Ich hatte keine Ahnung, wie ich es in den letzten zwei Minuten geschafft hatte, den Felsbrocken der immer noch drohte mich zu erschlagen und platt zu walzen.
„Ich weis nicht , ob es schlimmer wäre, wenn mich ein riesiger Truck verfolgen würde!“, brüllte ich,“Ich wäre in jedem Fall ganz schön am Arsch!“
Es schien mir einfach ausweglos. Egal wie oft ich auch eine Kurve nahm und den Felsbrocken so etwas weiter von mir entfernte – abhängen konnte ich das Ding nicht. Doch bei einer kleinen Treppe, musste ich eine Verzweiflungstat versuchen. Zwar lief ich Gefahr von den Menschen, wenn denn hier wirklich welche von denen leben sollten, aber mir blieb im Grunde keine andere Wahl. Ich nutzte die Kraft meiner Telekinese und erhöhte auf der nächsten gerade Strecke meine Geschwindigkeit nach und nach. Und bei der nächsten Abzweigung, sah ich meine Chance. Eine Felswand erweckte gerade wieder Hoffnung, diesen Felsbrocken endlich los zu werden. Kurz bevor ich selbst dagegen lief, stoppte ich kurz vor der Wand und tat dann einen mächtigen Satz nach links, sodass der Felsbrocken an selbiger Wand mit einem lauten Donnern zerschellte und alles kurz etwas beben lies. Triumphierend, hob ich die Faust und zeigte mit meinem Mittelfinger, was ich von diesem Felsen hielt.
„Pech gehabt! So leicht kriegt man mich nämlich nicht! Mehr Glück beim nächsten mal! Und auf nimmer wiedersehen! Scheißteil!“
Erschöpft aber glücklich versuchte ich also wieder zu den anderen Teilnehmern zurück zu finden. Zum Glück war das ganze aber nicht wirklich schwer. Zwar waren die noch weit genug von mir weg, aber das störte mich nicht. Um meine Rückseite besser im Blick zu haben, lief ich ein einige Zeit rückwärts, damit ich auch feststellen konnte, dass ich immer noch auf dem richtigen Pfad war. Schilder standen hier ja zum Glück zu genüge. Als ich dann die ersten Nachzügler erblickte, atmete ich erleichtert aus und joggte weiter. Doch ich spürte eine merkwürdige Präsenz, die sich mir näherte. Ich blickte noch mal über die Schulter, sah mich gründlich um, doch da war nichts. Die Anwesenheit war zu schwach um sie genau auszumachen. Ich spürte so einen, leichten eisigen Hauch im Genick, doch das Klima war daran nicht Schuld. Es war immer noch brühend Heiß und ich schwitzte auch nicht. Ich versuchte es zu ignorieren und rannte weiter. Und kaum hatte ich die nächsten Pfosten passiert, spürte ich wieder diese Präsenz. Sie kam mir sowohl unbekannt, als auch so merkwürdig vertraut vor. Aber ich konnte sie nicht zuordnen. Ich dachte nach. „Naomi? Ach......Unsinn! Seiryu? Nein, dafür ist die Anwesenheit nicht stark genug. Mutter oder.....Senichi vielleicht? Auch nicht.“ Ich verschwendete auch kurz einen Gedanken daran, dass meine Cousine sich hier irgendwo aufhalten mochte, aber warum sollte sie hier sein? Ich meine gut, Asurai war hier, aber das war auch schon alles. Dennoch kam die Präsenz näher und das ziemlich schnell. Ein aller letztes mal wollte ich mich vergewissern, dass ich keinen Hitzschlag erliegen war und mir die Sache mit dem Felsbrocken nicht bloß eingebildet hatte, dass ich jetzt anfing zu halluzinieren. Plötzlich, schlug etwas neben mir auf. Alles bewegte sich plötzlich in Zeitlupe, ein leichter kalter Luftzug streichelte meinen Rücken und fuhr mir durch die Haare und die Präsenz war nun dicht neben mir und drängte sich mir auf. Dann hatte ich genug. Ich drehte mich rasch zur Seite, streckte meinen Arm aus um sie von mir zu stoßen, doch dann geschah etwas seltsames. Ich spürte auf einmal einen enormen Druck der sich auf meinen Schläfen ausbreitete, mich kaum merklich langsamer machte. Wie aus dem Nichts, tauchte Isshina neben mir auf, die Hand ebenfalls ausgestreckt. Und mit wachsenden Entsetzen dämmerte es mir. Mit offenen Mund, rannte ich weiter, bemerkte nicht einmal wie ich den Boden unter den Füßen verlor und von einer Art........Druckwelle, zur Seite geworfen wurde. Ich landete in einer Hecke und konnte mich eine Weile lang nicht rühren, während ich zusah wie Isshina sich von mir entfernte. Hören konnte ich nichts mehr und vernehmen konnte ich nur noch ein lautes Fiepen. Ich konnte noch erkennen, dass sie irgendwas zu mir sagte, doch im Lippenlesen war ich leider nicht bewandert. Alles ging so furchtbar schnell. Die nächsten Nachzügler rannten verwirrt an mir vorbei, aber auch nur weil ich meine Situation leicht runter spielte und sie durchwinkte. Bis kurze Zeit danach Tomoe auftauchte. Als sie mich erblickte, bremste sie sofort ab und kam zu mir.
„Yo.......ayo.......Rayo!“, rief sie,“Was ist passiert? Warum liegst du in einer Hecke?!“
Sie wollte mir aufhelfen, doch das stoppte ich.
„Nein!“, rief ich und schüttelte den Kopf,“Lauf weiter! Isshina ist schon weit voraus! Noch kannst du sie einholen!“
„Rayo......ich.....weis nicht ob ich noch....“
„Tomoe......seit Wochen hast du mir immer wieder versichert, das du Isshina heute übertreffen willst. Und jetzt rennst du gefälligst weiter, hängst die anderen ab und lässt Isshina deinen Staub schlucken!“
„Und was ist mit dir....“
„Unwichtig! Das große Fressen bekomme ich ja eh! Also los! Kümmere dich nicht um mich und lauf! Ich hol euch schon ein!“
Ich schlug noch mal mit ihr ein, bis sie dann weiter rannte.
„Korukawa!“, brüllte sie.
„Mach sie fertig!“, erwiderte ich und setzte mich wenige Augenblicke danach selbst in Bewegung.
Die anderen Teilnehmer holte ich vergleichsweise schnell ein, dankte ihnen noch für ihre Sorge, dass ich in der Hecke gelegen hatte und hing sie danach mühelos ab. Tomoe war nur wenige Meter vor mir, Isshina dicht auf den Fersen. Plötzlich, stieß uns alle ein Windstoß der einer Orkanböe gleichkam nach hinten und lies uns leicht straucheln. Tomoe hatte uns alle danach in eine Staubwolke gehüllt. Sie zog wie ein wütender Derwisch an ihr vorbei, sodass Isshina selbst ihr eigenes Tempo drosselte und sogar noch von mir überholt werden konnte. Aber Tomoes Rivalin lies das nicht lange auf sich sitzen und schloss wieder zu mir auf. Tomoe passierte die Zielgerade und fiel gerade Wegs Goro ud Rikako in die Arme. Rasch, nickten Isshina und ich uns noch einmal zu, gaben ein aller letztes mal alles und passierten gleichzeitig das Ziel. Es wurde viel gejubelt, Tomoe schien leicht verwirrt zu sein und wirbelte herum, als sie die anderen erblickte die ihr applaudierten. Erschöpft, lächelte ich und ging mit Isshina zu ihr. Wir beide nahmen je eine Hand von ihr und reckte sie nach oben, um sie als Siegerin zu feiern. Kurz darauf, sah sie mich aufgelöst an und fiel mir freudig um den Hals. Ich wirbelte sie herum und bemerkte leicht verwundert ein schwarzes Kopftuch, dass sie sich umgewickelt hatte. Das Rennen war vorbei und wir beide hatten das bekommen was wir wollten. Tomoe hatte Isshina endlich in einer Sache geschlagen und ich, bekam mein All-you-can-eat Buffet.
Etwa einen Tag nach dem Sportfest, setzten Tomoe und ich uns in den erst besten Bus um Isshina einen Besuch abzustatten. Unser Misstrauen hatte ein neues Niveau erreicht, wobei ich zumindest für meinen Teil, langsam das Gefühl hatte, das wir alle gut mit Isshina auskommen könnten. Sogar Tomoe hatte dies bezüglich schon Fortschritte gemacht. Aber diese eine Tat von ihr, hatte mich in meinen Grundfesten erschüttert. So auch Tomoe. Zwar wollten wir noch am gleichen Tag, nach dem großen Wettrennen um den Sieg beim Sportfest zu Isshina fahren, fanden es dann aber wirklich unpassend mit schweißnassen Klamotten hinzufahren. „Vermutlich hätte sie uns dafür wieder gemaßregelt.“, hatte Tomoe mir gesagt. Und als wir dann vor ihrem Anwesen standen, musste ich mich kurz sammeln, denn mit langen Busfahrten hatte ich noch so meine Probleme und stand auch jetzt wieder kurz davor, mich zu übergeben. Tomoe betätigte schon mal die Klingel.
„Beim nächsten mal besorgen wir dir Reisetabletten.“, sagte sie und reichte mir ihre Wasserflasche.
„Ist das sowas wie Aspirin?“, fragte ich und nahm einen großen Schluck.
„So ähnlich.“, erwiderte sie,“Hast du dir schon überlegt wann das große Fressen stattfinden soll?“
„Nein noch nicht. Erst brauche ich noch Chajiros Zusage.“
„Ah ja, Nagaodas Freund den du als Godzilla bezeichnet hast.“, lachte Tomoe.
„Hey, das sollte ein Kompliment sein!“, nörgelte ich,“Du weist doch wie sehr ich Godzilla mag!“
„Ja ja schon gut. Jetzt Konzentration. Und, würde es dir was ausmachen, mich fürs erste reden zu lassen?“
Ich zuckte die Schultern.
„Tu dir keinen Zwang an.“, ich besah mir ihren Kopf genauer.
„Was?“
„Warum noch mal, trägst du bitte ein schwarzes Kopftuch?“, fragte ich.
Ich meinte zu erkennen, dass sie etwas rot anlief, aber sicher lag das nur an der mörderischen Hitze.
„Ich dachte, dass schwarz und rot nun mal gut zusammen passen und eh.....“, sie stockte und warf sich dann in Pose,“Gefällt es dir?“
Ich hob meine Augenbrauen an und schüttelte den Kopf.
„Wie war das noch mit Konzentration?“, grinste ich.
„Oh, jetzt hast du es mir aber gegeben!“, kicherte sie,“Übrigens, wo bist du während des Rennens eigentlich hin verschwunden? Du warst auf einmal wie vom Erdboden verschluckt......“
„Nun ja eh.........“
Doch einer von Isshinas Bediensteten zog mich gerade noch mal aus der Misere und ich dankte ihm dafür.
„Wir möchten bitte mit Isshina sprechen. Es ist dringend!“, sagte Tomoe und verneigte sich.
„Sehr wohl.“, sagte er und führte uns hinein,“Korukawa Sama erwartet euch bereits.“
Das, machte uns wieder sehr stutzig. Rasch, begaben wir uns ins Haus, ließen uns vom Diener auf die Veranda führen, wo Isshina mit einer Shamisen und einer Tasse ihres speziellen Tees, den sie mir mal eingeflößt hatte, mit gekreuzten Beinen saß und ihre Finger über die Saiten gleiten lies.
„Hallo wie geht’s denn so, Isshina?!“, sagte Tomoe mit ernster Mine.
Isshina drehte sich im sitzen um, nickte uns zu, setzte dann ihr gewohntes, kaltes Lächeln auf und hob ihre Tasse an.
„Darakaija.“, sagte sie gelassen, “Deine Kühnheit ist wirklich beeindruckend.“
Ohne lange zu reden, führte sie uns nach oben und ging nicht auf unsere Fragen ein. Bis wir irgendwann in einem Flur stoppten.
„Ok, Korukawa, was ist hier bitte los!“, fragte Tomoe,“Was soll das alles?!“
„Dort hinten.“, sagte sie.
Wir gingen noch ein Stück weiter und stoppten dann schließlich, vor einer großen Doppeltüre, auf dem etwas aufgemalt war. Ein mir sehr bekanntes Bild, was mich in meinen Albträumen der letzten Wochen immer mal wieder heimgesucht hatte. Die drei Augen. Ich hatte mir das alles doch nicht eingebildet.
„Ich hoffe das lohnt sich auch.“, murmelte Tomoe,“Was ist das hier?“
Sie lächelte uns an und verneigte sich.
„Willkommen in unserem aller Heiligsten. Dem Schrein, des Darama Orochida.“
Jetzt, sollten sich zumindest, ein paar Fragen die sich uns in der letzten Zeit aufgedrängt hatten, aufklären.