Der intensive Gestank des Weins brachte Val nicht zum ersten Mal zum Würgen, doch sie konnte ihren ohnehin leeren Magen bisher in Schach halten und verhindern, dass sie sich übergab. Etwas, das ihr noch mehr zugesetzt hätte, als die Umstände es ohnehin schon taten.
Val schnaufte wie ein alter Klepper kurz vorm Sterben. Sie war völlig am Ende, hatte kaum noch Kraft in den Gliedern und doch machte sie unermüdlich weiter, denn der äußerst motivierende Gedanke, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit ihr Leben davon abhing, hielt sie aufrecht.
Da Val kein frisches Wasser zur Hand hatte, half sie sich mit dem zur Genüge vorhandenen Wein aus, um dem Perversen das Blut abzuwaschen. Zugleich diente der Gestank dazu, ihre hastig erdachte Geschichte zu untermauern. Ihr eigenes Blut und ihre Verletzungen spielten hierbei keine Rolle, also beließ Val es so, wie es war. Doch der Perverse sollte nicht so aussehen, als hätte er einen Autounfall erlitten, sondern vielmehr wirken, als wäre er so betrunken, dass er es nicht einmal mehr in sein eigenes Bett geschafft hatte, nachdem er mit Val fertig war.
Es wäre natürlich besser gewesen, wenn Val ihn in sein Bett hätte legen können und einfach so tun könnte, als würde er schlafen, doch schon unter den besten Voraussetzungen fehlte ihr die Kraft dazu, einen ausgewachsenen Mann auch nur ein paar Meter über den Boden zu schleifen, geschweige denn auch noch in sein Bett zu hieven.
Um die Geschichte noch ein wenig glaubhafter zu machen, versuchte Val dem Arschloch auch etwas Wein einzuflößen. Dabei entgingen ihr keineswegs die kleinen Veränderungen an ihm, die wahrscheinlich nur sie als Ärztin wirklich wahrnahm, da sie darauf geschult war, die Anzeichen für bestimmte Krankheiten zu erkennen.
Was auch immer Val mit ihrer Gabe angerichtet hatte, betraf offenbar nicht nur das Gehirn des Perversen, sondern auch seine Leber. Seine Pupillenreflexe waren zwar wieder vorhanden, doch dafür entging ihr die leicht gelbliche Verfärbung in seinen Augen nicht. Ein deutliches Anzeichen dafür, dass seine Leber nicht richtig arbeitete. In Anbetracht seines Weinkonsums dürfte das auch niemanden wundern und im Moment konnte man das wirklich nur erkennen, wenn man genau hinsah.
Mehr Gedanken machte sich Val über die zahlreichen kleinen Blutergüsse, die sich der Kerl wohl während seines Krampfanfalls zugezogen hatte. Zum Glück hatte er sich dabei nicht auch noch die Zunge abgebissen. Das zu erklären, wäre weitaus schwieriger gewesen. Die blauen Flecken konnte man zumindest noch darauf zurückführen, dass Val sich gegen den Kerl gewehrt hatte und wenn man im Vergleich dazu, ihren körperlichen Zustand ansah, waren die Blutergüsse wirklich nicht der Rede wert und zugleich auch völlig gerechtfertigt.
Was auch immer am Ende davon gehalten wurde, im Endeffekt konnte Val sowieso nichts daran ändern. Sie konnte nur darauf hoffen, dass man einfach nicht näher nachhakte, was den Zustand des Perversen betraf.
Nachdem Val zumindest ein paar Schluck Wein in den Bastard bekommen hatte, kippte sie den Becher neben ihm aus und setzte sich dann für einen Moment auf eine trockene und nicht blutbesudelte Stelle auf dem Boden, um sich auszuruhen. Ihr wollte das eine Augenlid zufallen, das nicht völlig zugeschwollen war und am liebsten hätte sie sich an Ort und Stelle zu einem kleinen Häufchen Elend zusammen grollt und geschlafen, doch sie musste hier weg.
Dennoch, obwohl es mittlerweile schon spät sein dürfte, brauchte Val eine ganze Weile, bis sie es zähneknirschend auf ihre wackeligen Beine schaffte. Ihr tat alles so wahnsinnig weh, dass es gar kein bestimmter Schmerz mehr war, sondern ein komplettes und allumfassendes Gefühl im ganzen Körper. Zugleich fühlte sie sich so unglaublich müde und schwach, als hätte sie mehrere Nächte lang nicht geschlafen und stattdessen bei einem Marathon mitgemacht. So am Ende war sie schon lange nicht mehr gewesen, trotzdem hielt der Gedanke an Alexey sie aufrecht und brachte sie dazu, weiter zu machen. Sie wollte zu ihm. Sie MUSSTE zu ihm. Alles andere würde sich gerade wie ein Weltuntergang für Val anfühlen, die sich nicht länger stark und entschlossen fühlte, sondern vielmehr klein und absolut verletzlich.
Ein wenig verloren sah Val sich in dem großen Raum um. Zu gerne hätte sie wenigstens irgendetwas gehabt, um sich notdürftig zu bedecken, doch am Ende wagte sie es nicht, etwas aus dem Raum zu entwenden. Die blutbesudelten Fetzen ihrer Kleidung, die sie in Wein getaucht hatte, um den Perversen zu waschen, ließ sie einfach am Boden liegen. Sie erzählten ihre ganz eigene Geschichte, und mehr blieb Val nicht, also kämmte sie ihr inzwischen offenes Haar nach vorne, bis es ihr tief ins Gesicht hing und wenigstens ihre Brust bedeckte. Danach humpelte sie mit leisem Ächzen zur Tür, um diese leise zu öffnen.
Val hatte zwar gehofft, dass sie allein war, doch sie hatte auch damit gerechnet, dass dem nicht so sein würde. Natürlich standen die beiden Wachen immer noch vor der Tür, um auf ihren Herrn aufzupassen. Am liebsten wäre Val einfach gegangen, doch sie zwang sich dazu, einen Moment stehen zu bleiben, ohne aufzusehen.
„Der … Dominus ist trunken … Bringt ihn … Bett …“ Val riskierte einen flüchtigen Blick hinter dem Schleier ihrer Haare hervor, um die Reaktion einer der Wachen zu beobachten. Was sie dort fand, ließ sie fast vor Erleichterung aufatmen. Der Kerl hatte ganz offensichtlich Mitleid mit ihr und ihrer kümmerlichen Erscheinung. Zudem sagte der Blick, den er kurz darauf seinem Kollegen zuwarf alles. Es war ganz offensichtlich nicht das erste Mal, dass sie ihren Dominus volltrunken vom Fußboden aufsammeln mussten.
Val humpelte weiter, als die beiden sich an die Arbeit machten. Zumindest vorerst dürfte sie noch einmal den Kopf aus der Schlinge gezogen haben, denn auch ein paar Schritte später kam niemand angerannt, um sie zu stellen und sie dafür zu verurteilen, was sie mit dem Perversen angestellt hatte.
Glücklicherweise blieb sie auch auf dem Rest des unendlich langen Wegs völlig unbehelligt. Bei ihrer eigenen Kammer angekommen, überlegte Val nur kurz, ob sie reingehen und sich zumindest ein wenig waschen sollte, doch bei ihrem Anblick bekam Ceara sicher einen Schock. Das wollte sie dem Mädchen absolut nicht zumuten. Außerdem war es auch gar nicht das, was Val wollte. Sie musste zu Alexey. Nur bei ihm konnte sie endlich loslassen und ihre Wunden lecken. Also schleppte sie sich mühsam und mit mehreren kleinen Pausen weiter in Richtung hintersten Teil des Sklaventraktes, den außer Alexey und ihr niemand wirklich freiwillig betrat.
Schon als Val ein Tablett mit Alexeys Essen ein gutes Stück von seiner Tür entfernt auf dem Boden stehen sah, wusste sie, dass etwas nicht stimmte. Nicht nur, weil das Essen nicht angerührt worden war, sondern auch wegen des ungewöhnlichen Abstellorts an sich. Ceara war nicht nachlässig, sondern äußerst gewissenhaft. Wenn sie sich also nicht einmal bis vor Alexeys Tür traute, dann wollte das schon was heißen.
Val rechnete natürlich damit, dass Alexey nicht die beste Laune haben würde, nach allem, was heute schon vorgefallen war, aber was sie tatsächlich vorfand, als sie die Tür zu seiner Kammer vorsichtig öffnete, schockierte sie dann doch so sehr, dass ihre Müdigkeit wie weggeblasen war.
Es war das reinste Schlachtfeld, soweit sie das erkennen konnte. Alexeys bisher so ordentlich aufgeräumte Kammer war absolut nicht wieder zu erkennen. Zumal Val nicht einmal einen Schritt weit in den Raum tun konnte, bevor sie gegen ein Hindernis stieß.
„Alexey?“, fragte sie vorsichtig in die Dunkelheit hinein, die den meisten Teil der Kammer verschluckte und somit das Chaos darin. War er überhaupt hier?
Val lauschte mit wild klopfendem Herzen und angespannten Nerven. Sie konnte ihn tatsächlich atmen hören. Sein Atem klang schwer und keinesfalls beruhigend, also machte sie noch einmal kehrt, um hastig die eine Fackel aus dem Gang zu holen, damit sie überhaupt etwas sehen konnte.
Kaum, dass das Licht der Fackel den ganzen Raum erhellte, offenbarte sich vor Val das wahre Ausmaß der Zerstörung, die Alexey angerichtet hatte. Wer sonst hätte die Kraft besessen, um die massiven Holzmöbel derart zu zerstören, bis man nicht mehr sagen konnte, was genau was einmal gewesen war und welcher Teil wohin gehörte. Er hatte vor absolut nichts Halt gemacht, lediglich die Matratze aus seinem ehemaligen Bett sah noch so halbwegs heil aus, obwohl sie dennoch an einigen Stellen stark ramponiert war. Aber zumindest konnte man sie noch als Matratze identifizieren.
Das alles spielte im Augenblick jedoch keine Rolle. Auf den ersten Blick konnte Val Alexey nicht sehen, doch sie hörte ihn in der Ecke hinter der Tür. Um zu ihm zu kommen, musste sie sich jedoch erst einmal durch das Trümmerfeld bewegen, das einst seine Kammer gewesen war.
Zu dem Marathon, den sie heute schon hinter sich gebracht hatte, musste sie also auch noch einen Hindernisparcours bewältigen, doch eine größere Motivation als die Sorge um Alexey gab es für Val nicht, also kämpfte sie sich durch, bis sie schließlich vor dem Mann auf die Knie fiel, der ihr so unfassbar viel bedeutete, wie sie es nie erwartet hätte.
Hastig steckte Val die Fackel zwischen ein paar Trümmer, ehe sie näher rutschte und sich einen flüchtigen Überblick über Alexeys Zustand machte.
Er war wach, saß mit angezogenen Beinen in einer gekrümmten Haltung da, die Hände tief in seinem Haar vergraben, an dem er so sehr riss, dass sich bereits einige Haare von seiner Kopfhaut gelöst hatten. Sein Blick ging starr in die Ferne. Sein Gesicht – zumindest das, was sie davon sehen konnte – war zu einer grausigen Fratze der Qual verzerrt. Dabei fletschte er die Zähne, sodass seine voll ausgefahrenen Fänge bedrohlicher denn je wirkten. Dennoch schien er – soweit Val das beurteilen konnte – weitestgehend unverletzt. Bis auf seine Hände, an denen etwas Blut klebte und die einige Holzsplitter abbekommen hatten, war sonst nichts weiter zu erkennen.
„Alexey?“, fragte Val erneut vorsichtig und rutschte noch ein bisschen näher.
Von Alexey kam keine Reaktion. Er schien weder auf das Licht der Fackel zu reagieren, noch auf Vals Anwesenheit. Es wirkte, als wäre er weit weg oder so tief in sich selbst gefangen, dass er von seiner Umgebung überhaupt nichts mitbekam. Vielleicht ein weiterer Schub seiner PTBS?
„Es ist alles gut. Ich bin hier“, sprach Val beruhigend auf ihn ein und berührte vorsichtig eine seiner verkrampften Hände. Dass eigentlich absolut nichts gut war und sie hier log, bis sich die Balken bogen, spielte keine Rolle. Erst musste Alexey wieder zu ihr zurückkommen, danach konnten sie sich den harten Fakten stellen.
Alexey reagierte weder auf Licht, noch auf ihre Stimme oder ihre Berührung, doch worauf er ganz eindeutig reagierte, war Vals Geruch oder besser gesagt, auf den Geruch ihres Blutes. Davon hatte sie immer noch reichlich am Körper und natürlich auch am Arm, sodass sich seine Nasenflügel blähten, als sie damit in seine Nähe kam.
Vorsichtig zog Val ihren Arm wieder zurück. Sie vertraute zwar darauf, dass Alexey ihr niemals freiwillig schaden würde, aber ob er im Moment wirklich vollkommen zurechnungsfähig war, wollte sie bezweifeln.
Zu Vals eigener Überraschung durchlief Alexey jedoch eine äußerst positive Wandlung, als er zunächst noch der Bewegung ihres Arms folgte, während er Witterung aufnahm und dann auch seinen Blick fokussierte und somit wieder von dort zurückkehrte, wo auch immer er bis gerade eben gewesen war.
Als er Val dann tatsächlich erkannte, sah sie ihm den Schock an, den ihr Aussehen verursachte. Zahlreiche Emotionen liefen innerhalb kürzester Zeit auf seinem Gesicht ab, bis er bleich wie Knochen war, während ein tiefes Grollen seine Brust erfüllte und er die Zähne zusammenbiss. Anstatt jedoch irgendeiner Reaktion Luft zu machen, streckte Alexey wortlos die Arme aus und zog Val äußerst vorsichtig zu sich, damit sie sich auf seinem Schoß niederlassen und gegen seine Brust sinken konnte. Allein Alexeys Nähe und Wärme, die sie sofort wie ein Mantel schützend umhüllten, sorgten dafür, dass die Last, die Val bisher hatte alleine tragen müssen, von ihr abfiel und sie regelrecht in sich zusammensank. Die Schmerzen kamen mit voller Wucht zurück, doch wenigstens war sie nun in Sicherheit.
Einen Moment lang hielt er sie einfach nur ganz, ganz vorsichtig fest. Wie sehr Val gerade das im Augenblick brauchte, zeigte sich dadurch, dass sie es gar nicht gut fand, als Alexey sich schließlich ein kleines Stück von ihr löste, um sie besser ansehen zu können. Val wäre am liebsten in ihn hineingekrochen, um vor dieser beschissenen Welt, die sich Realität nannte, zu fliehen, aber natürlich konnte sie das nicht.
Er strich ihr zerzaustes Haar zurück, damit er besser ihr Gesicht sehen konnte. Anschließend flogen seine zittrigen Finger hauchzart wie der Flügelschlag eines Schmetterlings über ihr geschwollenes Auge, die ebenso geschwollene Wange und schließlich über ihre gebrochene Nase.
Val sah Alexey an, wie sehr ihm der Anblick zusetzte. Wie wütend es ihn machte, sie so zu sehen und wie machtlos er sich zugleich fühlte, weil er nichts tun konnte, um so etwas zu verhindern.
Sein Blick wanderte weiter. Ging tiefer, ebenso wie die Berührung seiner Hand. Als sie auf ihrem Bauch zum Liegen kam, legte Val ihre eigene Hand beruhigend auf seine. „Hier ist soweit alles in Ordnung. Er hat … nur meinen Rücken erwischt …“
Alexey brauchte einen Moment, in dem er die Augen schloss und sich zu sammeln versuchte, ehe er knapp nickte und sie anschließend vorsichtig aufsetzte, damit er einen flüchtigen Blick auf ihren malträtierten Rücken werfen konnte. Wahrscheinlich sah dieser von den Schlägen mit dem Gürtel genauso schlimm aus, wie er sich anfühlte, doch auch dazu sagte Alexey nichts, als er Val schließlich wieder ganz in den Arm nahm, nachdem er seine Bestandsaufnahme beendet hatte.
„Ich muss deine Nase richten, bevor …“
„Tu es.“ Val würde das sowieso nicht schaffen. Nicht, wenn es um sie selbst ging. Dazu fehlte ihr im Moment absolut die Kraft. Nicht nur die rein körperliche.
Glücklicherweise machte Alexey im Moment auch alles richtig. Er zögerte nicht, beschwichtigte sie nicht oder sonst etwas in dieser Art, was ihr Leiden nur verlängert hätte. Stattdessen kam er gleich zum Punkt und richtete ihr ohne Umschweife mit geübten Handgriffen die gebrochene Nase.
Val versuchte zwar, keinen Laut von sich zu geben, doch ihr schossen sofort die Tränen in die Augen und natürlich fing ihre Nase wieder zu bluten an. Woraufhin Alexey sich ein Stück aus dem Ärmel seiner Tunika riss, damit sie es sich vorsichtig dagegen drücken konnte, um sich nicht noch mehr mit ihrem eigenen Blut zu besudeln.
Val war so sehr mit ihrer Nase beschäftigt, dass sie gar nicht mitbekam, was Alexey tat, ehe er ihr auch schon seinen blutenden Daumen vors Gesicht hielt. „Trink.“
Es war eine Sache, sein Blut auf die eine oder andere Weise untergejubelt zu bekommen. Nämlich genau dann, wenn sie es nicht mitbekam, oder eben nicht oral zu sich nahm. Ganz anders sah es hingegen aus, wenn er ihr eine stark blutende Wunde vor die Nase hielt, von der sie trinken sollte, denn er hatte sich nicht bloß in den Daumen gepikst, sondern ihn sich tief aufgeschnitten, sodass ihm das Blut die ganze Hand hinunter lief.
Alles in Val weigerte sich bei diesem Anblick Alexeys Aufforderung nachzukommen. Es war nicht nur der Gedanke daran, Blut zu trinken, zumal seines ohnehin nicht so schmecken würde wie das eines Menschen, obwohl es das natürlich nicht besser machte. Ihr war auch nur allzu deutlich bewusst, dass Alexey genau aus diesem Grund von der Eiskönigin versklavt worden war. Damit sie immer und zu jeder Zeit an sein kostbares Blut kam, egal, wie es ihm dabei ging. An Alexeys Blut und diesem Darreichen hafteten so viele schlechte Erinnerungen für ihn.
„Wenn du nicht möchtest, dass ich auch noch den Rest der Villa in Schutt und Asche lege, dann trink!“ Alexeys Worte waren ruhig, beinahe kühl, doch gerade deshalb war die Bedrohlichkeit seiner Aussage umso deutlicher. Hatte er seine Kammer etwa ihretwegen so verwüstet?
„Valeria!“
Val beschloss, ihn erst später danach zu fragen, denn er stand offensichtlich kurz davor, völlig die Geduld mit ihr zu verlieren, weshalb sie auch keine Sekunde daran dachte, sich ihm zu widersetzen. Wieso sollte sie auch? Sie hatte heftige Schmerzen. Wenn sein Blut half, sie zumindest etwas zu lindern, konnte sie das nur begrüßen.
Der Widerwille war natürlich immer noch da, also schloss Val die Augen, um den Anblick seiner blutigen Hand nicht länger ertragen und nicht daran denken zu müssen, was sie da eigentlich schmeckte, als sie seinen Daumen in den Mund nahm.
Val erkannte sofort, dass es etwas völlig anderes war, Alexeys Blut unter Zwang aus einem Becher trinken zu müssen, oder es direkt aus der Quelle zu sich zu nehmen. Alles war noch so viel intensiver. Geschmacklich glich sein Blut wie zu erwarten nicht einmal ansatzweise dem eines Menschen. Wo sie unter normalen Umständen gewürgt hätte, jubilierten geradezu ihre Geschmacksknospen, kaum, dass Alexeys Blut ihre Zunge benetzte. Ein oraler Orgasmus schien den nächsten zu jagen, während die Welt um sie herum sich veränderte. Sie wurde heller, bunter, geradezu schillernd.
Val musste sich schwer gegen Alexeys Arm fallen lassen, da sie das Gefühl hatte, ansonsten völlig den Halt zu verlieren. Nur ganz weit entfernt am Rande des Geschehens registrierte sie, dass ihre Nase nicht länger blutete und der Schmerz in ihrem Rücken sich geradezu in Wohlgefallen auflöste.
Mit großen Augen blickte sie zu Alexey auf. Wieder war da diese schwarze Aura um ihn herum, doch im Gegensatz zum letzten Mal, als sie sie gesehen hatte, war sie nicht mehr so dicht und stattdessen von einem blauen Schimmer durchzogen.
Val kam nicht dazu, näher darüber nachzudenken. Das Denken fiel ihr Allgemein gerade unglaublich schwer, dafür entkam ihr immer wieder ein erleichtertes Seufzen, da die Schmerzen so rapide nachließen, bis ihr überhaupt nichts mehr wehtat, sondern ihr ganzer Körper prickelte und summte, als würde sie von einem ganzen Bienenvolk umschwärmt werden. Hinzu kam auch noch eine wunderbare Wärme, die sich in ihrem ganzen Körper ausbreitete.
Eigentlich wäre es genug. Mehr als ausreichend. Val hatte nicht das Gefühl, noch irgendwo verletzt, oder schwach und erschöpft zu sein. Doch weder entzog Alexey ihr seinen Daumen, noch konnte Val damit aufhören, daran zu saugen und zu lecken. Nicht, dass noch besonders viel von seinem Blut nachkommen würde. Auch Alexey schien bereits in ihrem Mund zu heilen, bis sie gar nichts mehr von dem unvergleichlichen Geschmack erhaschen konnte, den sein Blut ihr geschenkt hatte.
Dennoch, obwohl sie es bisher nicht selbst am eigenen Leib erfahren hatte, begann Val mit einer Nebenwirkung von Alexeys Blut zu kämpfen, die ihr nicht unbekannt war. Eine, die schon mehr als nur einen oder zwei Tropfen erforderte, um herausgefordert zu werden und mit deren unangenehmen Nachwirkungen sie schon zu tun bekommen hatte. Nämlich dann, wenn der Perverse mit unvergleichlichem Elan über sie hergefallen war.
Zwischen Alexey und ihr war es natürlich vollkommen anders, und wären die Umstände besser, Val hätte vielleicht nur kurz dagegen angekämpft, doch das alles war nicht ideal. Sie hatten Probleme am Hals. Sie saßen mitten in einem Trümmerhaufen von oben bis unten mit Blut besudelt … Romantisch war etwas anderes, also kämpfte Val gegen ihr ungewollt heftig aufwallendes Verlangen an. Irgendwie schaffte sie es dabei sogar, von Alexeys Daumen abzulassen. Doch zugleich erinnerte sie das nur wieder daran, woran sie letzte Nacht an ihm gesaugt hatte und wie sehr es ihm letztendlich gefallen hatte. Ihnen beiden.
Diese Erinnerung machte es absolut nicht besser. Im Gegenteil. Val hatte umso größere Mühe, sich von ihm loszumachen. Sie schaffte es auch gerade mal, sich auf seinem Schoß aufzusetzen, da hatte sie plötzlich ihre Finger in seinem zerzausten Haar, um ihn an sich zu ziehen und zu küssen.
Es hätte absolut widerlich sein müssen mit dem ganzen frischen Blut, das ihr im Gesicht klebte, doch wahrscheinlich war es das gerade deshalb nicht, weil Alexey ein Vampir war. Oder er war einfach unglaublich resistent, was äußere Umstände anging, solange die Frau, für die er etwas empfand, ihn so sehr begehrte, dass es beinahe wehtat.
Alexey zögerte auch nicht, sondern ging auf ihren Kuss ein. Val konnte dabei seine Hände auf sich spüren. Zunächst noch prüfend, als ob er sicher gehen wollte, dass sie wirklich nicht mehr verletzt war, doch dann schon sehr viel intensiver und von sich aus verlangend. Er hielt sie so fest, als könnte man sie ihm wieder wegnehmen. Was ja auch durchaus noch passieren könnte. Doch nicht in diesem Augenblick. Hier und jetzt gehörte sie ausschließlich ihm und wie könnte sie ihm das besser zeigen, als es Alexey mit ihrem ganzen Körper und voller Verlangen fühlen zu lassen?
***
Ceara bewegte sich vorsichtig, während sie in ihrer kleinen Kammer auf und ab ging. Heute Morgen hatte Gràinne ihr ordentlich mit dem Rohrstock zugesetzt, da sie sich geweigert hatte, zu sagen, wo Valeria war.
Natürlich hatte Ceara es nicht wirklich mit absoluter Sicherheit gewusst, aber eine Vermutung gehabt, die sie wohlweislich für sich behalten hatte. Nicht auszudenken, was geschehen würde, sollte man Valeria und diesem Alexey auf die Schliche kommen.
Inzwischen wurde ihre Freundin aber auch immer unvorsichtiger. Wenn das so weiterging, würden sich beide noch von sich aus ans Messer liefern. Wenn das nicht schon geschehen war!
Bei den Göttern, Ceara wusste es einfach nicht! Sie wartete und wartete. Trotz der späten Stunde war Valeria bisher nicht aufgetaucht und nach heute Morgen war sie sich nicht einmal mehr sicher, ob ihre Freundin überhaupt noch kam, oder gleich zu diesem Kerl ging. Scheinbar war es nicht mehr von Bedeutung, Ceara wissen zu lassen, dass Valeria einen weiteren Tag bei dem Dominus überlebt hatte …
Mit leisem Ächzen ließ Ceara sich auf ihrem Strohbett nieder. Traurigkeit und Wut wechselten sich momentan mit der ständigen Sorge um ihre Freundin ab. Doch inzwischen waren das nicht die einzigen Gefühle, mit denen Ceara langsam vertraut wurde. Heute mehr denn je gesellte sich auch Einsamkeit dazu …
Ceara fühlte sich allein gelassen. Kesara, Vanadis, Kore … Sie alle hatten keine Wahl gehabt, sondern waren dazu gezwungen worden, sie zu verlassen, doch Valeria? Valeria zog die Gesellschaft eines Mannes ihrer einzigen noch verbliebenen Freundin vor …
Würde die Sorge in ihr nicht immer noch die Oberhand behalten, Ceara würde alle Ängste über Bord werfen und zu den beiden gehen, um ihnen einmal ordentlich die Meinung zu sagen! Als wäre das Leben in Gefangenschaft nicht schon schrecklich genug, mussten sie sich auch noch gegenseitig in den Rücken fallen und sich das Leben noch schwerer machen?
Ceara kämpfte mit den Tränen. Sie fühlte sich verloren und völlig machtlos, denn was wollte sie schon dagegen ausrichten, dass Valeria lieber bei einem völlig verrückten Kerl war, anstatt in die vorübergehende Sicherheit ihrer Kammer zurückzukehren, wo Ceara – ihre Freundin – auf sie wartete, um für sie da zu sein?
Und verrückt war dieser Alexey mit Sicherheit. Ceara hatte ihn heute gehört, als sie ihm sein Essen bringen wollte. Das Krachen und Bersten in seiner Kammer, als hätte er seine Möbel gegen die Wand geschlagen. Dabei hatte er wie verrückt gebrüllt. Es hatte sich kaum noch menschlich angehört, eher als wäre etwas abgrundtief Böses in ihn gefahren. Oder aus ihm herausgebrochen.
Ceara hätte keinen Schritt näher an diese Zerstörungswut herantreten können. Stattdessen hatte sie Mühe gehabt, das Tablett mit dem Essen nicht vor Angst fallen zu lassen, sondern es stattdessen an Ort und Stelle abzustellen, um schleunigst die Flucht zu ergreifen.
Und dorthin trieb es Valeria Nacht für Nacht? Unfassbar!
Gäbe es nicht genug andere Gründe, die ihre Freundin von ihrer gemeinsamen Kammer fern halten könnten, Ceara hätte es auf sich beruhen lassen und versucht, ein wenig Schlaf zu finden. Stattdessen kam sie wieder auf die Füße, wischte sich die Tränen von den Wangen und wagte etwas, wozu nur ihre Freundschaft zu Valeria sie bringen konnte. Ceara verließ Mitten in der Nacht den Schutz ihrer Kammer, um im Dämmerlicht der kahlen Flure tiefer in die abgelegenen Bereiche des Sklaventrakts vorzudringen.
Es fühlte sich falsch und absolut irrsinnig an. Ceara brachte sich damit selbst in Gefahr, da erneut diese eine Wache hier herumstreifen könnte, um über sie herzufallen. Auch dieses Mal würde ihr ganz bestimmt niemand helfen.
Davon abgesehen war Ceara sich seit heute Mittag sicher, dass an den schrecklichen Gerüchten, die sich die anderen Sklaven über den Bluthund der Domina erzählten, etwas dran war. Sie hatte es schließlich mit eigenen Ohren gehört, wie sehr er ausrasten konnte!
Cearas Sorge bekam bei diesem Gedanken noch mehr Nahrung, sodass sie ihre Vorsicht schnell zur Seite schob und schließlich mit nackten Füßen den Flur entlang lief. Sie musste einfach wissen, ob Valeria von ihrem Dienst beim Dominus zurück war. Ob es ihr gut ging oder dieses verrückte Monster sie am Ende in Stücke gerissen hatte. Vielleicht war sie ja deshalb nicht in ihrer Kammer aufgetaucht!
Obwohl Ceara fest entschlossen war, hielt sie schließlich doch ihre wahnsinnige Angst vor dem Bluthund der Domina davon ab, einfach die Tür zu seiner Kammer aufzureißen. Am Ende wäre sie noch das nächste Opfer!
Mit wild klopfendem Herzen versuchte sie daher ihren Atem ein wenig zu beruhigen, um ganz an die hölzerne Tür herantreten und vorsichtig lauschen zu können.
Nicht lange und sie wich voller Unbehagen von der Tür zurück. Es war zwar schon ein paar Jahre her, doch das, was sie aus der Kammer dieses Monsters gehört hatte, war ihr durchaus vertraut. Ihre Eltern hatten auch so geklungen, wenn sie heimlich unter der Decke den ehelichen Geschlechtsakt vollzogen hatten und dachten, ihre Kinder würden tief und fest schlafen und dadurch nichts davon mitbekommen.
Noch verwirrter als zuvor zog Ceara sich mit tief gefurchter Stirn zurück, um langsam in ihre Kammer zurückzukehren, da Valeria offenbar nicht in Lebensgefahr schwebte, sondern …
Ceara konnte es nicht begreifen. Aus so vielen Gründen. Sie wollte aber auch nicht näher darüber nachdenken. Valeria hatte eine Wahl getroffen. Vielleicht sollte Ceara das Gleiche tun. Vielleicht sollte sie aufhören, sich ständig Sorgen um andere zu machen und stattdessen anfangen, sich nur noch um sich selbst zu kümmern. Schließlich stand sie letztendlich immer ganz alleine da, selbst wenn sie gehofft hatte, dass es dieses Mal anders laufen würde.
Fest entschlossen, sich nicht länger um Valeria Sorgen zu machen, kehrte Ceara in ihre Kammer zurück. Dabei liefen ihr unermüdlich Tränen über die Wangen. Hätte es nicht eigentlich eine Erleichterung sein müssen, diese Verantwortung abzugeben? Oder zu wissen, dass es Valeria gut ging? Wenn ja, warum tat es dann so entsetzlich weh?
***
Alexey überließ seiner kleinen Kriegerin vollkommen die Führung. Er hatte geahnt, was sein Blut in ihr auslösen und wie stark sie darauf reagieren könnte, doch das alles war ihm in jenem Moment gleichgültig gewesen, als er einfach nur ihre Wunden hatte heilen wollen.
Valerias Leidenschaft riss ihn ohnehin vollkommen mit, sodass er sich außer Stande sah, auch nur einen anständigen Satz zu denken. Die Bestie in ihm wollte sie einfach nur besitzen. Den Moment auskosten, dass er sie nach diesem verflucht langen Tag wieder bei sich hatte. Er war geradezu durchgedreht, als er sie vor Schmerzen hatte schreien hören und er ihr nicht zu Hilfe eilen konnte. Es nicht durfte, um nicht alles noch sehr viel schlimmer zu machen. Wenn das nicht schon bereits geschehen war. Immerhin hatte er schwach den Blutgeruch dieses Hurensohns an ihr wahrgenommen …
„Alexey!“ Valerias Finger gruben sich fester in die harten Muskeln seiner Brust, während sie ihn ungestüm ritt und dabei die süßesten Laute ausstieß, die seine Ohren je vernommen hatten. Wie sie ihn für sich einnahm und seinen Namen rief, während sie wild entschlossen den Gipfel ihrer Lust erstürmte …
Es hätte Alexey stören und ihn an die tausenden abscheulichen Situationen mit Hedera oder ihren Freundinnen erinnern sollen, doch nie hatte sich der Schoß einer Frau so gut für ihn angefühlt. Bei seiner kleinen Kriegerin zu liegen, war, wie mit einer fleischgewordenen Göttin zusammen zu sein. Dieses Mal mehr denn je, denn sie machte etwas mit ihm. Alexey konnte es nicht in Worte fassen. Letzte Nacht war bereits unvergleichlich gewesen, doch heute …
Sie durchströmte ihn. Vervollkommnete ihn und schenkte ihm zugleich eine unvergleichliche Lust, die er weder zügeln noch kontrollieren konnte. Seine kleine Kriegerin riss ihn einfach mit sich in eine Sphäre des unfassbaren Glücks und der vollkommenen Befriedigung, wo Sorgen keine Bedeutung hatten und Zeit keine Rolle mehr spielte.
Selbst als Alexey nach einer schieren Ewigkeit wieder sanft in der Realität ankam, fühlte er sich wie losgelöst von seinem Körper. Schwerelos und dabei erfüllt von einem mächtigen Gefühl, für das es keine Worte gab. Es summte und knisterte. Schenkte ihm zugleich Wärme und Liebe, aber vor allem Geborgenheit und absoluten Frieden. Selbst seine Bestie war endlich besänftigt und ruhte, ohne ihn länger zu plagen.
Träge strichen Alexeys Finger zärtlich über den nun wieder heilen Rücken seiner kleinen Kriegerin, die nach diesem wilden Ritt ebenfalls erst zu Atem kommen musste. Er war sogar zu ermattet, um seine Augen zu öffnen. Wozu auch, bis auf das Antlitz seiner kleinen Göttin gab es nichts Sehenswertes in diesem Raum und selbst das viele Blut an ihr würde ihn nur wieder an die schreckliche Realität erinnern und somit die entspannte Stimmung zerstören.
So losgelöst und schläfrig Alexey im Moment auch war, als er Valerias spitzen Schrei vernahm und sie so plötzlich von ihm runtersprang, als hätte sie sich an ihm verbrannt, war er sofort hellwach und kampfbereit, obwohl er auf den ersten Blick nicht ausmachen konnte, was sie so sehr in Aufruhr brachte.
Hastig setzte er sich auf. „Was ist los?!“
„O mein Gott!“ Valeria schlug sich die Hände vor den Mund und starrte ihn vollkommen entsetzt an, während ihr Tränen in die Augen traten.
„Valeria, was ist …?“ Nun sah er es selbst, als Alexey einen flüchtigen Blick an sich hinab warf, um nachzuschauen, was an seinem Anblick seine kleine Kriegerin so sehr in Panik versetzte.
Der Fluch, der für gewöhnlich nur von einem besonderen schwarzen Mond offenbart wurde, leuchtete in seiner Haut hell auf. Ausgehend von der Mitte seiner Brust schien das Leuchten in Wellen über seinen Körper zu pulsieren. Was das Summen und Knistern erklärte, das Alexey für eine Auswirkung seines besonders intensiven Höhepunkts gehalten hatte. Tatsächlich schien es Valerias Magie zu sein.
Unter anderen Umständen hätte dieser Anblick Alexey womöglich ebenso sehr schockiert wie seine kleine Kriegerin. Doch es fühlte sich nicht einmal annähernd so an wie bei Hedera. Das war nicht ihre Macht, die da durch seinen Körper strömte, sondern die von Valeria und diese Macht, fühlte sich unfassbar gut an. Belebend und befreiend. Anstatt ihn einzuengen, da seine kleine Kriegerin ihn womöglich nur noch mehr an sich gebunden hatte, war es befreiend. Als könnte er wieder tief durchatmen, ohne zu wissen, dass er davor überhaupt Probleme mit dem Atmen gehabt hatte. Das Gefühl der Leichtigkeit war ebenfalls immer noch vorhanden und diese unfassbar tiefe Entspannung. Womöglich reagierte Alexey auch deshalb bei weitem ruhiger als Valeria, während er zusah, wie ihre Magie noch eine Weile durch seinen Körper tanzte und die Zeichen seines Fluchs schließlich verblassten, bis nichts mehr davon zu sehen war.
Valeria hatte sich in der Zwischenzeit nicht von der Stelle bewegt, stattdessen sah sie ihn weiter voller Entsetzen an, bis sie geradezu panisch vor ihm zurückwich, als er die Hand nach ihr ausstreckte. „Nein! Fass mich nicht an!“
„Valeria, es geht mir gut“, versuchte er sie zu beruhigen. Doch seine kleine Kriegerin schüttelte nur störrisch den Kopf und versuchte seiner Berührung auszuweichen. Allerdings sah er ihr deutlich an, dass der Gebrauch ihrer Magie sie stark geschwächt hatte. Hätte sie nichts von den Zeichen auf seiner Haut mitbekommen, womöglich wäre sie innerhalb weniger Atemzüge auf ihm eingeschlafen.
„Valeria, es ist wirklich alles in Ordnung mit mir. Du hast mir nicht geschadet.“ Soviel konnte Alexey mit absoluter Sicherheit sagen, auch, wenn er selbst nicht genau wusste, was sie gemacht hatte. Er konnte nur das Ergebnis interpretieren und das war vollkommen positiv.
„Nein, verdammte Scheiße! Fass mich nicht an! Ich mach dich krank!“
„So ist es nicht. Ich fühle mich besser denn je!“ Trotz ihres heftigen Widerstandes nahm Alexey Valeria schließlich in die Arme und zog sie mit sich zurück auf die Matratze. Allerdings sträubte sie sich auch weiterhin, sodass er sie am Ende richtig festhalten musste, damit sie sich nicht noch selbst wehtat.
„Valeria … Valeria!“ Er drang kaum zu ihr durch, so sehr steigerte sich ihre Panik, die er überhaupt nicht nachvollziehen konnte. Valeria hatte ihm doch noch nie geschadet.
„Beruhige dich, es ist alles gut!“ Alexey umfasste ihr Gesicht und zwang sie dazu, ihn anzusehen. „Schau hin, es geht mir gut!“
Zunächst wehrte sie sich noch dagegen, doch schließlich fanden ihren Augen die seinen. Immer noch völlig aufgelöst, suchte sie darin etwas, doch als Valeria es nicht zu finden schien, beruhigte sie sich dann doch so weit, dass sie ihre Gegenwehr aufgab. Stattdessen fing sie heftig zu weinen an und ließ es sogar zu, dass er sie wieder richtig in den Arm nahm.
„Es ist alles gut, Valeria. Es geht mir gut. Ich bin hier. Alles in Ordnung.“ Genau genommen war es das nicht. Dazu musste Alexey nur einen flüchtigen Blick auf die Zerstörung in seiner Kammer werfen, doch im Augenblick kämpfte seine kleine Kriegerin noch mit den Nachwirkungen seines Bluts. Sie war – freundlich ausgedrückt – im Moment noch nicht voll zurechnungsfähig, was ihre heftigen Emotionen erklärte, zudem hatte sie sich unbewusst vollkommen verausgabt. Was ihr schließlich endgültig den Rest gab. Denn sobald der Grund für ihre Panik verschwunden war und sie sich zumindest halbwegs beruhigt hatte, fiel sie ebenso unfreiwillig in einen tiefen Schlaf. Was gut war. Alexey hatte noch viel zu tun, jetzt, wo Valeria wieder bei ihm und in Sicherheit war.