CN: Sucht, Alkohol, explizite Sparache
Zwei Dinge vorweg:
1. In diesem Kapitel gibt es eine ganz besondere Überraschung!! Es handelt sich um ein Crossover mit Liebe.Macht.Schlaflos von Alissia.
2. Wer gern den passenden Soundtrack zum Kapitel hören möchte, in dem es um Zusammenhalt geht. Hier ist ein Link zum richtigen Lied: https://www.youtube.com/watch?v=211jQm-xBt8
"Einen Single Malt Whiskey, bitte."
Der Barkeeper nickte und brachte kurz darauf das Gewünschte. Ein neuer Tag am Ende einer schlaflosen Nacht. Er war nicht zum Meeting im Revier erschienen. Sein Smartphone hatte er auf 'stumm' geschaltet und seither konsequent ignoriert. Er war untergetaucht. Nun saß er im Red Edge und versuchte, wieder Herr seiner Lage zu werden. Natürlich nicht im Ol' Days, soweit käme es noch. Das Risiko, Mitch zu begegnen, war ihm zu hoch, sollte er sich doch noch dazu entscheiden, diesen Whiskey hier seine Kehle hinunter zu stürzen. Dann wären all seine Bemühungen der letzten Zeit für die Tonne, aber er durfte endlich wieder in den Nebel eintauchen, der seinen Geist zur Ruhe kommen ließe.
Nur für einige Stunden wollte Cian nicht mehr an Becky und ihre großen, traurigen Augen denken müssen. Nicht mehr an all die Frauen, die ihr Leben lassen mussten, weil er die Zusammenhänge nicht schnell genug erkannte. Er kam zu langsam voran, hinkte den Mördern immer einen Schritt hinter her, war zu schwerfällig, zu träge.
Schöne Scheiße!
Der Kriminalpsychologe drehte das Glas in seinen Händen und sah der bernsteinfarbenen Flüssigkeit dabei zu, wie sie das schummrige Licht der Thekenbeleuchtung reflektierte. Hinter seinen Schläfen pochte es schmerzhaft. Auch der beginnende Anfall wäre mit dem dritten Glas abgehakt, wenn er auch am nächsten Tag doppelt und dreifach dafür büßen würde. Es könnte so einfach sein. Er müsste nur trinken und nicht mehr aufhören. Wie die letzten vier Jahre.
"Wir waren verabredet, Großer", meldete sich eine Stimme von schräg hinter ihm und Cian fuhr unmännlich zusammen. Jemand ließ sich auf den Barhocker neben ihm fallen. Sein Blick löste sich nur unwillig vom Glas und wanderte dann von hoch geschnürten Lederstiefeln, über weite, kanariengelb-schwarzkarierte Shorts bis zu einem gut definierten bloßen Brustkorb, über dem eine schwarze Lederweste hing. Cian seufzte frustriert. Jamie hatte ihn also gefunden.
"Wie hast du mich aufgespürt?", knurrte er unwillig und blickte dem Punk nun in die schelmisch funkelnden Augen. Der zuckte nur betont lässig die Schultern.
"Du wärst überrascht, wie häufig ich meine Schützlinge entweder hier oder im Ol' Days finde, wenn sie plötzlich untertauchen. Und da du dich bei Rückfallgefahr möglichst weit von Letzterem fernhalten würdest, habe ich auf gut Glück zunächst mal hier nachgesehen. Tada, hier sitzt du."
Cian schnaubte, denn es gefiel ihm nicht, dass er scheinbar so leicht zu durchschauen war. Er sah sich dann doch ganz gern, als schwer zu entschlüsseln an. Doch sein Sponsor lachte nur und klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter.
"Verrätst du mir, warum du hier hockst, unsere Jogging-Runde schwänzt und Eddy mich aufgelöst anruft, weil du einfach nicht zur Arbeit auftauchst, sie dich seither nicht erreichen kann und niemand weiß, wo du steckst? Ich meine: Dir ist schon klar, dass du mich immer anrufen kannst, wenn du wieder so nah dran bist, an diesem Scheiß?", fragte Jamie diesmal vollkommen ernst, aber ohne Vorwurf in seiner Stimme.
Cian fühlte sich schlecht. Er setzte den Whiskey ab und starrte einige Zeit einfach darauf. Was hatte er sich nur bei alledem gedacht?
Zögerlich begann er seinem Sponsor davon zu berichten, wie sehr es ihn fertigmachte, wenn er mit Kindern Befragungen durchführen musste. Wie sehr er mit Fab litt und es ihn quälte, dass sein Kumpel nicht mit der Sprache herausrückte, weil er ihm so nicht helfen konnte. Dabei sah Cian, dass Fab mit seinen Emotionen nicht mehr wirklich klar kam. Irgendwann würde der junge Mann zusammenbrechen. Und von seiner und Eddys ... Beziehung ... von der niemand auf der Arbeit etwas erfahren durfte.
Jamie schwieg und hörte aufmerksam zu. Cian fühlte sich leichter, nachdem er sich alles von der Seele geredet hatte.
"Es wird gut kommen, C. Wenn dir die Befragungen mit Kindern so sehr zusetzen, du aber nicht bereit bist, darauf zu verzichten, dann suche dir ein Ventil. Rede mit dieser Sam darüber, deiner Partnerin. Oder finde für dich ein Ritual, um danach mit der Befragung abzuschließen und sie nicht mit dir herumzuschleppen. Keine Ahnung - wasche dir die Hände, lüfte den Raum oder was weiß ich", meinte Jamie zu ihm. "Du wirst Fab nicht zwingen können, sich dir anzuvertrauen. Alles was du tun kannst, ist für ihn da zu sein und ihm das zu signalisieren. Du machst das schon ganz gut so. Was Eddy und dich betrifft, kann ich nur sagen, dass eine Beziehung mit einer Kollegin wohl immer schwierig ist. Aber dein Team scheint doch aufgeschlossen. Vielleicht machst du da mehr Wirbel, als eigentlich notwendig ist. Das sind nur meine Gedanken."
Jamie hatte ihn dann noch heimgebracht. Entgegen Cians Protest, war der jüngere Mann bei ihm geblieben, da er sichergehen wollte, dass sein Schützling auch wirklich wieder stabil genug war, um allein durch die Nacht zu kommen, ohne einen Rückfall zu erleiden. Cian allerdings hatte mit einem Anfall zu kämpfen und sich daher stöhnend in sein Bett verkrochen. Den Punk schien das nicht weiter gestört zu haben, denn zumindest hatte Cian erst gegen Mitternacht ein leises "Bin dann weg. Melde dich, wenn noch was sein sollte" vernommen.
Mitch schlief inzwischen auch wieder in seinem eigenen Haus, daher blieb Cian allein mit Partner in seiner Wohnung. Er schlief schlecht, auch seine Medikamente wirkten nur bedingt und er taumelte zwischen Badezimmer und Bett hin und her, bis er sich früh morgens auf dem Teppich liegend zwischen beidem wiederfand, aufgeschreckt vom Klingeln seines Smartphones.
Stöhnend nahm er den Anruf entgegen.
"Wer stört mich? Zur Hölle ..."
"Cian, alter Haudegen!", kam es so verflucht frisch und fröhlich aus dem Lautsprecher, dass der Kriminalpsychologe kurz davor war, das Ding einfach an die nächste Wand zu pfeffern.
"Ey, hast du 'ne Ahnung, wie spät es ist?!", fauchte Cian frustriert ins Telefon.
Wehe es war nicht wichtig, was Christopher Farrenstein dazu bewegte, ihn zu so unverschämt früher Stunde zu peinigen.
"Hab' ich dich mit 'ner Mieze im Bett gestört oder was soll diese Stutenbissigkeit?"
Schön wär's, dachte Cian und hatte Eddy vor den lichtempfindlichen Augen.
"Halt die Klappe, Chris", murrte er stattdessen und versuchte sich stöhnend vom Teppich zu hieven. Nach zwei Versuchen ließ er es blieben und schmiegte seine Wange wieder an die weichen Fransen.
Was sollte es.
"Ich brauche deine Hilfe", sagte Chris nun, "Ich war vor vier Jahren auf 'ner Party. Weißt schon: Viele leicht bekleidete Frauen, Champagner en masse ..."
"Scheiße, was hast du angestellt?"
"Ich gar nichts. Ist quasi ein Freundschaftsdienst für meinen Bruder und seinen Wikinger."
"Huh?", ächzte Cian dazwischen und stöhnte leidlich auf.
"Egal. Die Mädels damals sollen minderjährig gewesen sein und der Wikinger ist da in was reingeraten. Er wird erpresst von einer der Escort-Girls. Evelina Havelka. Hat sich auf der Party unter anderem als Irina ausgeben."
Cians Gehirn arbeitete noch langsam und so war er nun etwas verwirrt.
"Und jetzt willst du von mir, dass ich die suche?"
"Nein. Suchen muss man die nicht. Die arbeitet bei uns als Praktikantin. Du sollst in ihrer Vergangenheit bohren. Schauen, was für Leichen die im Keller hat. Die Kleine ist gewitzt, aber weißt ja, dass jeder Fehler macht."
"Puh", machte Cian und kratzte sich am Kopf, "Ich bin Kriminalpsychologe. Aber ich könnte mich ja mal in meinem Team umhören. Hab' da so einen schnuckligen Nerd, der hackt sich in die Datenbank des BND ein, wenn du willst. Ein paar mehr Infos bräuchte ich aber schon."
"Klar, schick' ich dir per Mail. Du hast bestimmt bessere Connections zur deutschen Bullerei, als ich."
Da war sich Cian jetzt gar nicht so sicher, wenn er an die momentane schlechte Presse dachte, aber Fab käme schon an die Informationen und mit Captain Bates Hilfe hatten sie auch die Verbindungen zu den Behörden. Bates hatte überall Freunde.
"Gut, ich kümmer' mich drum. Kann aber ein bisschen dauern", sagte Cian also zu.
"Alter, du bist der Beste! Schön, dass du mir hilfst, mich bei meinem alten Herrn einzuschleimen", kam es von Christopher in verschrobenem Ton zurück. Cian grinste zwar, wusste aber, dass sich mehr hinter diesen dahergesagten Worten verbarg.
"Come on, Ehrenkodex!", erinnerte er Chris an ihren Schwur.
Wenn einer von ihnen Hilfe brauchte, war auf den anderen immer Verlass.