Kaum war Niala durch die Tür entschwunden, als eine junge Dame auf sie zutrat. "Hallo Isolde und Synfera. Ich bin Nixe und zugleich Deine zukünftige Professorin für Frühgeschichte. Wo ihr schon einmal hier seid, könntet ihr mit mir eine kleine Tour durch das griechische Altertum machen. Ich wollte mit euch nach Mykene reisen, welches einst eine Küstenstadt war. Dann möchte ich versuchen, ob Synfera mir vielleicht mit ihrer Magie behilflich sein kann. Isolde kann ebenfalls ihren Beitrag leisten, denn auch sie trägt besondere Gaben in sich. Ich habe neben der Tür kleine Rucksäcke für den Ausflug bereitgestellt, in denen Proviant und Wasser für den Tag stecken, sowie Stirnlampen und Helme. Eure Ausweise klemmen an den Rucksäcken. Jetzt ist noch einmal Gelegenheit, um sich zu erfrischen oder andere dringende Erledigungen zu verrichten. Ich denke, in einer viertel Stunde sollten wir nach Mykene springen. Ich besitze dort ein kleines Haus, aus dem wir danach zur Ausgrabungsstätte gehen und die Tholosgräber besuchen. Bei diesen Grabanlagen ist für mich besonders wichtig, welche Empfindungen sie in euch auslösen und ob ihr deren Besonderheiten mit euren Sinnen aufspüren könnt. Ich besitze leider nicht so ausgereifte Gaben, das ist irgendwie verhext, aber es ist halt so." Elegant drehte sich die junge Dame ab und deutete auf eine Schüssel mit Melonen, die zubereitet bereit stand. "Greift zu, da draußen ist es inzwischen unerträglich heiß. Jeder Tropfen Flüssigkeit zählt bei diesem Temperaturen. Vergesst die Sonnencreme nicht, denn die Sonne können wir mit unserer Magie nicht austricksen."
Gerne griffen sie zu und danach machten sie sich für den Ausflug bereit. Binnen eines Augenblicks standen sie in einem unscheinbaren Haus, dass in der Nähe vom Mykene stand. Forsch passierten sie die Geldeintreiber in den Kassenhäuschen, die stetig versuchten sogar von den Archäologen Geld für den Durchlass zu erpressen. Lächelnd sagte Nixe: "So sind sie die indirekten Nachkommen der Griechen, sie wollen immer nur Geld haben, was ihnen nicht zusteht. Manche nennen es geschäftstüchtig und andere halt anders. Jede Form von Geschenken vergessen sie binnen weniger Momente. Zuerst besichtigen wir das Löwentor, das Isolde bestimmt kommentieren kann. Schließlich kennt sie sich mit diesen Tieren und der Symbolik bestens aus ihrer Jugend aus." Sie verharrten nur kurz vor dem Löwentor, als es förmlich aus Isolde heraus brach. "Das Löwentor ist vollkommen anders als in der Palastkultur von Kreta, hier sehen wir eine Mischung aus zwei differenten Kunstrichtungen. Wir können die eine Kulturrichtung als persisch bezeichnen und die reife Formgebung den Dorern zuordnen. Hier ist der erste Knackpunkt in der Geschichte, die Dorier sind Einwanderer aus dem Norden, die ihre Herkunft auf Mainfranken beziehen. Erwähnenswert an der Plastik sind die dargestellten Objekte. Zwei Löwen und eine Säule die zwischen ihnen steht. Aber, dass kann nicht vollkommen richtig sein, denn die Säule zwischen den Löwen deutet auf einen unbekannten Ursprung hin, denn diese dorischen Säulen wurden erst viel später erfunden. Natürlich versuchen Gelehrte uns zu erklären, dass sie das Wissen eventuell von den Ägyptern ererbt hätten, aber das ist ein sehr alter Fehler von dümmlichen Kerlen, die niemals einen Blick über den Tellerand wagten." Dezent nickte Nixe. "Und was fällt Dir auf Synfera?" Mit einem Blick musterte sie die Steine. "Es ist eine immense Weiterentwicklung des Neolithikums, es erinnert mich an die Großsteingräber der Jungsteinzeit und 3500 vor Christi, wie man sie in Norddeutschland, Skandinavien und in Nordwestfrankreich findet. Die Besonderheit hier ist, dass es einen besseren Bearbeitungszustand der monolithischen Blöcke gibt, ähnlich wie in Stonehenge. Die Löwenbilder habe ich bei irgendwelchen Höhlenbildern in Frankreich oder Spanien schon einmal gesehen, wo fällt mir allerdings im Moment nicht ein."
Nixe klatschte. "Prima und einen dank an euch beiden, nun wollen wir zu den Tholosgräbern, die möglicherweise noch verhexter sind, denn es gibt sie nur in einem eng begrenzten Raum, wenn man die rosarote Brille absetzt. Dazu mehr, wenn wir einige dieser Bauwerke besichtigt haben."
Anders als erwartet marschierten sie in der flirrenden Hitze über die staubigen Ziegenpfade, um die verschiedenen Kuppelgräber zu begutachten. Freudig sprach Nixe sie an nach der Besichtigung der Bauwerke an. "Was haltet ihr von diesen Monumenten?" Prompt antwortete Isolde. "Es ist wie verhext, aber die Steine sprechen nicht mit mir. Zuerst hatte ich das Gefühl, als würde mir jemand Texte aus dem Sanskrit vorlesen, aber dann hatte ich das Gefühl, als würden sie eine mir unbekannte Sprache sprechen. Ich verstand nur die Worte Tebbel, was wohl Hügel bedeutet." Betretenes Schweigen umfing sie und Nixe schaute zu Synfera. "Ich hatte einen differenten Eindruck. Es mag zwar lächerlich klingen, aber es erinnerte mich an einen Ausflug mit der Schulklasse nach Helgoland. Damals hörte ich auch diese Stimmen, die mir sagten, dass die Atlanter einst dort siedelten. Natürlich waren es andere Völker, eines nennt sich Dorsen und die anderen sind die Vasen. Neben zwei der besichtigten Kuppelgräber gibt es noch unangetastete Gräber, die außerhalb der Mauersetzungen liegen. Ich kann es dir auf einer Karte einzeichnen. Ach - und noch eine Kleinigkeit. Die Gräber wurden von unseren Urahnen verhext oder besser gesagt geweiht. Die Ursprache war Arianisch, während das hiesige Volk eine mir fremdartige Sprache sprach, die ein wenig an finnisch, ungarisch oder türkisch erinnert. Ich sah, dass die Urbevölkerung braune Haare besaß und braune Augen hatten, während die Herren blonde Haare und blaue Augen besaßen, so wie Homer es in seinen Werken beschrieben hat. Eine Besonderheit noch. Alle Herren, die in diesen Gräbern bestattet wurden, trugen Schwerter und rockartige Gewänder. Zudem spielten sie Instrumente, sowas wie Flöten und Okarinen, wie wir sie von Amrum kennen, wo die älteste bekannte Okarina gefunden wurde. Eine anerkannte Kunstsammlerin aus Heiligenhafen erzählte mir, dass diese Flöten schon seit Jahrtausenden genutzt wurden um Enten zu fangen. Aber, ob es stimmt, ich weiß es nicht mehr. Irgendwie fühle ich mich gerade wie verhext aber es kann auch an der großen Hitze liegen, dass ich mich nicht so richtig an die Quelle erinnern kann. Ich weiß auf jeden Fall, dass Du dort die Funde machen kannst, die endlich belegen, was die Archäologen seit zweihundert Jahren wissen und leugnen. Die Griechen waren Nordeuropäer, also die herrschende Klasse. " Stutzend blickte Nixe zu Synfera. "Woher weißt du das?" Mit dem ausgestreckten Arm wies Synfera auf einen Hügel, der etwa sechshundert Meter entfernt lag. In dem noch nicht entdeckten Tholos wirst du eine Sparta oder Urschwert finden, welches mit Runen bedeckt ist. Es wird darum viele Spekulationen geben, aber es wurde im Raum Leer gefertigt. Immerhin besteht es aus Raseneisenerz, den es nur dort gibt." Nixe nickte erfreut.
Synfera lag noch etwas auf dem Herzen. "Eine andere Sache passt noch nicht in das Bild. Es fehlt der Schmuck. In einem Kammergrab in Mykene wurde von dem alten Schliemann Schmuck gefunden und dazu noch andere Grabbeigaben. Hier jedoch fehlen diese Grabbeigaben. Insbesondere das Fehlen von Waffen bereitet mir derzeit Kummer, denn im keltischen und germanischen Einflussbereich war dieses üblich. Somit muss endlich ein unberührtes Grab gefunden werden, um hierzu stichhaltige Aussagen machen zu können. Leider fehlen zu den anderen Ausgrabungen die Grabungstagebücher, die bedeutend aufschlussreicher sind, als die später verfassten Artikel."
Noch lange Zeit disputierten sie die verschiedenen Fakten und deren Auslegungen, die sich etwas alle zehn bis zwanzig Jahre verändern, ohne sich dabei dem Kern der Wahrheit zu nähern.