Eine Sache vorweg:
In diesem Kapitel kommen einige irisch-gälische Begriffe vor, daher gibt es für alle Interessierten eine kleine Übersetzungshilfe ;)
mo chairde = meine Freunde
mo grá = meine Liebe
"Was wirst du mit diesen neuen Erkenntnissen anfangen?", fragte Eddy am Telefon. Cian saß auf seiner Couch und trank seinen schwarzen Kaffee, während er mit missmutigem Blick die Nachrichten im Fernsehen verfolgte. Mal wieder kam sein Team nicht sonderlich gut dabei weg. Mitch stand neben ihm und deutete anklagend auf den unberührten Teller mit Frühstücksspeck und Rührei. Cian verdrehte die Augen und schüttelte vehement den Kopf. Wann begriffen seine Freunde endlich, dass er nichts hinunterbekam, wenn die Zeiger nicht zumindest die Zehn-Uhr-Marke überschritten hatten? Und selbst dann war es mehr aus Höflichkeit denn aus Appetit, wenn er gemeinsam mit den anderen etwas zu sich nahm. Kaffee war sein Lebenselixier, alles andere eine nette Abwechslung.
"Cian?", kam es aus dem Lautsprecher seines Smartphones und riss ihn aus seinen Grübeleien.
"Mhm", antwortete er.
"Was also hast du nun vor?", drängte Eddy ihn.
"Ich bin quasi auf dem Sprung zu meiner Mum. Sie kann uns hoffentlich weiterhelfen, was das Reinigungsritual angeht. Damit kommen wir der Sache vielleicht näher, hinsichtlich Freddys neuster Erkenntnisse. Tja, was Ians Aussage angeht, müssen wir abwarten. Schwarz hat Ripley vorgeladen. Das Verhör ist aber erst in zwei Tagen. Verhaften können wir ihn nicht einfach. Dass er in der Gasse war, wussten wir schon, denn das hat er ja selbst zugegeben. Nur, weil wir einen Verdacht haben, reicht das in diesem Fall einfach nicht aus."
Leider, schoss es dem Kriminalpsychologen durch den Kopf, als er den letzten Schluck Kaffee nahm und sich dann erhob.
"Verstehe. Fährst du allein zu deiner Mutter?", wollte Eddy zaghaft wissen. Cian hielt inne und atmete einige Augenblicke einfach nur angespannt ins Telefon.
"Nein. Mitch fährt mich. Ich habe ja keinen fahrbaren Untersatz", erklärte er sich vorsichtig.
"Aha", kam die Antwort.
Cian druckste etwas herum und verstummte dann. Was sollte er auch sagen? Betretenes Schweigen auf beiden Seiten war die Folge. Cian schnaufte.
"W-willst du vielleicht mitkommen, Eddy?", platzte er dann heraus und gab sich innerlich eine schallende Ohrfeige. Nicht, dass er die süße Blondine nicht gern um sich hätte oder nicht glaubte, sie könnte ihn bei der Recherche unterstützen. Aber sie bandelten eben auch miteinander an und er war sich nicht sicher, wie er Eddy seiner Familie vorstellen sollte. Oder wie er Eddy seine Familie erklären sollte. Denn diese war doch etwas speziell. Es kam nicht von ungefähr, dass er noch nie eine seiner Frauengeschichten mit nach Killarney genommen hatte.
Doch Eddy war auch etwas Besonderes. Seine Chaosqueen. Cian stöhnte leise über diese Gedanken. Niemals hätte er von sich gedacht, dass es soweit mit ihm kommen könnte. Dabei hatten sie noch nicht einmal miteinander geschlafen. Chris und Fab würden ihn auslachen und verzweifelt die Köpfe über ihn schütteln. Nur Mitch wusste über all dieses Chaos Bescheid und hielt wohlweißlich die Klappe.
"... mitkommen. Ich freue mich darauf, deine Mutter offiziell kennen zu lernen. Nicht nur so als Arbeitskollegin, als du im Krankenhaus gelegen hast", freute sich Eddy während seiner gedanklichen Abschweifungen deutlich hörbar. Da hatte er sich ja in was rein manövriert.
Sie verabredeten sich für ein Treffen vor dem Ol' Days in einer Stunde und Cian legte resigniert auf, nicht sicher, wie das gerade passieren konnte.
Er erklärte Mitch die Sachlage, in der Hoffnung, dass sein bester Kumpel ihm da aus der Patsche helfen konnte. Doch der Sack fing nur lauthals an zu lachen.
"Tja, C, was soll ich sagen? So ist das nun mal. Willkommen in der Welt der Erwachsenen, du hast jetzt eine richtige Beziehung."
Cian starrte Mitch ungläubig an. Das meinte der Knilch doch jetzt bitte nicht ernst! Wie zum Geier war er denn in eine Beziehung gestolpert? Und hatte man in einer solchen nicht zumindest mehr als heimliches Blickeaustauschen und verstohlene Berührungen hier und dort ... mal einen Kuss, im Suff oder eben auch nicht, aber doch viel zu selten? Es war einfach so geschehen und nun gab es für etwas, das ansonsten immer nebenher gelaufen war, etwas, das nie mehr hatte werden sollen ... einen neuen und umso erschreckenderen Namen: Beziehung.
Cian hatte One-Night-Stands und Ausrutscher. Er hatte die ein oder andere längere Affäre, gern mit Frauen oder Männern, da war er nicht festgelegt, solange die Persönlichkeit stimmte. Was Fab anging auch eine Freundschaft mit gewissen Vorzügen.
Aber eine Beziehung?
Nein!
Verliebt?
War Cian nie wirklich gewesen.
Verschossen, verknallt und angetan vielleicht, aber niemals wirklich verliebt. Eddy hingegen berührte etwas in ihm und das machte ihm Angst.
So stand er mit schwitzigen Handflächen und wirren Gendanken eine Stunde später vor dem Pub und wartete gemeinsam mit Mitch auf seine ... Freundin. Cians Magen zog sich zusammen. Nicht unangenehm, sondern auf überraschende Weise bittersüß. Partner neben ihm fiepte aufgeregt, als Eddy die Straße hinab gelaufen kam und auf Cians Gesicht machte sich ein Grinsen breit.
"Dich hat's echt erwischt, Alter", flüsterte Mitch belustigt und stieß ihm gutmütig einen Ellenbogen in die Rippen.
Cian schnaufte und gab es zu. Ja, verflucht, er war hoffnungslos verloren. Eddy begrüßte ihn mit einer Umarmung und einem scheuen Küsschen. Cian griff beherzt an ihren Po und zog die Blondine an sich, vertiefte den Kuss, genoss es, dass sie das Versteckspiel für einen Moment aufgeben konnten. Vor Mitch mussten sie nichts verbergen. Auf der Arbeit hatte niemand etwas mitbekommen. Okay, vielleicht ahnte Fab etwas, aber der hielt die Klappe. Sie lösten sich voneinander und Cian war froh zu sehen, dass auch Eddy sich kurz erholen musste. Mitch grinste nur in sich hinein und bat dann alle, in den VW Käfer einzusteigen. Was sich als schwierig erwies, denn das Teil war verdammt klein! So endete Partner hinten und Eddy auf Cians Schoß, während dieser die Knie fast bis ans Kinn ziehen musste. Hoffentlich wurden sie nicht von einer Streife rausgewunken.
Wurden sie nicht, denn eine knappe halbe Stunde Später hielten sie vor der Kane-Farm und quälten sich aus dem Auto. Cian stöhnte erleichtert, als er seine langen Gliedmaßen strecken konnte. Mark Kane, Cians Stiefvater, kam bereits ums Haus gelaufen und winkte ihnen zu.
"Was für eine Überraschung, mo chairde! Mitch, du solltest den Auspuff mal untersuchen lassen, ich habe euch schon von weitem gehört", begrüßte sie der ergrauende Mann. Mark war Anfang sechzig und von gemütlicher Statur, einen guten Kopf kleiner als Cian und trug immer ein offenherziges Lächeln auf den Lippen. Er war Druide und verkörperte somit das Pendant zum Priester oder Pastor im Christentum. Cians Mum und Mark hatten sich vor Jahrzehnten bei einer Zeremonie kennengelernt und in dem jeweils anderen ihren Seelenverwandten gefunden. Mark schloss erst Cian und dann Mitch in die Arme, bevor er Eddy ebenso an sich zog.
"So Herzchen. Hat er es endlich über sich gebracht, dich mitzubringen. Mira und ich haben uns schon gefragt, wann er den Schneit hat und dich offiziell vorstellt. Na, die Hölzer behalten halt immer recht. Willkommen in der Familie, mo grá."
Eddy ließ sich perplex einfach von seinem Steifvater mitziehen und Mitch trottete lachend hinterher. Cian konnte es nicht fassen. Er fragte sich ernsthaft, ob es an Mark und Mira lag oder Eltern allgemein einen sechsten Sinn für solche Sachen hatten. Dann machte er, dass er den anderen hinterherkam. Schließlich war er in erster Linie hier, um mit seiner Mum über den Fall zu sprechen.