Schweigend liefen wir eine ganze Weile nebeneinander her. Ich hatte das Gefühl, man könnte die Luft zwischen den beiden schneiden.
Irgendwann seufzte Peter schwer. »Es tut mir leid, du hast recht, okay?«
»Schon gut, ich will das nur gerade nicht ausdiskutieren. Nicht heute und nicht vor dem Käfer. Carla und Anthony haben uns zum ersten Mal offiziell gemeinsam eingeladen, lass uns da die Stimmung nicht mit so was verderben.«
Peter nickte und wir verfielen wieder in Schweigen. Zombie hatte wohl recht, dass es unangebracht war, beim Weihnachtsessen völlig aufgewühlt und mit erhitzten Gemütern zu erscheinen.
Nachdem wir noch ein weiteres Stück des Weges geschwiegen hatten, sah er mich beim Anzünden der nächsten Zigarette nachdenklich an. »Bist du eigentlich getestet?«
»Was?« Ich hatte keine Ahnung, wovon er sprach. Die Frage war einfach zu plötzlich und für mich aus dem Nichts gekommen.
»Ob du dich in letzter Zeit mal hast auf sexuell übertragbare Krankheiten testen lassen?«
Verwirrt sah ich ihn an. Wie kam er denn jetzt darauf? »Nein, noch nie. Warum sollte ich?«
»Weil du schon allein in der Zeit, die ich dich kenne, eine ganze Menge Partner hattest. Und das sind nur die, die ich mitbekommen habe. Damit du weißt, ob du gesund bist, beziehungsweise nicht jemanden ansteckst, wenn du es nicht bist.« Er warf Peter einen kurzen Blick zu, der jedoch nur mit den Schultern zuckte. Zombie schüttelte den Kopf und meinte dann: »Wenn du Dr. Hammond erklärst, wie Isaac bei dir eingezogen ist, rechnet er das sicher über die Jungs ab, dann habt ihr damit keine Kosten.«
»Das muss Isaac entscheiden, ob er einen Test machen lassen möchte. Und ob bei Dr. Hammond oder woanders. Das kann ich nicht für ihn entscheiden«, erklärte Peter ruhig, sah dabei aber mich an.
»Ich überleg es mir«, antwortete ich möglichst diplomatisch. Denn eigentlich wusste ich nicht, warum ich einen Test machen sollte. Ich hatte immer Kondome benutzt und es war auch niemand krank gewesen, mit dem ich geschlafen hatte. Wozu also? Aber Zombie schien es wichtig und bevor ich mit ihm stritt, tat ich wenigstens so, als würde ich darüber nachdenken.
»Aber tu das wirklich. Es ist deine Gesundheit«, sagte mir der, der schon die dritte Zigarette in einer halben Stunde rauchte.
»Hallo, frohe Weihnachten, schön, dass ihr da seid«, wurden wir von Angel an der Tür begrüßt und dann hereingebeten.
Da sie nur ein paar Blocks von June entfernt wohnten, wunderte es mich nicht, dass die Wohnung genauso geschnitten war. Nur wurde der offene Raum zwischen Wohnzimmer und den Schlafzimmern nicht freigehalten, sondern als Esszimmer genutzt. Vermutlich hatte er in Junes WG eher als Partyraum gedient.
Die Tür zum Wohnzimmer stand offen und Zulu stieß aus dieser Richtung zu uns. »Frohe Weihnachten alle miteinander.«
Wir setzten uns an den reichlich gedeckten Tisch und aßen. Es war ein klassisches Weihnachtsessen mit allem, was dazu gehörte. Währenddessen führten wir ein paar nebensächliche Gespräche und lobten Angels Kochkünste.
Nach dem Essen gingen wir hinüber ins Wohnzimmer und machten es uns dort gemütlich. Während ich mich setzen wollte, fragte Angel plötzlich: »Ist das Armband eigentlich neu? Oder hast du das von Peter geliehen?«
»Nein, ist neu«, antwortete ich verlegen und warf dabei Peter aus den Augenwinkeln einen Blick zu.
»Das sieht schick aus. Darf ich mir das mal ansehen?« Ich nickte, ging zu ihr herüber und hielt ihr mein Handgelenk entgegen. »Wo hast du das her?«
»Von einem befreundeten Schuster«, beantwortete Peter die Frage für mich. Er kam zu uns herüber und legte mir seinen Arm um die Hüfte.
»Oh.« Noch während er sprach, entdeckte Angel auch die Prägung auf dem Metallplättchen und riss die Augen auf. Ich hatte nach dem Duschen und Anlegen gar nicht darauf geachtet, welche Seite oben war, da es mir für den Abend einfach nicht wichtig erschienen war. »Seid ihr ...?«
»Ja«, bestätigte Peter und gab mir einen kurzen Kuss auf die Wange, bevor er mich losließ und sich neben Zombie aufs Sofa setzte.
Ich stand noch einen Moment beschämt vor Angel, da ich nicht wusste, wie ich darauf reagieren sollte, dass es nun die ganze Band wusste, dann drehte ich mich um und setzte mich zwischen Peter und Zombie.
»Was ist denn los? Ihr seid ja so still. Ist was passiert?«, fragte Zulu in die peinliche Stille hinein, als auch er das Zimmer betrat. Er hatte noch den Tisch abgeputzt und daher unser Gespräch nicht verfolgen können.
»Nein, alles gut, ich bin nur ein wenig überrascht.« Zulu setzte sich auf die Lehne von Angels Sessel und legte den Arm um ihre Schulter. »Peter hat gerade gesagt, dass er und Isaac ein Paar sind.«
»Wirklich?« Der Bassist sah kurz etwas ungläubig zu uns, die mit einem Nicken bestätigten, dann zu seiner Freundin. »Warum wundert dich das? Du hast mich doch letztens wegen der Sache mit Grace ermahnt, weil Isaac in Peter verliebt ist.«
Verwundert zog ich die Augenbrauen hoch. Sie hatte ihn wegen seiner Aussage ermahnt? War es wirklich so offensichtlich gewesen, dass es mich getroffen hatte? Und dass ich in Peter verliebt war?
»Aber ich wusste nicht, dass Peter auch verliebt ist. Und dass sie zusammen sind. Ich hab es nur für eine Schwärmerei von Isaac gehalten. Seit wann seid ihr denn zusammen?«
»Seit Anfang November. Also seitdem Isaac zu mir gezogen ist.« Peter legte seine Hand beruhigend auf meinen Oberschenkel.
Zombie wirkte, als wollte er etwas sagen, denn er gab einen leisen, amüsierten Laut von sich, doch er hielt sich zurück.
»Und ihr meint, das ist eine gute Idee?« Angel klang ziemlich skeptisch.
Ich merkte, dass sich Peters Hand etwas fester um meinen Oberschenkel spannte, während er ruhig fragte: »Warum sollte es falsch sein, mit jemandem zusammen zu sein, den man liebt?«
»Du weißt genau, was ich meine. Haltet ihr es wirklich für sinnvoll, es so offensichtlich zu zeigen?«
»Warum offensichtlich? Es ist nur ein Armband und es könnte jeder mit dem Namen gemeint sein. Außerdem kann er es auch umdrehen, damit es niemand lesen kann.«
»Und wenn doch jemand dahinter kommt?«
»Ihr habt doch bisher auch nichts gemerkt. Und dabei geht es schon eine ganze Weile länger mit den beiden«, mischte sich Zombie ein.
Angel verdrehte die Augen. »War ja klar, dass du auf ihrer Seite bist.«
»Carla, es gibt hier keine Seiten. Ich versteh ja, dass ihr euch Sorgen macht, aber wir haben gar nicht vor, das an die große Glocke zu hängen. Wir wollen uns nur einfach nicht vor unseren Freunden verstecken«, beschwichtigte Peter sie.
»Ich halte es dennoch für keine gute Idee.«
»Warum mischt ihr euch da überhaupt ein? Es ist doch Peters und Isaacs Sache.«
»Wenn es deswegen Stress gibt, dann hängen wir alle mit drin«, meldete sich jetzt auch Zulu zu Wort. »Ihr könnt uns allen damit schaden.«
»Könntet ihr, wenn es bei euch jemand rausfindet, auch. Und hat schon mal jemand von uns etwas gegen eure Beziehung gesagt? Ihr habt doch sicher auch nicht um Erlaubnis gefragt oder ob es uns passt! Es ist doch unsere Entscheidung!«, redete ich mich in Rage. Was fiel ihnen ein, uns sagen zu wollen, dass wir nicht zusammen sein sollten!
Angel sah auch direkt verlegen auf ihre Hände, die in ihrem Schoß lagen.
»Aber Carla und ich stehen nicht so im Mittelpunkt wie ihr. Für uns interessiert sich kaum einer und wir machen nicht auch noch auf der Bühne rum. Außerdem wird es bei uns weniger Leute geben, die ein Problem damit haben. Ihr wisst selbst, wie viele Leute etwas gegen Schwule haben«, zählte Zulu auf.
»Ich glaube kaum, dass unsere Fans etwas dagegen haben. Immerhin haben Luke und ich schon eine ähnliche Bühnenshow gemacht und es war nie ein Problem.«
»Peter, es ist etwas anderes, wenn die Leute das auf der Bühne sehen und wissen, dass es nur Show ist, als wenn ihnen bewusst wird, dass es nicht nur das ist. Bei Luke war es allgemein bekannt, dass er nur auf Frauen steht.«
»Was soll das heißen? Sollen wir uns etwa verstecken und ich am besten noch einen auf hetero machen? Vergiss es!«
Peter zog mich näher an sich. »Isaac hat recht. Ihr könnt nicht von ihm verlangen, sich als etwas auszugeben, das er nicht ist. Die Gerüchte um mich und Luke gab es ja trotzdem und es gab auch genug, die sie geglaubt haben und sie total toll fanden. Das ist eine Sache zwischen Isaac und mir und hat nichts mit der Band zu tun.«
»Wie du meinst, aber dann sorgt ihr auch dafür, dass es wirklich eine Sache zwischen euch bleibt und nicht die Band mit reinzieht«, lenkte Zulu ein, auch wenn er und Angel nicht zufrieden aussahen.
Schade, dass sie sich nicht wenigstens ein bisschen für uns freuen konnten.