Der Duft von frisch erblühtem Jasmin war von solch unvergleichlicher Süße, dass sich selbst die kleinen erregenden Seufzer dicht an seinem Ohr nicht damit zu messen vermochten.
Alexey sog ihn immer wieder tief in sich ein, kostete verlangend mit seinen Lippen von Valerias zarter Haut, während er nie genug davon bekommen würde, ihre unverhoffte Erregung mit jedem seiner Sinne in sich aufzunehmen.
Sie war nicht echt. Dessen war er sich vollkommen bewusst. Welche Gefühle die kleine Kriegerin auch immer durch ihn empfing, sie alle waren nur eine Illusion. Ein Wunschtraum, den er der hungrigen Bestie und ihrem betörenden Geruch verdankte, welcher jedem in ihrer unmittelbaren Nähe den Verstand vernebelte.
Die kleine Kriegerin hatte sich lange dagegen gewehrt. Hatte tapfer gekämpft, doch irgendwann war selbst sie dem einnehmenden Duft der Verführung verfallen und mit ihr hatte auch Alexey sich vollkommen verloren. Nicht einmal die Bestie vermochte gegen Valerias erregenden Zauber anzukommen, obwohl sie sich gegen Hederas zunehmender Macht auflehnen sollte.
Alexey war gefangen in dieser Wunschvorstellung von etwas, das niemals sein konnte und auch niemals sein würde, doch selbst das Wissen darüber war nicht stark genug, um ihn aus diesem verbotenen Fiebertraum zu reißen. Er gab sich ihm nur noch mehr hin.
Anstatt gegen den erstarkenden Fluch anzukämpfen und zu versuchen, ihm mit aller Macht zu entfliehen, ließ Alexey es geschehen. Er ließ die Magie durch sich hindurchfließen, die so ungewöhnlich stark auf ihn einwirkte, wie er es noch bei keinem anderen Opferritual erlebt hatte.
Für gewöhnlich spürte er sie während der meisten Zeit des Rituals nur schwach. Erst, wenn er von seinem Opfer trank und dessen Blut in sich aufnahm, fiel die heraufbeschworene Magie mit geballter Intensität auf ihn zurück. Wäre es anders, Hedera würde ihm niemals erlauben, währenddessen von den Frauen zu trinken. Immerhin bestand selbst mit der betäubenden Wirkung ihres Blutes noch die Gefahr, dass die Bestie sie am Ende tötete, bevor das Ritual vollzogen war.
Doch dieses Mal war alles anders.
Anstatt betäubt und beinahe reglos unter ihm zu liegen, klammerte sich die kleine Kriegerin regelrecht an ihn. Alexeys Herz donnerte dabei wie wild gegen ihre heißglühenden Handflächen, während die Art, wie Valerias Schenkel sich an ihn pressten, es nur noch heftiger schlagen ließ.
Sie stimmte inzwischen in seinem Rhythmus mit ein, war weich und nachgiebig. Nichts an ihrem Verhalten oder an ihrem Duft zeugte mehr von den vergangenen Qualen, die er ihr bereitet hatte. Von dem Kampf, den sie nicht nur mit ihm, sondern auch mit sich selbst ausgefochten hatte. Sie war ebenso sehr ein Opfer ihrer Gefühle geworden wie Alexey, während der Fluss der Magie, der durch sie beide hindurchfloss, diese Empfindungen auch noch zu verstärken schien.
Alexey konnte sich kaum noch zügeln.
Es war nicht allein die wilde Bestie, die voller Hunger und Begehren immer stürmischer über Valeria herfiel, sondern auch ein durch und durch menschlicher Teil von ihm, der sich schon lange nach ihren Berührungen gesehnt hatte. Der alles darum gegeben hätte, sie so wie jetzt im Arm halten und ihr nahe sein zu dürfen. Den ihre Leidenschaft erregte, anstatt sie zu fürchten. Der ein noch heißeres Feuer in ihr entfachen und ihr dienen wollte, auf eine Weise, wie Hedera sie niemals von ihm erzwingen könnte.
Es war so unglaublich falsch, wie es sich richtig anfühlte, und doch war Alexey nicht in der Lage, dagegen anzukämpfen, obwohl er es sollte. Sogar mehr als das, denn nie zuvor war er bei einem der Rituale erregt gewesen, sodass er kurz davor stand, seinen Samen zu ... Nein! Er würde die kleine Kriegerin nicht noch weiter beschmutzen, als er es mit seinen Berührungen bereits tat!
Alexey versuchte nun doch mit aller Macht dem verlockenden Traumgebilde zu entrinnen, wurde jedoch nur noch tiefer hineingezogen, als Valerias Körper sich daraufhin noch enger an ihn drängte. Fordernd und voller Verlangen. Ihr Seufzen eine unmissverständliche Sprache sprechend.
Er konnte sich diesem leisen Flehen einfach nicht entziehen, obwohl es ihn sehr viel näher an die Grenze seiner Selbstkontrolle und die Bestie weiter an die Oberfläche brachte.
Am Ende gab Alexey der kleinen Kriegerin das, wonach sie verlangte – opferte all seine Beherrschung, nur um ihr auf eine Art und Weise zu dienen, wie sie es danach nie mehr von ihm fordern würde.
Er spürte, wie ihr Leib unter seinen Bemühungen schon bald in Kaskaden von kleinen Zuckungen verging, während die Bestie nicht länger ihrem Verlangen widerstehen konnte und zubiss, noch bevor der schwarze Mond den höchsten Punkt am Himmel erreicht hatte.
Sein Mund füllte sich mit dem Aroma von wilder Süße, wie sie Alexeys Zunge noch nie benetzt hatte. Der bittere und betäubende Geschmack des Weins verlor sich vollkommen in der heißen Glut von Valerias Leidenschaft, die inzwischen ihren ganzen Körper erfasst hatte und dabei dem seinen so stark zusetzte, dass er für einen Moment alles um sich herum vergaß, selbst ihr unfassbar köstliches Blut.
Reine, unverdünnte Magie floss so mächtig durch sie beide hindurch, als gäbe es keine Schranken, keine Hindernisse mehr zu überwinden, doch anstatt ihn wie üblich zu peinigen, verstärkte sie in Alexey nur den unbeschreiblichen Genuss, den die kleine Kriegerin ihm bereitete, bis er nicht länger an sich halten konnte und endgültig in ihrem Schoß verging.
Die Zeit schien still zu stehen. Der Moment sich bis ins Unendliche zu dehnen, während Alexey sich Welle um Welle seiner Lust ergab, seine Lippen dabei fest gegen Valerias Hals gepresst, um keinen Tropfen ihres kostbaren Blutes zu vergeuden.
Er konnte ihren Höhepunkt schmecken, wie er den seinen bis in den letzten Winkel seines Körpers spürte und doch noch so viel mehr als das. Beinahe war ihm, als läge ein Hauch jener Magie auf seiner Zunge, die immer noch wie ein reißender Strom durch sie beide hindurchfloss, selbst nachdem das Feuer ihrer Leidenschaft langsam abkühlte.
Das Blut der kleinen Kriegerin war ungewöhnlich machtvoll und von solch delikatem Geschmack, dass es seinen Durst kaum zu stillen vermochte. Sein ausgezehrter Körper erholte sich zwar bemerkenswert schnell, doch die Bestie gierte umso mehr nach jedem Tropfen, den sie kriegen konnte, nun, da sie nicht länger von seinem körperlichen Verlangen abgelenkt wurde.
Valeria gab ein leises Wimmern von sich, als er nur noch ungestümer an ihrem Hals sog.
Ihre Hand fand unvermittelt den Weg in Alexeys Nacken, wo sich ihre Finger in seinem Haar vergruben, leicht daran zogen und ihn dennoch nicht aufzuhalten versuchten.
Sie war unruhig. Ihr Atem ging immer noch hektisch, obwohl ihr Schoß ihn nicht länger mit diesen reizvollen Zuckungen peinigte.
Eine Unruhe, die sich schon bald auf Alexey übertrug, als er wie in Trance realisierte, dass der schwarze Mond seinen unheilvollen Platz am Himmel einzunehmen begann.
Die Bestie wurde wachsam und hielt in ihrem Blutrausch inne, immer noch nicht in der Lage, ihre Fänge aus Valerias Hals zu ziehen, obwohl genau das schon bald ihren Untergang bedeutete.
Der Atem der kleinen Kriegerin kam ins Stocken. Durch ihren Körper ging ein erneutes Beben, doch den gequälten Lauten nach zu urteilen, empfand sie dieses Mal Schmerz und keine Wonne. Auch der Zug an seinem Haar wurde fester, bevor sich ihre Fingernägel unvermittelt wie Klauen in seine Brust bohrten.
Es war, als würde Valerias bisher so sinnliche Berührung ihn mit einem Schlag verbrennen.
Sie ließ ihn vor Pein aufschreien, als all die Magie, die bis jetzt so machtvoll durch sie beide hindurchgeflossen war, jäh durch ihre Fingerspitzen in ihn hineindrängte, sein Brustkorb schon kurz darauf zu bersten drohte und jeden weiteren Schmerzensschrei erstickte, da er nicht mehr atmen konnte.
Dunkle, unheilvolle Macht zuckte wie zahlreiche kleine Blitze durch seine Adern, ließ jeden seiner Muskeln sich verkrampfen und machte ihn blind für alles um ihn herum. Da war nur noch Qual, und das Gefühl von eisiger Kälte, die sich wie Frost über all sein Sein zu legen begann.
Alexey konnte sie spüren – Hedera, wie sie erneut ihre Finger nach ihm ausstreckte, seinen Verstand, seinen Willen wie Eiswasser umhüllte und ihn nur noch tiefer in den schwarzen See ihrer unheilbringenden Gabe zu ziehen versuchte.
Wie schon all die Male zuvor verlangte es sie danach, ihm ihre Macht aufzudrängen, seinen Widerstand zu beugen und seinen Willen zu brechen, auf dass er alles aufgab, was er war, nur um ihr in vollendeter Ergebenheit als seelenloser Sklave zu dienen.
Alexey bleckte bedrohlich die Fänge, während er verzweifelt um sich schlug und wie schon so oft um den letzten Rest seiner Persönlichkeit kämpfte, der ihm noch geblieben war.
Es war ein ungleicher Kampf. Seine Niederlage am Ende unvermeidlich. Dennoch kämpfte er weiter um die wenigen kostbaren Dinge in seinem Leben, die Hedera ihm noch nicht hatte nehmen können.
Niemals würde ihr das Gefühl gehören, das er empfunden hatte, als ihn diese seelenvollen Augen, die wie flüssiger Bernstein schimmerten, zum ersten Mal erblickt hatten. Oder welch verbotenen Wünsche der Duft nach frisch erblühtem Jasmin in ihm wachrief.
Wie Valeria es vermochte, mit nur einer einzigen zarten Berührung die Bestie in ihm zu besänftigen. Wie ...
Nein! Er würde sich das niemals nehmen lassen!
Von neuer Kraft beseelt schlug Alexey noch wilder um sich. Biss, kratzte, trat mit aller Macht gegen Hederas Willen an, bis ... er plötzlich allein in der Dunkelheit war.
Wie aus weiter Ferne vernahm er den Schrei einer Frau, kurz bevor sich die Finsternis um ihn herum ein kleines Stück weit zu lichten begann.
Ganz zart, kaum merklich, legte sich wärmend ein bläulicher Schimmer über ihn. Begleitet von dem intensiven Duft nach süßem Jasmin linderte er Alexeys Schmerz und erleichterte ihm das Atmen.
Wie ein leise verklingendes Echo hallte zugleich die Erinnerung an ein vertrautes Flüstern in ihm wider.
Es tut mir leid ... Alexey ...
Valeria!
Als Hederas unheilvolle Gabe seinen Geist überraschend freigab, rang Alexey heftig nach Atem, während seine Sinne jäh in seinen Körper zurückfuhren. Sein Verstand war nicht länger ihr Gefangener und dennoch benötigte er einen Moment, um im Hier und Jetzt anzukommen.
Das schwache, unregelmäßige Schlagen von Valerias Herzen gab ihm dabei Geleit, als es nach seiner Aufmerksamkeit verlangte. Ihre Haut unter den dunklen Zeichen schimmerte bleich wie der Tod, als seine nun wieder klaren Augen ihre zarte Gestalt erfassten.
Blankes Entsetzen packte ihn, als Alexeys Blick auf ihren aufgerissenen Hals fiel.
Er hatte von ihr abgelassen, ohne zuvor die tiefe Wunde, welche seine Reißzähne verschuldet hatten, mit seinem Blut wieder zu verschließen. Der Tod war ihr sicher, sofern er nicht sofort ...
Er erstarrte mitten in der Bewegung, während sich seine Pupillen vor Unglauben weiteten.
Die tödliche Verletzung an Valerias Hals begann sich mit einem Mal von selbst zu verschließen, noch bevor er dazu gekommen war, ihr zu ...
Sein Blick schoss nach unten.
Die Hand der kleinen Kriegerin zog träge eine Spur aus frischem Blut über seine Brust, ehe sie kraftlos von ihm abfiel und fünf brennende Male über seinem Herzen zurückließ, in denen eine unbekannte Macht heftig pulsierte.
Es war nicht Hederas kalte, niederträchtige Magie, die ihm so vertraut wie sein eigener Körper war und überall sonst auf seiner Haut wie glühendes Eisen brannte, sondern fühlte sich warm und lebendig an. Fremd und doch irgendwie ...
Alexey gefror schier das Blut in den Adern, als er so unvermittelt und direkt auf eine Wahrheit gestoßen wurde, die er eigentlich schon im Laufe des Rituals hätte erkennen müssen, aber einfach nicht hatte wahrhaben wollen. Es selbst jetzt nicht konnte.
Nein, nicht sie! Jeder, nur nicht sie!
Doch es ließ sich nicht leugnen. Es war unverkennbar Valerias Magie, die in den Wunden, die sie ihm zugefügt hatte, schwelte.
Sie war ... eine von Jenen. Gehörte offenkundig eben jener unheilvollen Brut an, der auch Hedera und ihre Freundinnen entstammten. Und sie hatte ihn gerade in gleicher Weise an sich gebunden. Er spürte es nur allzu genau. Die Magie mochte sich anders anfühlen, nicht aber der Zauber, den sie nährte.
Etwas in Alexey zerbrach bei dieser Erkenntnis. Vielleicht sein Herz, da es sich bei jedem Schlag plötzlich so anfühlte, als würden tausende kleiner Splitter seinen Brustkorb von innen zerfetzen. Oder war es seine Hoffnung?
„Komm her!“
Alexey zuckte kaum merklich unter dem scharfen Befehl zusammen, bevor sich sein Körper ganz ohne sein bewusstes Zutun gehorsam in Bewegung setzte.
Den Blick immer noch auf Valerias reglose Gestalt geheftet, bemerkte er zunächst nicht den Grund für Hederas Unmut. Erst als er sich vom Opferstein abwandte und auf die kleine Gruppe von Frauen zuwankte, sah er, dass eine von ihnen auf dem Boden kniete und von ihren Freundinnen gehalten werden musste, da sie offenbar zu schwach war, um von allein aufrecht sitzen zu können.
Aurelias fahles Gesicht hob sich deutlich von ihrem schwarzen Haar ab, wirkte verkniffen und angestrengt. Die Jüngste der vier Frauen schien sogar Mühe zu haben, bei Bewusstsein zu bleiben. Offenbar hatte ihr das Ritual mehr abverlangt, als sie ertragen konnte.
Alexey hatte so etwas zuletzt in jener Nacht des ersten Opferrituals gesehen, als Hedera noch ganz alleine versucht hatte, die heraufbeschworene Magie, aber allem voran ihn zu bändigen und dabei fast ihr eigenes Leben gelassen hätte.
„Knie nieder!“
Während er dem Befehl wie betäubt nachkam und schwer auf die Knie sank, sah er die Gesichter der anderen Frauen nur flüchtig, ohne sie wirklich wahrzunehmen. Sie alle wirkten erschöpft und abgekämpft, lediglich Hedera schien das Ganze kaum etwas ausgemacht zu haben.
Sie war es auch, die ihn schließlich grob im Nacken packte, seinen Kopf zurückriss, ihren Dolch zückte und ohne zu zaudern durch das Fleisch auf seiner Stirn schnitt, bis ihm heißes Blut in die Augen lief, ehe sie ihn weiter zu Aurelia drängte.
„Hier, Schwester. Nimm von ihm und stärke dich.“
Alexey nahm die fremden Lippen auf seiner Haut kaum wahr, oder wie eine kleine raue Zunge ihm das Blut von der Stirn leckte. Zunächst noch schwach, doch schon bald gieriger, bis leise Worte das blutige Zeichen der Unterwerfung und somit den ersten Teil des Fluchs in seinem Fleisch versiegelten.
Schon nahm die Nächste der Frauen ihren Dolch zur Hand. Zeichnete mit der Spitze die leuchtenden Symbole auf seiner Wange nach, ließ ihn bluten, auf dass sie ebenfalls davon kosten und die heraufbeschworene Magie in ihm versiegeln konnte, bevor sie ihn an die letzte von Hederas Freundinnen weiterreichte, welche sich seiner anderen Wange annahm.
Hedera selbst war es, die sich schließlich um die Zeichen auf seinem Mund kümmerte. Die skrupellos mit ihrem Dolch durch sein Fleisch schnitt, ohne dass es sie scherte, wie stark die klaffenden Wunden an seinen Lippen bluteten, oder wie immens der Schmerz besonders an dieser Stelle war.
Heiße Tränen lösten sich aus den Winkeln seiner Augen; liefen ihm über die kalten, reglosen Wangen, ausgelöst vom Schmerz in seinem Gesicht und dem qualvollen Brennen in seiner Brust, ohne dass er dem Gefühl auf irgendeine andere Art Ausdruck verleihen konnte.
Niemanden kümmerte es.
Vielmehr war Hederas darauffolgender Kuss voller Gier und schien ihn mit seiner Intensität ebenfalls unterwerfen zu wollen.
Alexey reagierte nicht darauf. Er war wie erstarrt. Konnte sich nicht bewegen.
Obwohl er den Schmerz und die Schmach über seine erneute Niederlage bis ins Mark spürte, drang doch nichts bis zu jener Stelle in ihm vor, wo Valeria tiefe Wunden geschlagen und ihn beinahe vernichtet hatte.
Er konnte es immer noch nicht begreifen. Wollte es immer noch leugnen, doch ihre so andersartige Magie in den Malen auf seiner Haut, die Valerias Fingernägel in seinem Fleisch hinterlassen hatten, blieb auch weiterhin ein untrüglicher Beweis für ihren Verrat.
Hedera erlaubte ihm, sich wieder zu erheben, jedoch nur, um mit der Folter fortzufahren. Nacheinander schnitten die vier Frauen ihn nun gleichzeitig, nachdem sie ihn umringt hatten. Sie verzichteten dieses Mal darauf, von seinem Blut zu kosten, konzentrierten sich stattdessen voll und ganz auf ihre Aufgabe, die Macht des Fluchs in seinem Fleisch zu versiegeln.
Die Qual dieser Prozedur schien eine gefühlte Ewigkeit anzudauern, in der Alexey nicht nur der körperlichen Folter seiner vier Peinigerinnen ausgesetzt war, sondern auch im Herzen eine schreckliche Tortur erlitt, obwohl er es noch nicht einmal wagte, zu der kleinen Kriegerin hinüberzusehen.
Alexey wusste nicht, wie er reagiert hätte, wenn er nicht immer noch ganz deutlich ihren Herzschlag zwischen all den anderen herausgehört hätte ...
Wäre er erleichtert gewesen? Wütend? Traurig? Würde er überhaupt je wieder etwas anderes empfinden, als diesen tiefen Schmerz in seiner Brust?
„Seht euch das viele Blut an!“, durchbrach Julia – die älteste von Hederas Freundinnen – das konzentrierte Schweigen, nachdem sie sich vor ihn hingekniet hatte, um besser die Zeichen auf seinem Bauch mit der Spitze ihres Dolchs nachzeichnen zu können.
„Mir scheint, es kommt einem Wunder gleich, dass die kleine Sklavin überhaupt noch lebt.“
Oktavia gab ein amüsiertes Lachen von sich: „Erstaunt dich das tatsächlich? Hast du nicht gehört, wie die kleine Hure am Ende gestöhnt hat?“
„Es könnte sich auch um Schmerzenslaute gehandelt haben“, gab Aurelia zu bedenken, nachdem sie leise murmelnd den Schnitt an seinem Schulterblatt versiegelt hatte. „Allerdings bin ich mir in diesem Punkt nicht ganz sicher. Die Magie hat so stark an mir gezehrt, dass ich kaum etwas mitbekommen habe.“
„Die heraufbeschworene Macht des Rituals war in der Tat ungewöhnlich stark, findest du nicht, Hedera?“ Oktavia sah ihre bisher schweigsame Freundin fragend an, deren Augen sich unvermittelt direkt auf Alexey richteten.
„In der Tat. Sehr ungewöhnlich.“ Sie schien ausschließlich zu ihm zu sprechen, und doch konnte sie ihm keinerlei Antwort auf ihre unausgesprochene Frage entlocken. In seinem Gesicht regte sich kein Muskel, auch der Rest war wie gelähmt.
„Ich sagte euch doch, diese kleine Sklavin ist von ungewöhnlich feurigem Gemüt.“ Hedera ließ ihre Worte für einen Moment auf ihre Freundinnen wirken, während sie sich um die Zeichen auf seiner rechten Schulter kümmerte.
„Ihr könnt nicht erwarten, dass alles so ist wie bei den verängstigten Jungfrauen zuvor. Immerhin sind auch die Früchte unserer Anstrengungen nicht zu übersehen, oder habt ihr ihn jemals so ruhig erlebt, während wir die Magie in seinem Körper versiegelt haben?“ Hedera tätschelte Alexey die schmerzende Wange wie einem folgsamen Hund und erhielt auch dieses Mal keine Reaktion. Ihr herablassendes Handeln und ihre Worte konnten ihn nicht mehr verletzen.
„Meinst du, er hat sich dir nun endgültig unterworfen?“ Julias Frage klang nicht zur Gänze überzeugt.
Hedera betrachtete ihn für einen Moment nachdenklich, ehe sie seufzte: „Die Zeit wird es offenbaren. Und jetzt kommt, Schwestern. Lasst uns unser Werk rasch vollenden. Dieses Ritual macht mich jedes Mal aufs Neue hungrig wie ein Wolfsrudel im Winter.“
„Wie wahr.“ Julia nickte bestätigend, während der Rest von Hederas Freundinnen ihre Zustimmung bekundeten.
Nun wieder schweigend machten sie sich daran, auch die restlichen Symbole auf seiner Haut mit ihren Dolchen zu bearbeiten, sodass das magische Glühen durch blutige Wunden ersetzt und Hederas Macht, gestärkt durch die heraufbeschworene Magie dieser Nacht, in ihm versiegelt wurde.
Jedoch nicht zur Gänze.
Während Julia, Oktavia und Aurelia sich nach getanem Werk ausgiebig streckten und leise über den Verlauf des Rituals tuschelten, trat Hedera nah an ihn heran, packte Alexey grob am Kinn und zwang ihn dazu, sie direkt anzusehen.
Sie sprach erst, als sie seine volle Aufmerksamkeit besaß: „Sollte sie noch leben, wirst du dafür Sorge tragen, dass die kleine Sklavin auch noch den Rest der Nacht übersteht. Denn ich bin wirklich nicht erpicht darauf, mir von Servius wochenlang die Ohren vollheulen zu lassen. Hast du das verstanden?“
„Ja.“ Das Wort kam ihm unerwartet leicht über die Lippen, denn was er sagte, war nicht weiter von Bedeutung. Es hätte genauso gut eine Lüge sein können.
Sie sah ihn für einen Moment skeptisch an, konnte jedoch nichts in seinen Augen finden, das ihr missfallen hätte.
„Gut.“ Hedera ließ ihn los und ging zu ihren Freundinnen hinüber, um sich mit ihnen zusammen auf den Weg zurück zur Villa zu machen. Keine von ihnen schenkte ihm auch nur einen letzten Blick.
Als die Lichter der kleinen Ölschalen zwischen den Bäumen verschwunden waren, sank Alexey kraftlos auf die Knie.
Sein bisher so ruhiger Atem wurde schwerer und schwerer, bis jeder Atemzug einem Kampf gleichkam, den er mit einer unsichtbaren Kraft ausfocht, die nicht nur immer gnadenloser gegen seinen Brustkorb drängte, sondern ihm auch brutal das Herz zerquetschte.
Alexey hielt sich mit zittriger Hand die Stelle, an der er in dieser Nacht am schwersten verwundet worden war, während sein ganzer Körper nach vorne fiel, bis seine blutige Stirn kühles Gras berührte.
Ein Schrei sammelte sich in seiner zugeschnürten Kehle, den er nur mit Müh und Not unterdrücken konnte, indem er seine Zähne brutal aufeinanderbiss.
Gefühle trommelten wie Hagelkörner auf ihn ein und schürten noch mehr das Feuer der Pein in seiner Brust.
Er kam sich so dumm vor. So unsagbar naiv, als wäre er wieder der unbedarfte Jüngling von damals, der in allem und jedem nur hatte das Gute sehen wollen. Der in Valeria nur das Gute gesehen und ihr immer wieder blindlings zu helfen versucht hatte, egal, was es ihn selbst kostete ...
Seine Hände ballten sich bei diesem Gedanken zu Fäusten, die zunächst nur vage, doch schließlich immer heftiger bebten, bis Alexey all die aufgestauten Gefühle in seiner Brust nicht länger ertragen konnte. Sein Schrei zeriss die Stille der Nacht. Wieder und wieder, und dennoch brachte es ihm keine Erleichterung. Im Gegenteil, alles wurde nur noch schlimmer, da er genau den Zwang spürte, der ihn dazu aufforderte, sich um die kleine Kriegerin zu kümmern, ganz gleich, was sie ihm angetan hatte. Ganz gleich, wie sehr er ihr im Moment etwas antun wollte!
Alexey wusste nicht, was er tun sollte. Was er tun würde, sobald er wieder auf den Beinen war.
Hass – inzwischen zwei Jahrhunderte lang geschürt – schoss plötzlich wie Gift durch seine Adern, fraß ihn von innen heraus auf und machte ihm das Denken schwer.
Nein, nicht noch einmal ...
Nicht noch einmal würde ihn eine Frau so dermaßen unter ihre Kontrolle bringen, wie Hedera es getan hatte!
Alexey fuhr entschlossen hoch und ging mit leicht schwankenden Schritten zu eben jener Stelle hinüber, an der er ein weiteres Mal seine Freiheit geopfert hatte.
Seine Faust schloss sich erbarmungslos um Valerias Kehle, noch bevor seine Gedanken der Geste folgen konnten.
Er spürte ihren kräftigen Puls unter seinen Fingern. Ihre Atemzüge, die leicht ins Stocken gerieten, als er mehr Kraft in sie legte.
Es wäre so leicht. Eine kleine Bewegung und sie wäre niemals in der Lage ihre neu gewonnene Macht über ihn auszuüben. Könnte ihn sich niemals untertan machen und ihn zu Dingen zwingen, die er auf keinen Fall tun wollte. Zumindest von ihr wäre er frei ...
Bevor sich seine Hand noch fester um ihren Hals schließen und er von Hederas Befehl aufgehalten werden konnte, hob Alexey den Blick und stellte sich zum ersten Mal der neuen Wahrheit, die trotz der Tatsachen nur langsam in ihn sickerte.
Er betrachtete das Gesicht, das im bisher so lieb und teuer gewesen war, wann auch immer er es gesehen hatte und musste feststellen, dass sich an diesen Gefühlen nichts geändert hatte.
Alexeys Griff lockerte sich bei dem Anblick der inzwischen so vertrauten Züge, die beinahe friedlich wirkten, wären da nicht die deutlichen Spuren von Tränen, die sich durch die blutroten Zeichen auf Valerias Haut zogen.
Er hatte ihr wehgetan. Sehr sogar, denn die kleine Kriegerin ließ sich alles andere als leicht zu Tränen bewegen. Zudem waren ihre Abwehr, ihr unmissverständlicher Geruch und all die zahlreichen kleinen Dinge, die ihm nicht entgangen waren, echt und unverfälscht gewesen.
Warum auch immer sie ihn am Ende an sich gebunden hatte, es hatte zu Beginn der Nacht mit Sicherheit nicht in ihrer Absicht gelegen, das zu tun.
Alexey klammerte sich allein an diesen Gedanken, während er seine Hand von ihrem Hals löste und stattdessen die Felle um die kleine Kriegerin wickelte, die schon längst unter dem Einfluss der kühlen Nacht vor Kälte zitterte.
Er würde sich um sie kümmern, doch nicht etwa, weil Hedera es ihm befohlen hatte, sondern aus dem einfachen aber vollkommen ausreichenden Grund heraus, dass es da immer noch ein Gefühl unter dem Schmerz in seiner Brust gab, das stärker war als all der Hass in ihm. Zumindest wenn es um Valeria anging.