Man hätte sich vielmehr die rein positiven Aspekte der grossen Lilithia zu Eigen machen sollen. Ihre Stärke, ihre Selbstsicherheit, die Macht für die eigenen Bedürfnisse einzustehen, ohne dabei jedoch rücksichtslos und gefühllos zu werden. Lilithia war die Stärke der Frau, sie war die kriegerische Seite der Frau. Was letztere davon abhielt, sich ganz aufzugeben, aber ihr auch zugleich zeigte, dass man in sich ruhend, mit sich im Einklang sein konnte. Das man leidenschaftlich sein konnte, jedoch auch andere in ihrer Leidenschaftlichkeit unterstützen konnte. Lilithia war viel mehr, als Aellia es bisher geglaubt hatte. Sie hielt sich nicht mit Geplänkeln zwischen Frauen und Männern auf. Sie war in sich ruhend, sie war Kraft und dieser strahlte sie aus. Sie hatte es nicht nötig irgendwen zu unterwerfen, gerade weil sie so sicher in sich selbst war. Kein Mann, niemand, konnte sie beherrschen, denn sie war und blieb immer frei und sie lebte ihr Leben, sie kümmerte sich um ihre Kinder auf natürliche, kraftvolle, liebevolle Art und sie gab ihren Partnern, wenn sie mit ihnen zusammen war, sicher auch stets ihre volle Aufmerksamkeit und ihre Liebe, auch wenn sie sich selbst dabei immer treu blieb und den Zugang zu den eigenen Bedürfnissen nie verlor. Lilithia war Klarheit, sie pflügte eine gerade Furche, in allem was sie tat. Sie redete aus sich selbst heraus, authentisch, ohne Furcht davor, einen schlechten Eindruck zu hinterlassen, ohne irgendwelche Ängste, denn sie musste sich vor nichts fürchten. Der Schmerz, den Aellias Volk, ja vermutlich sehr viele Frauen in Lilithia hineininterpretierten, war vielleicht gar nicht existent, es war ihr eigener Schmerz den sie darin suchten, um sich selbst stark und aufgehoben zu fühlen, obwohl sie es gar nicht wirklich waren.
„Auch ich bin nicht wirklich stark“, dachte Aellia bei sich und irgendwie spürte sie eine seltsame Erleichterung dabei. „Ich muss diese Stärke erst noch lernen. Erst wenn ich mich selbst und mein Leben bedingungslos annehmen kann, wenn ich im Einklang mit mir bin, dann werde ich diese Kraft erfahren. Doch das kann ich nur, wenn ich alles ausgewogen lebe, ohne diese ständigen Extreme.“ Sie dachte wieder an Nannios und seine Worte und sie wusste, dass sie ihm das sagen wollte, dass sie von ihm lernen wollte und von seinem Volk. Sie erhob sich und schwebte hinaus ins Freie um den geliebten Lunarier zu suchen.
Auch Nannios hatte lange nachgedacht und es liess ihm einfach keine Ruhe. Er wollte nochmals zu Aellia, ihr sagen, dass es ihm leid tue, dass er sie schon so vereinnahmt hatte, dass er zu wenig einfühlsam gewesen war. So machte er sich auf zu ihrem Haus. Doch auf halbem Wege kam sie ihm bereits entgegen. Sie wirkte auf einmal ganz anders. Ihr Gesicht war wieder viel offener und sie schien irgendwie viel entspannter. Als sie ihn sah, verschnellerte sie ihr Flugtempo und rief: „Ich muss dir unbedingt etwas sagen!“ „Ich dir auch, “ sprach er und fasste sie an den Händen: „Es tut mir alles so leid, bitte vergib mir!“
In der kommenden Nacht, hatte Trojanas, der solianische Prinz, einen seltsamen Traum. Er sah sich auf einmal von gleissendhellem Licht umgeben! Er schaute sich erstaunt um und bemerkte, dass er oben auf einem hohen Berg stand. Ein tiefblauer Himmel, umgab ihn. Eine Weite, die es nur in Träumen geben konnte. Und dann auf einmal, sah er eine golden glänzende, kräftige Gestalt vor sich! Das Sonnenlicht brach sich in ihrem goldenen Brustpanzer und ihre Sonnenkrone funkelte heller, als alles, was Trojanas jemals gesehen hatte. Die Haut, der eindeutig männlichen Gestalt, war gelb und ihre Augen, wirkten wie glitzernde Sonnen. Sie besass goldene Schwingen, die im Winde rauschten. Trojanas erkannte in ihm den Sonnengott Heliosus! So hatte er ihn sich immer vorgestellt. Der Gott trug einen goldenen Hammer. Als er ihn über seinem blonden Haupte schwang, leuchtete er im Lichte auf. Trojanas wollte zu ihm laufen, um sich vor ihm nieder zu werfen, doch etwas hinderte ihn daran, er war wie festgewachsen.
In diesem Augenblick geschah etwas, für ihn sehr Beängstigendes. Die Sonne verdunkelte sich urplötzlich und Schatten breitete sich über das Land aus! Dort wo vorher der helle Tageshimmel gewesen war, spannte sich nun in samtenem Mitternachtsblau, der nächtliche Himmel. Und dann war da plötzlich dieser helle Mond am Firmament und von diesem Mond herab, schwebte eine dunkel gekleidete Gestalt! Es war eine Frau mit langem lockigem, dunkelrotem Haar und aus ihren Augen leuchtete das Licht des Mondes. Sie besass hohe Wangenknochen und einen vollen, sinnlichen Mund. Ihre Haut war bronzefarben, ihr Gefieder schwarz, ebenso wie der Harnisch, den sie über ihren vollen Brüsten trug und die kurzen, ledernen Hosen. Auf ihrem Haupte hatte sie eine Krone mit einer Mondsichel und in der Hand ein Doppelschwert mit schwarzem Griff. „Ich fordere dich zum Kampf heraus Sonnengott!“ rief sie. Der Sonnengott, dessen Glanz noch immer durch die nächtliche Dunkelheit schien meinte: „Nun gut, wenn du glaubst du könnest mich nur annähernd besiegen.“ Etwas Spott lag in seiner Stimme, aber keine Respektlosigkeit. Er schien von der kämpferischen Frau fasziniert zu sein und auch Trojanas musste zugeben, dass auch er beeindruckt von ihrer Stärke und ihrer Schönheit war. „Das kann ich… Gott der Sonne, “ gab die Frau zurück „Das kann ich wahrlich!“ „Dann los!“ Heliosus schwang seinen goldenen Hammer und liess ihn auf den Berg niederfahren. Dieser erzitterte, sodass die Frau beinahe das Gleichgewicht verlor. Katzenhaft jedoch, fing sie sich wieder auf und schwang ihr Schwert. Sie griff an, ihre Bewegungen waren unglaublich behände und elegant. Die eine Klinge des Schwertes verfehlte den Sonnengott nur um Haaresbreite.
Mit einer unglaublichen Geschicklichkeit, drehte sie die Waffe immer schneller und drang immer mehr auf den Gott ein, welcher die scharfen Klingen mit seinem Hammer, so gut es ging, abwehrte. Sie drehte sich gewandt und es gelang ihr beinahe, das Schwert auf seinen Nacken niederfahren zu lassen. Allerdings gab sich der Gott nicht so schnell geschlagen, er machte seinerseits eine Drehung und holte mit seinem Hammer aus, um ihren Bauch zu treffen. Doch sie sprang blitzschnell zurück und der Hammer zischte ins Leere. Trojanas war wirklich zutiefst beeindruckt und es machte ihm irgendwie den Anschein, als wohne er hier einem spielerischen Kampfe bei. Denn der Gott, sowie die Göttin, die er in der Frau zu erkennen glaubte, hatten ein seltsames, amüsiertes Lächeln auf ihren Lippen. Dennoch zogen beide alle Register ihrer Kampfkunst. Die Göttin blieb dem Gott nichts schuldig und umgekehrt. Immer wieder gewann einer der beiden die Oberhand, aber der andere wich im letzten Moment aus, oder setzte einen geschickten Gegenschlag. Schliesslich, machte der Gott einen Fehler. Er wollte nach vorne schnellen, um die Göttin mit dem Hammer erneut zu treffen, doch sie wich äusserst geschickt zur Seite aus und liess da Schwert erneut auf seinen Nacken niederfahren. Diesmal allerdings, wäre es ein tödlicher Schlag gewesen. Sie hielt mitten im Schlag inne und liess das Schwert locker auf seinem Hals liegen. „Du siehst, ich bin dir ebenbürtig“, sprach sie. „Ein anderes Mal werde ich wieder gewinnen“, grinste der Gott und schob die tödliche Klinge zur Seite. Dann schauten sich die beiden tief in die Augen. Was dann folgte war etwas, das Trojanas nicht verstand. Der Gott und die Göttin küssten sich leidenschaftlich und rissen sich die Kleider einfach vom Leib. Sie umschlang ihn mit den Beinen und dann vereinigten sie sich voller Begehren...!