Val erwachte, als sie völlig nackt auf dem Bauch lag und sich jemand an ihrem wie verrückt schmerzenden Rücken zu schaffen machte. Zunächst war es, als würde ihr Bewusstsein noch durch ein Meer aus zähem Teer schwimmen. Ganz so, wie es das gefühlt hunderte Male in letzter Zeit getan hatte, doch im Gegensatz zu den Malen davor, gelang es ihrem Bewusstsein dieses Mal, das Meer zu verlassen und ans Ufer zu kriechen. Dort, wo nicht nur Schmerzen, sondern auch Erinnerungen auf sie warteten.
Über Vals gesamten Körper jagte eine Gänsehaut, als etwas Kühles ihre Haut am Rücken berührte, ehe sie die Augen entsetzt aufriss und sofort auszuweichen versuchte. Es gelang ihr kaum, doch zumindest konnte sie sich so weit zur Seite wegdrehen, dass nicht nur die Berührung verschwand, sondern sie auch mit einem Auge, das nicht komplett zugeschwollen war, den Mann vor sich anstarren konnte.
Ihr Atem ging heftig, was ihr noch mehr in der Seite schmerzte, doch Val beruhigte sich nur langsam wieder, da eine ganze Erinnerungsflut auf sie einstürmte, während sie in Alexeys ungewöhnlich blaue Augen blickte, der sie völlig ruhig und unverwandt ansah.
Val hielt seinen Blick, sah nur diese klaren, tiefen Augen und nicht das immer noch vorherrschende Massaker in seinem Gesicht, während all die Eindrücke der letzten Stunden ihrer Folter durch den Perversen zurückkehrten. Dabei begann sie wieder schneller zu atmen und heftig zu zittern. Ihr Stiefvater war ein Lämmchen gegen diesen Bastard gewesen. Gut, der hatte sie auch immer wieder verprügelt, aber ihr dabei nicht auch noch zusätzlich so derart den Arsch aufgerissen, dass …
Zum Glück hatte Alexey eine unglaublich schnelle Auffassungsgabe und ebenso gute Reflexe, denn sonst wäre der klägliche Inhalt von Vals Magen direkt auf seinem Bett gelandet, anstatt in der leeren Schüssel, die er ihr noch rechtzeitig unterhielt. Dabei musste er sie auch noch halten, sonst wäre Val kurz darauf mit dem Kopf voran in eben genau dieser Schüssel gelandet.
Ihre Brust schmerzte wie ihre Rückseite entsetzlich, sobald Val mit dem Würgen fertig war und wieder nach Luft zu schnappen versuchte. Es stach wirklich grausam und tat so sehr weh, dass Val ein Wimmern nicht unterdrücken konnte, als Alexey sie wieder sanft zurück auf die Matratze legte, nachdem er die Spuckschüssel weggestellt hatte.
Tränen, die sie nicht unterdrücken konnte, liefen ihr über die Wangen und eigentlich wollte Val sich am liebsten vor Scham und Pein verstecken, doch sie wagte es nicht aus Angst, dass ihr Verstand vielleicht nicht mehr zwischen Alexey und dem Perversen unterscheiden konnte, sobald sie ihn nicht mehr direkt vor Augen hatte. Egal, wie gewaltig der Unterschied zwischen diesen beiden Männern auch war, Val traute ihrem stark angeknacksten Verstand im Moment nicht so sehr über den Weg, denn sie zitterte immer noch am ganzen Leib und das mit Sicherheit nicht vor Kälte. In Alexeys Kammer war es immerhin wohlig warm und das Licht der wenigen Ölschalen, die er darin verteilt hatte, schuf beinahe so etwas wie eine heimelige Atmosphäre, der sich Val nur zu gerne hingegeben hätte, doch sie konnte sich beim besten Willen nicht entspannen. Viel mehr fühlte sie sich wie ein Tier, das in der Falle saß und nur noch auf sein unglückseliges Ende wartete.
Vorsichtig, damit Val genau jede seiner Bewegungen sehen und gegebenenfalls darauf reagieren konnte, hob Alexey seine Hände, griff dann langsam nach einem tönernen Becher und hielt ihn ihr hin, damit sie den Inhalt betrachten konnte. Ganz offensichtlich war es Wasser. Wasser, das den grässlichen Geschmack in ihrem Mund mit Sicherheit ein wenig mildern konnte, weshalb Val tatsächlich einen großen Schluck davon nahm, nachdem sie sich hastig die Tränen weggewischt hatte, um sich damit gründlich den Mund auszuspülen. Da so ziemlich alles an ihr schmerzte, bemerkte sie dabei die Wunde an ihrer Unterlippe kaum. Vermutlich war sie unter einem von den Schlägen des Perversen aufgeplatzt.
Zum Glück musste Val den Hünen gar nicht erst darauf hinweisen, dass sie das Wasser mit Sicherheit nicht runterschlucken würde, denn schon hielt er ihr erneut die Schüssel hin, sodass sie es reinspucken und noch einen großen Schluck nehmen konnte. Sie bekam gar nicht genug davon, sich den Mund auszuspülen und sehnte sich nicht zum ersten Mal seit ihrem Tod eine Tube Zahnpasta und ihre Zahnbürste herbei. Dabei war mit Sicherheit nicht der Umstand, dass sie sich übergeben hatte, der Grund für ihre Gründlichkeit, sondern all die Dinge, die sie noch alles mit ihrem Mund hatte anstellen und was sie alles hatte schlucken müssen.
Irgendwann war es dann aber genug – zumindest war der Becher schließlich leer – und Val ließ sich erschöpft auf die Matratze sinken. Ihr eines Augenlid war schwer wie Blei, dennoch hielt sie ihren Blick unverwandt auf Alexey gerichtet, der nun ein kleines Schüsselchen zur Hand nahm, um ihr erneut den Inhalt zu zeigen, den sie bereits riechen konnte, ehe sie ihn sah. Sah aus wie eine Kräuterpaste und roch auch entsprechend.
Val hob fragend die Augenbraue, die sich auch wirklich heben ließ, doch Alexey gab keine Erklärung ab. Stattdessen tunkte er seine Finger in die Paste und näherte sich mit seiner Hand ganz langsam ihrem Rücken, während er nun sie fragend ansah.
Val schreckte vor ihm zurück. Es war nur ein Reflex, nach allem, was ihr angetan worden war, sodass sie garantiert nicht so einfach wieder angefasst werden wollte – zumindest nicht von dem Perversen –, doch Alexey blieb geduldig. Vor allem aber auch hartnäckig, denn seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, würde er nicht eher Ruhe geben, ehe er ihr das Zeug auf den Rücken geschmiert hatte, und Val, die sehr wohl bemerkte, dass die Stelle, die er zuvor bei ihrem Erwachen berührt hatte, weniger schmerzte, ließ es schließlich zähneknirschend zu. Woraufhin sich erneut eine intensive Gänsehaut über ihren ganzen Körper zog und sogar ihre Kopfhaut kribbeln ließ. Val versuchte es zu ignorieren und stattdessen ihre Gedanken zu sortieren, während sie den Mann vor sich keine Sekunde lang aus dem Auge ließ.
Sie wusste nicht, wie sie schon wieder in Alexeys Kammer gelandet war und wie es kam, dass er sich ganz offensichtlich um ihre Verletzungen kümmerte. Natürlich war die logische Schlussfolgerung ihres Hierseins, dass er sie vermutlich hierher gebracht hatte. Allerdings bezweifelte Val, dass es auf irgendeinen Befehl hin geschehen war, denn ganz offensichtlich kümmerte die Eiskönigin Vals Schicksal nicht länger und dem Perversen war ebenfalls scheißegal, was aus ihr wurde, solange er sich an ihr hatte rächen können.
Was scherte es Alexey also, wie sie zugerichtet worden war und dass sie dringend Hilfe und Pflege benötigte, weil sie selbst im Moment nicht dazu imstande war? Oder hatte er gar das Gefühl, sich bei ihr revanchieren zu müssen, weil sie ihm die Lippen genäht und er sie davor während eines satanischen Rituals vergewaltigt hatte? Warum sahen seine Verletzungen eigentlich immer noch kaum besser aus, wo er doch sonst so schnell geheilt war? Selbst die Schnitte, die man ihm zugefügt hatte, sahen nur unwesentlich besser aus als beim letzten Mal, obwohl für gewöhnlich Fleischwunden innerhalb weniger Stunden wie auf magische Weise bei ihm verschwanden. Zumindest diejenigen, die sie ihm zugefügt hatte.
Was wohl die Eiskönigin davon hielt, dass sich ihr Sexspielzeug um sie kümmerte? Letzteres interessierte Val eigentlich überhaupt nicht, doch sich mit Fragen zu beschäftigen, anstatt mit dem, was der Perverse ihr angetan hatte, erschien ihr sehr viel sinnvoller, zumal sie es so leichter ertrug, Alexey an ihrem schmerzenden Rücken hantieren zu lassen. Obwohl genau dieser dadurch langsam weniger schmerzte.
Als Alexey jedoch bei ihrem entblößten Hintern ankam, verkrampfte Val sich noch mehr und grub zusätzlich ihre kraftlosen Finger in die Matratze, um sich davon abzuhalten, aufzuspringen und zu flüchten. Was ihr wahrscheinlich ohnehin nicht gelingen würde, doch wenn sie es Alexey schwer machte, ihr zu helfen, würde sich das alles noch mehr in die Länge ziehen und eigentlich war das noch Vals kleinstes Problem, denn … sie musste mal. Etwas, vor dem ihr entsetzlich graute, da ihr Arsch nicht nur äußerlich ordentlich in Mitleidenschaft gezogen worden war. Dass er vermutlich ganz grün und blau war, war wirklich nicht das Schlimmste daran. Gott, Val wollte gar nicht daran denken, doch die Erinnerungen strömten einfach ungefragt wie eine Flut auf sie ein und brachten sie schließlich sogar zum Schluchzen, gefolgt von einem wütenden Knurren und dem Gefühl, die ganze Villa zusammenschreien zu wollen, weil das alles hier so verdammt beschissen war und dieser Bastard gefälligst dafür büßen sollte!
Alexey unterbrach sein Tun an ihrer Kehrseite und setzte sich stattdessen nach kurzem Zögern zu ihr ans Bett, griff nach einem Leinentuch und legte es Val so über den Rücken, dass sie nicht mehr das Gefühl hatte, völlig nackt und schutzlos vor ihm zu liegen. Sein immer noch anhaltendes Schweigen war irritierend, obwohl sie es eigentlich nicht anders von ihm kannte, sofern er sich nicht immer wieder dafür entschuldigte, dass er sie auf Befehl vergewaltigen musste.
„Geht es … Ceara gut?“, fragte Val völlig unvermittelt nach ihrem Gefühlsausbruch mit leiser, kratziger Stimme, um das Thema in ihrem Kopf auf etwas erfreulichere Dinge zu bringen.
Alexey beugte sich ein wenig vor, damit sie ihm leichter ins Gesicht sehen konnte und nickte dann einmal, bevor er abermals kurz zögerte und ihr schließlich mit einer Ecke des Leinentuchs auf ihrem Rücken vorsichtig die feuchten Wangen abtupfte. Anschließend machte er mit der Behandlung weiter, als hätte er sie nicht gerade zu trösten versucht. Vielleicht, weil sie überhaupt nicht darauf reagiert hatte.
Würde Val aus diesem Mann jemals schlau werden? Oder seine Beweggründe erfahren?
Val sog scharf die Luft zwischen den Zähnen ein, als Alexey eine besonders fiese Stelle an ihrem Oberschenkel berührte, dort, wo die Gürtelschnalle des Perversen sie ungewollt getroffen hatte. Als hätte das harte Leder alleine nicht schon genügt, doch wenigstens hatte er sie damit nicht auch noch willentlich verprügelt. Das hätte sie mit Sicherheit nicht überlebt.
Alexey schenkte ihr einen entschuldigenden Blick, arbeitete sich jedoch unaufhaltsam und dennoch behutsam weiter ihre Beine hinab und Val ließ ihn kommentarlos gewähren, da sich dadurch die Verletzungen wirklich besser anfühlten. Doch sobald er fertig war, versuchte sie sich auf ihre Unterarme abzustützen, um sich irgendwie aus diesem Bett zu schleppen, woraufhin Alexey ihr seine Hand in den Nacken schob und den Kopf schüttelte.
Val funkelte ihn aus ihrem einen Auge böse an, ehe sie keuchte: „Ich muss … Abort!“ Val versuchte seine Hand abzuschütteln und schob noch ein paar Flüche in ihrer eigenen Sprache nach, die Alexey zum Glück nicht verstehen konnte, aber es war nun mal eine beschissene Situation. Zudem wurde es langsam wirklich dringend.
Kurz schien Alexey unschlüssig, überlegte für einen Moment und nickte dann erneut, ehe er sich die Hände an einem Tuch abwischte, aufstand und zu seinem Tisch hinüber ging, von wo er ein schlichtes Nachthemd für sie herzauberte, das sie anziehen konnte. Oder eben auch nicht, denn Val schaffte es tatsächlich noch nicht einmal wirklich auf ihre Unterarme hochzukommen, doch Alexey störte das nicht im Geringsten. Er legte das Nachthemd neben ihr ab, und fasste dann nach neuerlichem Zögern mit beiden Händen unter ihre Achseln, um sie unvermittelt wie ein Kleinkind in die Höhe zu heben. Was zwar gut gemeint war, weil er damit kaum die Wunden an ihrem Rücken berührte, doch änderte es nichts an der Tatsache, dass Val plötzlich vollkommen entblößt vor ihm war und sich am liebsten einfach nur noch bedeckt hätte. Doch Alexey bemerkte ihre Nacktheit offenbar noch nicht einmal. Stattdessen zog er sie auf die Knie und lehnte sie dann so gegen seinen Körper, dass sie sich im Stoff seiner Tunika festhalten konnte, während er ihr dabei half, das Nachthemd über ihren Kopf zu ziehen und mit ihren schwachen Armen hinein zu schlüpfen. Das Tuch, das ihre Rückseite bedeckt hatte, klebte durch die Kräuterpaste an ihrer Haut, doch Alexey machte keine Anstalten, es zu entfernen, sondern zog den Stoff des Nachthemds einfach darüber. Danach hob er sie ganz hoch und Val war zum Glück so sehr mit den Schmerzen an ihrem Hintern beschäftigt, die sein Arm, mit dem er sie hielt, verursachte, dass sie gar nicht die Gelegenheit dazu bekam, näher über die Situation nachzudenken. Er legte sich ihre Arme um seinen Hals und hielt sie mit der anderen Hand im Nacken, um wenigstens ihren Rücken nicht zu berühren. Danach schlang er noch eine dünne Decke um ihren Körper und machte sich anschließend mit ihr auf den Weg.
Val hätte nicht gedacht, dass sie seine Kammer, die sie erst ein einziges Mal gesehen hatte, tatsächlich als sicheren Ort empfand. Denn sobald Alexey mit ihr im dunklen Flur zu den Sklavenquartieren war, wollte Panik in ihr hochkommen. Für einen Moment waren ihr sogar ihre dringenden körperlichen Bedürfnisse einerlei, solange sie nur bloß wieder in die heimelige Atmosphäre seiner Kammer zurückkonnte. Doch es war natürlich blödsinnig und sie musste sich verdammt noch mal wieder zusammenreißen!
Das war leichter gesagt, als getan, wenn die schlafenden Dämonen in ihr jedes Mal geweckt wurden, sobald der Schmerz in ihrem Körper sie daran erinnerte, was passiert war. Gut, ihr Arsch tat eigentlich nur von den Schlägen weh und nicht, wegen all der Dinge, die der Perverse noch damit angestellt hatte. Doch Val gab sich nicht der Illusion hin, dass sich das nicht schon bald ändern würde. Nämlich spätestens dann, als Alexey sie zum Abort brachte und vorsichtig dort absetzte.
Zum Glück bestand er nicht darauf, direkt neben ihr stehen zu bleiben und ihr Händchen zu halten, sondern prüfte tatsächlich, ob Val dazu imstande war, alleine sitzen zu bleiben und ihr Geschäft zu erledigen.
Ja, Val schaffte es mit eisernem Willen und hart zusammengebissenen Zähnen, zumindest halbwegs aufrecht sitzen zu bleiben, sodass Alexey tatsächlich vor die Tür gehen und dort warten konnte, bis sie fertig war.
Ein paar Minuten später rief sie ihn mit viel zu leiser Stimme zu sich, da sie einfach nicht die Kraft für mehr hatte, und war dankbar, dass er auch sofort reagierte, denn Val hätte sich keine Minute länger mehr halten können, nachdem allein das Sich-saubermachen der reinste Kraftakt gewesen war und ihre letzten Reserven aufgebraucht hatte.
Dieses Mal machte es Val schon viel weniger aus, als Alexey sie wieder hochhob und vorsichtig hielt, um sie zurück in seine Kammer zu tragen. Im Gegenteil. Mit geschlossenen Augen und schwerer Atmung hing sie in seinen Armen, spürte, wie sein Daumen ein wenig über ihren Hals streichelte und wie kräftig sein Herz gegen ihre Wange schlug und wunderte sich immer noch, wie reibungslos alles verlaufen war. Als hätte ihr Arsch nie auch nur das kleinste Problem gehabt. Von der äußeren Tortur einmal abgesehen. Auch vorneherum war sie überhaupt nicht wund oder aufgerissen, was Val eigentlich hätte sein müssen. Doch da war nichts gewesen, als sie vorsichtig an sich herumgetastet hatte. Val verstand es nicht, doch sie fragte auch nicht weiter nach, sondern war einfach nur dankbar, dass ihr wenigstens dieses Gefühl erspart blieb.
Sobald sie zurück waren und Alexey sie wieder vorsichtig auf seinem Bett abgelegt hatte, wollte Val eigentlich nur noch eines: Erneut in Ohnmacht fallen. Oder zumindest dem Gefühl absoluter Schwäche nachgeben. Doch Alexey ließ sie nicht. Stattdessen schob er sein Kissen und eine zusammengerollte Decke so unter ihrem Oberkörper zurecht, dass sie so halb auf der Seite, halb sitzend dalag. Anschließend schnappte er sich seinen Hocker und setzte sich neben das Bett, bevor er nach einem Krug und dem Becher griff, um Wasser nachzufüllen und ihr diesen schließlich an die Lippen hielt. Dabei sah er ihr auffordernd in die Augen, sodass Val nur entgeistert zurückblicken konnte. Sie war so unglaublich müde und wollte einfach nur, dass es wieder still und dunkel um sie herum wurde. Doch er ließ sie nicht. So ruhig und geduldig Alexey auch blieb, er blieb ebenso hartnäckig, bis Val schließlich ein leises Seufzen ausstieß und mühsam den Becher zu leeren versuchte. Es ging wirklich nur in kleinen Schlückchen, eben weil ihr auch die Kehle wehtat. Hier war sie also tatsächlich noch wund, ganz so, wie es auch zu erwarten war, nachdem sich dort immer wieder der steife Schwanz des Perversen ungefragt hineingerammt hatte.
Val öffnete wieder ihr Auge, um sich an Alexeys Anblick zu klammern. Hatte sie zuvor nur seine Augen gesehen, so betrachtete sie nun konzentriert jeden einzelnen Schnitt in seinem Gesicht, den mehr oder weniger großen Heilungsfortschritt an seinen malträtierten Lippen und wie ein paar losgelöste Strähnen seines langen, schwarzen Haares sein Gesicht umspielten. Auch die Form seiner dunklen Augenbrauen fand sie in diesem Moment so viel interessanter, als auch nur noch einen Gedanken an den Perversen zu verschwenden. Sie versuchte es zumindest, während sie mühsam trank und Alexey half ihr schließlich sogar dabei, als sich sein Blick von dem Becher in seiner Hand auf ihr offenes Auge richtete. Für einen Moment hielten sie beide vollkommen inne, ehe er schließlich den fast leeren Becher wieder von ihren Lippen nahm und mit seiner anderen Hand vorsichtig ihr Kinn berührte, um ihr mit seinem Daumen einen verirrten Wassertropfen von der Lippe zu wischen.
Val entzog sich ihm ein paar Sekunden zu langsam, während sie seinem Blick standhielt, um tatsächlich den Eindruck erwecken zu können, als würde ihr die Geste etwas ausmachen. Überhaupt, je länger er so unverhohlen ihren Blick erwiderte, umso ruhiger wurde Val. Auch in ihrem Inneren. Es gab nun mal wirklich nicht viele Menschen, die ihrem Blick so lange standhalten konnten, ohne dabei etwas sagen oder tun zu müssen. Auf der anderen Seite galt das natürlich auch für sie. Sich so lange und intensiv anzusehen war … merkwürdig.
Alexey brach den Bann, unter dem sie anscheinend zu stehen schien, indem er irgendwann doch den Blick senkte, den Becher in seiner Hand wegstellte und stattdessen nach einer anderen Schüssel griff, in der sich dem Geruch nach Eintopf befand. Auch ein Löffel steckte bereits darin, doch allein bei dem Gedanken, jetzt auch noch etwas zu essen, wollte sich Vals Magen erneut umdrehen. Ihr war so gar nicht nach Essen zumute, also schüttelte sie den Kopf, was ihr einen faszinierenden Blick von Alexey einbrachte. Seine Gesichtszüge schienen sogar noch weicher zu werden, während sich sein Mundwinkel leicht verzog und er sogar den Kopf ein wenig neigte. Fast so, als ob er sie auf wirklich nette Weise tadeln wollte – ganz ohne Worte –, und irgendwie löste das eine völlig unerwartete Reaktion in Val aus, sodass sie ihn plötzlich gespielt trotzig anschaute und ihre geschwollene Unterlippe vorschob, als würde sie schmollen.
Was dann geschah, war sogar noch faszinierender! Alexeys Augenbrauen hoben sich, seine Augen begannen geradezu zu funkeln und plötzlich, völlig unvermittelt, lächelte er. Nicht viel. Wirklich nur ein winziger Hauch von dem, was vielleicht möglich wäre, Val aber nie erwarten würde, nach all der Scheiße, die dieser Mann jeden Tag und jede Nacht ertragen musste. Aber es war unverkennbar da und ließ Vals Herz plötzlich wie verrückt in ihrer Brust schlagen.
***
Alexey war selbst völlig erstaunt. Nicht über seine Reaktion auf Valerias gespielten Trotz, den er sofort als solchen durchschaute, sondern dass sie für einen kurzen Moment völlig zu vergessen schien, wo sie war, mit wem und vor allem in welchem Zustand. Der mit jeder weiteren Stunde keinen Deut besser aussah, da ihre Verletzungen in den prächtigsten Farben zu erblühen begannen. Umso erleichtert war er gewesen, als seine kleine Kriegerin endlich richtig zu sich gekommen war. Den ganzen Tag über war er bei ihr geblieben, hatte ihr zu trinken gegeben und sich um ihre körperlichen Bedürfnisse gekümmert. Dazwischen war sie immer wieder ein wenig lebendiger geworden. Hatte sich etwas mehr bewegt, manchmal auch ihr eines nicht zu geschwollenes Auge geöffnet und ihn angesehen, ohne ihn jedoch wirklich zu erkennen. Abends, als dann Ceara zu ihnen gekommen war, hatte er zusammengepackt und unter dem Protest der rothaarigen Sklavin Valeria mitgenommen. Allerdings war der Protest nicht allzu heftig ausgefallen, da sie inzwischen zu verstehen schien, dass er sich wirklich nur um Valeria kümmern wollte und das ging in seiner Kammer nun einmal bedeutend besser, denn hier konnte er seinen Helm abnehmen, um seiner kleinen Kriegerin sein momentan immer noch übel zugerichtetes Gesicht zu zeigen. Es war zwar nur eine unmerkliche Verbesserung zu seinem Helm, doch er hatte nicht vergessen, wie heftig sie beim letzten Mal darauf reagiert hatte, als er sein Gesicht vor ihr verbergen wollte. Was inzwischen auch völlig hinfällig geworden war. Von Hedera und den Vipern einmal abgesehen, kannte sie es wahrscheinlich nun besser als jeder sonst auf dieser Welt.
Immer noch blieb Alexey hartnäckig, wenn es darum ging, etwas Essen in Valeria zu bekommen. Der Eintopf war zwar inzwischen schon etwas kalt, doch immer noch gut essbar. Er hatte selbst davon gekostet. Darum nahm er schließlich auch eine kleine Menge auf den Löffel und hielt ihn seiner kleinen Kriegerin an die Lippen. Gerne hätte er ihr gesagt, dass sie danach wieder ruhen konnte und dass er ihr auch sicher nicht die ganze Schüssel aufdrängte. Ein paar Bissen und er wäre schon zufrieden. Doch ohne Zunge war es ihm nicht möglich und irgendwie schien es auch nicht nötig zu sein, denn schließlich wurden Valerias Gesichtszüge weicher und nachdem sie ein weiteres Mal leise geseufzt hatte, ergab sie sich ihrem Schicksal und nahm den Bissen in den Mund. Bevor er jedoch einen weiteren auf den Löffel geben konnte, hob sie ihre Hand, strich damit über seine und nahm ihm den Löffel ab. Selbst jetzt, in ihrem Zustand besaß sie noch ihre Entschlossenheit, was er sehr an ihr bewunderte. Für ihn war sie seine Göttin, sein Leitstern, sein Fels in der Brandung. Mit ihrem Mut und ihrer Entschlossenheit schenkte sie ihm selbst in diesem Moment Hoffnung. Andere wären nach solch einer Behandlung von Vorenus nicht nur körperlich zerbrochen, doch seine kleine Kriegerin kämpfte tapfer, auch wenn er ihr nur zu deutlich ansah, dass es ihr alles andere als leicht fiel.
Valeria schaffte es jedoch nicht, aus eigener Kraft zu essen, wollte aber auch nicht den Löffel loslassen, weshalb sie beide schließlich einen Kompromiss fanden, indem Alexey ihr dabei half, ihre Hand zu ihrem Mund zu führen, damit sie auf diese Weise ein wenig Essen zu sich nehmen konnte. Für seine kleine Kriegerin war er dabei lediglich eine Stütze, doch für ihn war das eine weitere Möglichkeit, sie zu berühren, was er so sehr genoss, dass er sich dafür schämen müsste. Doch er konnte es nicht. Ebenso wenig, wie er von ihrem Anblick ablassen konnte. Immer wieder fand sein Blick zu ihren bernsteinfarbenen Augen, oder zumindest zu dem, das sie öffnen konnte, um dort seinen Blick erwidert zu finden. Niemand, nicht einmal Hedera schaute ihm so offen und intensiv in die Augen, ja beinahe in die Seele, was ihn am Ende doch beschämt den Blick senken ließ. Sobald Valeria tiefer blickte, würde es mit Sicherheit nicht mehr lange dauern und sie könnte die Finsternis darin erkennen.
Dass sein bis dahin anhaltendes Lächeln plötzlich wie weggewischt war, fiel Alexey nicht einmal auf. Er bemerkte nur, dass Valeria sich weigerte, noch einen weiteren Bissen zu sich zu nehmen und stattdessen den Löffel zurück in die Schüssel legte, ehe sie sich mühsam wieder hinlegte und ihn fragend ansah.
Alexey ignorierte ihren Blick, stand auf und begann in seiner ohnehin ordentlich aufgeräumten Kammer herum zu räumen. Er verspürte plötzlich das dringende Bedürfnis, sich zu beschäftigen. Seine Hände, aber allem voran sein schmerzendes Herz, und nachdem er sich nach einer Weile wieder zu seiner kleinen Kriegerin herum drehte, da er sich einfach nicht lange von ihr fernhalten konnte, bemerkte er, dass sie eingeschlafen war. Also löschte Alexey alle Ölschalen bis auf eine, breitete ein paar Decken auf dem Boden neben seiner Bettstatt aus und versuchte es ihr gleich zu tun. Die Wahrscheinlichkeit, dass es ihm gelang, war jedoch schwindend gering.
***
Mitten in der Nacht – Alexey war gerade erst eingenickt – regte sich seine kleine Kriegerin auf seiner Bettstatt. Er konnte ihr Wimmern hören und wie sie immer wieder zusammenzuckte. Rasch setzte er sich auf, um nach ihr zu sehen, doch ihr Auge war geschlossen und der Augapfel hinter dem Lid rollte wild hin und her. Sie hatte einen Albtraum.
Alexey berührte sanft ihr Gesicht und sein Herz machte einen wilden Satz, als sie unvermittelt zusammenzuckte und ihr Auge aufriss. Kurz stand blankes Entsetzten darin, einen Moment später Verwirrung, bis sie ihn endlich zu erkennen schien. Ihre Brust hob und senkte sich wie verrückt und ihr Herzschlag war wie das donnernde Galoppieren eines wilden Pferdes.
Valeria hob die Hand an seine, wollte sie wahrscheinlich von sich nehmen, doch zu Alexeys Verwunderung schlang sie ihre zittrigen Finger darum und hielt sich an ihm fest, dabei den Blick immer noch unverwandt auf ihn gerichtet, während Tränen in ihrem Auge aufwallten, sodass es ihm erneut das Herz zerriss. In diesem Moment war sie nicht stark, nicht entschlossen und damit rührte seine kleine Kriegerin umso mehr an Alexeys Beschützerinstinkt und an der Bestie in seinem Inneren. Doch anstatt dass diese wild die Zähne fletschte und Valerias Schwäche ausnutzte, schien sie nichts anderes im Sinn zu haben als das, was auch seine menschliche Seite begehrte.
Alexey kam zögerlich näher, während sein Daumen behutsam und tröstend über Valerias Wange strich. Immer noch sah ihr klarer, offener Blick ihn an. Da war keine Ablehnung, viel mehr ein stilles Flehen, also setzte er sich zu ihr und schlang zunächst einen Arm um sie und kurz darauf einen zweiten, als er spürte, wie sehr seine kleine Kriegerin in diesem Moment seinen Schutz bedurfte.
Von ihrer Reaktion ermutigt, legte Alexey sich lang ausgestreckt hin und zog Valeria wieder auf sich und an seine Brust, um sie beschützend festzuhalten, nachdem er die Decken auf ihr wieder gerichtet hatte. Immer noch sah sie ihn mit einem Blick an, den er absolut nicht deuten konnte. Alexey spürte nur, wie sehr sie ihn in diesem Moment brauchte und zugleich die Erleichterung tief in sich, dass sie ihn nach allem, was geschehen war, zwischen ihm und ihr, zwischen ihr und Vorenus, dass sie ihn dennoch nicht ablehnte.
Alexey hätte vor Schmerz und Glück weinen können. Stattdessen schloss er die Augen und sog jeden kostbaren Moment wie einen Schatz in sich auf, denn das hier, so wundervoll es war, es war nicht von Dauer und das wusste er.
Lange vor seiner kleinen Kriegerin übermannte Alexey schließlich der dringend benötigte Schlaf, sodass er nicht mitbekam, wie sich ihre Hand auf sein Herz legte, genau an jene Stelle, an der sie ihren Zauber unbewusst gewirkt und ihn an sich gebunden hatte. Dabei fühlte sie seinem ruhigen, beständigen Herzschlag nach, während Valeria lange Zeit nachdenklich sein schlafendes Gesicht betrachtete, ehe sie selbst wieder einschlief, ohne noch ein weiteres Mal von einem Albtraum geweckt zu werden.