Erst spät am Abend kam ich wieder zurück zum Ryokan und wurde sogleich von Keitaro empfangen.
„Hattest du Erfolg?“, fragte er und ging mit mir rein.
„Alles erledigt.“, erwiderte ich,“Jetzt muss ich nur noch am Montag eine nervige Angelegenheit hinter mir bringen, dann kann eigentlich auch schon alles vorbereitet werden.“
„Gut das du es ansprichst.“, sagte er und führte mich in den Garten,“Sieh dir das an.“
Er wies auf eine große Kuppel die jetzt so mir nichts dir nichts im Garten stand und in der abendlichen Sonne schimmerte. Es gab sogar ein Loch zum eintreten.
„Da will ich einmal meinen Part übernehmen und dann so was! Muss ich fragen oder erklärt mir der Holzkopf gleich selbst was hier los ist?“
„Woher weist du, dass das auf Rayos Konto geht?“, fragte er.
Ich hob eine Augenbraue und nickte zur Kuppel.
„Wirklich?“
Er schüttelte den Kopf und putzte seine Brille.
„Ja richtig, entschuldige bitte. Die Frage war überflüssig.“
„Ah Tomoe!“, rief der Holzkopf hinter mir und kam zu uns.
Er sah erschöpft und müde aus.
„Sag mal, sind das da Ölflecken?“, fragte ich und besah mir sein Gesicht genauer,“Hat Su dich zu irgendwas angestiftet?“
Verdutzt starrte er mich an.
„Woher weist du das ich mit Su.......“
„Rayo, versuch es gar nicht erst. Sie ist allwissend.“, grinste Keitaro und stieß mir den Ellbogen in die Rippen.
„Ach Unsinn!“, winkte ich ab,“Es ist doch wohl offensichtlich das du mit Su was unternommen hast, da sie die einzige ist, die hier an Mechas rumbastelt. Also, was habt ihr so getrieben?“
„Wir.....sind zu einem Schrottplatz gegangen und haben uns da große Platten besorgt. Und den Rest des Tages haben wir die Kuppel gebaut.“
Mir klappte der Mund auf und ich starrte ihn verwundert an.
„Du hast mit Werkzeug hantiert?“
„Könnte man sagen.“, sagte er Achsel zuckend,“Allerdings bin ich für so was genauso ungeeignet wie für die Küche.“
Er zeigte mir seine Arme und Hände, die übersät waren mit blauen Flecken. An seiner rechten Hand, war ein Finger in Mullbinden gewickelt.
Ich stöhnte genervt auf.
„Oh nein, oh nein, oh nein!“, fluchte ich,“Dich kann man aber wirklich keine Sekunde alleine lassen! Hast du dir wenigstens von Su helfen lassen?“
Jetzt mischte sich Keitaro ein.
„Erst hat er sich helfen lassen. Nur den Innenbereich der Kuppel hat er selbst bearbeitet.“
„Ja.“, brummte er,“Hack noch auf mir rum.“
„Komm schon, du weist, dass das nur Spaß war.“, sagte Keitaro und knuffte ihn.
Ich seufzte und ging mit den beiden rein.
„Verrätst du mir wenigstens wozu die Kuppel überhaupt da ist?“, fragte ich,“Und die Sache mit deinem Abgang...“
„Nein, dazu sag ich nichts.“, wehrte er ab,“Und ich muss dich bitten, so wie die anderen, betrete auf keinen Fall die Kuppel.“
„Wieso?“
„Tu es einfach nicht.“, harkte er nach,“So lange ich mein Problem nicht selbst gelöst habe, soll niemand außer mir in die Kuppel gehen.“
Ich rollte mit den Augen und tätschelte ihn.
„Einmal will ich erleben, das du bei der Sache bist und weist was du tust.“
Er packte meine Hand und sah mich dann aus ernsten Augen an.
„Tomoe, ich mein es ernst. Niemand außer mir, geht in diese Kuppel. Verstehst du?“
„Ist ja gut. Ich geh schon nicht da rein. Auch wenn du mir natürlich einfach sagen könntest was mit dir los ist.“
„Warum einfach, wenns umständlich geht?“, konterte er und ging nach oben.
Perplex blieb ich am Fuß der Treppe stehen.
„Tse. Holzkopf.“
Was glaubte er eigentlich wer er ist? Dachte er wirklich dass mich das aus der Bahn wirft? „Und das ausgerechnet jetzt wo wir so viel vorbereiten müssen? Verdammt!“
Die Nacht brach herein. Bevor ich mich schlafen gelegt hatte, bat mich Rayo noch darum, seinen Verband zu wechseln. Gleichzeitig hatte mir der Dummkopf noch die absurde Frage gestellt, ob wir beide noch mal mit Isshina reden könnten, um diesen Vorfall beim Schwimmkurs und das was danach passiert ist, aus der Welt zu schaffen. Ich hatte dem nur unter der Bedingung zugestimmt, dass er mir dafür verraten soll, was seit dem mit ihm los war. Unter leichten Protest hatte er zugestimmt und gab mir aus irgendwelchen Gründen, eine Banane von der Staude, die er von Su bekommen hatte. „Ob er mir jetzt jedes mal, wenn ich ihm geholfen habe, eine Banane geben würde? Manchmal ist er schon ziemlich schräg drauf.“
Damit Rayo nicht schon wieder völlig planlos durch das Ryokan schlafwandelte, hatte ich ihm eine Spieluhr besorgt. Es war eine leicht abgespeckte Version der Spieluhr, die Shiori in Kamakura, in dieser Pension wo Kaede wohnt, gesehen hatte.
Schlafen konnte ich jedoch nicht, da meine Gedanken mich wahnsinnig machten.
„Alles nur Isshinas Schuld.“, murmelte ich,“Wenn diese eingebildete Zicke nicht rein gesprungen wäre, dann hätte Rayo jetzt auch keinen Grund so verschlossen zu sein. Und was sollte ihr Kommentar „Wenn ich wirklich etwas versucht hätte, würde ich viel subtiler und ohne körperlichen Kontakt vorgehen!“ eigentlich bedeuten? Ach, scheiß einfach drauf. Aus der wird doch nie einer schlau. Dann noch dieses enorme Interesse an diesem......wie hieß er noch gleich – Darama Orochida. Was soll das alles?“
Die Wände der Zimmer mussten relativ dünn sein, denn ich konnte Rayos Spieluhr hören. So klar und deutlich, als würde sie direkt neben mir stehen. Ich verlor mich in meinen Gedanken, die mich weiter anstachelten, übertönte das aber rasch, als ich begann die Melodie der Spieluhr mit zu summen. „La la laaaa la la. La la laaaaa la la la laaaaa“
Langsam wurden mir die Augenlider schwer, ich geriet immer mehr aus dem Takt der Melodie und schlief wenige Augenblicke später ein.
Jedoch riss mich ein eiskalter Lufthauch wieder aus dem Schlaf und lies mich herum wirbeln. Ich rollte aus dem Bett, schnappte mir mein Katana und stand kampfbereit auf beiden Füßen, stets darauf gefasst, mich zu verteidigen. Die Spieluhr hatte offenbar schon lange aufgehört zu spielen und jetzt, war eine unheimliche Stille eingetreten. Leicht angespannt, legte ich mein Katana wieder ab und sah aus dem Fenster. Mein Blick fiel auf die Kuppel und wie alle anderen aus dem Ryokan, machte es mich schier wahnsinnig, was Rayo dort für ein Geheimnis hatte. Erst als sich Rayo schlafen gelegt hatte, blieben ich und die anderen noch wach und unterhielten uns über die Kuppel. Alle waren neugierig, warum Rayo nicht wollte, dass jemand dieses Ding betritt. Su hatte die Vermutung aufgestellt, dass es wohl so eine Art Iglu sein sollte, was Rayo für den Winter angefertigt hatte. Jedoch wurde die Theorie von Motoko und Kanako widerlegt, da Rayo zwar etwas naiv war und gerne mal verrückte Sachen ausprobieren wollte, aber ganz so bescheuert, um im Winter dauerhaft im Garten zu schlafen und das in einem Stahliglu, war er natürlich nicht. Su meinte, dass er die Kuppel als kühlen Platz für heiße Sommertage gebaut hatte. Doch auch das war keinem plausibel genug. Und Muzumi schoss endgültig den Vogel ab, da sie sich bis unter die Kuppel durchgraben wollte, was Rayo aber definitiv, früher oder später bemerken würde.
Doch ich, hatte eine andere Theorie. Ich konnte jedoch nicht wirklich weiter darüber nachdenken und erschrak, als ich hinter mir Schritte hörte. Sie kamen vom Flur. Also schlich ich zur Türe, schob sie vorsichtig auf und blickte in den dunklen Korridor. Ein dunkles Murmeln lies mich zusammen zucken und um eine Ecke, bog doch tatsächlich dieser verdammte Geist, der mich jetzt schon ein paar mal heimgesucht hatte.
Erst zwickte ich mir kurz in den Arm und gab mir selbst eine Ohrfeige, um zu sehen ob ich wach war. Da beides bestätigte, dass ich gerade nicht schlief und den Geist tatsächlich mit eigenen Augen sah, kam mir eine furchtbare Erkenntnis. „Was wenn dieser Geist nicht nur real ist, sondern auch wirklich jemanden hätte Schaden können?!“ Ich schlich also hinter den Geist her, verfolgte ihn bis nach unten in die Küche, ins Foyer und schließlich in den Garten. Noch hatte er mich nicht bemerkt. Auf dem Rasen, durfte es allerdings schwerer werden, weiterhin unbemerkt an seinen Hacken zu bleiben. Doch plötzlich, steuerte der Geist auf die Kuppel zu und blieb tatsächlich davor stehen. Er kniete sich hin, zog sein Katana und steckte es in den Boden. Und dann, verschwand er auch schon wieder. Rasch, sah ich mich erneut um, ob er nicht noch irgendwo hier lauerte und nur darauf wartete mich hinterrücks anzugreifen. Ich ging also zur Kuppel und bemerkte erst jetzt, dass aus den noch wenigen vorhandenen Lücken zwischen den Platten, ein merkwürdiger Rauch empor zu steigen schien.
„Komisch.......“, murmelte ich und ging näher heran.
Etwas zog mich nahezu magisch an und ehe ich mich versah, bückte ich mich auch schon beim Eingang und stand dann wenige Sekunden später in der Kuppel. Ein enormer Druck, breitete sich auf meinen Schläfen aus, ähnlich wie in der Akumaru-Residenz. Ich ging leicht in die Knie, hielt mir den schmerzenden Kopf fest und hörte dann ein Knurren hinter mir. Ich drehte mich um, es wurde lauter und als ich über die Schulter sah, schrie ich laut auf. Drei rotglühende Augen starrten mich an. Es gab einen kurzen Blitz, ein schwarzer Fuchs , oder sowas ähnliches, mit sechs Schwänzen, saß da und kreischte mir entgegen. Er war in etwa so groß wie ich und hatte die Zähne gefletscht. Ich stolperte nach hinten und der Fuchs verschwand. Dann begannen um mich herum alles rot zu glühen und wieder zu verblassen. Überall um mich herum schälten sich immer wieder drei rote Augen aus der Dunkelheit, die mich anstarrten. Meine Sicht verzerrte sich. Das ganze zog sich noch eine Weile so hin, die Augen wurden aufdringlicher. Und als es dann endete, atmete ich erleichtert aus.
„Puh......hätte nie gedacht das ich mal so viel.......“
„Angst haben würde?“, hörte ich jemanden hinter mir.
Ich wirbelte herum, zog mein Katana und.......
„Rayo!“, hauchte ich und lies mein Schwert sinken,“Du hast mich fast zu Tode erschreckt! Was machst du hier, mitten in der Nacht?! Du sollst schlafen!“
„Ach und was hast du hier verloren?“, fragte er ruhig und kam näher.
Er sah nicht wirklich erfreut darüber aus, dass ich hier war.
„Ich habe wieder diesen Geist gesehen und ihn bis hier verfolgt!“, erklärte ich.
Er seufzte schwer.
„Tomoe, ich habe dir doch ausdrücklich gesagt, das du nicht in diese Kuppel gehen sollst.“, sagte er mit ernster Mine und drängte mich zurück.
„Ach komm schon, jetzt spiel hier nicht den harten Burschen! Du weist ganz genau, dass ich und die anderen dir nur helfen wollen. Oder etwa nicht?“, sagte ich und bohrte meinen Zeigefinger in seine Brust.
„Doch das weis ich. Allerdings, kann ich es gar nicht leiden, wenn man meiner Bitte nicht nachkommt und mir auch nicht zuhört.“, er packte meine Hand und hatte mich jetzt bis an die Wölbung der Kuppel gedrängt.
Sein Gesichtsausdruck war so ernst und kühl. Als wäre er wie ausgewechselt.
„Rayo.......was soll das werden?“, schluckte ich,“Ich habe noch nichts gesehen, was dein Geheimnis hätte lüften können. Also wieso gehst du nicht einfach wieder ins Bett?“
Doch er hörte mir nicht zu. Stattdessen legte er eine Hand auf die Wölbung der Kuppel und die andere, wanderte meinen Arm entlang.
„Irgendwie komisch, dass wir beide ganz alleine hier sind.“, sagte er abwesend und schenkte mir ein schmales Lächeln.
Irgendwas stimmte hier doch hinten und vorne nicht. Und als seine Hand auch noch meine Schulter berührte und langsam zu meiner Wange wanderte, wurde ich doch etwas nervös.
„Hast du.........was falsches gegessen? Oder hat dir der Schlag mit den Hammer schwerer zugesetzt als gedacht?“, fragte ich misstrauisch.
Doch obwohl ich seine Hand, die mittlerweile wirklich auf meiner Wange lag, wirklich missbilligte, konnte ich sie nicht davon wegziehen. Irgendetwas hielt mich davon ab.
„Du, hast mir damals im Krankenhaus doch was sagen wollen. Richtig?“, flüsterte er und seine andere Hand, wanderte nun auch zu mir.
„Wovon redest du?“, fragte ich genauso leise,“Ich hab dir doch alles mögliche erzählt. Worauf willst du hinaus?“
„Ich will, dass du es mir noch einmal erzählst.“, erwiderte er und legte seine rechte Hand nun auf meinen Rücken und drückte mich langsam zu sich.
„Rayo was........was tust du da.....“, hauchte ich und spürte wie meine Beine nachgaben.
Und ehe ich mich versah, lag ich schon im Gras und sah ihm direkt in die Augen. Ich empfand, plötzlich keine Furcht und keine Schuldgefühle mehr. Er war über mich gebeugt und sah mich einfach mit diesen verträumten Augen an.
„Erzähl es mir.“, wiederholte er sanft,“Ich will es noch einmal hören.“
Ich wusste nicht wie mir geschieht und meine Arme bewegten sich langsam von alleine zu ihm nach oben und legten sich um seinen Hals. Normaler Weise würde ich alles anzweifeln und verneinen doch jetzt, schien alles so, als ob es so unglaublich einfach wäre. „Nein du Dumpfbacke! Aktion abbrechen! Rückzug! Soweit bist du noch lange nicht! Aufhören, aber sofort! Stopp!“ Er kam mir näher, ich verlor mich immer mehr in seinen Augen.
„Tomoe.....“, flüster er.
„Rayo......ich“, hauchte ich und wollte ihm endlich das sagen, was er hören sollte.
Doch bevor sich unsere Lippen berührten, verengten sich seine Pupillen langsam zu schlitzen und sein Blick wurde wilder.
„Lügnerin.....“, knurrte er.
Ich schüttelte den Kopf und starrte ihn an.
„Was?“, fragte ich resigniert.
„Lügnerin!“, schrie er mich jetzt an.
Er begann zu flackern und plötzlich saß dieser Fuchs über mir. Die Pranken auf meine Schultern gesetzt und die blutrünstigen Zähne gefletscht, bereit zum zuschlagen.
„Was zur..... Hilfe!“, schrie ich und warf den Fuchs mit aller Kraft von mir.
Er knallte gegen die Wölbung und bellte mich an. Ich suchte schnell das Weite, das Knurren und Bellen immer dicht im Nacken. Bis er mich am Fuß zu packen bekam und mich am Fleck hielt. Er hatte sich in mein Fleisch verbissen, zuckte und wollte mich scheinbar in die Kuppel ziehen, doch ich konnte ihn noch mit einem lauten Schmerzensschrei abschütteln, in dem ich ihm einen Tritt auf die Schnauze verpasste. Fluchend und spuckend richtete ich mich wieder auf, blickte hoch zum Himmel und sah den Grund für den ganzen Schlamassel. Der rote Vollmond, stand hoch am Himmel und hüllte mich in ein blutrotes Licht. Mein Kopf begann zu schmerzen, ich knickte langsam ein und fiel dann rücklings zu Boden und versank in Dunkelheit.
Schweißgebadet, wachte ich wieder auf und fand mich in meinem von Sonnenstrahlen durchfluteten Zimmer wieder. Mein Herz raste und meine Gedanken überschlugen sich.
„Scheiße!“, fluchte ich,“Rayo du Idiot!“
Es klopfte und wie aufs Stichwort, kam der Holzkopf rein und wollte mich scheinbar wecken.
„Na endlich bist du wach.“, meckerte er,“Das Frühstück ist beendet und die anderen fragen auch schon wo du bleibst!“
„Ach ja?! Und was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?! Du warst mitten in der Nacht in der Kuppel!“, beschwerte ich mich.
Verdutzt sah er mich an und kratzte sich am Kopf.
„Wie? Sag mal spinnst du? Ich hab gepennt. Tief und fest wie ein Stein. Das hab ich der Spieluhr zu verdanken die du für mich geholt hast. Und jetzt komm, sonst verpassen wir noch das Mittagessen!“
Er ging wieder runter. Verwirrung machte sich in mir breit. Das konnte alles kein Traum gewesen sein, dafür, war das alles viel zu real! „Aber wir waren doch beide in der Kuppel! Ich war hellwach! Und, er hat mich sicher wieder hierher gebracht. Oder etwa nicht?“