Die Tage zogen dahin, wie zäher Honig. Endlose Gespräche mit Synferas Team und mit den Oberen der Schwesternschaft. Dazu gesellten sich die Prozesse und Urteile der diebischen Schwestern, an denen sie teilnehmen musste. Nein es waren keine angenehmen Tage, zumal die Vorbereitungen für den Hexentanz am Blocksberg sie intensiv forderten, um die gesteckten Ziele der Modernisierung zu erreichen. Acht Schwestern organisierten unendlich viele Kleinigkeiten. Sie beschafften Gutscheine für Stilberatung, Wellness Wochenenden, Schminkkurse und modische Accessoires, wie Handtaschen, Sonnenbrillen und Modeschmuck samt zeitgemäßen Kopfbedeckungen. Dazu moderne Kleidungsstücke samt Schuhwerk, um die antiquierte Bekleidung bei den Schwestern aussterben zu lassen. Nebenher wurden vier Festzelte organisiert und Models, die sämtliche Kleidungsstücke in allen Größen den Schwestern vorführen konnten.
Es folgte die Logistik, also die Vorbereitung für den Transfer der Models und der gesamten Ausrüstung zu dem angeblichen Landfrauentag zum Brocken. Hierfür gründeten sie einen Verein für Landfrauen, um passende Schilder für die Festzelte in Auftrag geben zu können. Schwestern aus Finnland bis Italien und aus befreundeten Schwesternschaften von anderen Kontinenten sollten eingeladen werden und eben auch hochstehende Persönlichkeiten verschiedenster Schwesternschaften aus mehr als fünfzig Ländern. Geeignete Unterkünfte mussten vorbestellt und besichtigt werden, wo sich die Schwestern vorher und besonders nach dem Fest erholen konnten. Hunderte weitere Aufgaben erledigten unzählige helfende Hände. Zumal auch noch hunderte Postsendungen aus ganz Europa entgegengenommen werden mussten, in denen Handys, Tablets, Gutscheine und magisch aufgefrischte Kleidung aus Second Hand Läden lagen. Jedes Stück musste durchgesehen und nach der Größe sortiert werden, damit alles für diesen Tag bestens vorbereitet war.
Täglich tauchten neue Probleme auf. Die letzten acht Zimmer mussten nebenher eingerichtet werden, damit junge Schwestern hier einquartiert werden konnten. Die Computerschule und die Kurspläne mussten gestaltet werden und das Mobiliar musste ebenfalls beschafft werden. Auch die kleine Küche und ein Fernsehraum musste noch von Handwerkern fertiggestellt werden, damit die jungen Damen sich heimisch fühlten. Dazu gab es die zähe Gespräche, welche Schwestern an diesem Ort ausgebildet und lernen sollten. Synfera wünschte sich Junghexen, die zumindest das Abitur gemacht hatten oder bereits eine Ausbildung oder ein Studium abgeschlossen hatten. Immerhin galt es kluge Hexen an einem Ort zu sammeln, um eine moderne Verwaltung der Hexenschwesternschaft aufzubauen.
Das Wort Freizeit rückte für alle Schwestern sehr weit in den Hintergrund, da die Arbeit sie täglich zwölf oder mehr Stunden kostete. Nach dem sechsten harten Arbeitswochenende entschied Synfera allen Helferinnen vier freie Tage zu gewähren, da sämtliche Damen derzeit reichlich erschöpft wirkten und die Hygiene bereit deutlich litt. Isolde organisierte für die fleißigen Damen derweil Unterkünfte in belieben Urlaubsregionen, in denen sie die vierzig Damen unterbringen konnten.
Abgespannt hockte Synfera am späten Nachmittag in ihrem Wohnzimmer als Niala ihr überraschend einen Besuch abstattete. Synfera wollte schon Abwinken, aber Niala ließ sich nicht beirren. "Du bist vollkommen verrückt, liebe Freundin. Oder, sollte ich Dich besser als durchgeknalltes Arbeitstier ansprechen? Was Du in den letzte Wochen geleistet hast ist mehr als Weltklasse. Daher packst Du jetzt Deine Sachen und begleitest mich nach Griechenland zu meinem Domizil. Dort kannst Du Dich vier Tage von dem Stress, der letzten Wochen, erholen. In meinem Häuschen gibt es immerhin genügend Gästezimmer für liebe Freundinnen." Ein magischer Blick streifte Synfera, der sie mobilisierte. "Widerworte werde ich nicht akzeptieren, weil Du das leistest, was fünf Dekaden lang von hunderten Hexen versäumt wurde. Zudem siehst Du beschissen mit Deinen müden Augen aus. Deine Augenringe verraten fehlenden Schlaf, ungesunde Ernährung und eine Vorstufe zum Burnout. Nein meine Liebe, so klappst Du uns früher oder später zusammen, was ich nicht verantworten will."
Mit müden Augen schaute Synfera zurück. "Was soll ich denn machen? Es fehlen hunderte ausgebildete Schwestern, die mir bei der Organisation und den Vorbereitungen helfen könnten." Niala die bildhübsche Hexe schüttelte energisch ihren Kopf. "Nein, meine Freundin. Du musst Dich nicht so dermaßen unter Druck setzen lassen. Ich sorge jetzt für für helfende Hände und was wichtiger ist! Ich sorge für kluge und fleißige Köpfe, die Dich unterstützen. Ich dulde keine Gegenrede, weil Du extrem wertvolle Dienste für alle Schwestern leistest. Du benötigst dringend eine Labsal für Dich und Deinen Geist. Somit gehst Du jetzt in Dein Schlafzimmer und packst das Nötigste für vier erholsame Tage bei mir. Du wirst Meteora, also ein Kloster zwischen Himmel und Erde besuchen und Du wirst meine Gastfreundschaft kennenlernen. In den nächsten Tagen lässt Du Deine strapazierte Seele baumeln, damit uns mit dieser Veranstaltung ein großer Wurf gelingt. Wir müssen etwa dreitausend altmodische Schwestern auf unsere moderne Seite ziehen, damit sich die Schwesternschaft endlich in die richtige Richtung bewegt. Bedenke, viele Deiner Vorschläge wurden bereits beschlossen."
Synfera ging die wenigen Schritte in ihr Schlafzimmer und packte alles in ihre magische Reisetasche, die kaum größer als eine Handtasche war. Alles vom magischen Schwert bis zur Kleidung und den notwendigen Hygieneartikeln fand darin seinen Platz. Rasch zog sie sich noch Schuhe an und packte sich eine Jacke vom Kleiderständer. Nur Momente später landeten sie gemeinsam in Nialas Burg. Junge Damen nahmen sie in Empfang und sorgten sofort für ihre Unterbringung. Danach gab es im Speisesaal maritime Grillspieße und frische Salate zu essen. Der Rotwein rundete das Menü ab. Es folgte noch ein kurzes Gespräch, mehr war an diesem Tag nicht möglich. Synfera nickte noch beim Essen ein.
XXX
Der Besuch in Meteora am nächsten Morgen war tatsächlich ein unerwarteter Genuss für Geist und Seele. Der Blick über das weite Tal schlich sich als wunderbare Erinnerung in ihren Kopf. Kurz darauf sprangen sie nach Epidauros, wo Synfera in einem Wellniss Tempel angenehmste Stunden verbrachte. Geist und Seele wurden an diesem Ort behandelt, damit Synfera sich in einem angenehmen Ambiente erholen konnte. Kosmetisch und seelisch aufgefrischt genossen sie noch den Anblick vom Mittelmeer, das sich an diesem Tag von seiner rauen Seite präsentierte. Ein Besuch im antiken griechischen Theater rundete den Besuch ab. Nebenher erklärte Niala ein wenig über die Geschichte dieses wunderbaren Ortes.
Den Abend verbrachten sie in Sparta in einem kleinem Lokal. Erst danach reisten sie zurück. Noch folgenden Morgen begaben sie sich zu einem Tauchgang nach Kreta, wo sie versunkene Handelsschiffe aus der Minoischen Epoche bestaunen konnten. Bei all diesen Aktivität vergaß Synfera tatsächlich ihre unzähligen Pflichten und begann wieder zu lächeln. Am Nachmittag besuchten sie noch den Palast von Knoso, damit das Kulturprogramm nicht zu kurz kam. Abends saßen sie zusammen und genossen einige wunderbare Speisen und einen angenehmen Rotwein aus Frankreich. Die Tage danach dienten der puren Erholung und zu manchen entspannten Gesprächen. Noch einmal reisten sie durch Griechenland um auch noch Theben und zur Vicos Schlucht, um dort von Einsiedlern Kräuter zu erwerben. Niala sorgte noch für erste Fachliteratur für das anstehende Studium und erholsame Stunden an der Küste. Synfera studierte noch am Abend erste Texte, damit sie einen ersten Einblick in die widersprüchliche Sichtweise mancher Forscher bekam. Erst am Samstag wollte sie die Rückreise antreten, weil das mildere Klima auch zur Erholung beitrug.
Mit einem befreiten Lächeln verabschiedete sie sich von Niala. "Danke, liebe Schester, es waren wunderbare Tage der Erholung. Du hast mich rechtzeitig gebremst - bevor ich zu einem Wrack geworden wäre. Diese Labsal war nötig und erfrischend für mich. Ja, diese Tagen gaben mir neue Kraft für mein Wirken." Niala schüttelte den Kopf. "Acht junge Damen aus meinem Team sind bereits bei Dir und werden Dir die nächsten Monaten tatkräftig zur Hand gehen. Sie werden Dich jederzeit unterstützen und zwei von Ihnen werden sich bei Dir niederlassen, weil sie noch in der Ausbildung sind. Ich weiß, dass Du ihnen sehr viel geben kannst, weil in Dir viele gute Gaben stecken. Und vergesse bitte nicht. Wir alle brauchen Dich mehr - als Du es Dir vorstellen kannst. Noch nie hat eine so junge Schwester so viele wichtigen Aufgaben so kurz nach ihrer Ausbildung übernommen und gemeistert. Dir wünsche ich eine gute Heimreise und denke immer daran. Zehn Stunden Arbeit an einem Tag reichen. Mehr wird Dich zu einem seelischen Wrack verwandeln."