Isolde und Edeltraud hatten sich überraschend angekündigt. Sie hatten nur durchscheinen lassen, dass sie gemeinsam Sternschnuppen suchen wollten. Trude hatte in ihrem Handy nachgeschaut. "Sternschnuppen sind kosmische Partikel, die bei dem Eintritt in die Atmosphäre durch Reibung mit Molekülen verglühen. Oft sind sie nicht größer als ein Sandkorn." Dieser Fakt irritierte sie, aber sie wusste auch, dass der Bedeutungssinn mancher Worte ein anderer war, als bei Menschen. Gelassen wartete sie daher ab, was nun wieder auf sie zukommen würde. Schon früh am Morgen erschienen die beiden Damen. Jede trug eine Art Uniform, die mit einem roten Kreuz verziert war. Unter dem Arm trug Edeltraud eine weitere Uniform, die eindeutig nicht zu ihrer Größe passte. Es war mit Sicherheit Kleidergröße 48 oder doch 54? Mit entsetzen sah sie die Bluse, die ausreichte ein mittleres Segelboot mit Segeltuch auszustatten. Aber Edeltraud nahm es gelassen. "Die passen wir gleich an, immerhin haben wir nicht so viele schlanke Damen, dass wir auch Kindergrößen vorrätig hätten." Erst jetzt wich der Bekleidungsschock bei Trude. "Was soll ich mit dieser merkwürdigen Tarnbekleidung anfangen, die jegliche Weiblichkeit vertuscht?" Isolde machte eine wegwerfende Handbewegung. "Wir brauchen Dich, Du wirst mit uns Sternschnuppen aufspüren, um unseren Nachwuchs zu sichern. Ich nenne die kleinen Mädels lieber Schnuppersterne, weil es für mich passender klingt. Schließlich ist es ja nur ein erstes beschnuppern, um die Talente in ihnen zu erfassen und gedeihen zu sehen."
Nach dem Ankleiden wurde die Bekleidung mit einigen Zaubern in Form gebracht. Die Bluse kratze entsetzlich, so als sei sie aus verklumpten Putzlumpen hergestellt und mit superstärke imprägniert worden. Der Rock war ein schweres Monstrum und die Schürze hatte auch schon bessere Tage gesehen. Dann bekam sie ihren Ausweis, der sie als Schwester Tilda auswies. Sie wohnte in Münster im Beginenstift und war in der Produktion für Kinderpuppen tätig. Die Informationen waren hilfreich, denn aus einer magischen Tasche zauberte Edeltraud wunderhübsche Puppen hervor, die kleinen Mädchen sicherlich gefielen. "Wir müssen nah ran an die kleinen Mädels, um festzustellen, ob sie die nötigen Voraussetzungen für eine weiterführende Beobachtung erfüllen. Wichtig ist, dass sich ihr magisches Zentrum im Bereich des Zwischenhirnes bereits ausgebildet hat und in welchen Bereichen ihre magischen Talente liegen. Das gelingt leider nur, wenn wir sie kurz berühren können."
Sie wies auf eine magische Landkarte, die just in diesem Moment in der Luft schwebte. Wir fangen im Norden vom Rheinland an. Da hatten wir bisher immer gute Ausbeute. Du nimmst son modernes Handtelefon mit und photographierst die Mädels. Ich notiere auf dem Klemmbrett die Namen und Talente und Edeltraud verteilt die Puppen an die kleinen Sterne. Sie, also die Puppen sind mit so moderner Technik ausgestattet. Dieses neumodische GPS sagt uns immer, wo die Mädels sind und wie sie sich entwickeln. Vorausschicken möchte ich aber auch, das wir keine kataklystischen Magieschülerinnen aufnehmen. Auch wenn sie starke Magie besitzen, heißt das nicht, dass sie zu uns dürfen. Oft ist mit dieser besonderen Symptomatik etwas unangenehmes verbunden, was nicht selten zu Bewusstseinsstörungen oder Schlimmeren führt. In solchen Fällen beginnen wir mit sanften Heilzaubern, um das Schlimmste zu verhindern."
"Wie darf ich das verstehen?" Isolde legte ihr die Hand auf Trudes Schulter. "Wenn das magische Zentrum im Zwischenhirn auch mit dem Stammhirn verbunden ist, dann neigen sie zu unkontrollierbaren Magieausbrüchen. In diesem Fall heile ich die Mädchen, damit sie ein normales nichtmagisches Leben führen können. Dabei werden alle redundanten Verknüpfungen der verschiedenen Hirnteile verkümmert, ohne dass eine Gefahr von Hirnschäden eintreten kann. Diese Aufgaben müssen alle Novizinnen übernehmen. Und wir dachten, Du kannst uns unterstützen, den Du kennst dich ja mit dem Internet also diesem digitalen Gebamsel recht gut aus."
Trude musste es hinnehmen, dass ihre lieben Schwestern somit ein Attentat auf ihre knappe Zeit verübten. "Okay, meine Damen, ich helfe euch und dafür helft ihr mir bei den nächsten Prüfungen, ansonsten schaffe ich es nicht. Ich brauche dringend Hilfe in praktischer, theoretischer und intuitiver Magie. Also allen kleinen Zaubern, die man so auf der Pfanne haben muss. Zudem benötige ich einen hochwertigen Rechner oder Laptop und einen Internet Anschluss, den es hier in dieser Villa leider nicht gibt." Beide Schwestern nickten. "Kein Problem, ist morgen alles da. Unsere Spezialistin, Schwester Hildbruga wird es morgen alles einbauen und wie heißt das noch - installieren. Versprochen!"
Mit einem Sprung landeten sie in Schapdetten, in der Nähe von Münster. "Das Kinderheim war nicht groß, aber sie fanden zwei Mädchen im Alter von etwa 14 Jahren, die geeignet erschienen. Mit ihrem Smartphone machte sie unauffällig Bilder von den Mädels. Von da, reisten sie durch den gesamten Kreis Steinfurt, am Nachmittag folgte der Kreis Warendorf und am Abend Münster. Jede menge Puppen wechselten den Besitzer und für abgebrühtere Mädels hatten sie Smartphones dabei, die den gleichen Zweck erfüllten. Nach getaner Arbeit reisten sie wieder nach Colmar. "War doch ein gelungener Tag, immerhin haben wir heute elf Sternschnuppen oder Schnuppersterne aufgetan, die wir auf unsere Erfolgsliste schreiben dürfen. Wenn du die ersten zwanzig geschafft hast befördern wir Dich zur Sternschnuppen Jägerin. Damit verbunden sind natürlich einige Erfolgsprämien, wie ein Urlaub im Ausland und eine zusätzliche Apanage, damit du mit den Kindern in Kontakt bleiben kannst." Trude war überrascht. "Wann kommt denn die Hildbruga und installiert das Internet?"
Edeltraud antwortete locker, wie so oft. "Sicherlich kommt sie morgen Vormittag, wenn wir im Kreis Coesfeld und Borken sind. Danach hast Du einen Tag frei und dann geht es mit Bielefeld, Minden, Herford, Lippe und Gütersloh weiter. Das ist unser Spürgebiet für Nachwuchs. Und dann arbeiten wir den gesamten Stoff auf, denn in zwei Wochen steht schon die nächste Prüfung an. Schließlich wollen wir doch alle, dass Du alle Prüfungen locker bestehst. Wir sind ja immerhin für dich verantwortlich und wollen natürlich eine gute und sichere Hexe bei den Prüfungen präsentieren." Trude war erstaunt. Ich dachte ich hätte noch drei Monate Zeit bis zur nächsten Prüfung und jetzt stoßt ihr mich einfach so in einen bodenlosen Abgrund. Nein, das hätte ich nicht von euch erwartet." Isolde hob die Hand. "Ganz langsam mit den jungen Pferden. Viele Schwestern wohnen bei unseren Schwestern und die meiste Zeit verrichten sie niedere Hausarbeiten, damit sie sich überhaupt um die Novizinnen kümmern. Du hast Glück, denn wir brachten Dich hier unter, wo du ganz unbekümmert lernen kannst. Zudem bist Du ein Hauch klüger als manche von den jungen Damen, die Hexen werden wollen. Bei vielen reicht es bestenfalls für Wettermagie und höhere Küchenmagie. Andere werden Arbeitsbienen, die Kräuter sammeln und daraus Schnaps brennen oder Medizin herstellen. Du hingegen - junge Dame bist zu bedeutend komplexeren Aufgaben berufen." Noch bevor Trude etwas sagen konnte, waren die beiden Schwestern entschwunden. Offenbar hatten die beiden Damen keine Lust auf längere Diskussionen.
Ihrem Zorn machte sie dennoch Luft. "Diese ollen beiden Hexen sind keine Sternschnuppen, sondern vernichtende Kometen oder Meteoriten, die ganze Welten und mich vernichten können."