Eine Sache vorweg:
In diesem Kapitel kommen einige irisch-gälische Begriffe vor. Für alle Interessierten gibt es hier eine kleine Übersetzungshilfe ;)
Is breá liom tú go mór = Ich liebe dich so sehr
ma bandia = meine Königin
"Wie ist es gelaufen?", wollte sie von Cian wissen, als er schließlich bei ihr auftauchte. Er sah nicht aus, als hätten sie bei Ripleys Befragung im Gefängnis etwas erreicht, so wie er grübelnd in ihre Wohnung trat und die Schuhe von seinen Füßen streifte. Beinahe abwesend gab er ihr einen Begrüßungskuss und ließ sich dann von ihr in die Wohnung führen.
"Ist etwas passiert?", fragte Eddy behutsam nach. Eigentlich hatte sie sich den gemeinsamen Lunch nach der letzten Nacht mit ihrem Liebesgeständnis etwas anders vorgestellt. Zumindest nicht mit einem so schweigsamen Cian. Seufzend lehnte er sich an den Türrahmen zwischen Wohn- und Esszimmer.
"Wir haben von Ripley das bekommen, was wir wollten. Er hat uns bestätigt, dass er mit O'Neal gearbeitet hat."
Die Doktorandin fiel ihrem Partner um den Hals und küsste ihn stürmisch. Doch als Cian sich sanft von ihr löste, betrachtete sie ihn verunsichert. Warum schien er sich nicht genauso darüber zu freuen?
"Cian?"
"Es ist nichts ..."
"Dafür wirkst du aber ziemlich bedrückt", bohrte sie vorsichtig weiter und der Kriminalpsychologe gab seufzend nach.
"Fab bereitet mir Magenschmerzen. Immer, wenn ich denke, er hätte sich gefangen, scheint er mir wieder zu entgleiten."
Eddy runzelte leicht die Stirn. Ihr war nicht entgangen, dass der Analyst sich mit dem Fall schwer tat und dass Cian das ebenfalls belastete.
"Entschuldige, ich will dich damit nicht vollnölen. Ich weiß, zwischen euch war es in letzter Zeit angespannt. Behalte nur im Hinterkopf - das - er ein ganzschönes Päckchen mit sich herumträgt und es oft nicht so meint. Könntest du das tun?"
Es krampfte ihr das Herz zusammen, ihn so hilflos zu sehen und doch verstand sie nicht genau, was sie mit der Sache zu tun haben sollte. Doch sie versprach es ihm und er ließ verlauten, dass er kurz unter die Dusche springen wollte, um sich den Schweiß des heißen Vormittages abzuwaschen. Wenn es ihm half zu wissen, dass sie ebenfalls auf Fabs Seite war, dann sollte es so sein.
Eddy stand am Herd und bereitete das zweite Eiweißomelett zu. Sie hackte frische Tomaten und Gurken, schmeckte alles feinsäuberlich ab und stellte die Teller dann auf den Esstisch. Dazu goss sie Orangensaft in zwei Gläser und kreierte abschließend einen Café Latte für jeden. Dann stand sie da und hörte dem Rauschen der Dusche zu. Und betrachtete den Lunch. Sie hatte gar keine Ahnung, ob Cian das mochte. Sie brachte ihm seinen Kaffee von dem überteuerten Laden an der Ecke in der Nähe des Reviers immer schwarz mit. Zusammen mit zwei Tütchen Zucker und diesen kleinen Döschen Kondensmilch. Sie wusste auch nicht, ob er gegen irgendetwas allergisch war.
Es wurde still in ihrer Wohnung. Dann Schritte und kurz darauf tauchte Cians große Gestalt im Türrahmen auf. Er rubbelte sich die kastanienbraunen kurzen Haare trocken und lächelt sie dann irgendwie unsicher an. Ob er noch immer aufgewühlt war, weil er sich Sorgen um seinen guten Freund machte oder nun doch gedanklich bereits bei ihrer bevorstehenden Befragung mit dem Professor war, konnte Eddy nicht sicher sagen. Aber es beschlich sie ein unbestimmtes Gefühl. Sie konnte es nicht greifen und doch stellten sich ihr die feinen Härchen an ihren Armen auf.
"Ich habe das Essen fertig gemacht“, sagte Eddy und verdrehte innerlich die Augen. Denn natürlich war das offensichtlich. Er nickte und zog ihr den Stuhl zurecht.
"Magst du dich setzen?"
Eine merkwürdige Frage, oder nicht? Schließlich war das hier ihre Wohnung und er ihr Gast. Da sollte sie ihm doch einen Stuhl anbieten und nicht andersherum. Irgendetwas stimmte nicht. Die Stimmung war so gedrückt. Cian ließ sich ihr gegenüber nieder. Eddy begann langsam zu essen, doch Cian rührte nichts an. Ihre Augen huschten immer wieder zu seinem unberührten Teller und seinem versunkenen Gesichtsausdruck.
"Magst du nichts davon?“, wollte sie traurig wissen.
Sie hatte sich solche Mühe gegeben. Er nahm seine Gabel und schob sich etwas von dem Omelett in den Mund. Kaute, schluckte, nahm einen Schluck von dem Latte und verzog das Gesicht.
"Nicht gut?"
"Heiß", meinte Cian und lächelte wieder dieses bedrückte Lächeln.
"Was ist denn los, Cian? Ich dachte, die letzte Nacht sei etwas Besonderes gewesen. Ich habe dir immerhin gesagt, dass ich dich liebe.“
Oder lag genau da das Problem? Empfand Cian nicht so für sie, wie sie für ihn? Aber das hatte in der Nacht noch ganz anders geklungen. Er schüttelte den Kopf. Irgendwie traurig. Oder reumütig.
"Wir müssen reden, Eddy."
Eddys Herz zog sich zusammen. Das waren die Worte, die niemand in einer Beziehung hören wollte. Nicht in diesem Ton. Nicht, wenn der Partner ein solches Gesicht dabei zog.
"Warum?", fragte sie zaghaft und legte ihre Gabel beiseite.
Cian schnaufte und sah sie mit seinen tiefbraunen Augen an. Sie schluckte trocken und hielt ihre Miene betont ausdruckslos.
"Ich habe mit jemand anderem geschlafen."
Sie hatte sich verhört. Der Satz kam zu neutral über seine Lippen. Zu ruhig und besonnen wurden diese Worte gesprochen. Sie musste sich verhört haben.
"W-wie meinst du das?“, fragte sie zögerlich.
Zitternd holte Eddy Luft und drängte die aufkeimende Verzweiflung ganz weit zurück in ihr Innerstes. Hoffte noch immer, dass er nur scherzte.
"Wie ich es sage. Hör zu, Eddy, das hat nichts mit uns zu tun. Is breá liom tú go mór, ma bandia."
Eddy schüttelte den Kopf. Sie verstand es nicht. Verstand ihn nicht. Nicht nur, weil er wieder einmal auf Gälisch mit ihr sprach, sondern generell. Sie spürte, wie Wut in ihr hochkochte, öffnete leicht die Lippen, weil sie das Gefühl hatte, nicht genug Luft zu bekommen.
"Wie kannst du mir sagen, du hättest eine andere Frau gevögelt und dann behaupten, es habe nichts mit uns zu tun?“
Sie fühlte, wie ihre Augenwinkel zu brennen begannen. Nicht vor Trauer … oder auch, aber nicht nur. Da war auch so viel Zorn. Warum tat er ihr das an?
"Ich hatte immer Affären und die anderen -"
"Aber ich bin nicht die anderen, Cian! Oder bin ich nichts anderes als eine weitere Eroberung für dich? Eine weitere Kerbe in deinem Bettpfosten?"
Nun trat endlich etwas Gefühl in Cians so beherrschte Miene.
Frustration, Gereiztheit, Trauer.
All das wechselte in Sekundenschnelle. Gut, er sollte sich so elend fühlen, wie sie sich in diesem Moment.
Er schüttelte den Kopf und fasste nach ihrem Arm, glitt mit seinen Fingern hinunter zu ihrer Hand, die sich in die Tischdecke gekrallt hatte. Sie wollte sich entziehen, doch er hielt sie sanft zurück.
"Eddy. Es tut mir leid.“
Diesmal war seine Stimme bewegt. Rau und nachdrücklich. In seinen Augen tobte ein Sturm.
Spürst du es auch, Cian?! Meinen Schmerz? Kannst du ihn auch in meinen Augen sehen?
"Ich habe einen Fehler gemacht. Ich habe gedankenlos gehandelt und irrtümlicherweise angenommen, dass eine feste Beziehung keine Veränderungen bedeutet. Dass dazu immer zwei zählen, habe ich schlichtweg unterschlagen. Ich habe dich verletzt und das ist schlimm. Ich kann nur hoffen, dass du mir verzeihst.“
Eddy schwieg. Doch sie hörte zu.
"Wenn du eine exklusive Beziehung möchtest. Dann geht das für mich in Ordnung.“
Nun blickte sie ihn einfach nur stumm an. Unfähig weitere Worte zu bilden, blieben sie einfach ungesagt. Brannten sich stattdessen in ihr Herz und schnürten ihre Kehle zu. Glaubte er ernsthaft, dass damit einfach alles wieder in Ordnung zwischen ihnen war? Er hatte sie betrogen. Denn so empfand zumindest sie es - ob Cian nun eine Beziehung anders definierte oder nicht. Er hätte vorab mit ihr reden müssen, um soetwas abzuklären. Aber er hatte sich dazu entschieden, über ihren Kopf hinweg seine Regeln weiter geltend zu machen und das verletzte sie. Jetzt war er plötzlich dazu bereit, seinen Lebenswandel so vollkommen auf den Kopf zu stellen und alle Nebenliebeleien aufzugeben? Eddy wusste nicht, ob sie Cian das einfach glauben konnte.
"Sagst du mir, wer es war?", fragte sie leise und sah ihn dabei mit Tränen in den Augen über den Esszimmertisch hinweg an, "oder gab es mehr als eine weitere Frau?"
Cian holte tief Luft und wog den Kopf hin und her. Ungläubig ließ Eddy die Schultern sinken. Geschlagen, getroffen, am Boden.
"W-wie viele denn?"
"Nein, nein, so meinte ich das nicht", beeilte sich Cian zu sagen.
Doch das beruhigte sie nur wenig.
"Es ist eher der Umstand, dass ich die Person nicht in etwas hineinreiten möchte."
"Ich kenne sie also."
Wage nickte Cian. Eddy konnte es nicht fassen. War es jemand vom Revier? Eine der Beamtinnen mit denen sie die Akten herausgesucht hatte? Oder eine der Frauen aus ihrem Team, die sie so herzlich aufgenommen hatten?
"Bitte sag mit, wer es ist."
"Ich möchte einfach nicht, dass es euer Arbeitsverhältnis beeinflusst. Ich habe mit der Person bereits gesprochen und das geklärt."
"Cian! Wenn du es mir nicht sagst, dann ist mein Verhältnis zu allen Frauen im Revier und unserem Team gestört, weil ich mich immer fragen muss, ob sie diejenige ist, die -"
"Wird sie nicht, okay?", wurde Eddy von Cian unterbrochen. "Es wird niemals eine von ihnen sein, Eddy! Verdammt, hör' endlich auf, immer in Schubladen zu denken."
Fassungslos sah sie über den Tisch hinweg, wie er seine Arme verschränkte und bitter aus dem Fenster stierte. Warum war sie denn nun wieder die Schuldige? Er hatte den Fehler begangen, nicht sie!
"Cian -"
"Es ist Fab", kam es gepresst, "bist du jetzt zufrieden?"
Ein kalter Schauer lief ihren Körper entlang. Das Gehörte drang nur schwer bis zu ihr durch.
Es ist Fab ... Fab? Wie soll es denn Fab sein? Er ist ein Mann. Cian kann nicht mit seinem Freund geschlafen haben. Denn das würde bedeuten -
"Du bist -"
"Überlege dir jetzt gut, was du sagst, ma Bandia", unterbrach Cian sie erneut und sah sie mit glühendem Blick an. "Ich liebe dich, Eddy. Nur dich. Ja, ich fühle mich nicht nur zu Frauen hingezogen und auf einer gewissen Ebene empfinde ich etwas für Fab, aber nicht so, wie für dich. So habe ich noch nie für jemanden gefühlt."
Eddy verbat sich die Tränen, die drohten, über ihre Wangen zu laufen. Schnell wischte sie die entflohenen Tropfen fort und blinzelte einige Male.
"Ich muss darüber nachdenken, Cian", brachte sie dann heraus, "ich denke, es ist besser, wenn du gehst."
"Du schickst mich fort?"
"Bitte! Ich brauche etwas Abstand, um das alles zu verarbeiten."
Sie hörte, wie er den Stuhl zurückschob und an ihr vorbei Richtung Flur trat. Sanft strich er ihr über die Schulter und zog kurz an einer ihrer Haarsträhnen.
"Sehe ich dich am Freitag auf dem Revier?", flüsterte er heiser.
Eddy brachte nur ein Nicken zustande. Dann ging Cian und sie vergrub den Kopf in ihren Händen. Jeder hatte sein Päckchen zu tragen, das Sprichwort mochte wohl stimmen. Aber warum schien es dann so, dass sie alle unter der Last der ihren zu zerbrechen drohten?