„Bist du sicher, dass die Tasche so groß sein muss?“, fragte Foxy zweifelnd, als Mikail ihnen stolz drei Rucksäcke präsentierte.
„Wenn wir mehr Zeug bei uns haben, müssen wir seltener zurück zur Basis laufen“, warf Kassia ein.
„Das wäre aber verdammt viel Zeug!“, murrte Foxy und nahm den Rucksack entgegen. Die Riemen rutschten ihr ständig von den schmalen, knochigen Schultern, als sie ihn anprobierte.
„Das gibt sich, wenn da erst mal Gewicht drin ist“, behauptete Mikail.
„Sie sind toll“, sagte Kassia mit einem freundlichen Lächeln und schulterte ihre Tasche.
Ashley nahm ihren Beutel schweigend entgegen.
Zu dritt wanderten sie wenig später durch die dichten Wälder mit ihren breiten, geduckten Bäumen. Durch das Blätterdach fiel nur wenig Licht auf den Boden.
Inzwischen sah der Wald um ihre Basis herum so aus, als sei jemand mit einem Staubsauger hindurch gegangen. Das niedrige Gebüsch, das sonst überall den Boden bedeckte, war am Fuß des Berges längst geplündert worden. Die Farne und Sträucher waren die beste Quelle für Beeren und Pflanzenfasern.
Nur einige wenige Pflänzchen wuchsen bereits nach. Foxy hatte durchgesetzt, dass sie die jungen Triebe in Ruhe ließen, um eine neue Generation an Beerenbüschen zurückkehren zu lassen. Also mussten sie ein ganzes Stück wandern, um die Stelle zu erreichen, wo sie am Vortag mit dem Sammeln aufgehört hatten.
„Ich suche Holz“, bot Kassia an.
Foxy und Ashley nickten ohne Widerspruch. Wer immer die undankbare Aufgabe hatte, trockene Äste und Hölzer für das Lagerfeuer und Mikails Experimente zu suchen, würde am Abend unweigerlich Rückenschmerzen haben. Sie rissen sich nicht um die Aufgaben, hatten aber beschlossen, sich abwechselnd darum zu kümmern.
Während Kassia sich ein Stück entfernte, hockten sich Foxy und Ashley in den Farn und füllten Beeren in ihre neuen Rucksäcke. Vielleicht eine Viertelstunde später füllte bereits eine bunte Schicht von Beeren den Boden von Foxys Rucksack, und eine weniger bunte Schicht Pflanzenfasern den von Ashley. Beide Sammlerinnen sahen auf, als sich ihnen Schritte näherten, dann tauchte Nokori aus dem Schatten zwischen den dicken Baumstämmen auf.
„Wo ist Kassia?“, fragte die Kriegerin, die sich auf ihren Stock stützte.
Foxy deutete wortlos über ihren Rücken, wo die dumpfen Schläge von Kassias Axt ertönten. Die junge Frau hielt sich in Sicht- und Hörweite, während sie die kleineren Bäumchen abholzte.
„Gut“, sagte Nokori und nahm, auf ihren Speer gestützt, den Wachtposten ein. Seit einigen Tagen bildete Thanatos die zierliche Kriegerin im Kampf aus, weshalb die Sammler eine gewisse Zeit auf ihren Schutz warten mussten. Auch jetzt sah Foxy die blauen Flecken, die Nokori übersäten.
Thanatos packte die Mitglieder der kleinen Gruppe nicht unbedingt mit Samthandschuhen an.
Während Nokori eine Stellung bezog, von der aus sie alle im Blick hatten, wanderten Foxy und Ashley langsam durch das Gebüsch.
„Ich mag deine Tattoos“, sagte Foxy, um ein Gespräch zu beginnen. Die Stille wurde ihr langweilig.
„Danke“, sagte Ashley leise und versteckte ihre Augen hinter einer haselnussbraunen Haarsträhne.
„Erinnerst du dich, warum du sie hast machen lassen?“, fragte Foxy neugierig.
Ashley strich über das pixelartige Rautenmuster auf ihren Rippenbögen. Inzwischen war allerdings nur noch das Tattoo an ihrem Handgelenk zu sehen, da sie endlich Kleidung besaßen.
„Vielleicht, weil sie hübsch aussahen“, sagte Ashley leise.
Foxy grinste: „Sie sind wirklich hübsch!“
„Findest du?“, fragte Ashley und sah Foxy aus großen, goldgrünen Augen erstaunt an.
„Klar!“, sagte Foxy, ein wenig genervt von der Unsicherheit ihres Gegenübers: „Sonst würde ich das nicht sagen.“
Ashley lächelte: „Danke!“
Es schloss sich eine gefühlte Minute des Schweigens an, in der jeder von ihnen nach etwas suchte,w as man noch sagen könnte. Am Ende beugten sie sich beide wieder über ihre Rucksäcke.
„Kassia wirkt in der letzten Woche irgendwie fröhlicher“, sagte Foxy unvermittelt, als ihr Blick auf die Rothaarige fiel, die gerade einen weiteren jungen Baum umschlug und das Holz einsammelte.
Ashley nickte: „Ja.“
Bevor sich das Gespräch noch weiter in die Länge ziehen konnte, ertönte ein lauter Pfiff.
„Verflucht“, murrte Foxy. Sie und Ashley richteten sich auf, schulterten ihre Rucksäcke und liefen eilig zu Nokori, die den Pfiff ausgestoßen hatte. Kassia kam atemlos einige Sekunden später an, nur die Hälfte des Holzes in ihrem Rucksack verstaut.
Die drei Sammler folgten Nokoris Blick, die in einiger Entfernung einen Dinosaurier erspäht hatte. Es war ein zweibeiniges Tier, was häufig für einen Fleischfresser stand. Foxy erkannte den Saurier nicht. Das Tier war größer als Oskar, aber kleiner als die Parasaurier, die sie manchmal jagten.
„Das ist auf jeden Fall ein Carnivore“, murmelte Ashley besorgt: „Ich glaube, ein Raptor. Obwohl die eigentlich kleiner waren ...“
„Eine übergroße Version von etwas, das uns fressen will?“, fragte Foxy: „Ich will verflucht sein, wenn ich mich von dem erwischen lasse!“
„Wir sollten hoch gehen“, sagte auch Nokori, die ihren Speer umklammert hielt. Kassia wog nervös die Axt in der Hand.
Der Raptor näherte sich der Stelle, auf der sie standen. Er griff noch nicht an, aber alle vier waren sich ziemlich sicher, dass er sie bereits bemerkt hatte.
„Sagen wir Thanatos Bescheid. Wir sollten auch Lucy und Galileo zurück holen.“
Das Gefühl der Bedrohung war überwältigend, nicht nur, weil das Tier so groß war – es könnte vermutlich sogar Thanatos in die Augen sehen. Aber der Raptor strahlte eine berechnende Intelligenz aus.
Nokori leitete ihren eiligen Rückzug zum Berg ein, wo sie die beiden Jäger trafen. Inzwischen waren drei weitere Raptoren aufgetaucht, die sie aus einiger Entfernung betrachteten.
„Sie wollten uns einkreisen!“, keuchte Galileo zur Begrüßung.
„Mistkerle“, knurrte Foxy, als sich Lucy plötzlich aus ihrer Gruppe löste.
„Lucy!“, schrie Galileo, als das Mädchen, statt den Berg hinauf in Sicherheit zu rennen, auf die Raptoren zu lief.