Bei einer Bäckerei saß zur selben Zeit Tomoe mit Naru, Kitsune, Shinobu, Su und offensichtlich auch mit ihrer alten Freundin Yu. Meine Mitbewohnerin war erschöpft auf ihrem Stuhl zusammen gesunken. Scheinbar hatten wir Beide im laufe der letzten Wochen in Shinjuku bei meiner Mutter, einige Gemeinsamkeiten entwickelt. Wir hatten keine gute Kondition. Yu war dicht an Tomoe heran gerückt . Als ob es dabei eine Medaille zu gewinnen gab.
„Sagtest du nicht das er dich hier treffen will?“, fragte Naru neugierig.
„Eigentlich schon. Aber scheinbar hat er wieder mal bewiesen, wie unglaublich schlecht sein Orientierungssinn ist.“, erwiderte Tomoe und trank ihren Kakao“Ich will hoffen das er uns bald mal findet, sonst darf ich mir wieder von seiner Mutter was anhören!“
„Von seiner Mutter?“, warf Kitsune ein, “Hast du nicht gesagt das er ungefähr so alt ist wie du, Tomoe? Oder benimmt der sich wie ein Kleinkind das bei jeder Gelegenheit nach seiner Mami flennt?“
„Nein nein.“, gluckste Tomoe,“Ihr werdet ihn mögen wenn ihr ihn besser kennt. Er mag zwar ein kaltschnäuziger, begriffsstutziger Grobian sein, aber er hat einen guten Kern. Nur seine Mutter ist etwas besessen von ihn. Er ist ihr ein und alles!“
„Dann muss er für seine Mutter aber etwas ganz besonderes sein.“, sagte Shinobu,“Hat er denn noch Geschwister?“
„Oh ja!“, antwortete Tomoe und schlürfte den Rest ihres Kakaos mit einem großen Schluck runter, “Einen jüngeren Bruder und eine kleine Schwester. Vor der kleinen Naomi solltet ihr euch in Acht nehmen, wenn die beiden uns hier mal besuchen kommen.“
„Ist die denn so auf Krawall gebürstet?“, fragte Sue.
„Sie ist genau wie seine Mutter. Ständig klebt sie Rayo an den Hacken und lässt selbst mich nur unter Protest in seine Nähe.“
„Ich wette die beiden sind ganz in Ordnung.“, sagte Muzumi optimistisch.
„Solange ihr nicht....“, begann Tomoe, doch weiter kam sie nicht.
Ein lautes Schreien Meinerseits, lies sie alle herum wirbeln und Yu versteckte sich sofort hinter Tomoe, den Sonnenhut tief ins Gesicht gezogen. Diejenigen die meinen Leidensweg verfolgt hatten, müssten sich noch erinnern, was zuvor passiert ist. Motoko hatte mich die letzte halbe Stunde durch die Gegend gescheucht und hatte dabei natürlich drohend ihr Katana geschwungen.
„Bleib gefälligst stehen du kleiner Perversling!“, brüllte sie und war mir dicht auf den Fersen.
„Lass mich gefälligst in Ruhe! Ich hab dir doch schon gesagt das ich auf meine Mitbewohnerin warte!“
„Und ich habe dir gesagt, das ich dir das nicht glaube! Halt still!“, sie hob ihr Katana weit über ihren Kopf und rammte es dann mit aller Macht wieder auf den Boden,“Zanganken!“
Hinter mir riss der Boden auf, Steine so groß wie mein Kopf rauschten an mir vorbei.
„Sag mal, du hast sie doch nicht mehr alle! Aus welcher Geisterbahn bist du eigentlich abgehauen, du verrückte Zicke?!“, fluchte ich und wich ihrem Katana weiterhin aus.
Tomoe wollte schon ihr Gesicht in ihrem Eisbecher vergraben und zog stattdessen ihr eigenes Katana.
„Passiert das öfter?“, fragte Tomoe und stand auf.
„Nicht so richtig.“, erwiderte Naru, “Aber Keitaro wurde damals auch so aggressiv von Motoko gejagt. Er hatte es am Anfang wirklich nicht leicht!“
„Na schön.“, seufzte meine Mitbewohnerin, “Dann helf ich ihn mal. Der Arme hat in letzter Zeit schon genug durchgemacht. Da will ich nicht noch riskieren, das er jetzt schon das zeitliche segnet!“
Sie rannte mit gezogenen Katana los.
Immer noch klebte mir Motoko an den Hacken. Tomoe stürmte an mir vorbei und stoppte ihr Katana mit einem gut gezielten Schlag. Ich wiederum, klappte bei Naru und den anderen zusammen und musste erst einmal verschnaufen.
„Sieh an, da hat Motoko dir wohl ganz schön Muffe gemacht.“, grinste Su und lachte mich aus.
„Wirklich sehr witzig!“, knurrte ich, “Diese Irre tickt doch nicht mehr ganz richtig! Die wollte mich umbringen!“
„Ja, das ist Normalzustand bei Motoko.“, erwiderte Kitsune gelassen.
Meine Mine verdunkelte sich und augenblicklich, sprang ich auf.
„Das soll wohl ein schlechter Witz sein!“, schrie ich.
„Du lässt dich aber leicht ärgern.“, kicherte Kitsune.
„Hör auf so frech zu mir zu sein!“
Eine unheimliche Stille trat ein, als das metallische Klingen der beiden Katanas die Runde machte. Motoko und Tomoe blitzten sich an und ich meinte zu sehen das die beiden in Flammen standen, aber wahrscheinlich, war ich nur dehydriert und erschöpft.
„Darf man fragen, was das werden soll?“, flüsterte Tomoe.
„Nur eine kleine Lektion in Sachen Manieren.“, sagte Motoko genauso leise, “Ich habe diesen kleinen Perversling dabei erwischt wie er spannen wollte.“
Alle sahen mich plötzlich mit diesen Blick der Verachtung an und sofort erstarrte ich zur Salzsäule.
„Na sieh mal einer an!“, sagten alle gleichzeitig.
„Glaubt ihr kein Wort! Das ist eine gemeine Lüge!“, versuchte ich mich zu verteidigen.
Aber Tomoe, zog noch mal meinen Kopf aus der Schlinge.
„Da muss ich dich leider enttäuschen.“, sagte sie, “Ich habe Rayo gesagt, das er zum Ryokan gehen soll, um dort auf mich zu warten.“
Doch davon, lies sich Motoko nicht beeindrucken.
„Beweise es!“
„Schon gut, schon gut. Nur keine Panik.“
Tomoe steckte ihr Katana also wieder weg und reichte ihr einen Briefumschlag. Aber nach einem weiteren, ewigen hin und her und bösen Blicken von Motoko, konnte sich dann doch noch alles klären.
Yu hatte sich während der ganzen Eskapade mit Motoko davon geschlichen und scheinbar hatte niemand das bemerkt. Höchstens Tomoe hatte eine SMS von ihr erhalten. „Ich melde mich später wieder bei dir!“, hatte sie ihr geschrieben. Keitaro war noch unterwegs um mit Kanako alles für unsere Willkommensfeier zu besorgen. Als wir uns auf den Weg zum Ryokan machten, hatten Tomoe und ich uns zurückfallen lassen.
„Sag mal willst du das wir an unseren ersten Tag direkt hier auffliegen?!“, zischte Tomoe,“Nie kann man dich alleine lassen!“
„Das erzählst du mir?! Kann ich denn was dafür das Motoko auf mich los gegangen ist?! Und falls es dir entgangen ist, sie wollte mich mit ihrem Katana erledigen! Sollte dir bekannt vorkommen!“
Sie gab mir eine Kopfnuss.
„Wirst du wohl still sein?! Nachher stellen alle wieder nur unnötige Fragen und das wollen wir doch nicht.“,
„Nein.“, sagte ich geknickt, “Aber noch mal: Ich habe nichts gemacht! Ich habe brav beim Ryokan auf dich gewartet, aber du musstest dich ja wieder mal woanders rum treiben.“
„Jetzt stell dich nicht so an, du alter Griesgram. Ich habe die Mädels zufällig getroffen.“
„Wir sollen uns zwar gegenseitig beschützen, aber momentan scheint das nicht so gut zu funktionieren.“, brummte ich.
„Keine Bange. Morgen wird alles anders. Wir haben ja noch zwei Wochen bis es ans lernen geht.“
Weiter vorne tuschelten Naru und die anderen, denn offenbar konnten sie uns doch noch etwas hören.
„Was reden die beiden da hinten bloß?“, flüsterte Kitsune.
„Weiß nicht.“, sagte Naru ,“Aber Haruka hat gesagt das sie und seine Mutter gut befreundet sind. Woher auch immer die beiden sich kennen.“
„Dann war es also wirklich geplant, das die beiden für ein Jahr hier bleiben sollen?“, fragte Motoko.
„Oder eventuell noch länger. Das haben wir doch vor über einem Monat mit Haruka besprochen.“, sagte Su.
„Wann soll das gewesen sein? Und wieso habt ihr mich darüber nicht informiert?! Wir lernen doch alle auch für die Tokio Uni! Da kriegt man nicht immer alles sofort mit!“, beschwerte sich Motoko.
„Jetzt bleib mal ganz ruhig. Morgen werden wir die beiden erst mal richtig kennen lernen und dann darf sich Keitaro mit ihm beschäftigen.“
„Willst du etwa, das die beiden sich anfreunden?“, fragte Shinobu.
„Das wäre doch ganz nett. Haruka hat gesagt, das er nicht so viele Freunde hat. Da dachte ich mir, es wäre doch passend wenn er und Keitaro einander kennen lernen.“
Alle blickten kaum merklich zu uns nach hinten und beobachteten Tomoe, wie sich mich im Schwitzkasten festhielt und mir in die Wangen kniff .
„Also mir kommt er nicht vor wie ein Grobian.“, sage Shinobu.
„Mir auch nicht.“, sagte Su zustimmend, “Ich werde ihn morgen mal für ein paar meiner Erfindungen als Versuchskaninchen gebrauchen!“
Naru zog sie am Ohr hinter sich her und verzog dabei keine Mine.
„Das lässt du bleiben, Su. Nach allem was Haruka uns über ihn erzählt hat, muss er eine Menge im Leben durchgemacht haben. Wenn wir ihn etwas besser kennen, darfst du ihn gerne fragen ob er für deine Erfindungen herhält.“
„Wenn ich mich noch recht erinnere, ist er vor fast einem Jahr aus langen Koma, wieder aufgewacht. Zu dem Zeitpunkt wusste man nichts über ihn.“
„Wie traurig. Wie lange lag er denn im Koma?“
„Keine Ahnung. Muss aber ganz schön lang gewesen sein, so wie seine Mutter ihn verwöhnt.“, erwiderte Naru.
Und als wir endlich beim Ryokan ankamen, ließen sie uns den Vortritt und öffneten uns die Türen.
„Wann gibt’s denn was zu essen? Ich hab Hunger!“, nörgelte ich.
„Kriegst du ja gleich du Gierschlund! Erst mal gehen wir aber nacheinander duschen!“, antwortete Tomoe.
„Wenns sein muss!“, meckerte ich.
Wir begaben uns nach oben und verschwanden dann in einem Zimmer.
Die anderen starrten sich an und Naru seufzte schwer.
„Au weia, noch zwei Mäuler mehr zu stopfen.“, stöhnte sie.
„Ich geh dann schon mal in die Küche!“, rief Shinobu und ging die Treppe hoch.
Haruka kam wenige Augenblicke später aus einem Nebenzimmer.
„Sind die beiden endlich angekommen?“, fragte sie.
„Hörst du das nicht?“, fragte Motoko.
Einer von Tomoes Koffern landete auf meinem Fuß und ich brüllte laut fluchend, einmal durchs ganze Ryokan.
„Autsch! Das hast du doch mit Absicht gemacht du gemeine Zicke!“
„Ich? Du bist doch blind wie'n Meter Feldweg und trampelst hier rum wie Godzilla! Und wer hat dir eigentlich erlaubt, vor mir zu duschen?!“
„Geht das schon wieder los! Ich schwitze ja wohl mehr als du! Und zieh nicht schon wieder Godzilla durch den Dreck, du weißt wie ich das hasse!“
Haruka kratzte sich am Kopf und zog eine Zigarette aus der Tasche.
„Ich glaube wir lassen die beiden sich erst mal beruhigen. Ich rufe gleich mal Shiori an und sag bescheid das die beiden angekommen sind.“
„Gut. Ich gehe schon mal los und sehe nach wo Keitaro und Kanako bleiben. Geht ihr schon mal zu Shinobu und helft ihr in der Küche.“, verteilte Naru die Aufgaben.
„Einverstanden!“, sagten sie gleichzeitig und verteilten sich.