CN: Trauma, Häusliche Gewalt (erwähnt), Drogen- und Alkoholkonsum (erwähnt), körperliche und psychische Misshandlung (erwähnt)
Sanft kringelte sich der weiße Rauch in der warmen Spätjuliluft, stieg hinauf und wurde von einem wenig Erfrischung bringenden Wind fortgetragen. Nachlässig wischte sich Cian seine Haare aus dem Gesicht, kämmte den fransigen Pony nach hinten, während er dem Zigarettenqualm so beim Vergehen zusah. Seufzend lehnte er an der Mauer, verbarg die Hände in seinen Hosentaschen und behielt seine Meinung bezüglich des Konsums dieser ekelerregenden Sargnägel für sich.
"Morgen wissen wir sicher mehr", sprach der Kriminalpsychologe in die Dämmerung hinein, verfolgte einen Rauchring, der kunstvoll seinen Weg aus vorab noch streng zusammengepresste Lippen verließ.
"'Kay."
Grummelnd drehte sich Cian zu Fab herum, der rauchend neben ihm lehnte, ebenso abgespannt wirkte, wie er selbst sich fühlte und vermutlich tief in ihm verborgen wund und roh versuchte, die Scherben seiner Existenz aufzuklauben, ohne sich nach außen hin etwas anmerken zu lassen.
"Wie sieht es aus?", sprach Cian das an, was sich jeder fragte und doch nicht über die Lippen brachte, "hast du Gedanken, dir selbst etwas an zu tun?"
Ein Schnauben war alles an Reaktion, doch der strenge Blick, den der Kriminalpsychologe daraufhin aufsetzte, reichte aus, um die Zigarette zwischen die Zähne wandern zu lassen, damit der Analyst die Hände frei bekam, um diese ineinander kneten zu können.
"Nein", flüsterte Fab der einsetzenden Dunkelheit entgegen, "nein, habe ich nicht. Nicht mehr."
"Kann ich mich darauf verlassen, dass du mir oder einer Person aus eurer WG ein Zeichen gibst, wenn du wieder an diesen Punkt gerätst?"
Der ironische Blick war beinahe eine Erleichterung, war er doch durch und durch der Fab, den er kannte.
"Klar, C. Ich rufe Eddy an, heule mir an ihrer Schulter die Augen aus und wir trinken dann gemeinsam eine heiße Schokolade, bevor wir zusammen auf einem Einhorn über die Regenbogenbrücke nach -"
"Fab, ich hatte nicht um einen Treppenwitz gebeten, sondern um eine ehrliche Absprachefähigkeit deinerseits", unterbrach Cian, bevor der Nerd sich in Rage reden konnte.
Müde rieb sich der jüngere Mann über die Augen, die von dunklen Schatten untermalen unendlich erschöpft und gleichzeitig getrieben wirkten. Einen erneuten Zug von der Zigarette, musste Cian abwarten, bis er eine Antwort erhielt.
"Ich gebe Laut, wenn ich kurz davor stehe, mich wegzupusten", versprach Fab und der Kriminalpsychologe verdrehte die Augen, wusste er doch, mehr nicht erwarten zu können, "was meinst du eigentlich mit Treppenwitz?"
"Ganz einfach", erläuterte Cian grinsend und schlug Fab auf die Schulter, "einen dummen Spruch, der so mies ist, dass er die Kellertreppe hinunterführt und jegliches Niveau unterschreitet."
Gefährlich blitze es in dem eisigen Blau, als der Analyst sich ebenfalls von der Wand abstieß, um sich in die andere Richtung abzusetzen.
"Du weißt schon, wie die historisch korrekte Definition eines Treppenwitzes lautet, oder? Deine ist nicht einmal annähernd nah dran."
Schulterzuckend zwinkerte Cian seinem Freund noch ein letztes Mal zu, wandte sich schließlich um und rief sich ein Taxi heran, das ihn und Eddy, die vor dem Eingang des Reviers auf ihn gewartet hatte, in seine Wohnung bringen würde. Natürlich war ihm die richtige Bedeutung des Wortes bewusst, doch war dies nicht Sinn der Sache gewesen. Das überhebliche Grinsen, das sich für den Bruchteil einer Sekunde auf Fabs Gesicht gezeigt hatte, allerding schon.
Es war der Wecker seines Smartphones, der den Kriminalpsychologen früh am nächsten Morgen ankündigte, endlich aus den Federn springen zu dürfen. Geschlafen hatte er sowieso nicht, lag das Mobiltelefon doch seit Stunden in seiner Hand, wurde das Display alle fünfzehn Minuten erleuchtet, um zu checken, ob eine Nachricht eingegangen war, die ihm das Signal gab, losstürzen zu müssen. Doch es war friedlich geblieben und so küsste er den blonden Schopf, der da in seiner Armbeuge lag und kraulte auf der anderen Seite mit der freien Hand das widerborstige Fell seines anderen Bettgenossen.
Stöhnend zog Cian erst vorsichtig den Arm unter Eddy hervor und schubste dann Partner von der Matratze, um anschließend im Bad zu verschwinden. Als er wieder heraus kam, durchzog bereits ein himmlischer Kaffeeduft seine winzige Wohnung, eine viel zu elegante Frau schwang in der kleinen Kochnische den Rührbesen und sein Hund wedelte mit einem Enthusiasmus mit der Rute, den er diesem niemals zugetraut hätte. Beseelt stellte der Hüne fest, es niemals wieder anders zu wollen. Von ihm aus, konnte er gern jeden Morgen so verbringen, wenn diese nagende Sorge endlich passé sein würde.
"Wir sollten uns etwas beeilen, oder?", fragte Eddy über ihre Schulter hinweg, während sie ihm das Frühstück servierte, sich selbst einen Joghurt gönnend, "Mary-Ann hat eine Rundmail geschrieben. Der Tox-Screen von Fab ist durch."
Da war es wieder. Das miese Gefühl in seiner Magengegend. Stumm nickte Cian, nahm lediglich die beiden Kaffeebecher, um sie in Thermoskannen umzufüllen und Eddy damit still das Signal zu geben, lieber früher als später im Revier aufschlagen zu wollen. Das Frühstück blieb für ihn, wie so oft, unangetastet.
Es wunderte den Kriminalpsychologen wenig, als sie beide bereits vor der Tür Fab rauchend allein und abgespannt begrüßen durften. Wie der Nerd so von einem Bein aufs andere hampelte, wirkte er zwar noch immer deutlich unruhig, allerdings weitaus weniger fahrig und desorientiert, als noch am Tag zuvor. Die Blässe in seinem Gesicht, die Fältchen um seine Augen und auch das Zittern trotz der ungewöhnlich heißen Temperaturen, ließen deutlichen Schluss auf den berühmten Kater danach zu, doch Cian hütete sich, seinem Freund deswegen die Hölle heiß zu machen. Schließlich wusste er noch immer nicht, wie freiwillig Fab die Substanzen nun wirklich genommen hatte. Vielleicht sollte sich dieser Sachverhalt in den kommenden Stunden aufklären.
"Wie war deine Nacht?", überging Cian direkt die Begrüßung und umarmte den Kleineren kurz aber innig.
"Mörderisch", witzelte Fab matt mit schiefem Grinsen.
Auch Eddy zog den Nerd nach kurzem Zögern in eine etwas steif geratene Umarmung, die dieser ungelenk erwiderte. Cian schmunzelte bei diesem unbeholfenen Versuch der vorsichtigen Annäherung.
Sie betraten das Revier gemeinsam, fanden sich dann mit Mary-Ann, Susana und Freddy im Besprechungsraum zusammen. Auf dem Weg zum Revier hatte Cian telefoniert und beschlossen, Fab nicht die geballte Ladung der Teamkollegen zuzumuten. So kam es auch, dass Eddy und Susana sich mit einem kurzen Lächeln verabschiedeten, da sie die weiteren Schritte in die Wege leiten und eine wichtige Person gemeinsam mit den Beamten abholen würden.
"Was kam raus?", wollte Fab direkt wissen, nachdem die Tür hinter den beiden Frauen ins Schloss gefallen war.
Die Ärztin hingegen bedeutete den Neuankömmlingen zunächst, die Stühle in Beschlag zu nehmen, kramte dann ihr Tablet hervor, um sich etwas darauf zu besehen. Freddy schielte derweil über seine Lesebrille und musterte den Analysten skeptisch.
"Die Frage ist eher, woran du dich erinnerst, Jungspund", ließ der Fornesiker verlauten.
Irritiert sah Cian den älteren Mann an, war er sich doch nicht sicher, wie genau dieser seine Worte meinen könnte. Sicherlich hatte Fab einige Schwierigkeiten, sich an gestern zu erinnern. Nicht nur aufgrund des berauschten Zustandes, sondern vor allem seinen traumatischen Erfahrungen wegen.
"Dein AAK lag noch bei 0,57 Promille, dabei gehe ich davon aus, dass dies die Überreste der Party in der Nacht davor gewesen sein dürften", präzisierte Mary-Ann dankenswerter Weise.
Cian schluckte und auch Fab schien noch eine Spur blasser zu werden. Zwar klang diese Zahl zunächst gar nicht mal so hoch, doch musste bedacht werden, welchen Blutalkoholspiegel der junge Mann dementsprechend einige Stunden zuvor gehabt haben musste, als er mit Quin allein gewesen war.
"Was hast du bewusst konsumiert?", hakte die Ärztin vorsichtig nach, hob kurz den Blick, um den Analysten zu mustern.
"Was willst du mir damit unterstellen, Missy?", schoss dieser direkt beinahe aggressiv zurück.
Mit sanfter Hand drückte Cian seinem Freund beruhigend die Schulter, um ihn wieder in die Spur zu bringen. Er ahnte, wie schwer dieses Gespräch für den Nerd sein musste und doch brachten Verschleierungstaktiken sie jetzt nicht weiter, nur, weil Fab sich aus Reflex zu schützen versuchte.
"Es will dir hier niemand Vorwürfe machen", versicherte der Kriminalpsychologe ruhig, "aber wir können nur nachvollziehen, wie Quin dich manipuliert hat, wenn du uns sagst, was du freiwillig getoxt hast, Kurzer."
"Amphis", gab Fab schließlich mit einem kurzen Schulterzucken zu, "damit ich ein wenig länger durchhalte und der Alkohol mehr knallt."
Nickend bestätigte Mary-Ann diese Aussage mit einem Blick auf ihr Tablet.
"Was noch?"
"Diese Tabletten zum Schlafen, die Quin mir gegeben hat. Aber ich weiß nicht, was das war. Sie haben mir geholfen, wenn es unerträglich geworden ist. Oder -"
Unwillig drehte der Analyst seinen Kopf zur Seite, verbarg seine zitternden Hände im Schoß. Als Freddy zum Sprechen ansetzte, schüttete Cian lediglich leicht seinen Kopf, bat so non-verbal um ein wenig mehr Zeit.
"An den wirklich ... schlimmen Tagen", fuhr Fab schließlich leise fort, "hat er mir die Dinger gegeben, als Pulver, weil das dann besser reinhaut und - also - na ja - dann, wenn ich das Zeug genommen habe, hat ... er ... mich nicht -"
Wieder verlief die Stimme des Analysten im Sande, doch alle Anwesenden konnten sich vorstellen, was er hatte sagen wollen.
"Es war Ketamin, wie ich vermute", meinte Mary-Ann schließlich", zumindest, wenn ich davon ausgehe, dass du von den K.O.-Tropfen nichts weißt?"
Sowohl Cians als auch Fabs Blicke schossen sich auf die Ärztin ein, die glatt ein wenig zusammenzuckte, unter der geballten Kraft der Energie dieser glühenden Augen.
"Barbiturate?", wollte Cian knurrend wissen, erklärte es doch, warum Freddy gefragt hatte, an was sich Fab noch erinnerte.
"Eher GHB oder GBL", berichtige Mary-Ann mit ernster Miene, "aber ja, auf alle Fälle ein Substrat, um die sporadische Ich-Auflösung durch das Ketamin gemeinsam mit der halluzinogenen und wahnfördernden Wirkung zu optimieren. Den Spiegeln nach zu urteilen, vermute ich einen gelegentlichen Konsum von Ketamin in leichter bis moderater Überdosierung und regelmäßige Gabe der K.O.-Tropfen."
"Aber wie?", wollte Fab wissen, die Augen nun wieder blicklos und leer.
Überlegend runzelte die Ärztin die Stirn, doch da beugte sich der Fornensiker nach vorn auf seine Unterarme.
"Musstest du diesen Tee regelmäßig trinken? Den, den Ms Clarck vorbeigebracht hat?"
Überlegend wiegte der Analyst den Kopf von einer Seite auf die andere, brummte dann aber zustimmend.
"Vermutlich war das Zeug da drin", mutmaßte Freddy und Cian stimmte zu.
Der Kriminalpsychologe tippte sich an die Unterlippe, war eine These noch offen, die es zu klären galt.
"Gibt es noch etwas Ungewöhnliches in seinem Blut?", wagte er sich daher ins Blaue hinein.
Erstaunt überflog Mary-Ann noch einmal den toxikologischen Befund.
"Mhm", murmelte sie dann tatsächlich, "die Alkaloidwerte sind stark erhöht, genau wie die Mineralstoffe deutlich aus dem Gleichgewicht sind, es finden sich außerdem ungewöhnliche Vergiftungswerte mit Gerbstoffen."
Das verblüffte Gesicht des Analysten wendete sich Cian zu, als dieser einen zufriedenen Laut ausstieß.
"Wie schön, dass es dich erfreut, wenn mein Blut vergiftet zu sein scheint", moserte Fab mit erhobener Augenbraue.
"Nee", stellte Cian klar, "aber diese Stoffe sind im Fieberklee enthalten. Meine Mum verwendet den ebenfalls, allerdings ist der bei hoher Konzentration giftig und sicherlich nicht gerade gut für Magen und Darm, wenn irgendwelche Substanzen beigemischt werden. Kein Wunder also, wenn du davon Krämpfe bekommen hast. Für uns allerdings ein Beweis und eine Verbindung von Quin über Clarck zu O'Neal."
Erfreut klatschte Cian in die Hände erhob sich, schlug dem Analysten aufmunternd auf die Schulter und verstrubbelte ihm das Haar. Alles fügte sich ganz wunderbar.