Nachdem ich mich mit ein paar weiteren Leuten unterhalten hatte, ging ich zurück zu Lance und Janine, die sich mit Zombie unterhielten.
»Da bist du ja wieder. Was hast du mit Alison gemacht? Die ist total komisch«, fragte mein bester Freund sofort.
»Die versucht rauszufinden, wer mein Freund ist.« Breit grinste ich ihn an.
»Alison? Ist das nicht das Fangirl?«, fragte Zombie.
Lance und ich nickten.
»Achso. Sie hat mich vorhin nämlich ziemlich genervt, ob ich hier jemanden namens Peter kenne. Ich hab ihr gesagt, dass ich keinen kenne. Wusste nicht, ob ich das bei Maniac sagen dufte«, erklärte Lance weiter.
»Weiß Peter davon? Ich dachte, ihr wolltet nicht, dass sie es erfährt«, erkundigte sich Zombie.
»Er hat gesagt, wenn ich sie damit loswerden kann, darf ich es ihr sagen.«
Er nickte verstehend.
Vorsichtig schlangen sich in dem Moment zwei Arme von hinten um meine Taille. Ganz automatisch lehnte ich mich an den Mann hinter mir an und genoss die Nähe. »Hey mein Schatz. Alles gut? Du musstest das Fangirly loswerden?«
»Ja. Alles gut. Sie versucht jetzt, rauszufinden, wer mein Freund ist«, erklärte ich ihm bereitwillig und grinste.
»Na dann. Willst du es ihr leicht machen?« Amüsiert lächelte er zurück. In seinen Augen sah ich deutlich, wie er das Angebot meinte.
Dennoch lehnte ich ab. Mir war gerade nicht nach solchen öffentlichen Zurschaustellungen. »Nicht leichter, als es sowieso ist. Sie hat immerhin zwei Fragen und wollte schon den Namen wissen.«
»Ist gut.« Dennoch küsste er mich kurz in den Nacken. »Ich wollte nur sagen, dass ich für eine Weile oben bin, noch ein wenig was vorbereiten. Außerdem bin ich dran mit Babysitten. Falls mich jemand sucht.«
»Alles klar.« Ich drehte mich halb um und gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Bis später.«
»Babysitten?«, frage Janine verwundert, als Peter weg war.
»Ja, die Kleinen von Anatol und Timothy schlafen oben. Die halten noch nicht den ganzen Abend durch. Für das Feuerwerk werden sie dann geweckt. Deswegen muss auch immer jemand oben sein und auf sie aufpassen«, erklärte ich ihr.
»Wir alt sind denn die Kleinen?« Lance wirkte wirklich überrascht.
Aber das war ich auch gewesen, als ich die Familien vorhin kennengelernt hatte. Zumal Anatol jünger als mein Vater war und schon bei ihm waren die Leute häufig erstaunt, dass er mit neununddreißig einen fast erwachsenen Sohn hatte. Da überraschte es mich natürlich umso mehr, dass seine Tochter etwas älter war als ich.
Da ich die Frage selbst nicht beantworten konnte, sah ich fragend zu Zombie. Er überlegte kurz. »Laurence und Kiril sollten jetzt beide drei sein, Sam ist gerade erst zwei geworden.«
»Oh, das ist ja süß«, quietschte Janine. »Musst du auch auf sie aufpassen?«
»Nein. Ich sollte hier unten bleiben. Aber ich hab auch keine Lust auf Babysitten«, gestand ich. Das hatte ich immerhin bei Dave häufig genug getan.
Etwa eine halbe Stunde später kam Anatol auf mich zu. »Samsa, weißt du, wen Peter alles eingeladen hat?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Nein, er hat alles allein organisiert. Warum?«
»Kannst du ihn dann mal holen?« Skeptisch sah ich den Türsteher an. »Die Kleinen schlafen oben, daher will ich nicht klingeln.«
Er klang ziemlich ernst, fast als gäbe es Probleme. Daher nickte ich und ging nach oben.
Vorsichtig klopfte ich an die Arbeitszimmertür, bevor ich sie langsam öffnete und den Kopf hineinsteckte. Ich wusste, dass Peter ziemlich unwirsch reagierte, wenn man ihn hier störte, wenn die Tür geschlossen war. Da ich diesmal nur Bote war, hoffe ich, eine gewisse Immunität zu genießen. »Sorry. Anatol schickt mich. Es gibt unten wohl ein Problem.«
»Sag ihm, ich komm gleich«, knurrte er. Was denn, war ich heute Dienstbote? Ich sagte jedoch nichts, damit er nicht noch wirklich wütend wurde.
Ich fand Anatol zusammen mit Zombie vor der Tür. Als ich mich dazugesellte, sah ich, dass noch ein dritter Mann bei ihnen stand. Er kam mir mit seinen schwarzen Dreadlocks und dem etwas dunkleren Teint irgendwie bekannt vor, aber ich konnte ihn nicht auf den ersten Blick zuordnen.
»Maniac kommt gleich«, wandte ich mich an Anatol.
Dieser wollte etwas erwidern, wurde aber von dem Typ unterbrochen, der sich lauthals beschwerte. Dabei klang deutlich Alkohol in der Stimme mit. »Uuuh, habt den großen Boss holen lassen. Was soll der denn machen?«
»Peter entscheidet, ob du reinkommst oder nicht«, erklärte Anatol ruhig, aber bestimmt. Er hatte sich breit vor der Tür aufgebaut.
»Seit wann entscheidet er, wer reinkommt. Dafür hat er doch dich«, lallte der Typ.
»Das ist eine private Party. Und das weißt du ganz genau. Du hast hier nichts verloren«, mischte sich Zombie mit scharfer Stimme ein. Auch er wirkte aggressiv, in seinem Fall aber nicht vom Alkohol. Er schien völlig nüchtern.
»Und ich bin eingeladen. Hast du das etwa vergessen, Matty?«
»Du warst eingeladen. Bevor du dich einfach aus dem Staub gemacht hast.«
Jetzt machte es bei mir auch klick und ich wusste, woher ich ihn kannte. Ich hatte ihn ein paar Mal auf Bildern gesehen.
In Zombies Richtung flüsterte ich: »Peter hat ihn wirklich eingeladen.«
Ungläubig wandte er sich mir zu. »Bitte? Das ist doch nicht sein fucking Ernst!«
»Doch, ist es. Wo ist das Problem?«, erklang Peter von der Treppe, deren letzte Stufen er herunterkam.
Zombie stampfte schnaubend und mit einem bösen Blick auf Peter ins Innere.
»Was hat Matty für’n Problem?«, fragte der Typ mit einem fiesen Grinsen.
»Er ist wütend. Und das zurecht«, bemerkte Anatol, bevor er Peter den Wohnungsschlüssel abnahm und nach oben ging, um Babysitter zu spielen.
»Lass uns runtergehen, da ist es ruhiger«, bot Peter dem anderen bemüht ruhig an. Gemeinsam gingen sie hinein und nach unten.
Einen Moment stand ich noch unschlüssig in der Tür, dann ging ich in den Club zurück und zu Zombie. Dieser stand mit Zulu und Angel zusammen, und seiner Gestik nach zu urteilen, regte er sich stark auf.
»... sich zu rechtfertigen«, versuchte Angel, ihn zu beruhigen.
»Kann er das nicht am Telefon machen? Er hat hier nichts mehr verloren!«
»Er hat Peter vor ein paar Tagen darum gebeten, dass er gerne mit ihm sprechen würde. Er hat aber nicht gesagt, warum«, klärte ich die anderen auf, als ich bei ihnen ankam.
»Und warum heute? Hätte das nicht auch ein paar Tage warten können?«
Ich konnte nur mit den Schultern zucken. »Es war wohl dringend. Er ist direkt mit dem nächsten Flug hergekommen.«
»Peter wird uns schon sagen, was los ist, wenn es uns etwas angeht«, beschwichtigte Angel ihn weiter.
Ohne etwas zu erwidern, zog sich Zombie zurück und ging zur Bar. Ich sah ihm kurz nach.
Sie lächelte mich an. »Keine Sorge, er beruhigt sich schon wieder.«
Ich nickte nur und begab mich dann zu Elena, Sonja und Aiden, die etwas abseits standen. »Tut mir leid, dass ich nicht so viel Zeit für euch habe.«
»Schon gut, wir haben auch so Spaß«, beruhigte mich Elena. »Ich versteh jetzt auch, warum du dich für Lance hast verprügeln lassen. Der ist ja super nett. Und seine Freundin auch.«
»Ihr habt Janine zum Reden gebracht?«
»Ja. Sie war zuerst etwas schüchtern, aber dann ist sie richtig aufgetaut«, erklärte Sonja freudig.
»Von der anderen, die die ganze Zeit bei ihm hängt, kann ich das nicht behaupten«, grummelte Aiden.
»Meinst du Alison?«, fragte ich unschuldig grinsend.
»Ja, genau. Ist die als Kind zu oft vom Wickeltisch gefallen?«
Ich lachte kurz. »Ich glaub nicht. Warum?«
»Dann ist die einfach dumm! Erst fragt die mich ohne Vorwarnung, ob ich Peter heiße und dann, ob ich jemanden hier kenne, der so heißt. Hab der gesagt, dass Maniac so heißt. Die hat mich dann total angemotzt, dass sie das selbst wisse. Total irre die Frau. Warum fragt sie dann so doof?«
Ich verkniff mir das Lachen und zuckte mit den Schultern. Vermutlich hatte sie diese und ähnliche Antworten schon unzählige Male an diesem Abend gehört. Die Lösung des Rätsels war wohl doch zu einfach, als dass sie sie einfach annehmen konnte.
Nachdem wir uns noch eine Weile unterhalten hatten, stieß Zombie noch einmal zu uns. »Kann ich kurz mit dir sprechen?«
Verwundert sah ich ihn an und nickte. »Klar.«
Wir suchten uns eine Ecke in der Nähe der Bar, wo wir den Raum im Blick hatten. Er wollte wohl verhindern, dass uns jemand belauschte. Mir wurde ein Glas gereicht und dann die Zigarette angeboten. Das war wohl Zombies Art von Friedensangebot.
Dankend nahm ich beides an, wobei ich den Glimmstängel nach einem Zug zurückgab.
»Hast du gar keine Angst?«, begann er dann, nachdem er einmal gezogen hatte.
»Wovor?« Sicher hatte ich Angst und vor so einigen Dingen. Unter anderem vor dem Gespräch, was ich hoffentlich am nächsten Tag mit Peter führen würde. Aber das ging ihn alles nichts an.
Zombies bohrender Blick traf mich. »Du weißt, wer das vorhin war?«
Achso. Er war also immer noch mit der Sache von vorher beschäftigt. Ich nahm erneut einen Zug, bevor ich antwortete. »Ja.«
»Ist dir nie in den Sinn gekommen, dass er versuchen könnte, zurückzukommen?« Zombie sah tatsächlich besorgt aus. Das war selten.
»Und wenn? Ich weiß, dass Peter mich nicht ersetzen würde. Nicht durch ihn und auch nicht durch jemand anderen.« Und von dieser Tatsache war ich überzeugt.
Langsam und nachdenklich nickte mein Gegenüber. Erstaunlich, irgendwie hatte ich mit weiteren Widerworten von ihm gerechnet.
Während wir aufrauchten, schwiegen wir. Amüsiert beobachtete ich Alison, wie sie noch immer alle möglichen Leute ansprach.
Nachdem die Zigarette heruntergebrannt war, bedanke ich mich und wollte noch eine Runde durch die Gäste drehen. Doch ich kam keine zehn Schritte weit, da kam durch die Gäste hindurch jemand auf mich zugestürmt.
Direkt vor mir blieb er stehen. »Du bist Samsa?« Der Alkohol klang noch mehr aus seiner Stimme als zuvor. Vermutlich hatten er und Peter etwas getrunken.
Selbstsicher richtete ich mich auf. »Ja, der bin ich.«
Mein Gegenüber lachte lauthals.
Etwas verunsichert sah ich ihn an, ließ die Schultern hängen. Doch es kam nichts weiter und ich wandte mich zum Gehen.
Als ich ihn einfach stehen lassen wollte, hielt er mich am Arm fest und schrie mich an: »Du bist noch ein Kind! Ein verdammtes, kleines Kind!«
»Ich bin kein Kind. Und jetzt lass mich los«, spie ich ihm ins Gesicht.
Ich versuchte, mich aus seinem Griff zu befreien, doch er packte noch fester zu. »Er schmeißt mich wegen einem scheiß Kind raus!«
Bevor ich es realisierte, stand Zombie neben uns und riss meinen Arm aus der Umklammerung. »Niemand hat dich rausgeschmissen, Luke! Du bist von allein gegangen. Von einem Tag auf den anderen! Glaubst du wirklich, wir trauern dir ewig hinterher, falls du es dir gnädigerweise noch einmal anders überlegst?«
Mit bedrohlich funkelndem Blick trat Phantom einen Schritt näher. Zombie schaffte es noch, einen Arm zwischen uns zu schieben, dennoch wurde er ignoriert. »Glaubst du wirklich, du könntest meinen Platz einnehmen? Du kleiner Wurm? Wie willst du das anstellen? Willst du alle mit deinem Babyface um den Finger wickeln? Kleiner, so läuft das Showbiz nicht! Da braucht es mehr als ein bisschen gutes Aussehen.«
Zombie wollte etwas erwidern, aber ich war einen Zacken schneller. Giftig fauchte ich: »Wenn ich nicht mehr könnte, als gut auszusehen, wäre ich nicht hier. Im Gegensatz zu dir, liegt Peter nämlich etwas an der Band.«
Die Hand, die auf mein Gesicht zusteuerte, fing Zombie ab, indem er sich ganz zwischen uns drängte. Stattdessen traf sie ihn.
Nun nahm Phantom auch richtig von ihm Notiz. »Was ist? Stehst du etwa auch hinter diesem Kind? Oder hat sich Mr. Herzlos etwa in dieses süße Gesichtchen verliebt? Na, wie fühlt es sich an, selbst mal den Arsch eines Kindes zu ficken?«
Bevor ich es richtig realisierte, schlug der Drummer zu. »Verschwinde! Du hast hier nichts mehr verloren!«
Der ehemalige Sänger hielt sich die Wange. »Pfft. Wenn ihr glaubt, ein Kind kann das besser als ich: Gut! Ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt!«
»Samsa kann es besser als du. Und soll ich dir sagen, warum? Ihm steigt es nicht zu Kopf. Er weiß, was er kann, aber er muss es nicht jedem unter die Nase reiben. Und jetzt verschwinde! Lass dich hier nicht mehr blicken!« Zombie deutete mit ausgestrecktem Arm auf die Tür.
Bevor Phantom noch etwas erwidern konnte, wurde er von Anatol gepackt und nach draußen geführt. Erst jetzt fiel mir auf, dass wir wohl nicht besonders leise gestritten hatten und fast alle im Raum uns beobachteten.
Peter kam eilig auf uns zu. »Alles okay bei euch? Was ist passiert?«
»Luke ist plötzlich wie ein wild gewordener Stier auf unseren Käfer losgegangen und hat ihn bedroht.« Erst jetzt wurde mir bewusst, dass Zombie mich vorher wohl zum ersten Mal einfach nur Samsa genannt hatte. »Was hast du dir dabei gedacht, ihn einzuladen?«
»Er hat ein paar Probleme und wollte mit mir reden. Ich konnte ja nicht ahnen, dass er so austickt. Ist ...«
»Ist das dein Ernst? Peter, das ist Luke! Natürlich tickt er aus, wenn etwas nicht so läuft, wie er es will.«
»Tut mir leid, ich dachte, er könnte sich geändert haben. Geht es euch gut?« Peter sah uns beide besorgt an und bemerkte dann wohl Zombies rote Wange. Vorsichtig strich er darüber.
Dieser drückte die Hand weg. »Schon gut, er war zu betrunken, um wirklich hart zuzuschlagen. Und immerhin hat er nur mich und nicht den Zwerg getroffen.«
Bevor Peter auf mich eingehen konnte, schob sich Lance zu mir. »Alles okay?«
»Ja, alles gut. Können wir jetzt einfach weiter feiern?« Ich lächelte erst meinen besten Freund und dann Peter an.
Beide nickten und wir sorgten dafür, dass sich die Leute wieder zerstreuten. Eine Weile dauerte es, aber dann waren wieder alle in Partystimmung.