Einen Moment brauchte Peter, um zu Atem zu kommen, dann zog er mich an sich. Vorsichtig strich seine Hand über meinen Rücken, während er mir lange in die Augen sah. Unsicher hafteten sie an meinem Gesicht. Irgendwann fand er doch den Mut, zu sprechen: »Willst du jetzt reden? Oder nach dem Schlafen?« Nicht nur sein Blick war unsicher, auch seine Stimme.
Ich musterte ihn genauso. Ja, ich war müde, aber das Gespräch verschieben würde es wohl nicht besser machen. »Jetzt.«
»Gut, lass mich kurz ins Bad, dann reden wir.« Er wollte mich von sich wegschieben, doch ich ließ ihn nicht los. Ich wollte jetzt nicht allein sein. Ich wollte seine Nähe spüren, wissen, dass er mich nicht wirklich hatte verletzen wollen. Wollte wissen, was es damit auf sich hatte. Wenn er jetzt ging, würde es sich falsch anfühlen.
Vorsichtig schüttelte ich den Kopf.
Er seufzte. »Na gut, dann keine Schonfrist für mich. Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht zum Weinen bringen. Ich hatte dir eigentlich nur ein paar Klapse als Rache verpassen wollen, aber dann schien es dir zu gefallen. Meine sadistische Seite wollte dann wissen, wie weit ich bei dir gehen kann. Als ich dann deine Tränen gesehen habe, war es zu spät. Es war einfach – angetrunken und ohne vorher mit dir darüber zu reden – keine gute Idee. Glaub mir, ich wollte dir nicht wehtun. Zumindest nicht so.« Zerknirscht sah er mich an, während er wieder über meinen Rücken streichelte.
Er stand also tatsächlich darauf, anderen wehzutun? Das bedeutete seine Aussage doch, oder nicht? Ich schluckte und sah ihm weiter in die Augen. Wie sollte ich darauf reagieren?
»Isaac? Sag doch was. Ich werd dich jetzt sicher nicht jedes Mal spanken, keine Angst. Nur ab und zu ... Also nur, wenn du das auch willst.« Er war noch unsicherer geworden.
Ich sollte wirklich etwas sagen. »Ich ... Ich weiß nicht, ob ich das will. Irgendwie hat es mich schon angemacht, aber dann war es einfach zu viel. Ich wusste nicht mehr ... Es waren einfach zu viele Gefühle auf einmal«, versuchte ich zu erklären, was ich empfunden hatte.
»Es ist völlig normal, dass so viele Gefühle dabei auf einen einprasseln. Viele reagieren so. Und andere schalten einfach ganz ab. Oder werden erst überschwemmt und dann schaltet sich einfach das Gehirn ab. Solange es dir gefällt ist alles gut. Und wenn es dir einfach nur zu viel war, dann hör ich das nächste Mal früher auf, okay?« Er lächelte mich leicht an.
Meine Antwort schien ihn wirklich zu beruhigen. So ganz war ich jedoch noch nicht überzeugt. »Ich versteh es irgendwie nicht ... Also wie du das toll finden kannst ... Eben jemandem wehzutun.«
»Was das angeht:« Er drehte sich mit dem Rücken zu mir. Dieser hatte deutliche Kratzspuren, an einigen Stellen waren sie sogar leicht blutig.
Vorsichtig strich ich hauchzart darüber.
Er zog leicht die Schultern an und es bildete sich eine Gänsehaut in seinem Nacken. Ein leises Stöhnen entwich seinen Lippen. »Du solltest es doch eigentlich ganz gut verstehen. Es ist vielleicht nicht ganz dasselbe, aber während du es schön findest, wenn ich zusammen zucke, weil du mir über den Rücken kratzt, finde ich es eben erregend, wenn du dich meinen Schlägen hingeben kannst.«
»Du warst also nicht böse auf mich?«, fragte ich, auch wenn ich mir die Antwort irgendwie schon denken konnte.
Er blieb so liegen, ließ sich jetzt von mir den Rücken streicheln und genoss es sichtlich. Leise lachte er auf. »Nein. Also nicht wirklich. Nur im ersten Moment, als du mir einfach vor den anderen an den Kopf geworfen hast, dass ich auf dich stehe, weil es sie nichts angeht und ich keine Lust auf irgendwelche Gerüchte habe. Das hier geht nur uns beide etwas an. Und als du dann auch noch Claire wieder auf mich aufmerksam gemacht hast. Aber wirklich böse war ich deswegen nicht. Aber du schienst dich darauf zu freuen, wenn ich mich ein wenig räche. Aber da war ich schon lange nicht mehr böse.«
»Mhm.« Eigentlich hätte ich mir die Antwort denken können. Warum geriet ich immer an solche Männer? Scheinbar gehörte es auch hier einfach zum Spiel dazu. Ich seufzte.
»Was ist los?« Peter drehte sich wieder zu mir.
Ich zuckte mit den Schultern. »Ich hab nur fast dasselbe schonmal gehört. Nur da ging es um dominantes Verhalten. Irgendwie schein ich immer an solche Männer zu geraten.«
»Ist das denn schlimm? Du scheinst doch draufzustehen. Also vielleicht nicht so sehr auf die Schläge, aber du hattest gerade eindeutig nichts dagegen, hart genommen zu werden.« Süffisant grinste er mich an. »Was wir übrigens gerne wiederholen können. Versteh mich nicht falsch, der zärtliche Sex, den wir bisher hatten, war auch gut und ich möchte auch nicht darauf verzichten. Man könnte es vielleicht eher als eine Erweiterung des Repertoires sehen.«
Ich musste bei dem Vergleich grinsen. Ja, ich genoss mit ihm tatsächlich auch die Zärtlichkeiten, dennoch war das gerade, bis auf die Schläge, sehr nach meinem Geschmack gewesen.
Trotzdem empfand ich es irgendwie als schlimm, dass ich immer an solche Männer geriet. Es brachte mal wieder mein Selbstbewusstsein ins Wanken. War ich vielleicht doch so eine kleine, weinerliche, mädchenhafte Schwuchtel, die einen großen, starken Beschützer brauchte? »Na ja, aber irgendeinen Grund muss es ja geben, dass immer solche Leute mich finden. Außerdem bin ich bei Frauen ganz anders.«
»Auch deine One-Night-Stands waren alles solche Leute?« Er sah mich skeptisch an. »Und inwiefern bist du bei Frauen anders?«
Eine Weile dachte ich über meine Antwort nach. »Nein, aber alle Männer, mit denen ich länger etwas hatte. Und na ja, bei Frauen gebe ich eher den Ton an.«
»Vielleicht hattest du ja länger etwas mit ihnen, weil sie so waren? Fällt es dir so schwer, das zu akzeptieren?« Ich nickte leicht. »Hast du denn mal ausprobiert, ob du nicht auch bei Frauen darauf stehst? Oder mal bei einem Mann den Ton angegeben? Du hast doch bei mir schon häufiger den aktiven Part übernommen. Willst du vielleicht mal mehr ausprobieren?«
Verwundert sah ich ihn an. Bot er mir das ernsthaft an? »Stehst du denn überhaupt darauf?«
»Für dich steh ich auf alles«, raunte er mir ins Ohr. Dann fuhr er ernster fort: »Ja, ich steh auch darauf. Sonst hätte ich dir das Kratzen gar nicht erst durchgehen lassen. Ich bin da nicht so festgelegt.«
»Dann will ich es mal ausprobieren!«, antwortete ich, ohne weiter darüber nachzudenken, enthusiastisch. Ich hatte zwar noch keine Ahnung, wie ich das anstellen sollte, aber ich wollte es versuchen. Wie sah das wohl aus, wenn er sich mir hingab? Kurz schlich sich das Bild von Toby in meinen Kopf, wie er vor Roger gekniet hatte, ihm völlig ergeben. Gut, das war vielleicht eher etwas für Fortgeschrittene, aber mich hatte schon damals die Vorstellung erregt.
Ich stellte mir Peter so vor und sofort regte sich etwas. Ein Grinsen schlich sich in mein Gesicht.
»Wie ich sehe, gefällt dir der Gedanke.« Peter küsste mich auf die Stirn, während er aufstand. »Aber nicht mehr heute. Wir sollten endlich schlafen und ich muss dringend aufs Klo.«
Gähnend stimmte ich zu. Kurz stand ich auf, um meine Unterhose anzuziehen, dann legte ich mich zurück. Als er aus dem Bad kam, zog auch Peter seine wieder an und kuschelte sich an mich. Schon beim Gutenachtkuss schlief ich fast ein.
Ich wachte von der Türklingel auf.
Auch Peter schien noch geschlafen zu haben, denn er erhob sich grummelnd, zog seine Haushose an und verließ das Schlafzimmer.
Ich drehte mich einfach um. Er würde mich schon rausschmeißen, wenn ich gehen musste.
Ich hörte ihn an der Haustür mit jemandem reden, dann waren seine Schritte wieder auf der Treppe zu hören. Er machte sich gar nicht erst die Mühe, die Hose wieder auszuziehen, bevor er ins Bett zurückfiel. Immer noch grummelnd kuschelte er sich unter die Decke zurück.
Irgendwie war er ja süß so im Morgenmuffelmodus. Wenn ich aber schon mal wach war, konnte ich auch aufs Klo gehen.
Kaum hatte ich mich aufgesetzt, murmelte er: »Bad ist besetzt. Mat ist duschen.«
Genervt ließ ich mich wieder fallen und wurde sofort unerbittlich in Peters Arme gezogen. Ich kuschelte mich an ihn. Ich hätte auch ins Exile gehen können, hatte aber keine Lust. Dann hätte ich mich anziehen müssen – so eine öffentliche Toilette war nur in Unterhose nicht so ganz mein Ding –, erst hier die Treppe runter, durchs Wohnzimmer und dann durch den Hausf...
Moment! Zombie hatte auch durch das Wohnzimmer gemusst. In dem ich eigentlich schlafen sollte. Sofort war ich hellwach und setzte mich auf.
»Was denn los? Jetzt schon wach?« Peter rieb sich die Augen.
»Ich muss nach unten.« Ich griff nach der zweiten Decke und meinem Kopfkissen und wollte mich auf den Weg aus dem Schlafzimmer machen, da griff Peter nach mir und hielt mich an der Shorts fest.
»Bleib hier«, grummelte er und zog daran.
»Aber Zombie ... Ich sollte doch unten sein ...«, versuchte ich, ihn auf den Grund meines Aufbruchs aufmerksam zu machen.
Er setzte sich halb auf, ließ mich jedoch nicht los, sondern griff auch noch nach meinem Arm. Ich gab es auf und ließ mich ins Bett ziehen. »Der weiß Bescheid. Lance doch auch, oder nicht?«
Verwundert sah ich zu ihm. »Er weiß es?«
»Mhm.« So langsam wurde er doch wach. Schade, ich hätte ihn gerne noch ein wenig beim Schlafen beobachtet.
»Wie lange schon?«
»Dass ich auf dich stehe? Schon bevor ich dich angesprochen habe. Ich hab ihm erzählt, dass es da einen wirklich unglaublich heißen Straßenmusiker gibt.« Er schmunzelte und küsste mich auf die Stirn. »Und dass wir miteinander schlafen? Auch seit dem ersten Morgen. Ich hab es ihm erzählt, als er angerufen hat. Er würde es nie jemandem verraten.«
Noch immer war ich überrascht. Ich hatte nicht gewusst, dass die beiden so gut befreundet waren. Umso gemeiner war es von Zombie gewesen, mich letzte Woche im Probenraum zu ärgern. Andererseits kannte ich das ja von ihm nicht anders. »Meckert er deswegen immer rum, wenn ich jemanden im Exile aufreiße?«
»Ich glaub nicht. Er macht sich wirklich Sorgen, dass dir irgendwann mal was passiert.«
Ich genoss die letzten paar Minuten, die wir hier im Bett hatten, und kraulte über Peters Brust. Dieser genoss es scheinbar ebenso, denn er hatte die Augen geschlossen.
»Du nicht?« Irgendwie versetzte mir der Gedanke, dass es Peter egal sein könnte, mit wem ich schlief, einen leichten Stich.
Er öffnete die Augen und fixierte eine Weile die meinen. Dann zog er mich zu einem langen, leidenschaftlichen Kuss an sich. Nachdem wir ihn gelöst hatten, strich er mir über die Wange, fixierte mich noch immer und flüsterte: »Nein, ich würde mich selbst verfluchen, wenn dir etwas passiert. Aber ich würde nicht versuchen, dich davon abzuhalten. Du entscheidest selbst für dich.«
»Danke.« Ich brachte dieses kleine Wort kaum über meine Lippen. Noch immer waren unsere Augen aufeinander gerichtet und ich konnte mich nicht davon losreißen.
Was war das für ein Blick in seinen Augen? Und was war das für ein Gefühl, dass sich gerade in mir ausbreitete? Ja, es war etwas Erleichterung dabei. Erleichterung darüber, dass es ihm nicht egal war. Und Erregung aufgrund des Kusses. Aber da war noch mehr. Etwas, das ich dort nicht haben wollte.
Ich riss mich von seinem Blick los und stand auf. »Ich geh Frühstück für uns drei vorbereiten.«
»Ich komm gleich nach.« Einen kleinen Moment blieb er noch liegen und ich konnte aus den Augenwinkeln sehen, wie er sich mit der Hand durchs Gesicht fuhr. Sein Adamsapfel hüpfte einmal.
Ich versuchte, es zu ignorieren, während ich mir seine zweite bequeme Hose schnappte und den Hoodie wieder anzog. Noch bevor er aufgestanden war, war ich aus dem Zimmer verschwunden.
In der Küche schaltete ich die Kaffeemaschine an und stützte mich auf den Tresen.
Musste er mich so ansehen? Und dann auch noch seine Antwort! Hätte er nicht einfach nur sagen können, dass er sich auch Sorgen machte?
Genervt und etwas zu schwungvoll stellte ich Teller und Besteck auf den Tisch.
»Hey, Küchenschabe. So früh schon so energisch? Wo hast du Peter gelassen?« Zombie kam frisch geduscht die Treppe herunter. Rasiert hatte er sich offensichtlich nicht, denn ein leichter Bartschatten zierte sein Gesicht. Mit dem fast kahlen Kopf sah das merkwürdig aus. Wie häufig er wohl den Iro nachrasieren musste?
»Kommt gleich«, war meine einzige Antwort, während ich ihm erstmal die Küche überließ und mich in Richtung Bad aufmachte.
»Alleine? Wie gemein!«, rief er mir lachend hinterher.
Ich hatte keine Lust, darauf zu antworten. Mir war gerade nicht nach dieser Art von Witzen. Außerdem war er Schuld, dass wir nicht zum Kuscheln gekommen waren.
Eigentlich hatte ich nur auf Toilette gewollt, doch dann fiel mir auf, dass ich nach dem Auftritt nicht geduscht hatte und sicher ziemlich stank. Außerdem gab es mir eine Schonfrist, bevor mich Peters Blicke und sein Lächeln wieder in ihren Bann zogen.
Warum sah er mich auf einmal so an? Oder hatte er das schon vorher getan und mir fiel es erst jetzt auf? Doch warum? Was hatte sich geändert?
»Mhh. Du riechst gut«, raunte mir Peter plötzlich ins Ohr und knabberte daran.
Verdammt. Ich hatte nur kurz die Augen geschlossen und dem Prasseln des Wassers gelauscht. Scheinbar hatte er sich in der Zeit ins Bad und in die Dusche geschlichen. Und statt sich seinen Händen und Lippen zu entziehen, verriet mich mein Körper schon wieder und schmiegte sich an ihn, genoss seine Hände, die auf meinen Hüften lagen.
»Und der rot, blaue Hintern steht dir. Bist du böse, weil ich es Mat erzählt hab? Du bist gerade so schnell weg.«
»Nein, ich wollte ihn nur nicht so lange warten lassen.« Ich versuchte, mich zusammenzureißen und von Peter zu lösen, aber ich genoss es viel zu sehr, wie seine Hände über meinen Bauch wanderten und sein Mund meinen Hals und die Schultern liebkoste.
»Er kennt sich gut genug aus und findet schon alles. Entspann dich ein wenig.«
Da ich gegen seine einlullende Stimme und die sanften Berührungen eh keine Chance hatte, schloss ich die Augen und ließ mich fallen.
Diesmal seifte er mich nicht ganz so jugendfrei ein. Immer wieder schmiegte er sich an mich und küsste mich – mal den Hals, mal die Schultern, mal den Mund.
Einen Moment dachte ich noch daran, dass Zombie auf uns wartete und sich doch denken konnte, was wir so lange im Bad taten, und mir das peinlich war. Doch spätestens als Peter mir übers Glied streichelte, waren die Gedanken wie weggewischt.
In aller Ruhe holte er mir einen runter, während ich mich an ihn lehnte und er mir mit der anderen Hand sanft über Brust und Bauch streichelte.
Nachdem ich gekommen war, drehte ich mich um und verwickelte Peter in einen langen Kuss. Kaum hatten wir ihn gelöst, seufzten wir beide zufrieden. Eine Weile blieb ich noch an ihn gelehnt stehen, während wir uns gegenseitig über den Rücken streichelten.
Irgendwann murmelte Peter dann doch: »Wir sollten langsam runter.«
»Ich mach mir noch schnell die Haare.« Ich küsste ihn noch einmal, dann wusch ich mir die Haare.
Peter seifte sich in der Zeit selbst ein und duschte sich ab.