CN: JVA, explizite Sprache, Wahn (impliziert)
Das untere Lid an Ripleys linkem Auge zuckte unkontrolliert, als er sich mit deutlichem Widerwillen auf den Holzstuhl ihnen gegenüber gleiten ließ.
"Tz", zischte Fab neben Cian und verzog scheinbar mitleidig den Mund, "sorry, die antiseptischen Tüchlein haben sie mir an der Pforte leider abgenommen. Du weißt schon - Vorschriften."
Ripley starrte sich an Fab fest, zuckte aber betont gleichgültig die Schultern. Cian stöhnte innerlich. Das hier sollte kein Aufarbeiten einer alten gescheiterten Beziehung werden, sondern eine sanfte Beeinflussung. Der Analyst war alles andere als unfähig, er konnte das durchaus geschickt einsetzen. Das hieß, dass Fab sich hier bewusst dazu entschied, diese Spitzen zu setzen. Ob Ripley auf diese Taktik ansprang, wo er selbst doch zu passiv-aggressivem Verhalten neigte, war jedoch fraglich. Verständnisvolle, belohnende Dominanz war eigentlich eher die Schiene, auf der Cian gefahren wäre.
"Gut siehst du aus, Andy", sagte Fab nun und ließ seinen kühlen Blick an dem Häftling herabgleiten. Hatte er sich nun doch für die andere Taktik entschieden? "Dafür, dass dir grün so gar nicht steht, machst du eine nicht allzu lächerliche Figur."
Also nicht.
"Wie lieb von dir, Dorian - oh nein, Verzeihung - Fab, nicht wahr? Wahr, wahr. Es muss schwierig sein, nicht einmal zu wissen, wer man sein möchte. Ist denn zumindest Fab dein korrekter Name, oder versteckst du dich noch immer hinter einer Maske?"
Cian räusperte sich vernehmlich. Sollte sein Freund die Oberhand über das Verhör verlieren, würde er eingreifend einschreiten. Über ihnen begann eine der Glühbirnen oder Leuchtstäbchen - wie auch immer diese Dinger hießen - in den Halogenlampen zu flackern. Das war ja ein grauenvolles Klischee. Und nervtötend obendrein. Fabs Hände krampften sich ungesehen von ihrem Gegenüber in die Seiten der Sitzfläche seines Stuhls.
"Fab ist mein Name. Aber ich bin nicht hier, um mich vor dir zu rechtfertigen. Sondern, um über deinen Macker zu sprechen."
Nun begann wieder Ripleys rhythmisches Trommeln auf der Tischplatte, das Cian bereits aus den vorherigen Gesprächen kannte.
"Ich weiß nicht, wovon du sprichst."
"Oh bitte, Andy! Du hast diese Frauen nicht getötet, du hattest einen Partner."
"Ist das so?"
Unschuldigkeit heuchelnd legte Ripley seinen Kopf schief und sah Fab aus treuen Augen an, wanderte dann mit seinem Blick weiter zu Cian, der neutral zurück schaute und nicht weiter reagierte. Da von dem Kriminalpsychologen keine Resonanz kam, wandte der Häftling sich wieder Fab zu.
"Ich habe deinem Boss bereits verdeutlicht, dass ich allein gearbeitet habe. Habe, habe. Es ist nicht meine Schuld, wenn er mir nicht glaubt, aber wieder einmal typisch, dass es mir als Lüge ausgelegt wird."
Nun beugte sich Ripley vor und legte eine Hand vertrauensvoll auf Fabs Arm. Der Analyst zog eine Augenbraue in die Höhe.
"Keinen Körperkontakt", kam es von der Beamtin.
Seufzend zog Ripley die Hand wieder fort.
"Siehst du, wie ich hier gegängelt werde, Do - Fab? Warum sollte ich mir das alles antun? Ich lüge nicht. Ich habe die Frauen getötet. Ganz allein."
Nickend sah Fab den anderen an und lächelte Ripley zu, der die Geste erwiderte. Cian wollte schon einschreiten, als sein Freund die Augen verdrehte.
"Sicher Blitzbirne, und mein Bruder ist die Queen von England. Du bist zu weich und zu schwach, um das allein durchzuziehen, Andy. Klar, du bist ein schlaues Mäuschen. Für das Ritual-Tralala eignest du dich gerade so, aber für die richtig düstere Scheiße? Nein. Du bist nicht aus dem richtigen Holz geschnitzt."
"Wenn du das sagst, Baby."
Knirschend malmten die Zähne seines Freundes aufeinander. Cian legte Fab unter dem Tisch beruhigend eine Hand auf den Oberschenkel. Das stetige Auf und Nieder, das dieser betrieb, stellte sich ein. Doch die Anspannung wich nicht aus dem Körper des jungen Analysten.
Einige Momente lang schienen Fab und Ripley ein stilles Blickduell auszufechten. Zwei sich auf der Spielebene so gleichende Persönlichkeiten, die ihre nächsten Züge planten und den Angriff ihres Gegners vorauszuahnen versuchten.
"Es ist der Professor, nicht wahr?", setzte Fab als erster wieder den nächsten Zug. Hinterhältig grinsend lehnte er sich zurück und rückte seine Brille zurecht.
"Du hast schon immer einen Kink für die kopflastigen Männer besessen. Komm schon, gib es zu, Schätzchen. Es törnt dich an, wenn der alte Sack die Blondchen abmurkst und dich daran teilhaben lässt, wie sein kleines Schoßhündchen."
Und Ripley fuhr auf. Erst kam nur ein wirres Gestammel aus seinem Mund und die rhythmischen Ticks brachen sich schlagartig Bahn.
"Du hast doch keine Ahnung!", keifte Anderson Ripley dann plötzlich. In seinem Gesicht zuckten die Muskeln unkontrolliert und seine Haut nahm einen ungesunden Rotton an.
"Ich diene einer größeren Sache - Sache - Sache! Jemand so Lächerliches wie du kann das nicht nachvollziehen! Lächerlich, Lächerlich! Wir alle reinigen die Menschheit vor dem parasitären Befall der Höllenbrut - Brut, Brut!"
Fab rutschte ein Stück zurück. Cian hingegen blieb entspannt sitzen und hörte genau zu, was da den Mund des Mannes verließ.
"Du kannst es nicht sehen, aber ich habe einen wichtigen B-Beitrag geleistet! Jawohl - wohl - wohl! Er ist auch jetzt noch stolz, weil ich Stärke in der Einigkeit zeige und zu uns stehe! Zu uns, uns, uns! Ich - ich - ich -"
"Ist der Mann, von dem du sprichst, Prof. Dr. Bracken O'Neal, Anderson?", fragte Cian besonnen und hob die Hand, als die Beamtin bereits ihre Hand an ihren Gürtel hatte wandern lassen. Rasend vergrub Ripley seine Finger in seiner Kleidung und stieß einen seltsam klingenden Laut aus.
"Ja! Herrgott, natürlich ist er das, das, das! Wie könnt ihr das nicht erkennen?!"
Cian gab der Beamtin und Dr. O'Conner ein Zeichen.
Während diese sich um Ripley kümmerten, beobachtete der Kriminalpsychologe Fab, der stumm dasaß und zusah, wie sein alter Bekannter fortgeführt wurde.
"Alles okay?", wollte er von dem Jüngeren wissen.
Ein Nicken war alles an Reaktion, was er bekam.
O'Conner kam zurück und brachte sie wieder zur Pforte. Schließlich hatten sie die Information, die sie wollten. Richtig? Warum hatte Cian dann das Gefühl, dass er etwas übersehen hatte? Dass sie an einem Punkt versäumt hatten, nachzubohren?
"Ihre Injektoren, C", riss ihn der Gefängnisarzt aus seinen Gedanken.
Cian bedankte sich artig und verabschiedete sich mit einem kräftigen Händedruck. "Man kann zumindest nicht behaupten, dass es mit Ihnen jemals langweilig wird. War eine interessante Verhörtaktik, Mr. MacCrea. Sehr - nun - sagen wir speziell."
Fab kniff die Augen etwas zusammen und Cian sah zu, dass sie den Hof verließen und ihre Sachen aus den Schließfächern holten, bevor Fab einen seiner verbalen Giftpfeile gegen den Doktor schießen konnte. Er winkte den Beamten an der Pforte und sie verließen The Joy.
Auf dem Vorplatz blieben sie stehen und atmeten durch. Fab ergriff die seltene Gelegenheit und steckte sich eine seiner geschnorrten Zigaretten an. Cian wedelte demonstrativ den Qualm vor seiner Nase fort. Er mochte es nicht, wenn sein Freund rauchte. Daher hatte der Analyst sich das auch weitestgehend abgewöhnt.
"Das war ein wilder Ritt da drinnen. Eigentlich hatte ich mir die Befragung etwas anders vorgestellt", tastete er sich noch einmal vorsichtig an das Thema heran. Fab aber zuckte nur wieder die Schultern.
"Hat doch funktioniert."
"Aber auf welche Art, Fab?"
"Der Zweck heiligt die Mittel."
Damit schnippte der Analyst die Zigarette fort und trat sie auf dem Boden vor ihnen aus. Cian sah dabei zu, wie Fab seine Hände in seinen Hosentaschen vergrub, die Nase hochzog und sich halb von ihm abwandte.
"Ich pack's dann. Wir sehen uns."
"Warte", hielt Cian ihn reflexartig auf.
Sein Bauchgefühl sagte ihm, dass er Fab jetzt nicht einfach so gehen lassen sollte, "wir könnten ins Ol' Days gehen. Pancakes essen mit Birnenkompott und Zimtsahne. Das haben wir schon lange nicht mehr getan."
Mit irgendwie traurigen Augen sah Fab ihn an. Dann schmunzelte er und schüttelte den Kopf.
"Nee, danke. Ich bin echt müde von der unruhigen Nacht und so. Aber ein anderes Mal. Okay?"
Cian brummte unwillig zustimmend und konnte nur zusehen, wie Fab hinter der nächsten Biegung in Richtung Subway verschwand.