Während die anderen genauso fassungslos mit offenen Mündern auf diese Szene starrten, spuckte ich nur aus und ging wieder rein. Mutter hockte sich hin und flüsterte ihrer Begleitung etwas zu.
„Das geschieht dir recht, Senichi!“, höhnte sie und lachte ihn auch noch aus.
Ich stapfte vorbei an Tomoe und ging nach oben in mein Zimmer. Sie schüttelte nur den Kopf und ging zu Mutter und Senichi. Meine beiden Geschwister, versuchten derweilen irgendwie, den am Boden liegenden wieder auf zu helfen.
„Siehst du was du angerichtet hast?“, fragte Tomoe und wandte sich an Hikari,“Hast du sie nicht aufhalten können?“
„Ich habs wirklich ganz doll versucht.“, sagte Mutters alte Freundin,“Aber Shiori ist beängstigend und ihre Überzeugungskraft steht dem im nichts nach!“
„Ich verstehe gar nicht was ihr alle habt.“, sagte Mutter Achselzuckend,“Es ist doch alles ganz normal verlaufen. Anders hab ichs nicht erwartet.“
„Wollen wir mal hoffen, das unser Sorgenkind sich wieder beruhigt, sonst sehe ich echt schwarz!“, schnaufte Tomoe und ging mit Mutter zu den Anderen.
Die waren natürlich sofort neugierig, als sie meine beiden Geschwister zu Gesicht bekamen. Die Zwillinge hingegen, hatten bei den vielen neuen Gesichtern, eher gemischte Gefühle. Meinem Bruder, hatte Mutter eine Kappe aufgesetzt und Naomi trug wie sonst auch, ihre Schleifen im Haar, damit ihre Hörner versteckt blieben. Besonders ihre Fledermaushaarspange, präsentierte Naomi voller Stolz.
„Sag mal spinn ich jetzt oder, sieht der Kleine genauso aus wie Rayo?“, warf Kitsune ein und begab sich auf Augenhöhe mit Seiryu.
Sofort lief mein Bruder rot an und versteckte sich hinter Mutter.
„Nehmt ihm das nicht übel.“, seufzte Mutter und hob Seiryu hoch,“Jetzt begrüße sie doch endlich mal. Selbst deine Schwester gibt sich alle Mühe.“
„Wie heißt du denn?“, fragte Shinobu als sie meiner kleinen Schwester die Hand reichte.
Doch Naomi streckte ihr nur die Zunge raus und blähte die Backen auf.
„Sie scheint wohl nicht gut gelaunt zu sein.“, gluckste Naru.
„Unsinn.“, sagte Mutter und schob Naomi weiter nach vorne,“Sie ist nur hier weil sie ihren großen Bruder sehen will. Da sich der sture Bock aber gerade verzogen hat, spielt sie sich hier so künstlich auf.“
„Dann kommt am besten mal rein.“, sagte Tomoe, “Ich bringe Naomi dann mal zu Rayo. Und Hikari!“
„Ja?“
„Bringst du Senichi direkt mit rein, oder brauchst du dabei Hilfe?“
„Keine Sorge ich schaff das schon!“
Während sie alle hinein gingen, löste sich Seiryu von Mutter und nahm Tomoes Hand.
„Sag mal geht es nur mir so, oder könnten Rayo, sein Vater und sein kleiner Bruder, Drillinge sein?“, fragte Muzumi.
„Da bist du nicht die einzige die das anmerkt.“, erwiderte Tomoe,“Ich bin aber dennoch froh, das es nur „DIESEN“ einen Rayo gibt und die anderen beiden nicht genauso drauf sind wie er.“
„Wir haben schon genug mit einem Rayo zu kämpfen. Da brauchen wir nicht noch mehr von der Sorte!“, sagte Motoko schief grinsend.
Drinnen angekommen, riss sich Naomi erst mal von Tomoe los und raste dann einmal kreuz und quer durch das gesamte Ryokan, woraufhin Seiryu und Tomoe nur mit den Kopf schüttelten.
„Eieieiei, ich sollte besser aufpassen bei dem was ich sage.“, seufzte meine Mitbewohnerin,“Sie ist genauso wie Rayo! Hitzköpfig und rennt dann auch noch blind drauf los!“
Seiryu nickte nur kurz darauf und blieb weiterhin brav an Tomoes Hand. Doch glücklicher Weise konnte sie von Haruka noch mal geschnappt werden und die hatte sie erstaunlich gut im Griff.
„Dageblieben Prinzessin.“, sagte sie und kam dann mit Naomi auf den Arm zurück.
„Ich muss mich bei dir entschuldigen.“, sagte Tomoe und verneigte sich, was Seiryu ihr gleichtat,“Sie hat sich einfach losgerissen.“
„Unsinn. Wir alle waren mal Kinder.“, winkte Haruka ab,“Aber kannst du mir verraten was Rayo über die Leber gelaufen ist? War ja gar nicht wiederzuerkennen.“
„Sein Vater ist mitgekommen. Ich hab Shiori aber auch gewarnt, dass sie das bitte lassen soll!“
„Ah ja, Senichi.“, wiederholte Haruka,“Na hoffentlich hat der seine Lektion mittlerweile gelernt und bleibt jetzt schön bei seinen Sprösslingen. Sonst geb ich Kentaro nämlich auf unbestimmte Zeit Urlaub und dann kann Senichi hier für nen Hungerlohn aushelfen.“
„Ganz so streng brauchst du aber auch nicht mit ihm zu sein.“, kam es von Mutter,“Er hat seine Strafe durch meinen kleinen Prinzen schon bekommen. Schlimmer kanns also nicht werden.“
„Na hoffentlich bereust du das gleich nicht wieder.“, sagten Tomoe und Haruka gleichzeitig.“
Während sich alle im Foyer versammelten, ging Tomoe endlich mit den Zwillingen nach oben und stand dann vor meinem Zimmer, was ich natürlich abgeschlossen hatte. Genervt stöhnte Tomoe auf und hämmerte gegen die Türe.
„Rayo!“, sagte sie mit kräftiger Stimme,“Jetzt sag bloß nicht, das du pennst! Also mach die Türe auf, oder ich lass sie von Seiryu aushängen!“
Da aber keine Antwort kam, schnaufte Tomoe nur. Kurz darauf, wies sie Seiryu an, die Türe auszuhängen, was auch schnell ging. Naomi stürmte als erstes ins Zimmer.
„Großer Bru........der?“, sie klang verwirrt,“Wo ist mein großer Bruder hin?“
„Was ist denn?“, fragte Tomoe und erspähte sofort das Fenster, was sperrangelweit offen stand,“Oh nein! Bitte nicht schon wieder! Wenn ich diesen gehörnten Holzkopf in die Finger kriege, wird der hier den Haushalt alleine schmeißen und uns von vorne bis hinten bedienen!“
Die Fensterscheibe bekam plötzlich Risse und die Scherben fielen dann laut scheppernd zu Boden. Die drei zuckten zusammen und die Zwillinge, versteckten sich hinter Tomoe.
Auch Mutter hatte etwas gespürt und blickte nach oben.
„Nanu?“, dachte sie,“Nach Tomoes kleinen Ausbruch zu urteilen, ist mein kleiner Prinz wieder mal abgehauen. Aber dennoch konnte ich seine Anwesenheit gerade deutlich spüren. Oder war das Seiryu? Nein. Naomi? Unmöglich. Ihre Kräfte sind im Vergleich zu denen der Jungs, sehr schwach und nicht ganz so ausgeprägt. Zwar war diese Anwesenheit schwächer als die von Rayo, jedoch war sie seiner sehr ähnlich. Aber, es sind doch nur die drei da oben! Ich hoffe Mami muss sich keine Sorgen machen!“
Ich hatte mich erfolgreich durch den Garten schleichen können, ging um das Ryokan herum und schreckte jemanden auf. Wer genau es war, konnte ich nicht erkennen, aber das war mir egal. Ich musste dringend Dampf ablassen und keiner der anderen, noch nicht einmal Mutter der Tomoe, sollten mich so geladen und gereizt erleben.
Kurz darauf, klingelte es erneut an der Haustüre und ein Freudenschrei ging einmal durch das gesamte Ryokan.
„Tomoeeeeeeee!“, schrie Yu aufgeregt und fiel ihrer alten Freundin um den Hals.
„Hey, pass doch auf!“, lachte Tomoe und musste sich bemühen auf den Beinen zu bleiben,“Bist du etwa ganz alleine hergekommen?“
Yu nickte nur und suchte gleich hinter meiner Mitbewohnerin Schutz, als Mutter und die anderen dazu kamen.
„Wa-warum sind denn auf einmal so viele Leute hier?“, schluckte Yu und zitterte.
„Rayos Eltern und seine Geschwister sind zu Besuch hier.“, erklärte Tomoe,“Aber der Dummkopf hat schlechte Laune und ist ausgebüchst.“
„Ich glaube, dem bin ich gerade begegnet.“, sagte Yu knapp und ihre gute Laune, war wie weggeblasen.
„Ach du meine Güte.“, stöhnte Tomoe,“Gut, dann lassen wir den erst mal in Ruhe.“
„Ganz genau.“, sagte Naru,“Der alte Griesgram braucht ein wenig Zeit für sich.“
„Sicher ist er zum Essen wieder hier.“, warf Keitaro ein.
„Ich glaube, eine einfache Mahlzeit reicht da nicht aus.“, sagte Haruka,“Wie ich den Burschen mittlerweile kenne, muss schon ein All-you-can-eat Buffet angerichtet werden, damit er zurück kommt.“
Auf meinem weg ohne irgendein Ziel, suchte ich ein wenig Trost und zwar in der Imbissbude. Da ich die Mädels mittlerweile aber gut genug kannte, wusste ich genau das ich hier nicht lange bleiben konnte. Also bestellte ich mir das übliche und zog wieder meines Weges. Wenn da nicht jemand gewesen wäre, der gähnend in mich rein gelaufen wäre. Die Konsequenz davon war, das ich vor Schreck mein Essen fallen lies.
„Hey!“, raunte ich,“Das darf doch nicht wahr sein! Hast du ne Ahnung was für einen Hunger ich..........oh ne!“
„Sag mal, verfolgst du Blödmann mich etwa?“, gab Nagaoda genauso mies gelaunt zurück,“Kannst du nicht aufpassen wo du hinläufst?!“
„Das musst du gerade sagen! Jetzt sieh dir mal an, was du gemacht hast! Du hast mein Essen ruiniert! Schon wieder!“
„Das war nicht mal mit Absicht.“, druckste Nagaoda herum.
„Ich hab die Schnauze voll!“, knirschte ich,“Jetzt bin ich endgültig sauer! Dafür schuldest du mir aber was!“
„Moment mal, eins nach de anderen.“, sagte er,“Verrat du mir erst mal, warum du so ne miese Welle schiebst.“
„Oh nein, erst schuldest du mir was!“, wiederholte ich.
Er seufzte schwer und ging mit mir wieder rein. Ein Dejavu später saßen wir draußen an einen der Tische. Ich natürlich mit einer doppelten Portion scharfem Takoyaki. Meine Laune wurde dadurch aber nicht wirklich besser. Höchstens mein Hunger wurde so gestillt.
„So, da du jetzt deine Genugtuung bekommen hast, verrätst du mir endlich was los ist?“
„Nicht so schnell.“, nuschelte ich mit vollem Mund,“Ich hab die Speisekarte noch nicht komplett gekostet und.....“
Als Antwort darauf bekam ich einen Schlag auf den Kopf.
„Sag mal, was glaubst du eigentlich wen du vor dir hast?“, erwiderte er gelassen,“Meiner Cousine hast du die Geldbörse schon leer gefressen. Aber bei mir, beißt du da auf Granit mein Freund! Reicht dir das oder brauchst du noch mal nen Denkzettel?!“
Schmollend rubbelte ich meine Beule und wimmerte.
„Das war gemein! Du bist genau wie Tomoe. Verstehst auch keinen Spaß!“
„Ja ja, das brauchst du auch gar nicht erst zu versuchen. Also, warum bist du heute so mies drauf?“
Nach einer Weile hatte ich ihm kurz und knapp alles erklärt. Wie meine Mutter mit samt diesen Kerl plötzlich beim Ryokan aufkreuzte, dann der Wutausbruch vom letzten Jahr, bei dem ich mich zuvor mit Tomoe heftig gestritten hatte und mich für fast zwei Tage von ihr entfernte. Zum Schluss erwähnte ich noch beiläufig das dieser Kerl, der mein „Vater“ war, Mutter genau zwei mal verlassen hatte und ausgerechnet jetzt wieder aufgetaucht war.
„Wow, das ist richtig mies.“, antwortete Nagaoda und aß seine Portion weiter, ohne sich stören zu lassen,“Kann ich gut verstehen, dass du da so schlecht drauf zu sprechen bist. Meine Eltern haben mich vor ein paar Jahren rausgeschmissen.“
„Wie darf ich das denn verstehen?“, fragte ich.
„Na ja, sie fanden, dass ich zu faul war und dennoch gut alleine zurecht käme. Zu erst, war ich genauso wie du. Stinksauer und sofort hab ich mich von den beiden entfernt. Besonders auf meinen Vater war ich wenig gut zu sprechen, weil der den Stein dafür erst ins Rollen gebracht hatte. Aber mittlerweile kann ich die beiden verstehen.“
„Und was machen deine Eltern jetzt?“
„Beide arbeiten als Immobilienmakler. Und jeden Monat bekomme ich Geld von ihnen, damit ich mich selbst versorgen kann.“
„Was sind denn bitte Immobilienmakler?“, fragte ich verwirrt.
„Das heißt, sie verkaufen Häuser. Aber das ist unwichtig. Wichtig ist, dass ich mich wieder mit meinen Eltern vertragen habe. Und sicher wird dir das jetzt nicht gefallen, aber du musst dich früher oder später auch mit deinem Vater auseinander setzen.“
„Ich weis nicht, ob das so eine gute Idee ist.“, murmelte ich, stocherte in meiner mittlerweile leeren Pappschale herum und seufzte schwer,“Schon wieder leer. Heute geht auch echt alles den Bach runter.“
Er klopfte mir auf die Schulter und steckte sich seinen Zahnstocher in den Mund.
„Dann wollen wir dich mal irgendwie ablenken.“, sagte er und stand auf.
„Und wie wenn ich fragen darf?“
„Komm einfach mit. Vielleicht können dir meine Mitbewohner etwas Mut zu sprechen. Ich bin dafür etwas eingerostet.“
Ohne groß zu widersprechen schlurfte ich hinter ihm her.
„Wohnt ihr alle bei deiner Cousine?“, fragte ich.
„Unsinn.“, entgegnete er,“Du wohnst momentan in diesem „Hinata Ryokan“ oder?“, Ich nickte,“Dann hab ich mich doch richtig erinnert. Ich wohne nicht weit von hier in einer Studentenbude. Bin mal gespannt, ob du dich mit den anderen genauso gut verstehst wie mit den Mädels aus dem Ryokan. Sollte aber kein Problem sein.“
„Tomoe und ich machen.........Urlaub, könnte man sagen. Außerdem hat Mutter uns hier hergeschickt, damit wir einen Abschluss an der Uni machen.“
Er grinste etwas schief.
„Nimms mir bitte nicht übel, aber ich würde gerne darauf verzichten, deiner Mutter zu begegnen.“
„Ja, so denken alle, wenn sie von ihr nur hören! Sie macht auch mir Angst.“
„Na also. Endlich mal eine Sache in der wir uns einig sind.“
„Aber du kennst sie doch noch gar nicht!“, warf ich ein.
„Abwarten. Kümmern wir uns erst mal um deine schlechte Laune. Dann sehen wir weiter.“