Die Vorbereitungen für Trudes Ernennung zur Hexe des Jerusalem Ordens befanden sich im Endstadium. Der große Saal in der Villa war prächtig geschmückt und das Buffet erschien Trude unangemessen üppig, so als sei sie eine Königin. Über vierzig namhafte Schwestern aus dem In - und Ausland hatten sich angemeldet, um ihrem ersten großen Schwur beizuwohnen. Herzmine würde jedoch nicht erscheinen. Edeltraud hatte ihr gesteckt, dass sie gerade irgendwo in der Atacama Wüste steckte und seltene Trockenpflanzen sammelte. Sie wusste, dass es wieder ein Blutkult werden würde, aber dieses Mal war es nicht so arg. Mit Magie wurden die Kultbilder in ihre Haut eingegeben. Zu diesem Zweck hatte sie extra ein Gewand bekommen, dass sich leicht abstreifen ließ damit dieser Teil der Zeremonie nicht so viel Zeit erforderte. Mehr hatte man ihr nicht zugetragen, da es offenbar ein geheimer und zugleich höchst intimer Akt war, den Novizinnen nicht zu kennen brauchten.
Innerlich war sie bereit ihren neuen Namen zu empfangen, denn der Name Trude war nur für die Novizenzeit vergeben worden. "Isolde hätte mir ruhig stecken können, wie mein endgültiger Name lautet. Aber in diesem Punkt war sie verschwiegener als ein einbetoniertes Grab." Mit einem Blick erfasste sie das Eintreffen der ersten Gäste. Asja erschien, dazu sämtliche Prüferinnen und Lehrerinnen, die sie binnen der letzten drei Jahre betreut hatten. Als letzte würden ihre beiden Mentorinnen eintreffen und natürlich Brigta, die Vorsteherin dieses Hexenkreises. Zu ihrem Erstaunen erschienen sogar Damen aus fernen Ländern, die vermutlich von Isolde eingeladen worden waren. Der Grund hierfür war für Trude durchschaubar. Sie wollten mit ihrem bestes Pferd im Stall glänzen. Eine Dame schien aus dem Fernen Osten zu stammen, denn ihre Gesichtszüge wirkten bezaubernd asiatisch und dazu die aufwendigen Seidengewänder. Ismene und Norpura eine afrikanische Hexe erschienen ebenfalls. Neugierig schüttelte sie den Kopf. "Ich bin doch nur eine einfache kleine Hexe. Dafür so einen Aufwand zu betrieben, halte ich für vollkommen übertrieben." Alle Gäste brachten offenbar Geschenke mit, denn auf ihrem Gabentisch sammelten sich allerlei Geschenke. Mit dem neuen Namen gab es immer auch die ersten magischen Gaben, die natürlich immer auch eine gewisse Verpflichtung gegenüber den Spendern darstellten. In ihrem Inneren bereitete sie sich nun darauf vor, alle Prozeduren gelassen zu überstehen. Ruhig begab sie sich zu ihrem Platz und wartete auf die bevorstehenden Akte und mögliche Reden.
Isolde betrat das Zentrum des Kreises und sofort setzte ein tiefes Schweigen in dem Saal ein. "Hochverehrte Schwestern, Willkommen in diesem schlichten Saal. Der Anlass ist bekannt und mit großer Freude wollen wir eine neue und vor allem noch sehr junge Schwester in unseren Kreis aufnehmen. Anders, als bei anderen Ernennungen wird es heute ein wenig schwieriger, denn es wird einige Besonderheiten geben. Tschü Jü eine Schwester aus dem Jadeland wird ihr die endgültigen Tiersymbole verleihen. Da sie unsere Sprache nicht spricht, werden wir von nun an alle Nachrichten in Fasi austauschen, damit alle Teilnehmerinnen jederzeit über jeden Schritt der Feierlichkeiten unterrichtet sind. Zudem, Trude erhält zwei zusätzlich Tiersymbole verliehen, die sie sich durch Fleiß und besondere Leistungen während ihrer Ausbildung verdient hat. Danach erfolgt die Ernennung in ihre Ämter und die Namensgebung." Mitten in diese Worte platzte eine nobel gekleidete Hexe, die von vier Hexen begleitet wurde. Alle Anwesenden verbeugten sich sofort devot vor der Dame. Über ihre Gedanken bekam sie mit: "Und erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Niala ist erschienen, die Tochter der Magie und oberste Diplomatin." Wer diese Botschaft in die Runde entlassen hatte war nicht feststellbar. Verdutzt schaute Trude zu Niala, die eine königliche Aura ausstrahlte.
Eine von Nialas Begleiterin trat dezent vor und entrollte ein Schreiben, um direkt danach laut den Text vorzutragen. "Allen Anwesenden ein herzliches Willkommen. In den letzten dreihundert Jahren gab es kein vergleichbares Ereignis mit so einem Gewicht. Trude wird den Namen von meiner Prinzessin erhalten und sie wird die Zeremonie leiten. Immerhin hat sich Trude bereits viele Meriten erworben. Durch ein sichtbares Symbol soll dies allen Mitschwestern kund gegeben werden. Zunächst soll Trude ihren Rücken frei machen, damit diese Prozedur mit dem nötigen Respekt und in aller Harmonie mit den Schöpfern vollzogen werden kann. Isolde wird den Kammerzauber aufrufen, damit wir in den nächsten Stunden ungestört die Riten abhalten und feiern können. Trude erhob sich und machte ihren Rücken behände frei und stellte sich vor die Sprecherin. Nebenher hörte sie die Anweisungen und die Symbole, die sie verliehen bekam oder zusätzlich in ihre Haut geritzt werden sollten. Magie umfing sie wie wogende Wellen und sie spürte kaum eine Berührung, als die magische Klinge die Zeichen auf ihrem Rücken verewigten. Sie hörte nur die Namen der Symbole. Sie erhielt noch das östliche Drachensymbol, das Pferd, den Hammer und die Waage verliehen. Aus welchem Grund, konnte Trude sich nicht erklären. Gelassen ließ sie diesen notwendigen Akt würdevoll über sich ergehen. Mit intensiver Magie wurden die Wunden sofort verheilt. Dieses Mal wurden die Symbole nicht mit einem Bluttuch abgedeckt, sondern sie erhielt nun ein Tuch, auf dem jetzt sämtliche magischen Symbole auf ihrem Rücken abgebildet waren. Eine junge Hexe reichte ihr kurz darauf ein Seidengewand und legte ihr eine goldene Kette um, an der sämtliche Symbole auf goldenen Anhängern abgebildet waren. Alleine schon dieses Geschenk überstieg Trudes Vorstellungen von einem angemessenen Geschenk, denn sie spürte das Gewicht der Kette samt den Anhängern sofort. Es musste ein Vermögen gekostet haben, um diesen Schmuck herzustellen. Überwältigt von diesem Geschenk bedankte sie sich sofort bei Niala mit einer stillen Geste.
Niala ließ eine zweite Hexe vortreten, die ebenfalls ein Pergament entrollte. "Verehrte Gäste und Trude. Der heutige Tag ist ein besonderer Tag für die Hexen Schwesternschaft. Trude erhält nun ihren endgültigen Namen. Im Rahmen der Traditionen mussten wir lange suchen, bis wir einen angemessenen Namen für sie fanden. Die vorgeschlagenen Namen, wie Alexandra, Nerthus, Demeter wären zu einfallslos und erschienen meiner Herrin unangemessen. Daher wählte sie den Namen Synfera, für die neue oberste Richterin von Europa. Mit dem Amt verbunden ist auch die Pflicht eine kleine Schutztruppe aufzubauen und bei allen internationalen Verhandlungen und Gerichtsbarkeiten anwesend zu sein. Die Truppe darf zwanzig Schwestern nicht übersteigen und soll mit allem ausgestattet werden, was dafür erforderlich ist. Sie soll zukünftig allen anderen Richterinnen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Zur Ausübung ihres Amtes wird ihr ein altes und heiliges Rittergut in Oerlinghausen übergeben. Ferner legen wir fest, dass sie einen neuen Weltenbaum pflanzen soll und den Platz dafür sorgsam auswählen möchte. Yggdrasil oder Mimameid benötigt einen würdigen Platz, um seine Strahlkraft neu zu entfalten. Der Baum soll nicht zu weit von den Externsteinen oder wie wir es nennen - von den ehrwürdigen Silbersteinen der Magie entfernt liegen. Für die Zwecke der Gerichtsbarkeit erhält sie den Platinhammer, der jedes Urteil in allen Sprachen verkünden soll. Ferner, soll Synfera ein Buch schreiben, welches die Geschichte und das Wirken der Hexen dokumentiert. Sie erhält den Ehrentitel Förderin des Wissens, denn all ihre Arbeiten zeichnet ein hohes Maß an fein ausgewogenen Wissen aus. Schon lange wollte ich diese Aufgabe vergeben, aber bisher fand sich keine Schwester, die sich dieser ehrenvollen Aufgabe annehmen wollten. Das Buch soll mir in elf Septen vorgelegt werden. Näheres zu den Einzelheiten klären wir bei Deinem Besuch bei mir. Isolde wird Dich sicher gerne zu mir begleiten."
Alle Anwesenden schwiegen und Trude oder Synfera waren überwältigt. Niala trat nun direkt vor Synfera und reichte ihr noch einen Dolch. "Das ist der Dolch der Gerechtigkeit. Dieser kleine Begleiter beinhaltet uralte Magie, die vermutlich von den Schöpfern stammt. Er schneidet jedoch nur den Kern der Wahrheit aus dem Geist der Täter. Nein, es wird dabei kein Blut fließen, aber er ist in der Lage die Wahrheit in den Raum zu projizieren. Hüte diesen Schatz, er ist mehr Wert als jedes Schmuckstück dieser Welt, denn dieser Dolch ist eine herausragende Machtinsignie, die uns von den Schöpfern übergeben wurde. Dieser Dolch macht Dich für alle Schwestern dieser Welt unantastbar und dokumentiert Deine besondere Stellung in unserer Gemeinschaft. Für Dich bedeutet es aber auch, dass Du manche unangenehme Gedanken zugetragen bekommst. Ich betone, kein Geheimnis bleibt diesem Objekt verborgen, egal ob durch Magie, dickste Mauern oder durch Kontinente getrennt."
Kurz schwieg die Sprecherin, während Niala ihr freundlich zulächelte. "Nun aber ran an das Buffet, bevor die Schwestern uns die leckeren Feigen und assyrischen Schinken noch vor der Nase wegnaschen. Immerhin kenne ich meine Schwestern schon einige Jahrhunderte." Synfera war vollkommen verdattert, binnen weniger Stunden war sie von einer Novizin zu einer ranghohen Hexe aufgestiegen. In ihren Gedanken formte sich nur ein Satz: "Und erstens kommt es anders ........." Erst jetzt erkannte Synfera, dass Niala bestenfalls wie eine junge Frau von Anfang dreißig wirkte und eine wirklich ansprechende Erscheinung war. Bei dem nachfolgenden Imbiss flüsterte Niala ihr etwas zu: "Du bist noch jung und stammst aus einer anderen Zeit, daher wird es auch Deine Aufgabe sein, mich bei der Modernisierung der antiquierten Hexenzirkel zu unterstützen. Keiner darf diesen Inhalt jemals erfahren. Denn so wie bisher kann und darf es nicht weitergehen." Unauffällig gab sie ihren vier Begleiterinnen danach ein Zeichen und sie entschwanden kurz darauf. Erst jetzt gratulierten ihr die Schwestern mit freundlichen Worten und Umarmungen. Noch längere Zeit wurde gespeist und nette Geschichten oder Jugendsünden ausgetauscht. Erst nach dem nachfolgenden Gelage endete das Fest.
*******
Erschöpft verbrachte sie die Nacht grübelnd in ihrem Bett. Einerseits kreiste ihr Gedanke noch über die Worte von Niala und zudem fragte sie sich, was dahinter stecken mochte. In ihren Gedanken kam es einer Verschwörung gleich, aber Modernisierungen gab es immer und überall. Erst danach fiel ihr ein, dass sie noch die Geschenke sichten musste, um sich entsprechend zu bedanken. Noch hatte sie kein Geschenk genauer betrachtet und wusste, wer welche Gaben übergeben hatte. Aber dem ersten Augenschein nach waren mehrere Bücher dabei. Und sie realisierte, dass ein erneuter Umzug anstand. Darüber schlief sie ein. Den Dolch der Gerechtigkeit hatte sie sich mit einem Lederriemen vorerst um den Hals gehängt.
Am Morgen kehrte sie offenbar als erste in den Festsaal zurück und betrachtete die reichhaltigen Gaben. Neben wertvollen und alten magischen Büchern fand sie wertvolle Stoffe, Geschirr und Hausrat samt einer Liste mit allen Gütern, die sie später erhalten sollte, wenn sie ihr neues Heim bezog. Zudem erhielt sie ein Auto, was sie stutzen ließ und sie packte auch noch eine Sammlung seltener Mineralien aus, die für viele Zwecke verwendet werden konnten. In einem Kessel fand sie Edelsteine, die ebenfalls einen unermesslichen Wert darstellten. Schmuck und vielerlei Hexenausrüstung befand sich auch unter den Gaben. In kleinen Kartons sah sie sogar magische Waffen, allerlei magische Tränke und natürlich einen Vorrat an geistigen Getränken, der mit Sicherheit von Isolde stammte. In einem Briefumschlag fand sie eine Art Gehaltsabrechnung und eine hexentypisch verklärte Umschreibung ihrer neuen Bezüge. Aus einer Kartenrolle fischt sie drei Karte mit allen Sprungzielen für ihre Reisen und sämtlichen Orten, die ihr zukünftig offen standen. In einem kleinen Buch standen die entsprechenden Beschreibungen und Hinweise auf Schwestern, die in der Nähe wohnten. Mehrfach schüttelte sie den Kopf. "Ich habe schon ein paar liebevoll verrückte Schwestern. Das sie mir solch schönen Geschenke machen."
Sie stöberte weiter und fand alles, was sie von nun an benötigte, wie ein Alchemie Labor, Rohgold und Rohsilber, eine Edelstein Schleifanlage, Werkzeuge und ein Satz bester Stichel zur Bearbeitung sämtlicher Materialien. Zuletzt fand sie noch Briefe von den Lehrkräften und einen magischen Gürtel, der mannigfache Schutzzauber enthielt. In dem letzten Karton lag das Geschenk von Niala, eine Kristallkugel, die so etwas, wie ein antikes Handy darstellte und einen Brief, der die Beweggründe für ihr Erscheinen enthielt. Sie erfuhr bei dem Lesen, dass eben nicht alles in der Hexenwelt zum Besten stand und sie durch ihre Leistungen weit aus der Masse heraus stach. Offenbar hatte Niala eine eigene und recht konkrete Vorstellung über die Zukunft des Hexenordens, den sie nur in vagen Worten umriss. Das Ziel war jedoch exakter beschrieben. Aus den Hexenzirkeln sollte eine Organisation werden, die dem menschlichen Standard entsprachen. Zudem sollte zukünftig jede Abteilung über eine exakte Buchführung verfügen und sehr viel Neuland betreten werden.