Josef wollte seine Flamme überraschen. Deshalb rief er sie an.
"Hallo mein Engel! Gilt dein Angebot noch?"
"Na klar doch! Was denkst du denn? Ich kann´s gar nicht erwarten, dass du kommst!"
"Gut! Ich komme! Aber ich hol dich ab, weil ich dir was zeigen möchte!"
"Was denn?"
"Das erfährst du noch bald genug. Magst du Prosecco?"
"Aber ja!"
"Gut! Nehm ich mit! Ich hol dich in 20 Minuten ab, OK?"
"Sepp... Ich liebe das, wie du das immer machst... so spontan!"
"Bis gleich, Hase!"
Er suchte einen kleinen Korb, gab eine kalte Flasche Prosecco und zwei Gläser hinein und schnappte sich eine Decke. Mehr brauchte es nicht, wenn man an seinen Lieblingsplatz am Mondsee fuhr, um den Sonnenuntergang zu beobachten. Es war ein Platz nahe der kleinen Ortschaft Loibichl in Innerschwand, wo sich auch ein großer öffentlicher Badeplatz befindet. Zwischen diesem und einer Zeile von verpachteten Grundstücken befand sich eine kleine Lücke, die zu einer Wiese gehörte, die nie gemäht wurde und eigentlich zu einem kleinen Stück Niemandsland geworden war. Wenn man das Auto auf dem öffentlichen Parkplatz abstellte und vom öffentlichen Badeplatz aus im knöcheltiefem Wasser um den Zaun herumging, fand man einen kleinen "privaten", vom Schilf sogar sichtgeschützten Badeplatz vor.
Dieser Platz befindet sich genau gegenüber der Drachenwand, hinter welcher während der kürzeren Tage die Sonne oft ein Weilchen verschwindet und kurz wieder auftaucht, bevor sie hinter dem Schober untergeht. Im Sommer aber, kann man ihren Weg über Drachenwand und Schober bis hinauf zum Markt Mondsee verfolgen, wo sie meist unheimlich farbenfroh bis blutrot im Boden versinkt, nicht ohne eine lange, nicht weniger farbenfrohe Spur über den Himmel und den ganzen See zu legen...
Im Hause Mayerhofer hatte sich Natalie endlich dazu bewegen lassen, mit ihrem Bruder in die große Wohnküche zu kommen. Für Karl, der Natalie nie bewusst und wenn überhaupt nur bei zufälligen Gelegenheiten in Mayerhofers Firma gesehen hatte, war es ein sonderbares Gefühl! Er hatte eine Tochter! Sie wusste es natürlich nicht! Sie hatte dieselbe Grazie, dieselbe Anmut, wie ihre Mutter, sebst mit ihrem verweinten Gesicht.
"Kinder, ihr kennt Karl ja von Papas Firma, wo er oft mit ihm zusammengearbeitet hat. Karl wird mir... wird uns helfen, diese schwere Zeit, besser zu bewältigen."
Hannes ging zu Karl hin und gab ihm die Hand. So unreif er sich sonst oft zeigte, er benahm sich hier suverän wie es dem Sohn des Verstorbenen zustand.
"Danke, dass du in dieser schweren Stunde für uns da bist Karl! Ich weiß, dass mein Vater große Stücke auf dich gehalten hat. Es ist ein schöner Zug von dir, dass du ihn auch jetzt nicht im Stich lässt!"
Auch Natalie hatte sich soweit gefangen, dass sie Karl per Handschlag begrüßte und sich bedankte.
"Kinder... Entschuldigt bitte, ich weiß nicht, wie ich euch beide zusammen sonst ansprechen soll... Es ist für mich selbstverständlich, dass ich euch, so gut ich kann beistehe. Ich denke, ich werde euch jetzt verlassen, damit ihr unter euch seid und euch ein wenig sammeln könnt, aber ich komme morgen früh, um mit eurer Mutter ins Krankenhaus und auf die Wache zu fahren, um die ganzen Formalitäten zu erledigen."
"Darf ich dich bitten, noch etwas zu bleiben, Karl?" fragte Renate,
"Aber natürlich! Ich möchte euch nur nicht stören!"
Hannes warf einen Blick auf seine Schwester. "Du störst nicht Karl. Ich werde mich mit meiner Schwester zurückziehen. Es wäre schön, wenn du noch ein Weilchen bei Mutter bleiben könntest."
"Das tu ich Hannes! Gerne! Natalie..."
Auch Natalie nickte ihm zu und ging mit Hannes aus dem Raum. Renate griff Karls Hand und sah zu ihm auf...