Etwa einen Tag nach dem Sportfest, setzten Tomoe und ich uns in den erst besten Bus um Isshina einen Besuch abzustatten. Unser Misstrauen hatte ein neues Niveau erreicht, wobei ich zumindest für meinen Teil, langsam das Gefühl hatte, das wir alle gut mit Isshina auskommen könnten. Sogar Tomoe hatte dies bezüglich schon Fortschritte gemacht. Aber diese eine Tat von ihr, hatte mich in meinen Grundfesten erschüttert. So auch Tomoe. Zwar wollten wir noch am gleichen Tag, nach dem großen Wettrennen um den Sieg beim Sportfest zu Isshina fahren, fanden es dann aber wirklich unpassend mit schweißnassen Klamotten hinzufahren. „Vermutlich hätte sie uns dafür wieder gemaßregelt.“, hatte Tomoe mir gesagt. Und als wir dann vor ihrem Anwesen standen, musste ich mich kurz sammeln, denn mit langen Busfahrten hatte ich noch so meine Probleme und stand auch jetzt wieder kurz davor, mich zu übergeben. Tomoe betätigte schon mal die Klingel.
„Beim nächsten mal besorgen wir dir Reisetabletten.“, sagte sie und reichte mir ihre Wasserflasche.
„Ist das sowas wie Aspirin?“, fragte ich und nahm einen großen Schluck.
„So ähnlich.“, erwiderte sie,“Hast du dir schon überlegt wann das große Fressen stattfinden soll?“
„Nein noch nicht. Erst brauche ich noch Chajiros Zusage.“
„Ah ja, Nagaodas Freund den du als Godzilla bezeichnet hast.“, lachte Tomoe.
„Hey, das sollte ein Kompliment sein!“, nörgelte ich,“Du weist doch wie sehr ich Godzilla mag!“
„Ja ja schon gut. Jetzt Konzentration. Und, würde es dir was ausmachen, mich fürs erste reden zu lassen?“
Ich zuckte die Schultern.
„Tu dir keinen Zwang an.“, ich besah mir ihren Kopf genauer.
„Was?“
„Warum noch mal, trägst du bitte ein schwarzes Kopftuch?“, fragte ich.
Ich meinte zu erkennen, dass sie etwas rot anlief, aber sicher lag das nur an der mörderischen Hitze.
„Ich dachte, dass schwarz und rot nun mal gut zusammen passen und eh.....“, sie stockte und warf sich dann in Pose,“Gefällt es dir?“
Ich hob meine Augenbrauen an und schüttelte den Kopf.
„Wie war das noch mit Konzentration?“, grinste ich.
„Oh, jetzt hast du es mir aber gegeben!“, kicherte sie,“Übrigens, wo bist du während des Rennens eigentlich hin verschwunden? Du warst auf einmal wie vom Erdboden verschluckt......“
„Nun ja eh.........“
Doch einer von Isshinas Bediensteten zog mich gerade noch mal aus der Misere und ich dankte ihm dafür.
„Wir möchten bitte mit Isshina sprechen. Es ist dringend!“, sagte Tomoe und verneigte sich.
„Sehr wohl.“, sagte er und führte uns hinein,“Korukawa Sama erwartet euch bereits.“
Das, machte uns wieder sehr stutzig. Rasch, begaben wir uns ins Haus, ließen uns vom Diener auf die Veranda führen, wo Isshina mit einer Shamisen und einer Tasse ihres speziellen Tees, den sie mir mal eingeflößt hatte, mit gekreuzten Beinen saß und ihre Finger über die Saiten gleiten lies.
„Hallo wie geht’s denn so, Isshina?!“, sagte Tomoe mit ernster Mine.
Isshina drehte sich im sitzen um, nickte uns zu, setzte dann ihr gewohntes, kaltes Lächeln auf und hob ihre Tasse an.
„Darakaija.“, sagte sie gelassen,“Deine Kühnheit ist wirklich beeindruckend.“
Zwei Monate zuvor......
Ich rannte durch das riesige Feld voller roter Spinnenlilien, drehte mich ab und zu verängstigt um, ob ich immer noch verfolgt wurde. Hinter mir, hörte ich ein lautes Zischen. Als ich ein paar Bäume, die in einen Wald hineinführten passierte, drangen von vorne verzweifelte Schreie auf mich ein. Sie riefen meinen Namen, baten um Hilfe. Bis sie dann vom tosenden Feuer, was sich links und rechts von mir langsam erhob, verschlungen wurden. Ich stolperte, begann zu straucheln und fiel in eine Schlammpfütze. Hustend, kam ich wieder hoch, meine Knie zitterten und wollten erst nicht so richtig. Und da, sah ich zwei gelb leuchtender Augen, in der Spiegelung der Pfütze. Das Zischen, saß mir jetzt direkt im Nacken und ich traute nicht, mich umzudrehen. Ein dicker, schuppiger Schweif, umkreiste mich. Er schlang sich um meine Beine und wanderte dann immer mehr an mir hinauf. Die Schuppen waren blutig rot, hatten ein sich immer wiederholendes, schwarzes Spiralenmuster. Ich drehte mich automatisch um, verschloss meine Augen vor dem Ungeheuer von Schlange, was sich vor mir aufbaute. Erst streckte sie mir ihre Zunge entgegen, brüllte mich dann mit „Ssssschakal!“ und zeigte mir ihre langen, vor Gift triefenden Zähne. Als sich ihr Maul wieder schloss, riss sich an ihrem Kopf die Haut von alleine auf und ein drittes Auge zeigte sich mir.
„Nein....nein! Bitte nicht!“, flehte ich und versuchte mich aus ihrem Griff zu befreien.
Doch sie drückte weiter zu. Das Feuer hatte mich und die Schlange umkreist, schloss seinen Kreis enger und enger. Bis die Schlange mit dem Hieb eines langen Katanas enthauptet wurde. Eine scharlachrote Blutfontäne benetzte den Boden und der Körper der Schlange, löste sich im schwarzen Rauch auf. Sicher, war jedoch noch lange nicht, denn die nächste Gefahr, stampfte durch das Feuer, direkt auf mich zu. Aber besonders viel sah ich nicht. Nur einen dunklen Schatten mit blutig roten Augen, die sich in meine Seele hinein brannten. Ich konnte meine Augen nicht davor verschließen, als wäre ich in einem Bann. Der Schatten zog sein Katana, holte aus und ging damit auf mich los. Ich wich kriechend zurück, wich immer knapp der Klinge aus, die meine Kleidung zerfetzte. Der nächste Schlag riss mir ein paar Haare aus, fügte mir eine schwere Wunde am Arm zu. Nun hing er völlig nutzlos an mir herab. Vor lauter Verzweiflung wollte ich um Hilfe rufen, doch das brachte nichts. Der Schatten, öffnete sein drittes Auge, zog mir die Beine weg und stellte sich mit einem Fuß auf meinen verletzten Arm. Vor Schmerzen schreiend, versuchte ich mich los zu kämpfen, kratzte und schlug auf seinen Fuß ein. Aber leider war das alles vergebens, denn die Klinge des Katanas, durchbohrte nun meine andere Schulter. Ich gab einen erstickten Laut von mir und blieb gelähmt im Dreck liegen, immer noch das Feuer um mich herum. Ein letztes mal, hob der Schatten sein Katana an, und zielte dieses mal auf meine Stirn. Er rammte es nach unten und mit einem lauten Schrei, fiel ich aus meinem Bett.
Ich erschreckte dabei Kanakos Katze und schrie dadurch noch lauter, als sie plötzlich vor mir saß. Hastig, suchte ich rückwärts laufend vor ihr das Weite, stolperte nach hinten und lief direkt, in Tomoe hinein. Auch sie sah wenig ausgeschlafen, sondern mehr verängstigt und hysterisch aus. Wir stießen mit den Rücken aneinander, wirbelten herum und hatten beide zum Schlag ausgeholt. Als wir dann sahen wer vor uns war, stießen wir noch mal einen kurzen Angstschrei aus und zuckten zurück.
„Schlecht geträumt?!“, hauchte sie und schnappte nach Luft.
„N-nein!“, log ich und nickte ihr zu,“Und du?!“
„Ü-überhaupt nicht!“, stammelte sie.
Unsere Wege trennten sich. Ich ging ins Bad, während sie nach unten ging.
Unten, hatten sich schon alle zum Frühstück versammelt.
„Was hat euch denn so furchtbar erschreckt?“, fragte Naru.
„Wir uns gegenseitig.“, seufzte Tomoe.
„Und wo bleibt Rayo?“, kam es von Kitsune.
„Der müsste grade im Bad sein."
Kurz darauf, kam ich dazu und schreckte erst mal zurück.
"Was zur.......", stammelte ich und rieb mir die Augen, "Was, ist denn mit euren Haaren passiert?"
Sie alle hatten farbige Strähnen im Haar. Jede, hatte eine andere Farbe. Muzumi, Naru und Keitaro hatten sie jeweils gelb gefärbt. Kitsune und Kanako grün, Su glänzte mit einem dunklen Blauton und Shinobu mit weiß. Motoko stach mit ihren orange etwas aus der Masse hervor. Tomoe genoss ihren Tee und grinste dabei breit in die Runde, da sie und Isshina, die einzigen waren die am ende der Schlacht noch auf dem Feld gestanden haben.
"Schon vergessen?", fragte Naru, "Wir haben doch verloren!"
"Und du bist auch noch dran, Schätzchen.", sagte Kitsune schelmisch.
"Da wir aber gnädig sind, geben wir dir noch Zeit, bis zum Sportfest. Danach musst du dich entscheiden, wie wir deine Haare färben sollen.", kam es von Muzimi.
Ich seufzte und setzte mich zwischen Tomoe und Kitsune. Letztere fuhr mir durch die Haare.
"Kitsune, nicht jetzt.", brummte ich, als ich mir einen der Pfannkuchen nahm.
"Weißt du......ich glaube, rot könnte gut zu dir passen. Oder doch lieber ein grelles Grün.", sagte sie .
Die nächste Woche lies nicht lange auf sich warten, aber dennoch verlief sie etwas zäher als gewohnt. Im Geschichtskurs, lies Tomoe sich dazu überreden, sich direkt neben Isshina zu setzen. Meine Mitbewohnerin musste zähneknirschend gestehen, dass sie und ihre Rivalin bei der Schlacht im Garten, gar kein so schlechtes Team abgegeben hatten, als es darum ging mich außer Gefecht zu setzen. Den Vorfall beim Schwimmkurs, hatte sie schon wieder vergessen und ging auch nicht weiter darauf ein. Heute wollte unser Dozent, Imaeda Uranishi, mit dem angekündigten Thema des feudalen Japans und der Samurai beginnen. Was den geheimnisvollen Darama Orochida anging, meldete sich Isshina zu Wort.
„Wäre es im Bereich des Möglichen, wenn der gesamte Kurs, einen Ausflug zur Heimat des Orochida Klans unternehmen könnte?“, fragte sie und zog dabei die Aufmerksamkeit des Kurses auf sich.
Auch Tomoe und ich wurden hellhörig. Selbst der Dozent wurde neugierig.
„Ein ausgezeichneter Vorschlag, Korukawa. Allerdings würde ich sagen, warten wir damit noch etwas. Wenn es soweit ist, sage ich Bescheid.“
Während alle anderen im Kurs miteinander tuschelten, beugte sich Tomoe nach hinten.
„Sag mal, warum bist du so von diesem Orochida besessen?“, fragte sie.
„Alles nur eine Frage der Zeit Darakaija.“, blockte Isshina gelassen ab,“Wartet es einfach ab.“
„Komm schon.“, hakte ich nach,“Wenigstens uns kannst du es verraten!“
„Nein, nein, nein.“, lächelte Isshina und wedelte mit dem Finger vor meiner Nase herum,“Das bringt auch nichts. Ich schweige wie ein Grab.“
„Ja ja.“, seufzte Tomoe,“Rayo, denk daran das wir am Wochenende wieder trainieren gehen.“
„Ist gut. Diesmal richte ich sicher kein Chaos an!“, lachte ich.