Als wir nach unten kamen, war es laut. Grace und Zombie zickten sich an, da er wohl die Kaffeekanne leer gemacht hatte. Ohne etwas zu sagen, ging Peter hin, nahm sich die leere Kanne und ging damit in die Küche um eine dritte zu kochen und die mittlerweile fertige zweite zu holen. Danach setzte er sich neben Grace an den Tisch und begann zu essen.
Etwas verdattert stand ich da und beobachtete das Ganze. Kaum saß Peter, kehrte Ruhe ein. Auch wenn ich die ganze Szene absurd fand, hatte ich Hunger. Und so setzte ich mich neben Zombie, Grace gegenüber und begann ebenfalls zu essen.
Während des Essens diskutierten Grace und Peter darüber, was sie den Tag über tun wollten. Sie entschieden sich dafür, gemeinsam Shoppen zu gehen.
»Kommst du mit?« Peter schien plötzlich wieder zu bemerken, dass ich auch noch da war.
Kurz überlegte ich. Bereits jetzt nervte es mich wieder, wie die beiden miteinander umgingen, andererseits wollte ich sie auch nicht allein lassen. Der Blick, den Peter ihr gestern zugeworfen hatte, ließ mich nicht los. Daher fiel meine Entscheidung ziemlich schnell. »Klar.«
»Kann ich auch mitkommen? Ich brauch auch mal wieder neue Klamotten und alleine Shoppen ist immer so langweilig«, fragte Zombie. Dabei zwinkerte er mir zu.
Kam er wirklich wegen mir mit? Dankbar lächelte ich ihn an.
»Gern«, antwortete Peter sofort.
Grace dagegen stöhnte auf. »Toll, ich darf mit drei Kerlen Shoppen gehen.«
»Tse, ich dachte immer, Frauen träumen davon einen schwulen besten Freund zu haben, mit dem sie Klamotten kaufen gehen können«, stellte Peter grinsend fest. »Du gehst eben gleich mit dreien einkaufen.«
»Nur hab ich keinen schwulen besten Freund, sondern einen bisexuellen, mit einem ebenfalls bisexuellen Freund und einem unglaublich nervigen schwulen besten Freund. Klingt jetzt nicht so traumhaft.«
Zombie sah aus, als wollte er etwas sagen, doch er verkniff es sich.
Stattdessen mischte ich mich ein: »Dann sieh uns doch einfach als Taschenträger.«
»Komm schon, das wird sicher lustig.« Peter legte ihr den Arm um die Schultern und sie gab resigniert seufzend nach.
Nachdem wir fertig gegessen hatten, räumten wir noch kurz im Exile auf. Zwischendurch rief Lance an und fragte, ob ich Lust hätte, mit ihm etwas zu unternehmen, da wir uns wieder seit Wochen nicht gesehen hatten. Ich sagte ihm, dass wir eigentlich geplant hatten Shoppen zu gehen, und fragte, ob er mit wollte. Sofort stöhnte Grace neben mir, die das mitbekommen hatte, auf. Also schob ich schnell hinterher, dass er auch ruhig Janine noch mitbringen könnte. Das schien sie dann zu beruhigen.
Wir trafen Lance und Janine am Einkaufszentrum und die große Shoppingtour begann. Ich hatte nie gedacht, dass ich mal so froh über Zombies Anwesenheit wäre. Während Janine fast die ganze Zeit die Aufmerksamkeit ihres Freundes für sich beanspruchte, war es für mich fast unmöglich, ein Wort allein mit Peter zu sprechen, da sich Grace ständig einmischte. Natürlich hatte ich nicht erwartet, dass Peter mit mir Händchen hielt oder rumknutschte, dafür waren wir hier viel zu sehr in der Öffentlichkeit, aber ich hatte fast das Gefühl, dass er mich ignorierte. Er schien nur noch Augen für sie zu haben und eher mit ihr einen auf Beziehung zu machen.
Als Janine Grace vorschlug, in ein Wäschegeschäft zu gehen, hoffte ich, endlich Zeit mit den Jungs zu haben. Lance konnte seine Freundin auch davon überzeugen, dass er dort nichts zu suchen hatte. Doch Peter willigte sofort ein, als Grace ihn daran erinnerte, dass er seiner Aufgabe als Taschenträger nachkommen musste.
Genervt ließ ich mich auf eine der Bänke im Gang fallen. Lance setzte sich daneben und massierte seine Waden, Zombie stellte sich zu uns.
»Sag mal, ist bei dir und Peter alles in Ordnung? Du wirkst heute schlecht gelaunt und scheinst ihn mit deinen Blicken erdolchen zu wollen«, fragte Lance, nachdem er sich aufgesetzt und mir kurz ins Gesicht gesehen hatte.
Auch Zombie blickte interessiert auf.
»Was? Nein, alles gut«, gab ich geistesabwesend zurück und starrte weiter auf den Eingang des Geschäfts.
Zombie schnaubte halb amüsiert, halb genervt und lehnte sich etwas zu Lance. »Er ist schlecht gelaunt, weil Peter lieber in seinem alten Kinderzimmer geschlafen hat, als mit ihm im Bett. Was hast du denn angestellt? Hast du ihm gesagt, dass er scheiße im Bett ist? Oder sein Make-up nicht richtig sitzt?«
»Ach, weißt du was? Halt einfach mal die Fresse!« Jetzt mal ernsthaft: Musste er sich wirklich immer einmischen mit seinen blöden Sprüchen?
Lance zog skeptisch die Augenbrauen hoch und sah zwischen uns hin und her.
»Oh, also doch was Ernsteres? Was ist passiert?«, wandelte sich plötzlich der Tonfall des Drummers.
An meiner Grundaussage änderte sich dadurch aber nichts. »Geht dich nichts an.«
»Ah, na wenn du ihn auch so anzickst, wundert mich nicht, dass er die Schnauze voll hat.«
»Pfft, dann soll er doch die olle Schnepfe nehmen«, ließ ich mich provozieren.
Ich wollte aufstehen und gehen, doch Zombie drückte mich mit einer Hand auf meiner Schulter ohne Gewalt wieder auf den Sitz. »Na, da haben wir doch das Problem. Du bist eifersüchtig auf Grace?«
Statt zu antworten, schnaubte ich und sah ihm nur böse in die blauen Augen.
»Da gibt es nichts zum Eifersüchtigsein. Da ist nichts zwischen ihnen.«
»Ach, und das weißt du woher so genau?«, pampte ich ihn an. Friends with Benefits würde ich ja nicht unbedingt als Nichts bezeichnen.
»Weil ich ihn kenne?« Zombie lachte leicht.
»Aha. Dann kennst du ihn scheinbar nicht gut genug. Oder ist für dich mit ihr vögeln etwa Nichts?« Immer noch sah ich ihn böse an. Wie schaffte er es nur, mich ständig so zu provozieren?
Lance dagegen blieb ruhig und entspannt. Klar, er kannte die Streitigkeiten zwischen Zombie und mir ja mittlerweile auch ziemlich gut.
Zombie schaute irritiert. »Ich wusste ja gar nicht, dass ausgerechnet du, so ein Problem mit unverbindlichem Sex hast.«
»So unverbindlich sah mir das aber nicht aus«, grummelte ich leise vor mich hin.
Lance und Zombie rissen überrascht die Augen auf. Mein bester Freund schimpfte direkt los: »Bitte?! Was für ein Arsch! Er wollte doch die ganze Sache mit dem nur der eine und so! Wie scheiße ist das denn bitte? Wichser! Geht der schon nach ’nem Monat fremd!«
»Nein, so ist es nicht. Es ist nur ... Argh.« Genervt raufte ich mir die Haare. Wie sollte ich es ihnen erklären, ohne vor ihnen ausbreiten zu müssen, was wir drei gestern angestellt hatten?
Nachdem ich eine Weile geschwiegen hatte, erhob Zombie wieder das Wort: »Na los, was ist vorgefallen? Fress es nicht wieder wochenlang in dich rein!«
»Es ist nur ... wie er sie ansieht ... er sollte nur mich so ansehen.« Ich hatte schon zu Beginn des Satzes sehr leise gesprochen und war immer leiser geworden, sodass der letzte Teil nur noch geflüstert war.
Dennoch und obwohl ich mit dem Boden gesprochen hatte, hatte Zombie mich verstanden. »Okay, was hat er schon wieder angestellt? Es sind doch sicher nicht nur irgendwelche Blicke, die dich stören.«
Lance legte mir tröstend eine Hand auf den Rücken und wartete geduldig.
Ich biss mir kurz auf die Lippe, bevor ich grummelte: »Er hat sie eingeladen ohne mich vorher zu fragen und hat sich dann anfänglich nur mit ihr unterhalten. Irgendwann hat er dann gesagt, dass eine Beziehung von nicht mal drei Monaten in seinem Alter keine ernsthafte Beziehung ist und ist danach abgehauen. Als er wiederkam, hat er sich dafür entschuldigt. Es war eigentlich dann alles wieder gut, bis er sie so angesehen hat ...«
»Wie denn?«
»Keine Ahnung ... So wie er mich sonst immer anschaut. Und vorher hat er mir einen Blick zugeworfen, als würde sie ihm gehören.«
Eine ganze Weile sagte keiner der beiden mehr etwas. Da ich noch immer zu Boden sah, konnte ich ihre Reaktionen auch nicht ausmachen.
Dann ergriff wieder Zombie das Wort: »Ich geh davon aus, du hast noch nicht mit ihm darüber geredet? Sonst hätte er wohl nicht im Kinderzimmer geschlafen.«
Langsam schüttelte ich den Kopf.
»Dann tu es! Woher soll er wissen, was dich stört, wenn du es ihm nicht sagst?«
»Er geht mir ja aus dem Weg und klebt die ganze Zeit an ihr. Ich rede mit ihm, wenn sie wieder weg ist. Außerdem will ich die Stimmung nicht noch mehr versauen, er hat sich so auf sie gefreut.« Die Wahrheit war: Ich hatte keine Ahnung, wie ich mit ihm darüber reden sollte. Ich wusste ja, dass es völlig bescheuert war, auf sie eifersüchtig zu sein, und dass es vermutlich nichts zu bedeuten hatte.
»Wie du meinst. Aber er weiß auch so, dass etwas nicht stimmt, sonst wäre er da sicher nicht mit ihr reingegangen. Er hat nur einfach keine Lust auf deine zickige Laune.«
Schön, dann sollte er doch mit ihr abhängen, wenn ich ihm nicht passte! »Wenn sie dir auch nicht passt, kannst du ja mitgehen.«
Doch er lachte nur: »Vergiss es, mich wirst du so schnell nicht los. Außerdem bekommen mich da keine zehn Pferde rein.«
»Ich finde auch, du solltest schon vorher mit ihm reden«, fiel mir nun auch Lance in den Rücken.
»Ich will aber nicht«, machte ich ihnen noch einmal klar und stand dann auf. Damit hatte ich das Gespräch keine Sekunde zu früh beendet, denn der Rest unseres Trüppchens trat gerade aus dem Laden. Ich knirschte mit den Zähnen, als ich sah, dass Grace an Peters Arm hing und ihn freudig anlachte.
Das Gespräch mit Lance und Zombie hatte meine Laune nicht verbessert, sondern eher verschlechtert. Das änderte sich auch den Rest der Shoppingtour nicht mehr. Leider verhinderte meine schlechte Laune aber auch nicht, dass Grace den Rest des Tages bei uns blieb und am Abend mit zur Bandprobe kam. Dafür schien sie Janine eingeschüchtert zu haben, denn sie bat Lance nach dem Shoppen nach Hause zu fahren.
Nach der Probe, während die anderen Zuschauer den Probenraum verließen, war Peter nach vorne gegangen und redete dort mit Grace. Ich unterhielt mich hinter der Bühne noch mit dem Rest der Band.
»Weißt du, wie lange Grace noch in Boston bliebt?«, fragte mich Zulu plötzlich.
Ich zuckte mit den Schultern. Vielleicht hätte ich es gewusst, wenn ich ihr und Peter zugehört hätte, aber darauf hatte ich einfach keine Lust.
»Schade. Dann geh ich sie gleich mal fragen, ob sie morgen Abend noch hier ist.«
»Och nö, bitte nicht. Muss das denn sein?«, stöhnte Zombie.
Eigentlich hätte ich drei Kreuze im Kalender machen müssen. Es war wohl das erste Mal, dass er und ich einer Meinung waren.
»Warum denn nicht? Vielleicht stresst Peter dann weniger wegen Toby, wenn er mit ihr beschäftigt ist«, sinnierte der Bassist.
Stimmt, aber wenn das mit Grace so weiter ging, würde ich mich noch an Toby ranmachen und dann wäre es mit der Ablenkung vorbei. Anderseits: Vielleicht bekam er es ja auch nicht mit, weil er zu sehr abgelenkt war.
Nicht, dass ich mir das wünschte. Es waren einfach nur blöde Rachegedanken.
»Und vielleicht schafft er es dann ja mal endlich mit ihr zusammenzukommen. Oder wie lange wollen die noch umeinander schleichen?«
Geschockt riss ich die Augen auf. Und auch Zombie sah mit großen Augen zu ihm. Bevor ich es verhindern konnte, rutschte mir ein »Was?!« raus.
»Ach du weißt es ja noch nicht: Peter und Grace haben schon seit Jahren ein Verhältnis miteinander, aber er traut sich einfach nicht, da mehr draus zu machen.«
Zombie fiel ihm wütend ins Wort: »Hör auf so einen Scheiß zu verbreiten!«
»Was? Wir wissen doch alle, dass er in sie verschossen ist.«
Mein Reflex war es aufzustehen und nach oben zu rennen. Ich wollte nicht noch mehr davon hören. Sonst hielt er doch auch immer den Mund. Warum musste er gerade jetzt so viel reden?
Doch ich unterdrückte ihn, denn es wäre zu offensichtlich gewesen. Deshalb senkte ich nur den Blick und kämpfte mit den Tränen. Ich hatte es doch gewusst! Warum hatte ich mir nur nach dem Gespräch mit Zombie heute Nachmittag versucht, etwas anderes einzureden? Ich war so dumm!
»Ehm, Anthony? Kannst mir gerade mal helfen?« Angel wartete gar nicht erst auf eine Antwort, sondern zog ihn am Ärmel hinter sich her in die entgegengesetzte Ecke des Probenraums, wo sie auf ihn einredete.
Zombie legte mir unsicher eine Hand auf den Kopf. Es war selten so offensichtlich, dass er Probleme mit anderen Menschen hatte, wie in diesem Moment. Vermutlich hätte ich diesen Versuch mehr wertschätzen können, wäre ich nicht gerade so wütend gewesen. Er hockte sich vor mich, damit er mir ins Gesicht sehen konnte und nicht so laut sprechen musste. »Hey, lass dir keinen Scheiß einreden. Da ist nichts dran.«
Ich sah ihn böse an und stand dann bemüht ruhig auf. »Schon gut. Ich geh mal nach oben, war ein langer Tag. Gute Nacht euch allen.«
Ich verließ den Backstagebereich durch die Tür und steckte den Kopf noch einmal durch die andere Tür herein. Mit leicht unfreundlichem Ton rief ich Peter und Grace eine gute Nacht zu und stapfte dann nach oben. Kurz ging ich unter die Dusche, danach ließ ich mich direkt ins Bett fallen.
Dann brachen die Dämme. Wie blöd konnte man nur sein? Hatte ich wirklich geglaubt, dass ich der Richtige für ihn wäre? Immerhin war er dreizehn Jahre älter als ich. Vermutlich hatte er mich tatsächlich nur hier wohnen lassen, damit ich nicht auf der Straße landete. Und weil er gewusst hatte, dass ich es anders nicht annahm, hatte er mir erzählt, er sei in mich verliebt. Und ich dummer, kleiner Junge hatte es auch noch geglaubt!
Ich presste mein Gesicht ins Kissen und tränkte es mit Tränen.
Entfernt hörte ich die Wohnungstür zuschlagen und dann schnelle Schritte auf der Treppe. Ein Moment später wurde die Schlafzimmertür aufgerissen und direkt wieder geschlossen. »Isaac, was wird das?!«
»Was?«, nuschelte ich ins Kissen, versuchte, so zu klingen, als hätte ich bereits geschlafen.
Peter setzte sich neben mich aufs Bett, zog mir das Kissen mit einem Ruck aus den Armen und hielt es mir vor die Augen. »Das! Du hast versprochen mit mir zu reden, wenn etwas nicht stimmt!«
Ich riss es ihm aus der Hand und vergrub mein Gesicht wieder darin. »Es ist nichts.«
»Ach, na dann ist ja gut. Dann kann ich ja wieder nach unten, während du dir hier die Seele aus dem Leib heulst. Willst du mich verarschen?!« Wieder nahm er mir das Kissen weg und legte es außerhalb meiner Reichweite ab.
Schnell zog ich mir die Bettdecke über den Kopf. Ich wollte nicht, dass er mir ins verheulte Gesicht sehen konnte, und ich wollte ihn auch nicht anschauen müssen. »Ist wirklich nichts.«
»Gut, dann werd ich wohl bei Grace im Hotel schlafen, vielleicht hast du dich ja morgen wieder eingekriegt.«
Ich spürte, wie er sich erhob, doch widerstand dem Drang, nach ihm zu sehen. Nein, wenn er einen Aufstand machen wollte, dann ohne mich.
Die Schranktüren wurden aufgerissen und darin gewühlt. Dann wurden sie wieder zugeschlagen und die Zimmertür geöffnet. »Bye.«
»Mein Schatz
Es ist mein Schatz
Nimm den Ring vom Finger
Denn ich will den Ring zurück
Mein Schatz
Es ist mein Schatz«
Oomph! – Mein Schatz