in der Öffentlichkeit, schließlich wollen wir ja nicht nur als absonderliche alte Weiber wahrgenommen werden. Manche altgediente Damen laufen rum, wie runtergekommene Vogelscheuchen und der Kopfputz sieht aus, wie ein gerupftes Vogelnest. Nagellack und Lippenstifte kennen die Damen nicht und die Schuhmode aus dem zwölften Jahrhundert ist auch nicht so mein Ding. Insgesamt müsste man manches miteinander verbinden, damit sie bereit sind erste zaghafte Schritte in Richtung einer Modernisierung zu wagen. Also die finanzielle Entwicklung und die Modernisierung der internen Strukturen sowie der Berufsgruppen. Ich weiß nicht, wie viel Geld man mit Kräuterschnaps verdient, aber mit Immobiliengeschäften oder Tourismus verdient man sicherlich mehr. Das war natürlich nur ein erster zarter Vorschlag. Zudem sollten die interessierten jungen Leute zu uns kommen, damit würde die Suche nach Sternschnuppen erleichtert und vielleicht gehen ja auch noch andere Dinge, die man verbessern könnte." Niala freute sich und stimmte ihr zu. "Sprich weiter Synfera. Deine Ideen sind erfrischend. Ich habe bisher nur vierzehn richtige Mitstreiterinnen gefunden, die bereit sind alte Gedankenwelten und ausgelatschte Wege über Bord zu werfen . Aber sie haben auch nicht den rechten Mut, um eigenständig Veränderungen herbeizuführen. Insgesamt stehen unsere Karten also schlecht, wenn man die Masse an eigenbrötlerischen Hexen betrachtet, die gemütlich in ihrer kleinen Welt leben. Manche haben seit fünfhundert Jahren nicht einmal mehr ihr eigenes Haus verlassen, weil sie immer noch denken, dass sie auf einem Scheiterhaufen enden könnten."
Synfera lachte laut auf, während sie gemächlich über den Strand schlenderten. Hin und wieder gönnten sie sich Zeit zum überlegen oder um die Zeit am Strand zu genießen. "Niala, vielleicht schreckte manche Schwester nur die Ungewissheit und daher müssen wir einen leichteren oder eleganteren Ansatz finden, um interne Veränderungen herbeizuführen. Überlege doch mal einfach und erinnere Dich an Deine Kindheit. Hattest Du nicht auch Angst vor unbekannten Dingen?" Synfera verwandelte sich gerade in ein Fisch und sprang ins Wasser, um für längere Zeit abzutauchen. Sie vollführte gerade etwas, was sie bisher nicht machen konnte. Niala war überrascht, weil sie mit so einer Art von Magie oder Demonstration nicht gerechnet hatte. Ohne es zu spüren stand Synfera still hinter ihr. "Mit Ablenkungen fängt man Fische oder Schwestern. Setze ihnen dröge Hausmannskost vor und schwärme von einem wirklich leckeren Essen, so weckt man unterschwellig Bedürfnisse. Startet eine erste Mitmachaktion, bei der es ansprechende Preise zu gewinnen gibt. Richtet eine Hexenzeitung ein, in die wir gezielt hinweise auf ein besseres Leben einstreuen können. Natürlich müssen wir auch die Ausbildung ein wenig modernisieren und neue Fächer einfügen, wie eine Computerschule, Styling und Kommunikation." Die unzähligen Fragezeichen in Nialas Augen waren unübersehbar. "Also wir müssen die Schwestern sanft aus der Lethargie reißen, halt so weit es geht. Ablenkungen sind notwendig, damit sie glauben ein Ziel zu sehen und hinterfurzig wie wir sind - lenken wir sie in die gewünschte Richtung. Ich dachte mir, dass wir verschiedene neue Unternehmen gründen, die auf den bisherigen Erzeugnissen aufbauen und nach pfiffigen Schwestern suchen, die darin Aufgaben übernehmen und nebenher als Multiplikatoren dienen. Schaffen wir es, mehrere Gruppen von Schwestern zu mobilisieren, dann können wir sie auch überzeugen, ihre Pflichten zu erweitern. Ja, die Schwestern müssen aus eigener Initiative Veränderungen anstreben, weil wir einen netten Trick anwenden. Wir engagieren ein paar normale Frauen, mit denen sie zusammenarbeiten und von denen sie mit Sicherheit vieles lernen können. Konkurrenzdruck mobilisiert oft ungeahnte Kräfte. So ist es zumeist bei nichtmagischen Menschen." Dabei rief sie eine magische Leinwand auf und projizierte ein paar Lehrfilme aus ihrer Vergangenheit auf die Oberfläche. Niala schaute gebannt zu. Nebenher schuf Synfera eine Art Masterplan für die Modernisierung. "Jetzt meine liebe Niala fehlt nur noch ein Strategiepapier und nicht zu vergessen ein cleveres Spiel, welches wir allen Schwestern schenken. "Niala stutzte: "Was für ein Spiel? Wozu soll das dienen? Verzeih, aber was soll das."
Synfera schaute in die Luft, um sich die Sätze durch den Kopf gehen zu lassen. "Also, Niala, das ist heute so in der modernen Marktwirtschaft. Google fischt Daten ab, um Profile der Personen zu erstellen. Alle Schwestern bekommen ein Handy, darauf ist ein Spiel und die Schwestern können dabei - ohne es zu wissen - Wünsche äußern. Den Daten können wir entnehmen, welche Schwestern mitdenken und welche Ideen sie haben. In der nächsten Runde erhalten sie kleine Geschenke oder nenne es meinethalben Köder. Sie machen drei Tage frei und lernen dabei mit einem Handy umzugehen, clevere Schwestern lernen den PC kennen und mit diesen Ideen und der Bildung können wir dann auf die Schwestern zugehen und sie überzeugen, dass sie Modernisierungen wünschen. Und stelle Dir nur vor, wenn mehr Schwestern zivilisiert gekleidet ihre Arbeit verrichten würden. Das bewirkt, dass wir weniger Schutz brauchen und die willigen Schwestern können so den Umsatz deutlich steigern." Noch lange redeten sie über diverse Ideen, damit aus ersten Gedankenansätzen gangbare Wege wurden und aus den Wegen ein Hoffnungsschimmer entstand, um die magische Hexenwelt auf den normalen technischen Stand zu bringen und vielleicht das Strickzeug nur noch in kalten Winternächten gebrauchten, wenn sie von der Arbeit entspannten.
Die Ideen gefiel Niala, weil sie endlich wissen würde, welche Schwestern mit ihnen an einem Strang zogen. Am Abend wollten sie mit kleinen Tricks bei einer Karibikfeier die ersten Damen testen, damit Niala das System von Synfera und den Nutzen der ersten Maßnahmen verstand. Die Begeisterung der Schwestern war enorm und eifrig spielten sie mit den ihnen eigentlich unbekannten Geräten herum. Sie konnten jetzt jederzeit Musik hören, Wetternachrichten schauen und bekamen erste Modetipps, vollkommen kostenlos. Und schon begann die Diskussionen unter den Schwestern, wo man das eine oder andere beschaffen könnte. Natürlich sahen die Damen, dass Niala und Synfera bedeutend fescher herumliefen als sie selbst. Zudem sahen die modernen Badeanzüge bedeutend schicker aus, als die selbstgehäkelten Badekleider, die sich bei jedem Wasserkontakt deutlich deformierten. Sie sahen auch die glatte Haut und die modernen Frisuren. Ein schwaches Wunschdenken entbrannte, denn es war unverkennbar, dass Frauen in moderner Kleidung mehr Blicke auf sich zogen.