Doch bevor mich die Statue noch wahnsinnig machen konnte, öffnete sich die Türe neben dem Fuchs. Sofort bewegte sich Rin dorthin und verneigte sich, als der ehrenwerte Asurai den Raum betrat. Asurai, trat als alter, gebrechlicher Mann auf. Die Haare stark ergraut und zerzaust, die ihn über den Schultern lagen. Sein Kimono war nicht in einem kräftigen Schwarz gefärbt, sondern eher mitternachtsblau.
Rin führte ihn zum Kopfende des Tisches und blieb neben ihn stehen.
„Seit unserer letzten Zusammenkunft, sind wir etwas gewachsen. Nicht wahr?“, sagte Asurai mit seiner rauchigen Stimme.
Er räusperte sich, was sich furchtbar anhörte. Als er zu Husten begann und sich die Hand vor den Mund hielt, wandte Rin den Blick ab und atmete ein paar mal tief durch.
„Geht es dir wieder schlechter, Großväterchen?“, fragte Mutter besorgt.
Das Klanoberhaupt wandte den Kopf und blinzelte ein paar mal und streckte die Hand nach ihr aus.
„Kleine Shiori.“, sagte er und ein schmales Lächeln zeichnete sich auf seinem Gesicht ab,“Wie es aussieht hast du meine Nachricht bekommen, sehr gut.“
„Du weißt doch, einer Nachricht von dir, gehe ich doch immer sofort nach. Du hast ja schon beschrieben, das es dir immer mal schlechter und weniger schlecht geht. Außerdem, wollte ich meinen Erstgeborenen nicht im Ungewissen lassen. Ich sollte ihn mitbringen, also habe ich das auch getan.“
Asurais Blick wanderte zu mir. Ein eisiger Schauer lief mir über den Rücken und so langsam merkte ich, dass von ihm, diese enorme Dunkelheit ausging, die diesen Ort im Würgegriff hatte.
„Sag, junger Freund, wie ist dein Name?“, fragte Asurai.
Alle starrten mich an. Ich war nervös und vielleicht hatte Mutter das auch schon bemerkt. Also beugte sie sich zu mir.
„Stimmt etwas nicht?“, flüsterte sie.
„Nein.“, sagte ich angespannt,“Ich weiß nicht was los ist. Ich würde ja gerne antworten, aber.....“
„Schon gut, ich regle das.“, versicherte sie mir,“Ähm.....er ist noch etwas schüchtern! Die letzten Wochen haben ihn sehr mitgenommen!“
Sie lachte verlegen. Und jetzt, sah Ayako ihre Chance und fuhr ihr ins Wort.
„Der ehrenwerte Asurai hat dich etwas gefragt!“, rief sie,“Also antworte ihm auch!“
Mutter warf ihr einen mörderischen Blick und auch Ayakos Eltern waren nicht gerade begeistert von ihrer Bemerkung. Asurai jedoch, lies sich davon nicht weiter ablenken und fixierte Mutter und mich. Und bevor sich alle gegenseitig an die Gurgel sprangen, ergriff ich das Wort.
„Rayo.“, sagte ich knapp.
„So so.“, erwiderte Ausrai ebenso kurz,“Deine Mutter hat dir noch nichts von deinem Klan erzählt, habe ich recht?“
Mutter senkte den Kopf und wirkte geknickt.
„Tut mir Leid Asurai.“, sagte sie,“Es hat sich leider nie eine gute Gelegenheit geboten und.....“
„Wofür entschuldigst du dich, kleine Shiori?“, entgegnete das Oberhaupt,“Sicher hattest du deine Gründe. Das wichtigste ist doch, dass er jetzt hier ist. Vielleicht war die Welt da draußen weitaus interessanter für ihn. Aber, bevor wir uns in sinnlosen Gedankenspielchen verlieren, möchte ich das uns der Junge etwas von sich erzählt. Und vielleicht, will auch er etwas wissen.“
Ich sah zu Mutter und sie nickte mir nur zu.
„Seid ihr euch sicher, alter Mann?“, sagte ich mit ernster Mine,“ Wollt ihr wirklich meine Leidensgeschichte hören? Es wird lange dauern und ich will weder meine, noch eure Zeit verschwenden.“
Asurais Mundwinkel zuckten kurz.
„Du bist ehrlich, das gefällt mir.“, sagte er,“Aber mach dir keine Gedanken um die Zeit. Meine Zeit auf dieser Welt ist schon bald zu ende, da bin ich mir sicher.“
„Aber edler Herr nun sagt doch so etwas nicht!“, zischte Rin hinter ihm.
„Mädchen, deine Sorge um mein Wohlergehen ehrt dich ungemein. Immer und immer wieder, hast du mich stets umsorgt und gepflegt und dafür, bin ich dir dankbar. Aber auch du musst irgendwann einmal begreifen, dass ich selbst entscheide, wann ich diese Welt verlassen werde.“
Ich nickte kurz und atmete durch.
„Also schön.“, sagte ich,“Wenn ihr darauf besteht, alter Mann, werde ich euch meine Geschichte erzählen. Und ich hoffe, dass ich das nur einmal tun muss. Denn ich bin es leid, mich zu wiederholen.“
Und dann, begann ich dem Klan, alles zu erzählen. Kein einziges Detail wollte ich dabei auslassen. Denn sie sollten wissen, was ich durchmachen musste.
Am Abend, kehrten Tomoe und die Mädchen wieder zurück zum Ryokan. Und scheinbar haben sie ordentlich eingekauft, denn jede von ihnen trug mindestens drei große Tüten mit sich, die alle prall gefüllt waren. Nur wofür?
Alle begrüßten Keitaro mit offenen Armen und Naru drückte ihm einen Kuss auf die Wange.
„Ich hoffe ihr habt euch nicht zu sehr gelangweilt!“, sagte sie.
„Ach Unsinn wir eh.......nun ja.“, stammelte Keitaro.
„Liegt der alte Griesgram schon im Bett?“, fragte Kitsune.
„Nicht direkt. Seine Mutter hat ihn heute Nachmittag abgeholt, um etwas zu erledigen.“
„Was?“, warf Tomoe ein,“Wozu bitte? Ich hoffe Shiori weiß, dass in Kürze die Uni wieder los geht! Hat sie denn wenigstens gesagt, wohin sie mit ihm wollte?“
„Nein. Sie war so schnell weg, dass ich gar nicht fragen konnte.“
„Na ja, vielleicht will sie nur etwas Zeit mit ihm nachholen.“, warf Shinobu ein,
„Ganz bestimmt.“, sagte Muzumi,“Aber es ist doch ganz gut das er mal nicht da ist oder?“
„Genau!“, erwiderte Su, “So können wir schon mal alles vorbereiten!“
„Aber findet ihr nicht, dass wir es ein wenig übertrieben haben?“, fragte Motoko.
„Sei mal keine Spaßbremse.“, sagte Naru,“Wir rufen Shiori gleich mal auf ihrem Handy an und sehen dann weiter.“
Alle stimmten zu und verteilten sich.
„Macht ihr mal. Ich seh mir mal das Paket an, was für mich gekommen ist.“, entgegnete Tomoe und verzog sich nach oben.
Schnaufend und stöhnend, stapfte sie den Korridor entlang und schob ihre Türe auf. Als sie sich im Spiegel betrachtete, seufzte sie und band sich ihre Haare zu einem kleinen Zopf zusammen und besah sich danach das Paket, was auf ihrem Tisch lag. Vorsichtig tastete sie es ab und schlitzte es an einer Ecke langsam auf. Und als sie den Inhalt dann endlich in den Händen hielt, breitete sich Entsetzen auf ihrem Gesicht aus. Rasch, lies sie es fallen und zuckte zurück.
„Nein das........das kann nicht sein!“, hauchte sie,“Unser Fotoalbum?! Aber wie.......wie nur....?!“
Das Fotoalbum war in ein schuppiges, rotes Leder gehüllt. Mit zitternden Händen, versuchte sie es aufzuklappen ohne die Nerven zu verlieren und legte es wieder auf den Tisch. Und dann, begann sie die ersten Seiten umzublättern. Die ersten fünf zeigten ihre Eltern, wie ihre Mutter schwanger im Wohnzimmer saß, ihr Vater von selbiger durch die Gegend gescheucht wurde um die Hausarbeit zu erledigen. Sie sah sich selbst, wie sie gerade mal mit zwei Jahren zu Krabbeln anfing, lernte zu laufen und sogar den ersten Schultag hatten sie festgehalten.
Tomoes Lippen zitterten und die erste kleine Träne, rann ihr die Wange hinunter. An ihren ersten Schultag konnte sie sich noch gut erinnern. Ihre Eltern waren der Verzweiflung nahe, als sie immer darauf bestand, das ihre Kleidung „Rot“ sein müsste. Keine andere Farbe wollte sie. Ein anderes Foto zeigte Tomoe, mit einer Sandkastenfreundin, an die sie sich nur noch schwer erinnern konnte. Wahrscheinlich hatte sie das nur verdrängt und dachte nicht weiter darüber nach. Sie vergaß die Zeit und bemerkte nicht, wie die Nacht hereinbrach.
Die nächsten Seiten waren für sie ein wenig uninteressant. Also überflog sie diese nur. Besuche von Onkel und Tanten, dann aber fand sie zwischendurch einige Fotos mit ihren Eltern auf den Rummelplatz, im Zoo, sogar im Schwimmbad. Mit jedem einzelnen, steigerte sie sich mehr und mehr in ihre Traurigkeit hinein, konnte immer schwerer und schwerer aufrecht sitzen, begann zu schluchzen und sich die Nase zu schnäuzen – bis sie es irgendwann einfach nicht mehr aushalten konnte. Beim letzten Bild auf dem ihre Eltern sie je an einer Hand hielten und in die Luft schwangen, brach sie zusammen. Ein Sturzbach aus Tränen ergoss sich, ihre Trauer hatte sie mit einem stechenden Schlag in die Magengrube erwischt.
Sie legte den Kopf auf ihre Arme und lies ihrer Trauer freien Lauf. Jede noch so schöne Erinnerung zerbrach, ging in Flammen auf und verschwand.
„Wo.....womit....haben wir das nur verdient?!“, fauchte sie und hustete,“Ich meine......wieso wir?! Wieso ausgerechnet wir?! Wer auch immer mir dieses Ding geschickt hat......ach...scheiße!“
Sie raufte sich die Haare und taumelte zu ihrem Bett, um davor auf die Knie zu fallen und den Kopf auf die Matratze zu legen. Zum Schluss, gab sie ihrem Tisch noch einen Tritt und wollte sich hinlegen. Doch das Album fiel herunter und etwas glitt zwischen den letzten beiden Seiten hervor. Langsam drehte sie sich wieder um und fand ein großes Einzelfoto. Behutsam hob sie es hoch und blickte neugierig auf das Bild. Eine Ansammlung von vielen Leuten in eine Art großen Garten. Ganz vorne waren ihre Eltern. Beide hielten ein großes Banner in den Händen auf dem scheinbar ein Klansymbol abgebildet war. Ein flammend roter Phoenix der in einem Kreis seine Schwingen ausgebreitet hatte, um geben von Feuer. Die Leute neben ihren Eltern, verwunderten Tomoe doch sehr. Sie kannte diese Leute und sie erkannte auch nach kurzem Überlegen deren Klansymbol. Eine rote Spinnenlilie die umgeben war von drei Symbolen die sich ähnlich sahen, doch diese waren verwischt und kaum noch zu erkennen.
„Einen Moment mal.....“, murmelte sie, räusperte sich und zog sich den Rotz von der Nase hoch,“Das sind doch.......Isshinas Eltern! Aber warum? Was haben die mit meinen Eltern zu tun?! Und warum zum Henker liegt dieses Foto in unseren Familienalbum?!“