Peter stellte die Maschine auf der Straße vor dem Haus meiner Eltern ab. Während der Fahrt war das beklemmende Gefühl in meiner Brust immer stärker geworden. Jetzt wo ich abstieg, hatte ich das Gefühl, kaum noch atmen zu können. Scheinbar stand mir das auch deutlich ins Gesicht geschrieben, denn sobald wir unsere Helme abgesetzt hatten, kam Peter zu mir und legte beruhigend die Hand auf meine Schulter. Ich war froh, dass er mich so nah an meinem Elternhaus nicht in den Arm nahm oder sogar küsste.
»Bist du soweit?«, fragte er ruhig. Nachdem ich noch einmal tief durchgeatmet hatte, nickte ich langsam. Sanft drückte er meine Schulter, dann ließ er mich los und wir gingen auf das Haus zu, in dem ich die letzten sechs Jahre gelebt hatte.
Wir hatten gerade das Gartentor erreicht, da ging die Haustür auf und Dave trat heraus. Sein Blick erfasste mich und sofort stürmte er auf mich zu. »Isiiiiii!«
Automatisch ging ich in die Hocke und breitete meine Arme aus. Er legte seine um meinen Hals und ich hob ihn hoch, während ich ihm einen Kuss auf die Wange gab. Mir wurde jetzt erst bewusst, wie sehr ich den kleinen Wirbelwind vermisst hatte. »Was machst du denn hier? Solltest du nicht beim Training sein?«
»Wir sind gerade auf dem Weg«, kam es eisig von der Tür. Ich hob meinen Kopf und blickte in Roses Augen. Sie war offensichtlich nicht begeistert, dass ich Dave im Arm hielt. »Und was machst du hier? Du hast hier nichts mehr verloren.«
Langsam setzte ich Dave ab, der sich sogleich an mein Bein klammerte. Er hatte mich auch vermisst. »Das sieht Dad wohl anders. Er wollte mit mir reden.«
Rose schien noch etwas sagen zu wollen, doch dann überlegte sie es sich anders, nahm Daves Hand von meinem Bein und zog ihn mit sich zum Auto.
Ich sah ihnen nach, bis sie im Auto saßen und Dave mir von dort aus traurig zuwinkte, während sie davonfuhren. Ich schluckte schwer.
Wieder legte sich Peters Hand auf meine Schulter und er schob mich sanft zur Tür. »Komm.«
Ich war ihm schon jetzt dankbar, dass er mitgekommen war. Denn alleine hätte ich mich einfach umgedreht und wäre gegangen. Ich drückte auf die Klingel, dann warteten wir.
Einen kurzen Moment später öffnete sich die Tür wieder und diesmal stand Dad darin. »Oh, Isaac, du bist ja schon da. Kommt doch rein.«
Hatte er den Tumult mit Rose nicht mitbekommen? War ja klar, dass sie sich so etwas nur traute, wenn Dad nicht in der Nähe war. Wobei ich mir da mittlerweile nicht mehr so sicher war. Seitdem herausgekommen war, dass ich auf Männer stand, war sie immer schlimmer geworden.
Ich ging an Dad vorbei, Peter folgte. Nachdem mein Vater die Tür geschlossen hatte, drehte ich mich zu ihm um. »Dad, das ist Peter. Peter, das ist mein Vater.«
»Freut mich, Sie kennenzulernen, Mr. Valentine.« Peter streckte meinem Vater die Hand entgegen, der sie sofort ergriff.
»Kommt doch in die Küche«, wurden wir aufgefordert. Ich half meinem Vater, Getränke und Gläser auf den Tisch zu stellen, dann setzten wir uns. Eingehend musterte er meinen Freund, bevor er mich fragte: »Und du schläfst im Moment bei Peter?«
»Ja, seit einiger Zeit«, antwortete ich vage.
»Warum bist du nicht nach Hause gekommen?«
Leider wusste ich, dass er die Frage völlig ernst meinte und sich überhaupt nicht vorstellen konnte, dass es Gründe gab, die dagegen sprachen.
»Weil ich kein Zuhause mehr habe!«, warf ich ihm an den Kopf. »Weißt du, was deine Frau mir gerade vor der Tür gesagt hat? Sie hat zu mir gesagt, dass ich hier nichts mehr verloren hätte.«
Geschockt weiteten sich seine Augen. Dann schien er sich zu fassen. In besänftigendem Ton erwiderte er: »Ich bin mir sicher, das war nur ein Missverständnis. Natürlich bist du hier jederzeit willkommen. Und es wäre schön, wenn wir wieder wie früher vernünftig zusammenleben könnten.«
»Dad, ich kann nicht mehr hier leben.« Ich sagte es langsam und ganz ruhig. »Es wird immer wieder Ärger mit Rose geben. Ich kann es nicht ändern, dass ich auch auf Männer stehe, ich will es auch nicht ändern. Und sie wird es nicht akzeptieren. Sie hätte mich gerade am liebsten wieder geschlagen, weil ich Dave auf dem Arm hatte. Außerdem muss ich jeden Tag üben, was ich hier nicht kann.«
Verwirrt sah er mich bei der letzten Aussage an. »Wie, du musst üben? Wofür?«
»Ich will ab dem Sommer an der BU studieren.« Mehr musste ich nicht sagen, damit er wusste, was ich meinte.
»Och, Isaac, schlag dir den Blödsinn doch endlich aus dem Kopf! Warum willst du deine Zeit unbedingt damit verschwenden? Wir haben doch schon so oft darüber gesprochen. Du wirst davon nie leben können.«
»Woher willst du das wissen?«
Dad seufzte und sprach dann in belehrendem Ton: »Isaac, nur ganz wenige werden so berühmt, dass es zum Leben reicht. Ich will nicht, dass du dich d in eine Idee verrennst und auf der Straße landest. Du willst doch auch mal deine Familie ernähren können. Warum machst du nicht lieber etwas, bei dem du eine feste Anstellung hast?«
»Und wenn ich anstatt mit einer Familie lieber mit einem Mann zusammenleben will?« Ich konnte mir mich nicht mit Familie, Haus und Hund vorstellen. Dazu mochte ich meine Freiheiten zu sehr. Warum ging er nur immer davon aus, dass ich auch wollte, dass mein Leben so verlief? Wütend hatte ich die Hände neben meinem Stuhl geballt.
Ich erschrak, als mich eine Hand leicht am Unterarm berührte. Verwundert sah ich auf und blickte in Peters Gesicht, der mich sanft anlächelte. Ihn hatte ich völlig vergessen. Er hatte während des bisherigen Gesprächs ruhig daneben gesessen. Jetzt, wo ich mich aufregte, gab er mir die Ruhe, wieder einen klaren Gedanken zu fassen.
»Außerdem kann ich auch nach dem College an einem Theater oder der Oper oder so arbeiten. Oder Gesangsunterricht geben. Da hab ich auch eine feste Anstellung. Warum lässt du mir nicht wenigstens die Chance, es zu versuchen?«
»Weil du mit dem Versuch deine Zeit verschwendest. Und unser Geld. Das College kostet viel und ich werde dir so etwas nicht finanzieren. In der Zeit bis du feststellst, dass das der falsche Weg ist, könntest du genauso gut schon etwas richtiges arbeiten und dein eigenes Geld verdienen, statt auf uns angewiesen zu sein.«
»Ich will doch gar kein Geld von dir. Ich möchte das studieren, was mir Spaß macht. Und das ist nun mal das Singen. Ich bin nicht hier, um dich zu fragen, ob ich das studieren darf, sondern um dir das mitzuteilen und dich zu bitten, mich dabei zu unterstützen.« Ich sah ihm fest in die Augen. »Ich will nicht mehr hier wohnen und mir den Vorwurf anhören, ich würde euch auf der Tasche liegen und nichts Vernünftiges machen. Ich möchte die Chance, euch zu beweisen, dass ich auf eigenen Beinen stehen und mich und das Studium selbst finanzieren kann.«
Mein Vater zog skeptisch die Augenbrauen nach oben. »Und wie stellst dir das vor? Du hast noch nie gearbeitet und auch kein eigenes Geld.«
»Doch hab ich«, behauptete ich und holte aus meiner Tasche mehrere Zettel hervor. Auf allen stand ein kurzer Text sowie Peters Unterschrift. Auf zweien war außerdem ein Geldbetrag zu finden. Diese beiden sicherten mir meinen Anteil am Verdienst der Konzerte in Boston und Springfield zu. Die anderen bestätigten meine Beteiligung an den Kompositionen der neuen Lieder beziehungsweise des Neuarrangements. Es waren nur Kopien, die Originale hatte Peter in seinen Unterlagen.
Dad nahm sie in die Hand und kurz flog sein Blick darüber. Dann richteten sich seine Augen wieder auf mich. »Was ist das?«
Als ich gerade den Mund öffnen wollte, legte Peter erneut seine Hand auf meinen Arm und antwortete für mich: »Isaac arbeitet seit drei Monaten für meine Band als Sänger. Außerdem hat er bisher zwei Lieder mit uns komponiert, eines im Alleingang. Diese Dokumente sorgen dafür, dass er, sobald er offiziell bei uns unter Vertrag steht, seinen Lohn erhält. Die Frage ist nur, ob er bis März warten muss oder ob sie bereit sind, den Vertrag schon vorher als sein gesetzlicher Vertreter zu unterschreiben.« Auch wenn Peter ganz ruhig gesprochen hatte, war die Forderung deutlich in seiner Stimme zu hören.
Der Gesichtsausdruck meines Vaters lag irgendwo zwischen Entsetzen und Wut. Außerdem wanderte sein Blick immer wieder zwischen Peter und mir hin und her. Eine ganze Weile kam keine Antwort. Dann platzte es aus meinem Vater heraus: »Bist du verrückt? Wie kann das sein, dass du auf irgendwelchen Konzerten bist und wir nichts davon wissen? Ist das der Grund, dass du so häufig in der Schule gefehlt hast? Haben Sie denn gar kein Verantwortungsgefühl?«
Diesmal war ich es, der antwortete: »Könnte vielleicht daran liegen, dass ihr euch nicht wirklich dafür interessiert, was ich tue.«
»Isaac ist unglaublich talentiert und sollte gefördert werden. Sie können doch froh sein, dass er sein Talent nutzt und dafür sogar bezahlt wird. Alleine die Papiere in Ihrer Hand haben einen Wert von etwa 500 Dollar. Jedes Mal, wenn eines der Lieder irgendwo in der Öffentlichkeit gespielt wird, wird es mehr«, machte Peter klar, ohne auf Dads Vorwürfe einzugehen. »Das Geld wird er so oder so erhalten und ich werd mich dafür einsetzen, dass es mehr wird. Die Frage ist nur, ob Sie ihm die Chance geben, schon jetzt davon zu leben oder ob er bis zu seinem 18. Geburtstag warten muss. Sie kennen ihn gut genug, um zu wissen, dass er sich das zum Glück nicht ausreden lässt.«
»Und wie stellt ihr euch das mit der Schule vor?«, bohrte Dad weiter.
»Es hatte nichts mit der Band zu tun, dass ich gefehlt habe, sondern ich konnte bei anderen nicht immer gut schlafen. Und jetzt wohne ich ja erstmal bei Peter«, versuchte ich, das zu relativieren.
»Isaac, wir haben letzte Woche einen Brief von der Schule bekommen, dass du nicht mehr unentschuldigt fehlen darfst, sonst fliegst du! Dann hat sich die Diskussion, was du studieren willst, sowieso erledigt. Und irgendwie musst du doch auch das nachholen, was du verpasst hast«, belehrte mich mein Vater.
Ich sah ihn schockiert an. So häufig hatte ich doch gar nicht gefehlt, oder?
»Natürlich wird Isaac dadurch auch ein paar Mal in der Schule fehlen, aber wenn er durch Sie entschuldigt wird, sollte er doch keine weiteren unentschuldigten Stunden mehr dazubekommen. Und solange er bei mir wohnt, kann ich versprechen, dass er nur noch fehlt, wenn es nicht anders geht. Und wenn ich ihn persönlich vor der Schule absetzen oder ihn an seine Schulbank binden muss, damit er dort bleibt«, versprach Peter. Ich traute ihm das sogar zu. »Natürlich gibt es da einiges, was man vorher besprechen muss, aber es wird dennoch besser laufen, wenn wir uns alle einigen können, als wenn es so weitergeht wie bisher.«
»Und ich kann dich wirklich nicht davon überzeugen, dass du wieder nach Hause kommst? Oder die Musiksache noch einmal zu überdenken?«, versuchte Dad es noch einmal halbherzig.
Fest sah ich ihm in die Augen und schüttelte langsam und bestimmt den Kopf.
Er seufzte und sah dann Peter an. »Wie sieht denn so ein Vertrag aus?«
Peter erklärte, was er sich vorgestellt hatte und wie die Verträge der anderen Bandmitglieder aussahen, welche Abweichungen er bei mir vornahm und warum. Er erklärte auch, wie das mit dem Geld für die von mir komponierten Lieder funktionierte. Wir redeten auch darüber, wie es mit der Schule weitergehen sollte, wenn ich fehlte. Außerdem bestand Dad darauf, dass er immer wusste, in welcher Stadt wir waren und dass ich ihn außerhalb Bostons jeden Tag anrief. Damit konnte ich leben, wenn ich dafür endlich ohne Probleme mit der Band auftreten konnte. Nach gut einer Stunde hatten wir alles durchgekaut.
»Und du willst das wirklich machen?«, versicherte sich Dad noch einmal. »Wenn du alles allein machen willst, dann musst du auch alles allein bezahlen. Weißt du wirklich, wie teuer das ist?«
»Nicht genau«, gab ich ihm recht. »Aber ich bekomm das schon hin. Ansonsten muss ich eben noch woanders arbeiten.«
»Gut. Dann überleg ich mir, ob ich das unterschreibe. Wenn du es dir doch noch einmal anders überlegst, dann kannst du jederzeit wieder zurückkommen«, bot mein Vater an, bevor Peter und ich nach oben gingen, um einige Sachen zusammenzusuchen.
»Lief doch eigentlich gut.« Kaum war die Tür hinter Peter ins Schloss gefallen, zog er mich von hinten in seine Arme und küsste meine Wange. »Hoffen wir, dass er wirklich deinen Vertrag unterschreibt.«
»Ja, ich hab auch mit mehr Widerstand gerechnet. Vielleicht war es ja doch gut, dass wir Rose vor der Tür begegnet sind. Ist das denn in Ordnung, wenn er sich noch etwas Zeit lässt zum Nachdenken?« Ich machte mich aus Peters Armen frei und verstaute den Großteil meiner Klamotten, die noch im Haus waren, in unseren beiden Rucksäcken. »Du meintest doch, dass es wir recht bald ins Studio sollten.«
»Ja, das passt schon. Wir haben ja noch nicht mal genug Lieder fertig. Er war ja zumindest mit den Tourplänen so weit einverstanden. Das war erstmal das Wichtigste.« Peter sah sich neugierig im Zimmer um und warf einen Blick in jede Schublade und jedes Fach, die ich öffnete. Kein Wunder, er war ja auch noch nie hier gewesen und scheinbar neugierig, wie sein Freund gelebt hatte. Nachdem er dort wohl nichts Interessantes entdeckte, flog sein Blick über meine CD- und Kassettensammlung. Neugierig ging er sie durch, dann fiel sein Blick auf meinen PC. »Soll ich Anthony fragen, ob er den für dich abholt? Mit den Maschinen bekommen wir den nicht weg.«
»Nein, nicht nötig. Wenn dann frag ich ihn selbst. Aber eigentlich brauch ich den nicht, wenn ich deinen für Schularbeiten nutzen darf? Mehr mach ich an dem Ding sowieso nicht.« Es war vielleicht dreist, einfach davon auszugehen, dass ich seinen nutzen durfte, aber wenn ich schon bei ihm wohnte, wo sollte dann das Problem sein? Außerdem hätte ich nicht gewusst, wo er meinen hinstellen wollte.
»Klar, kein Problem. Sag dann nur frühzeitig Bescheid, wenn du ran musst, aber das bekommen wir schon hin. Wir müssen uns beide erstmal darauf einstellen. Ich freu mich trotzdem, dich bei mir zu haben.« Er zog mich wieder zu sich in die Arme und küsste mich sanft.
Einen Moment blieb ich dort, dann trat ich wieder von ihm weg und machte die Rucksäcke zu. Auch wenn ich seine Nähe genoss: Ich wollte hier nicht kuscheln, sondern endlich fertig werden und weg.
Peter verstand das ohne Worte. »Hast du dann alles, was du mitnehmen willst?«
»Fast. Aber die Musik muss ich wann anders holen, die bekommen wir nicht mehr mit.« Ich reichte ihm seinen Rucksack und schälte mich in meine Motorradkluft. Warum sollte ich sie umständlich einpacken, wenn ich sie auch auf dem Rückweg tragen konnte.
»Hab ich nicht genug für dich?«
»Nein. Zumindest nicht immer das, was ich hören möchte«, gab ich zurück. Dann wurde ich ernster: »Ich hab eher Angst, dass Rose sie wegschmeißt, wenn ich nicht mehr hier bin. Immerhin gefährden sie ja Dave.« Ich verdrehte die Augen und Peter nickte verstehend.
Dann grinste er wieder. »Solange du nicht deine Poster bei mir aufhängen willst, soll es mir recht sein.«
In dem Moment war ich froh, meine Idee vom August nicht in die Tat umgesetzt zu haben. Ich hatte kurzzeitig darüber nachgedacht, mir ein lebensgroßes Poster von Peter zu besorgen und es neben die Tür zu hängen. Gut, dass ich es nicht getan hatte, sonst wäre mir das jetzt ziemlich peinlich. Andererseits hatte ich damals ja noch nicht ahnen können, dass er mir helfen würde, aus meinem Kinderzimmer auszuziehen. Ich hätte mir kaum mehr wünschen können. »Ich muss noch meine Maschine aus der Garage holen, dann können wir los.«
Gemeinsam gingen wir wieder nach unten, wo mein Vater noch immer grübelnd über den Dokumenten hing. Ich ging zu ihm, um mich zu verabschieden. »Wir sind dann so weit. Ein bisschen was muss ich noch holen, aber das hat Zeit.«
»Komm doch einfach Montag in zwei Wochen, dann ist Rose wieder mit Dave beim Training.« Er umarmte mich zum Abschied. Dann sah er mich prüfend an. »Gehst du eigentlich noch ins Fitnessstudio?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich bin in letzter Zeit nicht dazugekommen. Und jetzt werde ich mir das wohl kaum noch leisten können.«
»Ich bezahl dir das weiter. Ich glaube nämlich, dass es dir wirklich guttut. Du warst seitdem viel ausgeglichener.«
Überrascht sah ich meinen Vater an und umarmte ihn dann. Er konnte ja nicht ahnen, dass das nicht nur am Studio, sondern auch an Roger und Toby und der Band gelegen hatte. Trotzdem vermisste ich es und war froh, weitermachen zu können.
»Versprich mir, wenigstens einmal die Woche hinzugehen. Außerdem siehst du dann nicht so ungesund mager aus.«
»Ich versuch, es einzuhalten. Danke dir. Aber wir müssen langsam los, ich muss noch Schularbeiten machen.«
»Na gut, kommt gut heim.« Wir verließen das Haus und ich holte meine Yamaha. Dad blieb an der Haustür stehen. Als ich wieder aus der Garage kam, rief er noch einmal nach mir: »Kommst du eigentlich zum Thanksgiving-Essen? Ich hätte dich gern dabei, du bist immer noch mein Sohn. Und Dave würde sich sicher auch freuen, dich zu sehen. Er fragt schon immer nach dir.«
»Ich überleg es mir«, wich ich aus. So wirklich Lust hatte ich nicht, mit Rose ein auf Familie zu machen.
»Du kannst auch gerne jemanden mitbringen, wenn du nicht allein kommen willst. Lance oder auch Peter, wenn er Zeit hat. Er scheint ja ein sehr netter, vernünftiger junger Mann zu sein«, bot mein Vater schnell an. Er schien verstanden zu haben, dass ich mich im Haus noch weniger wohl fühlte als vorher schon.
»Ich weiß nicht ... Ich wollte eigentlich gerne den Feiertag mit meinem Freund verbringen«, druckste ich kleinlaut herum. Er hatte zwar angeboten, dass Peter mitkommen konnte, aber ich wollte ihn an so einem Feiertag nicht als guten, sondern als meinen Freund dabeihaben. Auch wenn ich noch gar nicht dazugekommen war, mit ihm darüber zu reden, sowas gehörte doch zu einer Partnerschaft. »Ich glaub nicht, dass Rose das recht ist, wenn ich ihn mitbringe.«
Einen Moment wirkte Dad sehr erstaunt und als wollte er meckern, doch dann besann er sich eines Besseren. Ich hatte das Gefühl, dass er in den letzten Wochen und Stunden verstanden hatte, wie sehr unser Verhältnis auf der Kippe stand. »Ich rede mal mit Rose und du und dein Freund überlegen, ob ihr Lust habt, mit uns zu essen. Ich würde mich wirklich freuen, ihn auch kennenzulernen.«
»Ich sag dir übernächste Woche Bescheid. Mach’s gut, bis dann.« Ich winkte noch und drehte mich dann um.
Peter stand am Ende der Einfahrt und wartete auf mich. Er war definitiv in Hörreichweite gewesen, doch sein Gesicht zeigte nicht, was er von meinem Vorpreschen hielt. Wir würden wohl Zuhause darüber reden.
»Sie hassen Normalos
Heucheln Sehnsucht nach dem Tod
Sie beten zu Satan
Denn sie glauben Gott ist tot
Sie schlafen in Gruften
Und so siechen sie dahin
Denn in ihren toten Schädeln sind die Würmer drin«
Kontrast – Einheitsschritt