Die Villa urbana* von Servius Vorenus Maximus und seiner Frau Servilia Hedera war selbst bei Nacht ein beeindruckendes Zeugnis ihrer hohen gesellschaftlichen Stellung, ihrer Macht und ihres unermesslichen Reichtums.
Der extravagante Landsitz funkelte sogar in der Dunkelheit wie ein kostbares Juwel unter dem weiten Sternenhimmel. Unzählige Ölschalen und Fackeln mussten von Nöten sein, um jeden noch so unscheinbaren Winkel richtig auszuleuchten und die prachtvolle Architektur des Gebäudes mit seinen Säulengängen, Bögen und Kuppeln noch deutlicher zur Schau zu stellen.
Wie immer wenn er von so verschwenderischem Reichtum und Überfluss umgeben war, packte Vibius der Neid und zugleich überkam ihn quälende Frustration darüber, dass es ihm wohl nie gelingen würde, sich auch nur einen Bruchteil davon anzueignen.
Aber vielleicht würden ihm die Götter heute Abend noch einmal gewogen sein und ihm die Geldbörse ordentlich füllen, auf dass es wieder reichlich Wein und Weiber im Überfluss für ihn gab. Wenigstens für eine Zeit lang.
Kaum dass Furius die Pferde zum Stehen gebracht hatte, trat auch schon ein gut gekleideter Sklave aus dem Eingang der Villa, um sie zu begrüßen und sich nach dem Grund ihres Besuches zu erkundigen.
Vibius sprang etwas steif von der langen Reise von seinem Wagen und richtete seine Kleidung sorgfältig, bevor er dem Sklaven antwortete.
„Sag deiner Herrin, dass Rutilus mit neuer Ware für sie gekommen ist, um sie ihr zu präsentieren.“
„Sehr wohl. Meine Domina erwartet dich bereits. Wenn du bitte kurz hier warten würdest, werde ich ihr deine Ankunft mitteilen.“
„Tu das.“
Der Sklave verbeugte sich kurz, ehe er zurück in die Villa eilte. Vibius hatte also nicht viel Zeit, um sich um seine Ware zu kümmern.
Mit einem knappen Wink gab er Furius den Befehl, ihm um den Wagen herum zu folgen, während er bereits den Schlüssel für das Schloss zwischen den Falten seiner klammfeuchten Kleidung hervornestelte.
Wenn überhaupt noch möglich, war der Gestank, der ihnen entgegenschlug, als Furius die Tür weit aufzog und zu den Frauen auf den Wagen sprang, um sie eine nach der anderen heraus zu scheuchen, sogar noch schlimmer, als bei ihrem letzten Halt.
Im flackernden Schein der Fackeln wirkten sie mehr denn je wie kümmerliche Trauergestalten. Selbst das schäbigste Lupanar** würde ihm nicht einmal die Hälfte davon abkaufen. Zu seinem Glück hatte das Hedera jedoch noch nie sonderlich gekümmert. Außerdem konnte er dieses Mal mit etwas ganz Besonderem auftrumpfen, auch wenn der klägliche Haufen Elend in der Ecke neben der Tür momentan noch nicht diesen Anschein erweckte.
Bevor der Sklave von Hedera zurückkommen konnte, wies Vibius leise und in knappen Worten Furius an, seine neueste Errungenschaft so gut es ging zu säubern und dafür zu sorgen, dass sie wieder auf die Beine kam. Er selbst würde sich indes um den Rest seiner Ware kümmern.
***
Der Sklavenhändler Rutilus war ein kleiner, fetter Kerl, der sich jedes Mal beinahe vor Eifer überschlug, wenn er vor Hedera trat, um sie mit geheuchelten Komplimenten und übertriebener Unterwürfigkeit für sich einzunehmen versuchte. Dabei erweckte es ganz den Anschein, als könnte er jeden Moment vor ihr auf die Knie fallen und ihre Zehen lecken.
Nicht, dass sie auch nur im Ansatz zugelassen hätte, dass er ihren Füßen zu nahe kam, doch es war klar, wer hier was von wem wollte.
Als er sich dabei übertrieben tief vor ihr verbeugte, konnte jeder der Anwesenden einen prächtigen Blick auf sein puterrotes Haupt werfen, auf dem sich sein Haar mit jedem Besuch immer weiter zurückzuziehen begann, was für dessen unförmige Birne höchst unvorteilhaft aussah.
Hedera jedoch ließ sich davon nicht beirren und genoss die übertriebenen Komplimente in vollen Zügen. Sie badete ihre Eitelkeit geradezu darin.
Ja, sie hatte sich erst vor Kurzem dafür entschieden, ihr Haar blond zu tragen und nein, dieses Kleid hatte sie sich einfach nur schnell übergeworfen. Es war kaum der Rede wert.
Dabei hatte sie erst vor kurzem ein kleines Vermögen dafür ausgegeben, aber das ließ sie Rutilus natürlich nicht wissen.
Das Gespräch ging noch eine Weile so weiter, bis Hedera sich genug im Glanze ihrer Schönheit und Macht gesonnt hatte und zum geschäftlichen Teil überging.
„Also gut, Rutilus. Was hast du mir anzubieten? Ich hoffe doch sehr, dass du heute bessere Ware mit dir führst als beim letzten Mal. Immerhin ist eine Woche nach deinem letzten Besuch eine der Sklavinnen gestorben, die du mir verkauft hast. Mit so einem Unrat kann ich nichts anfangen.“
Das Gesicht von Rutilus wechselte von puterrot zu kreidebleich und sofort entschuldigte er sich tausendfach für diesen Missstand und bot Hedera im Gegenzug für ihren Verlust bei ihrem heutigen Geschäft einen großzügigen Nachlass an.
Was der fette Kerl nicht wissen konnte und wonach er nicht einmal fragte, war der wahre Grund für den Tod der Sklavin. Was sehr viel über ihn aussagte und über die schäbige Ware, die er zum Verkauf anbot.
„Nun gut, dann lass sehen, was du zu bieten hast.“
„Sehr wohl, Herrin.“ Rutilus klatschte einmal kräftig in seine feisten Hände, woraufhin ein halbes Dutzend ungepflegter Sklavinnen den Raum betrat.
Inzwischen doch schon etwas gelangweilt nahm sich Hedera derweil einen kleinen Zweig Trauben von der Obstschüssel neben ihrer Liege und warf ihrem Mann einen flüchtigen, aber vielsagenden Blick zu, der es sich auf einer zweiten Liege neben ihr bequem gemacht hatte, bevor sie sich der angebotenen Ware zuwandte.
Vorenus war dem Anschein nach zwar der Herr im Haus, doch in Wahrheit hatte Hedera das uneingeschränkte Sagen und sie war es, die entscheiden würde, welche Sklavinnen sie kauften und welche nicht. Wobei sie ihm natürlich gerne entgegenkam, sollte ihm eines der Mädchen besonders gut gefallen. Immerhin kannte sie nur zu gut seinen Verschleiß an jungen Frauen.
Wortlos musterten die beiden das schäbige Angebot mit Argusaugen, dabei jeder für sich die eigenen Interessen im Kopf.
Es handelte sich um sechs Frauen. Die Jüngste war nicht älter als vierzehn und die Älteste hatte noch keine siebzehn Sommer gesehen. Alle waren beinahe bis auf die Knochen abgemagert und die Lumpen, die sie am Leib trugen, verhüllten kaum ihre Nacktheit.
Der Farbe ihrer Haut und der Haare nach zu urteilen, waren sie aus den unterschiedlichsten Ländern. Eine große Auswahl dafür, dass sie dennoch nicht viel zu bieten hatten.
Eine von ihnen roch nach Krankheit. Vermutlich die kleine Spanierin, die kaum wahrnehmbar vor Kälte zitterte, obwohl ihr der Schweiß auf der Stirn stand. Sie war die Jüngste der kleinen Gruppe und würde unter Hederas Dach vermutlich nicht einmal eine volle Woche überleben.
Direkt neben ihr stand eine großgewachsene Frau aus dem Norden mit flachsblondem Haar und Augen so blau wie der Himmel an einem wolkenlosen Tag.
Vorenus schien sich für sie zu interessieren, allerdings richtete sich sein Interesse ausschließlich auf die große entblößte Brust, was den Rest anging, dürfte sie nicht besonders nach seinem Geschmack sein, da er kleine dunkle Frauen wie die Spanierin bevorzugte.
Die dritte Frau im Bunde war sehr viel schwerer zuzuordnen. Alles an ihr war unscheinbar. Sie war von mittlerer Gestalt. Ihr zerzaustes Haar, das ihr gerade einmal bis zum Kinn ging, war von einem gewöhnlichen Braun und der Ausdruck ihrer ebenso braunen Augen war absolut leer.
Eine weitere Totgeweihte, auch wenn ihr Körper das noch nicht wusste, aber ihre Seele war schon längst fort.
Die nächste Frau war die Älteste und zugleich auch diejenige, deren Blick zwar ergeben gesenkt war, aber dennoch wachsam blieb. Sie war wie die anderen deutlich unterernährt, doch hatte sie ein herzförmiges Gesicht, das sie selbst in ihrer heruntergekommenen Erscheinung hübsch aussehen ließ. Rotbraune Locken tummelten sich um ihren Kopf und zusammen mit den lebhaften hellgrünen Augen machte sie von allen noch den gesündesten Eindruck.
Die letzten beiden Frauen gehörten wieder den Totgeweihten zugeordnet. Zwar war an ihnen keine offensichtliche Krankheit zu erkennen und auch ihre Augen waren noch von einer Spur Leben beseelt, doch Hedera hatte sie inzwischen mehrmals gemustert und schien sich bereits auf sie festgelegt zu haben, obwohl sie noch gar nichts über sie wusste. Das war noch nie ein gutes Zeichen gewesen.
So unscheinbar sie auch nach außen hin waren, Hedera sah etwas in ihnen. Etwas, das sonst keiner im Raum wahrnehmen konnte und das bedeutete, dass sie die beiden für ihre Magie benutzen wollte, was bisher kaum jemand überlebt hatte.
„Ist eine von ihnen noch unberührt?“, durchbrach sie schließlich die gespannte Stille und brachte damit sogar Vorenus dazu, seinen Blick von der nordischen Frau abzuwenden.
Es war jedoch keine Frage, die Rutilus sehr erfreute, wenn man bedachte, wie er sich plötzlich zu winden begann.
„Ich fürchte, nein. Diese Sklavinnen hatten alle schon mehrere Vorbesitzer.“
„Hast du sie trotzdem überprüft?“
„Natürlich, Herrin. Ich habe jede Einzelne von ihnen persönlich begutachtet, bevor ich es auch nur wagen konnte, sie dir anzubieten.“
„Und dennoch sind wir nicht besonders beeindruckt. Nicht wahr, Servius?“ Hedera sah ihren Mann zwar nicht an, konnte sich aber dennoch sicher sein, dass er ihrer Meinung zustimmte.
„Nicht im Geringsten.“ Vorenus klang inzwischen ebenfalls ziemlich gelangweilt.
Rutilus begann daraufhin deutlich zu schwitzen und sich noch mehr zu winden, während er mehr stockend als in ganzen Sätzen die jeweiligen Vorzüge der einzelnen Sklavinnen herunterzubeten begann. Ihre Talente. Was sie bisher gemacht hatte. Wofür im Haushalt oder auf dem Felde man sie einsetzen konnte.
Unwichtige Details in den Augen von Hedera. Sie ließ ihn dennoch fortfahren, um ihn noch länger zappeln zu sehen. Denn zumindest ihre beiden Favoriten würde sie ihm auf jeden Fall abkaufen, wenn auch nur für sehr sehr wenig Geld.
Als dem verzweifelten Händler die Argumente auszugehen schienen, und Hedera kurz davor war, seinen Wortschwall zu stoppen, kam ihm anscheinend eine Idee, die sein ganzes Mienenspiel mit einem Schlag aufhellte.
„Wenn dir diese Sklavinnen nicht zusagen, hätte ich noch etwas ganz Besonderes im Angebot. Ich habe sie gerade erst auf der Fahrt hierher erstanden, und wollte sie erst eingehender überprüfen, bevor ich sie zum Verkauf anbiete, aber sie könnte dir durchaus gefallen. Womöglich ist sie sogar noch jungfräulich.“
„Oh, tatsächlich?“ Vorenus richtete sich nun deutlich interessiert auf seiner Liege auf. „Das würde ich nur allzu gerne überprüfen.“
„Ganz wie dir beliebt, werter Vorenus. Wenn ihr mich kurz entschuldigt, dann werde ich sie für euch hereinbringen lassen.“
„Wir sind gespannt.“ Hederas Lächeln war so lieblich wie das einer Klapperschlange auf Beutefang, als sie zu Alexey aufblickte, der wie immer dicht an ihrer Seite Wache hielt, obwohl er sie selbst mit Freuden töten würde, wenn er es denn könnte.
Eines Tages, schwor er sich, werde ich dich für all die Qualen, die du diesen Mädchen bereitet hast, bluten lassen. Und ich werde es genießen.
***
Ein kalter Schwall Wasser traf sie unvorbereitet im Gesicht und ließ ihre steifen Glieder zusammenzucken. Es schmerzte bis in ihre Fingerspitzen. Wie unzählige kleine Nadelstiche überall in ihrer Haut und sie fror erbärmlich, was nicht gerade dadurch besser wurde, dass man nun auch den Rest ihres Körpers mit kaltem Wasser übergoss.
Trotz der belebenden Folter war Val zu schwach, um mehr als ein leises Wimmern als Zeichen ihres Protestes über ihre Lippen zu bringen.
Mühsam versuchte sie sich zu einem kleinen Ball zusammenzurollen, während etwas wie grobes Schleifpapier über ihre hyperempfindliche Haut schmirgelte. Es tat weh und die rohe Art, mit der sie abgeschrubbt wurde, machte sie trotz ihrer Schwäche langsam wütend.
Es gelang ihr kaum die Augen offen zu halten und dennoch versuchte sie den schroffen Armen zu entkommen, die sie wie eine Puppe hin und her rollten, um auch keine Stelle an ihrem nackten Körper auszulassen.
Dann drehte sich plötzlich die Welt um sie herum und man zerrte sie auf die Beine, die sie kaum tragen konnten. Sie drohte sofort wieder hinzufallen, aber jemand hielt sie aufrecht.
Zu allem Überfluss wurde sie auch noch brutal geohrfeigt, so dass ihr Kopf von einer Seite zur anderen flog, als wäre er nur lose mit ihrem Rückgrat verbunden.
Ihrem Gehirn erging es nicht besser, denn sie verstand kein Wort von dem, was man ihr mit scharfem Ton zu befehlen versuchte.
Als sie darauf nicht reagierte, bekam sie weitere Ohrfeigen, die ihre Wangen schmerzhaft glühen ließen, allerdings dabei halfen, ihren Kopf etwas zu klären.
Nach mehrmaligem Blinzeln und Justieren ihrer Sehschärfe gelang es Val sogar, wieder etwas von ihrer Umgebung zu realisieren, auch wenn das Bild, das sie sah, keinen Sinn ergab.
So wie es aussah, stand sie vor einem dieser Landsitze irgendeines reichen Bonzen, der auf alte Architektur stand. Es erinnerte sie ein bisschen an eine Filmkulisse, wie man sie auch in Filmen über die alten Griechen oder Römer sah.
Bevor Val jedoch noch mehr Details in ihren verwirrten Verstand aufsaugen konnte, wurde sie in eine übelriechende Decke oder was auch immer das war, eingewickelt und vorwärtsgedrängt.
Da sie noch immer gigantische Schwierigkeiten beim Gehen hatte, wurde sie von einem riesigen Typen mit erschreckend kalten Gesichtszügen und bedenklich großem Bizeps einfach mitgeschleift. Mit seiner spärlichen Bekleidung passte er perfekt ins Bild dieser antiken Kulisse.
Vielleicht ein Schauspieler?
Mr. Bizeps schleifte Val durch so eine Art Atrium, das bis ins kleinste Detail originalgetreu nachgebaut worden war und nirgendwo auch nur eine Spur von moderner Technik aufwies.
Ein kleiner, fetter Kerl, der ihr sofort unsympathisch war, alleine schon wegen der Art, wie er sie ansah, kam ihnen im Laufschritt entgegengeeilt.
Seine Augen verschlangen ihren Anblick gierig und dieses berechnende Funkeln darin wollte ihr noch weniger gefallen.
Er sagte etwas zu dem Grobian, an dessen Arm sie hing und dieses Mal war sie sich sicher, dass es nicht an ihren lahmen Gehirnwindungen lag, dass sie nichts verstand. Es war definitiv kein Englisch, was die Typen da sprachen.
Bevor sie jedoch etwas sagen oder gar wegen der Art, wie man sie behandelte, protestieren konnte, wurde sie einfach wie eine Handtasche weitergereicht und schon befand sie sich eng an einen schwabbeligen Leib gepresst, während eine wurstfingrige Hand eine ihrer Brüste begrabschte.
Immer noch zu schwach und benebelt, um dem Wichser ihre Faust ins Gesicht zu rammen, blieb Val nichts anders übrig, als sich weiter mitschleifen zu lassen und abzuwarten, was da noch alles auf sie zukam.
Keine Minute später befand sie sich in einer Situation, die eigentlich kaum noch schlimmer werden konnte und sie eindeutig zu überfordern begann.
Viel zu viele Augenpaare richteten sich auf sie, als sie in einen großen über die Maßen prächtigen Raum geschubst wurde, der alles andere, was sie bisher gesehen hatte, in den Schatten stellte. Doch Val bemerkte ihre Umgebung kaum. Viel mehr hatte sie Mühe, sich auf den Beinen zu halten, erst recht als der fette Wichser sie unvermittelt losließ und mit ihr die Decke, die sie bis eben noch verhüllte.
Val war ganz bestimmt nicht prüde und durch die Jahre im Gefängnis hatte sie so Einiges an Schamgefühl verloren, aber als sie plötzlich splitterfasernackt vor einem ganzen Haufen von Leuten stand, war sie wie erstarrt. Sie schaffte es noch nicht einmal, sich mit ihren bloßen Händen zu bedecken. Stattdessen zuckten ihre Augen auf der Suche nach einem Fluchtweg in stummer Panik hin und her, während sie am ganzen Körper schlotterte. Allerdings dieses Mal nicht nur vor Kälte. Sie wurde geradezu vollgepumpt mit Adrenalin, das ihr Herz immer weiter antrieb, bis kleine schwarze Punkte vor ihren Augen zu tanzen begannen. Da erst wurde ihr klar, dass sie immer noch den Atem anhielt.
Das fette Arschloch gab ihr allerdings nicht viel Zeit, um zu verschnaufen, als er einfach so ungefragt ihr feuchtes Haar anfasste und etwas dazu sagte. Doch alles, was Val hören konnte, war ein heller Summton in ihren Ohren, sodass sie befürchtete, gleich wieder in Ohnmacht zu fallen, aber dann wäre sie dem, was hier mit ihr geschah, völlig schutzlos ausgeliefert und das würde sie auf keinen verdammten Fall zulassen.
Als erste Handlung verschränkte sie ihre Arme vor der Brust, um sich zumindest notdürftig zu bedecken und wich mit einem gefauchten „Fass mich nicht an, du Wichser!“, vor ihm zurück.
Wenn Val in ihrer momentanen Situation auch nur ein bisschen zum Lachen aufgelegt gewesen wäre, hätte sie sich über das Gesicht des Fettsacks totlachen können. Denn von einer Sekunde auf die andere lief er dunkelrot an, während ihm regelrecht die Kinnlade runterfiel.
Dann war allerdings er es, der sie vollkommen überrumpelte, in dem er ihr so hart ins Gesicht schlug, dass sie Sterne sah und zu Boden ging.
Vor Schmerz schossen ihr Tränen in die Augen und sie hatte das Gefühl, als hätte er ihr den Kiefer gebrochen, doch das konnte sie zumindest ausschließen, nachdem Val es vorsichtig mit den Fingern abgetastet hatte.
Sie hatte kaum die Zeit, um sich von dem Schlag zu erholen, da wurde sie auch schon erneut brutal auf die Füße gezerrt und machte unangenehme Bekanntschaft mit dem fauligen Atem ihres Gegenübers.
Seine riesige Pranke war dabei so eng um ihre Kehle geschlungen, dass sie keine Chance hatte, ihm auszuweichen, während ihre Gesichter nur wenige Zentimeter voneinander entfernt waren.
Wieder zischte er etwas Leises und ganz bestimmt Boshaftes in dieser fremden Sprache zu ihr, wobei kleine Tropfen seines Speichels sie trafen, ehe er ein entschuldigendes Lächeln aufsetzte und sich wieder an die Leute wandte, zu denen er vorhin schon gesprochen hatte.
Nun, da ihr in seinem unbarmherzigen Griff keine andere Wahl blieb, konzentrierte Val sich zum ersten Mal richtig auf die anderen Menschen im Raum, von denen eigentlich nur zwei sie wirklich angafften. Die anderen waren eher passive Zuschauer und standen alle so still da, als wollten sie mit dem Inventar verschmelzen.
Rechts neben ihr stand sogar eine ganze Reihe von jungen Mädchen gekleidet in etwas, das man nicht einmal als Kleidung bezeichnen konnte und in einem derart intensiven Zustand der Verwahrlosung, dass es ihrer Seele wehtat, sie so zu sehen.
Was zum Teufel ging hier eigentlich vor sich?
Vals Verstand versuchte plausible Erklärungen zu finden, doch das Einzige, was ihr dazu einfiel, war tatsächlich nur ein Film, der hier gedreht wurde und sie befand sich mitten unter Schauspielern auf einem Set. Allerdings hatte diese Theorie enorm viele Schwächen. Angefangen bei der fehlenden Technik, die hier eigentlich hätte vorherrschen müssen.
Bei einem Dreh sollten hier doch überall Kameras, Scheinwerfer, Mikrofone und dergleichen herumstehen, ganz zu schweigen von den ganzen Leuten hinter den Kulissen.
Davon war allerdings weit und breit nichts zu sehen und überhaupt hatte Val noch nie Ambitionen als Schauspielerin gehabt, vor allem deshalb nicht, weil sie inzwischen eigentlich tot sein müsste.
Passenderweise fühlte sie sich trotzdem so, als wäre sie im falschen Film.
Aber wenn das hier kein Filmset war, was gab es sonst für eine Erklärung für ihre altertümliche Umgebung und den ganzen Leuten in diesen komischen Klamotten?
Egal wie sehr Val ihr Hirn auch marterte, sie konnte sich auf diese ganze Sache hier keinen Reim machen. Was sie jedoch sehr genau wusste, war die Tatsache, dass man sie gerade eben brutal niedergeschlagen hatte und sie hier immer noch nackt vor fremden Leuten herumstand, ohne etwas dagegen tun zu können.
Sie wurde herumgedreht und vorgeführt wie eine Ware, und wenn das Arschloch, das sie immer noch erbarmungslos fest im Griff hatte, auch nur eine Sekunde länger ihre Oberlippe zurückgezogen hätte, wäre sie mit ihren gesunden, weißen Beißerchen über seinen Daumen hergefallen wie ein Schwarm hungriger Piranhas.
Was zum Teufel sollte die ganze Show hier?
Da Val kein Wort von dem verstand, was hier geredet wurde, versuchte sie die Körpersprache des Paares zu interpretieren, das hier so völlig unbekümmert auf seidenbezogenen Liegen herumlümmelte und sie unverhohlen in Augenschein nahm.
Was dem dunkelhaarigen Kerl mit dem arroganten Kinn und der viel zu weibischen Nase im Kopf herumging, war nicht schwer zu erraten. Val hätte es nicht gewundert, wenn er unter den vielen Falten seiner komischen Klamotten einen Ständer gehabt hätte. Allein das lüsterne Lächeln auf seinen Lippen ekelte sie an und ließ sie sich wünschen, genauso fett und unansehnlich wie der Typ neben ihr zu sein.
Was die blonde Frau jedoch anging, war das schon ein ganz anderes Kaliber.
Sie war zugegebenermaßen sehr schön, auf eine sehr kalte, berechnende Art und Weise und strahlte selbst mit ihrer zwanglosen Haltung eine seltsame Art von Macht aus, die dem Typen neben ihr vollkommen fehlte und Val seltsamerweise noch mehr frösteln ließ.
Wenn sie raten müsste, würde sie alles darauf setzen, dass die Eiskönigin hier die alleinige Herrin im Haus war.
Selbst ihr helles Lachen konnte einem das Blut in den Adern gefrieren lassen.
Was auch immer sie da gerade so amüsant fand und dabei die anderen mit ansteckte, es ließ es ihr eiskalt den Rücken hinunter laufen.
Val hatte keine Lust mehr, sich diese Behandlung noch länger gefallen zu lassen. Inzwischen war sie klar genug im Kopf, um einen koordinierten Angriff zu starten und auch ihre Muskeln schienen ihr wieder halbwegs gehorchen zu wollen, als sie sich anspannte, doch bevor sie ihren Ellenbogen in den Bauch des fetten Arschlochs rammen konnte, zog eine winzige, kaum wahrnehmbare Bewegung hinter der Eiskönigin ihre Aufmerksamkeit auf sich und sie vergaß ihr Vorhaben.
Im ganzen Raum standen Leute herum, die irgendeine Funktion hatten. Einmal davon abgesehen, schweigsame Statisten zu sein.
Da gab es Tabletthalter, die Krüge mit Wasser und Wein hielten. Andere boten kleine Leckereien oder Früchte an. Wiederum andere fächelten dem ungleichen Paar mit riesigen federbesetzten Fächern Frischluft zu.
Ein Mann und eine Frau standen sogar einfach nur schweigsam in der Nähe herum, mit gesenktem Blick und in erwartungsvoller Haltung, als wären sie dafür zuständig, jeden anderen Wunsch so rasch wie möglich zu erfüllen, den die anderen nicht schon erledigen würden.
Doch dann gab es noch den riesigen Schatten ganz in der Nähe der Herrin des Hauses, der Vals Aufmerksamkeit allein durch eine flüchtige Bewegung auf sich ziehen konnte, ohne sich wirklich bewegt zu haben.
So unsichtbar er gerade noch gewesen sein mochte, nun da Val ihre ganze Konzentration auf ihn richtete, musste sie sich fragen, wie sie ihn nicht hatte bemerken können. Der Kerl war ein wahrer Riese. Dagegen wirkte Mr. Bizeps von vorhin wie ein kleiner Schuljunge.
Sein durchtrainierter Oberkörper war nackt, und obwohl er nicht so bullig wie der andere wirkte, würde sich bei näherer Untersuchung doch bestimmt feststellen lassen, dass er mehr Muskelmasse am Leib trug als der andere. Es war alles nur sehr viel besser verteilt.
Wie so ziemlich alle Männer im Raum trug auch er einen kurzen Rock, nur in schwarzer Lederoptik, der ihm gerade mal bis zur Mitte der wohlproportionierten Oberschenkel ging.
An seinen Seiten hingen in einem breiten Waffengurt ziemlich echt aussehende Schwerter und selbst die lockere Art, wie er seine Arme hängen ließ, konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass er wahrscheinlich jederzeit bereit war, sie auch einzusetzen.
Wenn das allein nicht schon genug als Abschreckung diente, dann tat es definitiv der gruselige Helm, der sozusagen als i-Tüpfelchen auf allem thronte und das ganze Ensemble nur noch abrundete.
Es war die metallene Fratze eines Dämons, die sie da unablässig beobachtete.
Val konnte zwar die Augen dieses Kerls in den dunklen Höhlen des Helms nicht erkennen, doch sie glaubte seinen Blick auf sich zu spüren, auch wenn dieser zum Glück nicht von sexuellem Interesse zu sein schien.
Eine Weile starrten sie sich nur an, beide vollkommen reglos und alles andere um sich herum ausgeblendet, bis jemand ihr die Sicht verstellte und den Bann, in dem sie gerade noch festhing, brach.
Der reiche Bonzen stand nun genau vor ihr, mit einem Lächeln voller freudiger Erwartung im Gesicht, das nichts Gutes verhieß.
In dem Moment, wo er ihr trügerisch sanft über das malträtierte Kinn und den Hals strich, wurde Val erst klar, dass der Fettsack sie inzwischen losgelassen hatte.
Es war allein der Tatsache anzurechnen, dass seine unverhohlen forsche Art, mit der er sie ungefragt berührte, sie so aus der Fassung brachte, dass sie zunächst gar nicht darauf reagieren konnte.
Als er jedoch mit seiner Hand einfach zwischen ihre Beine fuhr, und sie damit schlagartig in ihre kranke Kindheit zurückkatapultierte, brauchte Val nicht einmal darüber nachzudenken. Sie handelte einfach.
Noch ehe irgendjemand und schon gar nicht der lüsterne Wichser reagieren konnte, hatte sie ihm auch schon ihre Stirn mit voller Wucht gegen die weibische Nase gerammt, und als er daraufhin vor Schmerz jaulend jegliche Deckung fallen ließ, setzte sie auch noch mit ihrem Knie in seine Weichteile nach, bis er endgültig vor ihr zu Boden ging.
Gerade als ein Gefühl tiefer Befriedigung in ihr aufkeimen wollte, wurde Val so plötzlich von hinten gepackt, dass sie nicht wusste, wie ihr geschah, bevor sie auch schon völlig wehrlos in einem stählernen Griff hing, während eine riesige Hand ihren Kopf so weit zur Seite drehte, dass nur noch ein kleines Stück fehlte, um ihr das Genick zu brechen.
Erst da wurde sie sich der Gefahr, in der sie schwebte, wirklich bewusst.
Ihre Situation war im Moment so ungünstig, dass sie nur noch den Oberarm und die Schulter des Riesen sehen konnte. Von dem gewaltigen Tumult, der plötzlich um sie herum ausbrach, bekam sie daher nur wenig mit.
Es wurde geschrien und geflucht. Sachen flogen herum und mehr als nur einmal bekam es Val so richtig mit der Angst zu tun.
Was, wenn der Bonze, dem sie ganz schön zugesetzt hatte, sich wegen der gebrochenen Nase und seinen gequetschten Eiern an ihr rächen wollte? Würde er sie nur zusammenschlagen, oder sie vielleicht sogar umbringen?
Eigentlich war er ja selber schuld, dass sie ihm eine Abreibung verpasst hatte. Zudem hatte sie auch wirklich nicht die Zeit gehabt, lang und breit über die Konsequenzen nachzudenken. Denn im Augenblick herrschte in ihrem Kopf ebenso viel Chaos, wie um sie herum und sie müsste lügen, wenn sie behauptete, dass ihr das alles keine Scheißangst einjagte.
Aber was konnte sie schon machen? Wenn der Bonze sich tatsächlich an ihr rächen wollte, dann hatte er jetzt die perfekte Gelegenheit dazu, so hilflos, wie sie im Moment in der tödlichen Umarmung dieses Riesen baumelte.
Doch nichts dergleichen geschah.
Stattdessen zog ihr Aufpasser sich mit ihr ein Stück weit aus dem Tumult zurück, und obwohl er ihr immer noch unangenehm den Kopf verdrehte, hatte Val das Gefühl, dass er sie auf diese Weise vor weiteren Angriffen schützte.
Dennoch hielt sie es nicht lange aus, bevor ihr Nacken höllisch zu schmerzen begann und auch sein fester Griff, mit dem er ihr die Arme gegen die Seiten presste und sie zugleich über dem Boden hielt, quetschte ihren Brustkorb auf ziemlich unangenehme Art und Weise.
„Bitte“, versuchte sie es dieses Mal auf die sanfte Tour, da sie bei ihm wohl kaum etwas mit Schlägen oder Tritten ausrichten konnte, während sie sich schwach gegen ihn auflehnte. „Du tust mir weh.“
Vermutlich verstand er sowieso kein Wort von dem, was sie da leise gegen seinen Arm flüsterte, weshalb sie extra einen zutiefst hilfsbedürftigen Tonfall angestimmt hatte, um vielleicht an sein Mitleid zu appellieren.
Eigentlich hielt sie nicht viel von Frauen, die zu solchen Mitteln griffen, um sich Männer gefügig zu machen. Aber verzweifelte Zeiten erforderten ebenso verzweifelte Maßnahmen.
Zu Vals großer Verblüffung funktionierte diese Taktik sogar.
Nach kurzem Zögern lockerte er den Griff um ihren Kopf, so dass sie ihn wieder gerade drehen konnte, während seine Hand zwar immer noch in stiller Drohung aber relativ entspannt um ihren Hals liegen blieb.
Allein das war schon eine enorme Erleichterung, aber es wurde sogar noch besser, als er sie an sich herabgleiten ließ und wieder auf den Boden stellte. Zwar immer noch mit stark eingeschränkter Bewegungsfreiheit, aber wenigstens konnte sie wieder richtig atmen und zugleich bedeckte sein monströser Arm ihre gesamte Brustpartie, so dass sie sich nicht mehr gar so nackt vorkam. Immerhin konnte sie jetzt auch mit ihren Händen den Rest von sich bedecken, während sie das Chaos vor sich mit stillem Entsetzen beobachtete.
Heilige Scheiße, was hatte sie da nur angerichtet?
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